Nevermore

Jetzt kommt das Leipziger Buchpreisbuch der Sparte Übersetzung Anne Webers Übersetzung von Cecile Wajsbrot “Nevermore” ein Buch, das die vielschichtigsten Übersetzungsfragen aufwirft und daher gut zu den beiden anderen prämierten Büchern passt und es ist sehr kompliziert, denn die 1954 in Paris geborene Cecele Wajsbrot, die auch als Übersetzerin tätig ist und teilweise in Deutschland lebt, hat einen Roman geschrieben, in dem eine Übersetzerin nach dem Verlust einer Freundin nach Dresden zieht und dort versucht Virigina Woolf “To the lighthouse” zu übersetzen und die 1964 in Offenbach am Main geborene und in Frankreich lebenden Autorin Anne Weber, die schon den dBp bekommen hat, hat das Buch übersetzt.

Sehr kompliziert, aber auch sehr poetisch und interessant und so ist auch das Buch. Spannend sich in die sieben Kapitel und verschiedene Vor- und Zwischenspiele einzulesen, wo die Autorin vom hundersten ins tausendsten kommt. und sich vor allem mit Verlusten und dem Neubeginn beschäftigt.

Es beginnt mit Übersetzungsfragen, wie kann man einen Satz so oder so übersetzen und da werden dann auch verschiedene Möglichkeiten angeführt und das ist eine Frage, die ich schon verschiedene Übersetzungsseminare besuchte und da hörte, daß da manche Übersetzer offenbar ganz neudeuten und dichten und ich selbst ja schon ins Hinid übersetzt wurde und da nicht recht weiß, ob ich da meinen Text noch erkenne, sehr interessiert und interessant ist auch, daß Anne Weber, das auf Französisch geschriebene Buch über eine von Englisch in Französisch übertragene Übersetzung ins Deutsche übertrug.

Es gibt auch einige englische Passagen in den Buch und die Autorin, die sich in einer Dresdner Pension befindet, springt dann von dem englischen Leuchtturm und der Familie, die diesen besuchen will, hin und her. Kommt nach Tschernobyl und zitiert, da Studien, welche Pflanzen dort trotz der Radioktivität in ihnen, glänzend gedeihen. Ein sehr aktuelles Thema, das Wort Ukraine zu lesen, obwohl das Buch schon im vorigen Juli erschienen und naturgemäß im Original früher geschrieben sein mußte, springt dann in das zerbomte Dresden, das sie interessiert, weshalb sie sich zur Übersetzung hingezogen hat. Geht da am Morgen in den Kulturpalast frühstücken, ins Theater oder Oper und des Nachts spazieren. Da hat sie dann geheimnisvolle Begegnungen und um Trennungen und Verluste, die sich vor allem in ihrem Inneren abspielen, geht es auch.

Sehr interesssant, den Klappentext, wo all das zusammengefaßt ist, zu lesen. Geht man dann in die zweihundertfünfundzwanzig Seiten wird es etwas mühsam. Vor allem, wenn man “To the lighthouse”, das auf Deutsch “Zum Leuchtturm” heißt, nicht gelesen hat und daher keine Ahnung hat, wer Mr. Bankes, Andrew und Prue, etcertera sind und habe öfter gedacht, daß ich Virigina Woolf endlich lesen sollte. Was dann ein Erfolg des Buches wäre, aber wahrscheinlich nicht die alleinige Absicht der Autorin war.

In die Innenwelt der Cecile Wajsmann eindzudringen war dann etwas mühsam. So muß ich zugeben, daß ich mich manchmal nicht recht auskannte und einiges übersprungen habe. Dann bleibt auchnoch die Frage in wieweit sich das Original von der Übersetzung unterscheidet. Anne Weber hat da auf dem “Blauen Sofa” der nicht stattgefuindenen Leipziger Buchmesse ein wenig Auskunft gegeben.

Interessant ist auch, wie so das Buch nicht “Niemals” oder “Nichtmehr” heißt. Aber das ist wahrscheinlich auch der Titel des französischen Originals und interessieren würde mich noch, wer und wieviele Leute das Buch gelesen haben und wieviele es vielleicht nach den ersten Seiten wegschmissen, weil “Da gibts ja keine Spannung, da kennen wir uns nicht aus, das interessiert und nicht!”, dennoch würde ich bei dem innteressanten poetischen Buch bleiben und mich darüber freuen, daß ich durch Anne Weber Cecile Wajsbrot von der ich vorher nie etwas gehört habe, kennenlernen konnte.

Alles was wir nicht erinnern

Jetzt eines von den zwei nominierten Sachbüchern des heurigen Leipziger Buchpreises, nicht das Gewinnerbuch, sondern Christianes Hoffmann Fußreise auf den Spuren ihres Vaters, der 1945 mit seiner Familie aus dem schönen Ort Rosenthal, heute Rozyna, in Niederschlesien, vertrieben wurde, so daß sie 1967 in dem Hamburger Vorort Wedel aufgewachsen ist.

Sie war Journalistin, hat ein paar Jahre in Moskau als Korrespondentin gelebt und ist jetzt erste stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung und das Buch ist eine Mischung ihrer Erinnerung und schwappt von der Gegenwart in die Vergangenheit hin und her. Der Vater ist 218 gestorben und sie war seit sie ein junges Mädchen war, mit ihrer Familie ein paar Mal im Rosenthal gewesen und ihre ganze Kindheit hat sie dieser Ort geprägt.

Was ist Heimat, dort wo man wohnt oder woran man sich erinnert, ist eine immerkehrende nicht beantwortete Frage und nach des Vaters Tod, den sie auch genau beschreibt, macht sie sich mit Rucksack und Wanderschuhen auf den Weg, diese Flucht, der Vater hat damals ein paar Monate gebraucht über die Tschechei nach Deutschland zu kommen, noch einmal zu Fuß nachzuvollziehen. Davon schreibt sie in ihrem Buch. Es ist Jänner 2020, die Pandemie naht, in irgendeinem Hotel wird sie durch einen russischen Sender davon informiert. Sie bricht die Reise dann ein paar Wochen und ein paar Dörfer später ab und kann dann nicht mehr zurück, weil Pandemie und Grenzsperre. Macht sich also erst im Juni 2020 wieder auf den Weg und dazwischen erzählt sie von ihrer Famliie, dem Vater, die Großeltern den Onkel Manfred, sie hat auch zwei Töchter und besucht auch Jan und Jadwiga, die jetzt in dem Vaterhaus leben und auch aus ihrer Heimat vertrieben wurden.

Die Familie bricht 2005 mit den Enkelkindern zuerst nach Görlitz auf, um dann in das Dorf zu kommen, wo die Polen zwar sehr freundlich sind, mit Kaffee und selbstgebackenen Kuchen aufwarten, aber eigentlich nicht wissen, was sie mit diesen alten Deutschen anfangen sollen?

Sie haben andere Sorgen. Die Frauen pflegen in Deutschland alte Menschen, das sind ihre Deutschen, die Kinder brechen zum Studium nach Amerika oder auch nach Deutschland auf. Die Höfe verfallen, obwohl es jetzt Rosen in den Gärten gibt, die früher zur Zeit des neunjährigen Vater, der beim schnellen Aufbruch auf seinen halben Matrosenanzug verzichten mußte, die Bluse blieb am Tisch liegen, wer sie wohl bekommen hat, als die rote Armee nahte?

Auf ihren Fußweg hat sie interessante Begegnungen, aber auch Rückenschmerzen, weil sei das Wandern nicht gewohnt ist. Ein freundlicher Apotheker empfiehlt ihr eine Salbe. Es riecht irgendwo nach süßen Blätterteigkuchen. Sie kauft das Stückchen. Es schmeckt aber, wie immer nicht so gut, wie es riecht. Ein alter Mann rät ihr auf den Weg aufzupassen, weil da ein Sumpf ist. Sie ignoriert seinen Rat, hält sich an die App und versinkt fast, seine alten Schokoladenzuckerl stärken und helfen ihr heraus.

Dreimal beschreibt sie, daß sie in ein Haus kommt wo ein alter Mann “dasitzt, als wenn er schon gestorben wäre”

Diese oftmal wiederholte Formulierung, fand ich etwas irritierend. Sonst ist es aber ein interessantes Buch, wo sie manchmal auch einen neunjährigen Jungen, der sie begleitet, visualsiert oder das Buch damit literarisch aufpäppeln will, wo man viel lernen und seine Geschichtskenntnisse auffrischen kann und mit Sprache und Übersetzung, das große heurige Buchpreisthema hat es auch etwas zu tun, mit Flucht und Vertreibung und der vielleicht immer noch nicht aufgearbeiteten Geschichte.

Und noch eine interessante Wiederholung, die freundlichen Begegnungen, die sie hat, mündet oft in der Frage, was sie hier macht ?

“Auf den Weg des Vater!” Allein?”, etwas, was die polnischen Bauern nicht verstehen und Ausländerfeinden ist sie auf ihren Weg auch öfter begegnet.

Etymologischer Gossip

Essays und Reden der 1979 in Berlin geborenen Uljana Wolf, die aus dem Englischen und dem Polnischen übersetzt und mit ihrem bei “kooksbooks” erschienen Buch den Sachbuchpreis in Leipzig gewonnen hat und es ist ein sehr ästhetish künstlerisch gestaltetes Buch, das auch für den “Preis der schönsten Bücher” nominiert werden hätte können und Uljana Wolf, die mir bisher unbekannt war, ist auch Lehrbeauftragte im “Institut der Sprachkunst” an der Angewandten und hat bei den “Edition der Korrespondenzen” verlegt.

Es geht also um das Übersetzen von Lyrik, um das künstlerisch anspruchsvolle Intellektuelle und Uljana Wolf hat auch eine solche Sprache. Es gibt Zeichnungen in dem Buch und wie schon erwähnt eine sehr schöne künstlerische Gestaltung, andere Seitensetzungen, schwarze Seiten, Kapitelumrahmungen, etcetera.

Beginnen tut es mit einer Art Vorstellung und der Beschreibung von wo Uljana Wolf, die auch in den USA gelebt hat, herkommt. Aus einem Ostberliner Pattenbau, den sie überflog, wenn sie von Berlin nach Wien wollte.

In “Dirty bird rtanslation” geht es um die “Übersetzung und Zugunruhe” im Gedicht, da ums Übersetzen von Christian Hawkey und da werden die Worte wie Luftburg, Fallenlassen, Landschaft und Holzweg erwähnt.

Ums Übersetzen aus dem Belasrussischen geht es auch, obwohl Uljana Wolf, wie sie schreibt diese Sprachen nicht kann. Sie erwähnt aber Volja Hapeyeva, die ich glaube ich schon in der “AS” gehört habe und dann geht es um Ilse Aichingers “Schlechte Wörter”, die sie gemeinsam mit den schon erwähnten Christian Hawkey ins Englische übersetzte und über Christine Lavants Gedichte geht es auch.

Es gibt dann die Rede, die sie zum “Peter Huchel-Preis”, 2006 bekommen hat.

Dann gehts zum “Prosagedicht”, da werden so wohl Charles Baudelaire, als auch Friederike Mayröcker , als auch Rosmarie Waldrop, die im Vorjahr auf der Übersetzerschiene gestanden ist und wieder Ilse Aichinger, die Uljana Wolf, glaube ich, sehr schätzt, zitiert.

Es geht um Uljana Wolfs Gedichtband “falsche freunde” und dann um eine auf Englisch geführte Konversation zwischen ihrund Simen Hagerup zu diesem Gedichtband, den sie auf dem “Audiator-Festival for ny poesi” in Bergen 2014 führte.

Mit Else Lasker-Schüler und ihre “Ankunftssprachen”, hat sich Uljana Wolf in einem anderen Aufsatz auch beschäftigt.

Um die Mehrsprachigkeit im Gedicht beziehungsweise Text geht es im nächsten Teil und da ist der Bezug zu Tomer Gardis Mehrsprachigkeit beziehungsweise “Broken German” sehr interessant, der ja ganz praktisch umsetzt, was Uljana Wolf ästhetisch theoretisch ausführt. Haben ja viele Autoren mehrsprachige Identitäten, egal ob migrantischer, touristischer Hintergrund oder das Pndeln von einem Wohnort zum nächsten.

Das wird in den Texte der polnischen Autoren Dagmara Kraus, die als Kind mit ihren Eltern nach Deutschland kam, ausgeführt oder in einem Text, wo es um den Tod von Sklaven während Sklaventransporte geht. Sterben sie eines natürlichen Todes hat der Besitzer den Schaden, sonst die Versicherung, also wurden sie über Bord geworfen.

Wie übersetzt man das?, fragt Uljana Wolf. Dann geht es noch um eine koreanische bildendende Künstlerin die verschiedene Identitäten und Sprachen hatte und das in ihren Werken ausdrückte und zum Schluß kommt Uljana Wolf und da schließt sich wieder der Bogen zu Tomer Gardi “Rundungen, zum Wiegenlied bzw. und Märchen und das hat der Belletristikpreisträger auch im ersten Teil seiner “Runden Sache” meiner Meinung nach sehr satirisch und schalkhaft ausgedrückt.

Also eine sehr interessante Preisvergabe und jetzt bin ich noch auf das Buch in der Sparte Übersetzung grespannt, aber da wird das Lesen noch etwas dauern.

Eine runde Sache

Jetzt komme ich endlich zum “Preis der Leipziger Buchmesse”, da habe ich ja von jeder Kategorie zwei Bücher bekommen. Den Dart habe ich schon beim “deutschen Buchpreis” gelesen und Tomers “Runde Sache” schon in der “Gesellschaft” gehört. Andere Belletristik habe ich nicht bekommen und jetzt Tomer Gardi s”Runde Sache”, den Belletritik-Sieger, den 1974 in Israel geborenen und in Berlin lebenden Tomer Gardi habe ich beim “Bachmann-Preis” kennengelernt.

Sein “Broken German” habe ich gelesen und jetzt eine “Runde Sache” oder zwei Romane in einem Buch. Denn zuerst stürmt ein Schriftsteller namens Tomer Gardi aus einem Theater, holt sich im Foyer Bier und belegte Brote und verliert das Gürkchen dabei. Der Intendant rutscht darauf aus und verletzt sich sein Gesicht und das Bein.

Tomer Gardi geht aufs Ko, zieht sich eine Plastikvagina aus einem Automaten und lernt dann einen Markus kennen, einen Literaturagenten, der ihm auf eine Yacht einlädt und Tomer Gardi erzählt ihm, daß er ein Lügenworkshop vorbereitet, denn so ist das bei der Literatur, alles nur Erfindung.

So entpuppt sich die Yacht auch als eine Jagd und der ewige Jude trifft auf einen Schäferhund namens Rex, der nur in “Üs” spricht. Vor ihm flieht er auf einen Apfelbaum. Dann verwendet er die Vagina als Maulkorb, was den deutschen Rex nicht gefällt. Sie treffen dann in dem Wald in dem sie sich befinden auf den Erenkönig oder den toten Elfenkönig, der seine Elfen verloren hat. Der alte Goethe ist also da und die Brüder Grimm rund die drei wanden bis zum Bad Obdach, sammeln dort Flaschen für den Supermarkt und treffen auch noch auf eine Oma, die sie auf einen Braten einlädt. Denn der Jäger hat ihr offensichtlich das Wild serviert, das wegen dem Adrenalin besser schmeckt.

Über die Arche Noah geht es dann ins Theater zurück, wo der Erlkönig und der Hund zwar verloren wurden. Tomer Gardi aber ziemlich ramponiert den Intendanten trifft und sie beschließen dem Publikum die Geschichte mit der Salzgurke zu erzählen.

Im zweiten Teil der “Runden Sache”, Tomer Gardi sagte auf dem “Blauen Sofa” nach der Preisverleihung, daß für ihn eine runde Sache eigentlich zwei gegenseitige Bedeutungen hat. Auf der einen Seite ist ein Kreis nie abgeschlossen, hat also keinen Anfang und kein Ende, die Bedeutung der “Runden Sache” besagt aber genau das.

So gibt es in dem Buch noch einen Roman der “Eine runde Sache” heißt, auf Hebräisch geschrieben und von Anne Birkenhauer übersetzt und da geht es um den indonesischen Maler und Prinzen Raden Saleh, der von 1811 bis 1888 lebte und viele Jahre in Europa, der Niederlande, Deutschland und in Paris gelebt und gemalt hat.

Tomer Gardi schildert seine Reise nach Europa und wieder zurück, spricht von seinen Kleidern, den “bohemischen”, den javanischen und anderen und, daß er nicht tanzen konnte. Er wurde an den verschiedenen Höfen herumgereicht, erhielt von Prinzen und Diplomaten Stipendien, hielt auch Beziehungen zu Arbeiterkreisen und versuchte auch die Bewegungen zu malen. Es gibt auch einen geheimnisvollen Erzähler aus der Gegenwart oder dem Jahr 2030, der all das erzählt.

Dieser Teil, der mit dem ersten nichts zu tun hat, obwohl er den gleichen Titel trägt, ist abgesehen von den immer wieder eingesprenkelten Bezügen aus der Gegenwart viel konventioneller erzählt.

Zwei Romane in einem oder eigentlich zwei Erzählungen und Tomer Gardi ist ein sehr weitläufiger Erzähler, der die verschiedensten Sprachstile oder Spiele perfekt beherrscht.

Teil eins würde ich als eine Farce bezeichnen. Alexander Carmele, der meinen Blog ja sehr verfolgt, sieht Bezüge bis zu Thomas Mann und den verschiedensten Philosophen darin. Soweit würde ich nicht gehen, sondern überlege immer noch das “Broken German”, das darin, wenn auch viel weniger, als in dem anderen Buch, enthalten ist.

Tomer Gardi spricht gut Deutsch, spielt also damit und das erregte viel Widerstand oder Diskussionen, als er in Klagenfurt seinen ersten Text las und ich bin auch irgendwie davon betroffen, da ich, weil ich mich immer noch gegen die Festlegung auf Rechtschreibregeln wehre und wahrscheinlich auch die Grammatik einer österreichischen Hauptschülerin habe, die irgendwie auch anders, als die deutsche ist, nicht und nicht in den Literaturbetrieb hineinkomme, obwohl ich das so gerne will.

Tomer Gardi, der in Israel geborene, spielt damit und die heurigen “Leipziger- Buchpreisgewinner” spielen alle mit der Sprache und den Problemen der Übersetzungen und das deutete Tomer Gardi in den Interview am “Sofa” auch so an, daß er natürlich eine andere Sichtweise durch seine Herkunft und Lebenserfahrungen, als beispielsweise die Interviewerin hat.

So entstehen Mißverstänisse oder können das und das ist natürlich eine Frage, die uns alle betrifft. Also ist die die Sache gar nicht so rund, wie es vielleicht den Anschein hat.

Heute graben

Jetzt kommt ein originelles Buch oder auch nicht so ganz. Denn vielleicht hat sich der 1985 geborene Mario Schlembach, der Film- und vergleichende Literaturwissenschaft studierte, sowie als Totengräber tätig ist und schon zwei Bücher geschrieben hat, nur entsprechend literarisch vermarktet und sich mit seiner Autofiktion, kann man das so sagen, auch ein bißchen an den großen Thomas Bernhard abgearbeitet, über den er vielleicht auch eine Diplomarbeit geschrieben hat.

Es gibt jedenfalls einen Ich-Erzähler, der, wo irgendwo steht, Mario heißt und der schreibt in fünf Notizheften einen Roman über eine A. Das heißt, die hat er schon geschrieben. Jetzt sucht er dafür einen Verlag oder eine Agentur. Er ist Totengräber, gräbt mit seinem Vater Urnen aus und ein und erzählt zwischendurch, wie das so ist, auch immer wieder skurrile Geschichten über seinen Job.

So hat auch Katja Gasser am Buchrücken “Als gelernter Totengräber versteht es Mario Schlembach dem Tod jene Komik abzutrotzen, ohne die das Leben zum Sterben wäre”, geschrieben.

Nun ja, so kann man es auch nennen oder literarisch erhöhen. Er hält auch manchmal Grabreden, fungiert als Sargträger, ißt zwischendurch Schnitzel, Berner Würstel oder saure Wurst und hat am Anfang eine Grippe. Damit geht er zum Arzt, der tippt auf eine verschleppte Lungenentzündung und der Leidensweg beginnt.

Am Klappentext habe ich schon gelesen, daß es dabei um dieselbe Krankheit, wie bei Thomas Bernhard geht. Das wird aber erst auf Seite hundertfünfundzwanzig angesprochen, dazwischen ist er schon längst von Diagnosezentrum zu Diagnosezentrum gepilgert, hat Computertomographien und Ultraschalluntersuchungen gemacht, beziehungsweise seine Augen eintropfen lassen und hat Cortison genommen, das sein Gesicht aufschwemmt und er auch zugenommen hat.

Da ist er dann nicht mehr so atraktiv bei den Frauen, um die sich in dem Buch auch alles dreht. So gibt es eine H. eine G. , eine S. und so weiter und so fort und immer wieder diese A. und das Buch über sie, das er mal im Zug liegengelassen hat.

Ein Lektor will es zuerst zugeschickt haben, dann lehnt er es ab, der Agent sagt Liebesromane gehen nicht mehr, schreiben sie doch als Totengräber über den Holocaust, das wollen die Verlage immer und, um seine wissenschaftliche Arbeit geht es auch. Dazu trifft er sich mit seiner achtzigjährigen Betreuerin im Gasthaus zu Frittattensuppe und Tafelspitz und der leichte Bernhard-Ton, ist nicht zu verkennen und auch, daß er sich als Totengräber literarisch inszeniert.

So hat er das auf jeden Fall bei einem Art Burgtheater Poetry slam so gemacht, wo er nur unter diesen Namen auftrat.

Also auf der einen Seite ein interessantes Buch, das sich in mehr oder weniger langen Tagebuchszenen immer um die gleichen Themen dreht. Die Untersuchungen, die Medikamente und das Graben, die Großmutter, der er Eier liefert, gibt es auch, sie rät ihm vom Cortison ab und schickt ihm zum Alternativmediziner, die Frauen, das Schreiben udn den Roman und so interessant, das in Verbindung mit der sehr ästetischen graphischen Gestaltung die “K&S” hat, auch ist.

So neu ist das Ganze nicht, klingt eher wie ein Debut, das sich an Thomas Bernhard orientierte, könnte man so sagen, aber das habe ich meinen letzten Büchern ja auch irgendwie getan und das wahrscheinlich mit einer nicht so perfekten Sprache wie Mario Schlembach.

Mit “Heute graben. Die Erde feucht, lehmig. Bei den ersten Brettern des Sarges sagt Papa. “Da drin lebst ewig”, schließt auch das Buch.

Gesichter

Nach der Psychiatriesatire von Kurt Fleisch kommt gleich wieder ein Psychiatrieroman, nämlich Tove Ditlevsen, von der ich ja den ersten Teil ihrer “Kopenhagener-Trilogie” gelesen habe, 1968 erschienene “Gesichter,” die von der Kinderbuchautorin Liese Mundus handeln.

Die hat einen Mann namens Gert, der sie betrügt und ihr erzählt, daß sich seine Geliebte Grete ermordet hat, drei Kinder und eine junge Haushälterin oder Kindermädchen namens Gitte. Sie hat auch einen Kinderbuchpreis bekommen und als Gert ihr erzählt, daß Grete sich ermordet hat und von ihr Unterstützung will, sagte sie, sie möchte schlafen.

Dann kommt Gitte zu ihr, die auch mit den Kindern auf Vietnam-Demonstration geht und sich ungefragt Bücher aus Lieses Zimmer nimmt und sagt, sie müße ihr die Schlafabletten wegnehmen, damit nicht das gleiche, wie bei Grete passiert.

Lese holt sich das Fläschen zurück, nimmt die Tabletten und ruft ihren Psychiater Dr. Jörgensen an, der sie in die geschlossene Abteillung einweist.

Dort hört sie Stimmen und verwechselt die Pfleger und die Schwestern mit Gitte und Gert, der sie aber nicht besuchen kommt, denn er mag keine Krankenhäuser. Es kommt ihre Mutter und eine Patientin kümmert sich auch um sie, denn sie glaubt, sie würde vergiftet werden, hört überall Stimmen, die aus Mikrophonen aus dem Kopfkissen kommen und die Patientin rät, das den Ärzten nicht zu erzählen, nur wie der König heißt und, daß sie weiß, wo sie sich befindet.

Sie kommuniziert viel mit Gitte aus der “Folterkammer”, glaubt daß Gert, die Tochter Hanna heiratet wird. Gitte kommt dann auch auf besuch, die anderen dürfen offenbar noch nicht, bringt Zigaretten und einen Lippenstift mit und als Liese gesund wird und wieder nach hause kann, sagt Gert ihr, er hätte Gitte hinausgeworfen und so fangen sie von vorne wieder an und Liese beginnt auch wieder zu schreiben.

Ein interessantes Buch, das man mit der “Glasglocke” vergleichen kann, das die Psychiatrie der Neunzehnsechzigerjahre schildert.

Ein wenig widersprüchig ist der Text trotzdem. Wie war das jetzt mit der Beziehung zwischen Gert zu Gitte und Hanne? Hat er sie jetzt betrogen oder hat sie sich das nur eingebildet und warum hat sie Gitte nicht selber hinausgeworfen, sondern sich alles gefallen lassen?

Tove Ditlevsen wurde 1917 in Kopenhagen geboren und starb 1976 an einer Überdosis Schlaftabletten, wo wir gleich die autobiografischen Züge haben.

Aibohphobia

Jetzt kommt ein Debut und eine Psychiatriesatire, die vom Autor Kurt Fleisch, das ist ein Psydonym von dem ich schon im Netz ein paar Kurz-Satiren gesehen habe, bezeichnet wird und da ist auch interessant, daß der selbständig in der IT-Branche Tätige, der Philosophie und Germanistik studiert hat, ein Video drehte, wo der allmächtige MMR mit dem Buch in der Hand “Um Gotteswillen warum bin ich verurteilt sowas zu lesen, das ist für mich eine Beleidigung!” vor sich hinbrabbelt.

Das ist es nicht, sondern ein Briefroman, wo ein Psychiater, der sich seltsamerweise zumindest am Beginn als Herr H. und nicht als Herr Doktor bezeichnet an seinen Patienten, Herrn S. schreibt und da beginnt es sehr konservativ. Das heißt Psychiatrie des Neunzehntenjahrhunderts von Lobotomie wird gesprochen und von der Halperidol Verschreibungen. Dann läßt, der Herr H., den Herrn S., den er auch abwechselnd als seinen Freund bezeichnet, in die Psychiatrie sprich ins Irrenhaus einweisen. Er weist sich dann auch selber ein. Kann nicht schlafen, nimmt Überdosi an Tabletten und schickt seinem Patienten ein Dauerrezept, das im Buch auch abgebildet ist. Dann reist er nach Marialzell und geht dort in die Basilika, resumiert über Gott und die Welt und über Terroristen, als welchen ihm die heiligen drei Könige erscheinen, während sich der Patient in einen Keller einbunkert und von Herrn Hs. Diener versorgt wird. Der Dr. H. erfindet dann verschiedene Maschinen mit denen man die Geisteskrankeneiten erforschen kann.

Da ist jetzt der Sprung in die Zukunft, in die moderne Psychiatrie, die vielleicht durch KIs ersetzt wird. Dann kommt Herr H. nach Basel in die Psychiatrie, nennt sich plötzlich Herr S. und bittet, den verehrten Dr. H um Medikamentation und in der “Gesellschaft für Literatur”, wo das Buch am vorigen Freitag vorgestellt wurde, resumierte Kurt Fleisch, der sich der Philosophie zugehörig hält, darüber, ob die beiden Herren vielleicht ein und dieselbe Person sind?

Ich denke ja und habe die zuerst so altmodisch erscheinende Psychiatriesatire durchaus interessant gefunden, wenn auch nicht so besonderns neu. Das habe ich alles schon bei meinen Besuchen bei den psychiatrischen Mittagen im AKH gehört und auch darüber gelesen. Die Briefform ist interessant, die philosophische Betrachtung die über die Geisteskrankheiten und die Gewalt die durch sie ausgelöst werden kann, gestülpt wird und interessant sind auch die kommunistischen Anspielungen, da wird dem Dr. H. unterstellt, daß er sich für Stalin hält. Von Brecht, Trotzki und Hanns Eisler geschrieben und natürlich in Sils Maria, wo weiland Nietzscheweilte, ehrhumspaziert.

Ein interessantes Buch, bin gespannt auf welche Debutisten es kommt. Aber dafür gilt es vielleicht für zuwenig literarisch, denn Kurt Fleisch interessiert sich ja für Philosophie und betätigt sich inder IT-Branche und mit der Videokunst.,

Kerbungen

Die 1933 geborene Elfriede Haslehner und die 1939 geborene Hilde Langthaler, genannt Bruni, was sie später aber gar nicht wollte, waren in den späten Siebzigerjahren, als ich in den “Arbeitskreis schreibender Frauen” gekommen bin, sicher meine prägensten literarischen Begegnungen. Als sich der “Arbeitskreis” 1984 auflöste, beziehungsweise ich in keinen Verein eintreten wollte, habe ich mit den Beiden und mit der in den Neunzigerjahren verstorbenen Valerie Szabo noch jangelang in den verscheidensten Wohnungen und Cafes zum literarischen Austausch getroffen.

Die Elfriede hat erst kürzlich ihre von der Ruth, die ich erst später kennenlernte, organisierten “Gedenklesung” im Lesetheater gehabt, die Bruni ist Anfangs 2019 gestorben und hat da auch einige Gedenklesungen gehabt und jetzt habe ich von ihrem Mann, dem lieben Richard, der ihr ein rührender Nachlaßverwalter ist, einen Bildband mit seinen Holzschnitten, die er, glaube ich, seit den Sechzigerjahren betreibt und vierzig ihrer Lyrik- oder Prosatexte herausgegeben, so daß ich im Monat März, wo wir ja noch immer der Lyrik gedenken mich wieder an eine wichtige Wegbereiterin meiner literarischen Karriere, die ja keine ist, gedenken kann.

Mein Verhältnis zu der Bruni war immer etwas schwierig und wir haben auch einige Auseinandersetzungen gehabt. Sie war mir glaube ich zu unsicher und zögernd und das habe ich nur schwer ausgehalten und sie hat sich wahrscheinlich an meiner Unsicherheit gestört. Besser ist das erst geworden, als ich “losgelassen” habe und sie nicht mehr unbedingt überzeugen wollte, daß ich eine gute Freundin bin.

Das Vorwort zu dem Band hat Susanne Ayoub geschrieben mit der die Bruni sehr befreundet war und sie hat das beschrieben, was ich auch so sehen würde. Die Bruni war sehr bemüht, hat ihre Texte immer wieder überarbeitet, war nie damit zufrieden und hat sie auch mehrmals und öfter herausgegeben.

Geboren wurde sie 1939 in Graz, als Tochter einer Ärztin, ihr Onkel war Theodor Sapper auch ein eher schwieriger Lyriker, die Großmutter Agnes hat ein immer noch existierendes Kinderbuch geschrieben, das ich einmal im Schrank gefunden habe.

Sie war in den Siebzigerjahren als ich sie kennenlernte und ist das wahrscheinlich immer, sehr engagiert und hat sich an tausenden Projekten beteiligt, was wahrscheinlich auch ihre Unzufriedenheit mit sich ausmachte. Sie hat Medizin studiert und war in den Siebzigerjahren auch noch als Ärtzin tätig. Sie hat den “Wiener Frauenverlag” mitbegründet und den “Ohrbuch-Verlag” wo sie zum Teil afrikanische Literatur herausgegeben hat, hat viele Reise nach Afrika und auch anderswohin gemacht und hat, glaube ich, auch einige Semester lang Film studiert und jetzt durch das Buch mit den schönen Holzschnitten des lieben Richard, die man unbedingt ansehen sollte.

Es gibt derzeit pünktlich zu seinem Achtziger auch eine Ausstellung und von den Texten, wo man das Zögern und das Zaudern und die Snnlosikgeit des Lebens deutlich ablesen kann, habe ich einige schon gekannt bzw, sondern sie in ihren früheren Publikationen enthalten.

“ADRIA 1993- Sarajevo” heißt der erste Text, da erlebt sie an den Badestränden den Krieg

“bei all der herrlichkeit des meeres und der sonne?

angst -wovor – und warum ich?

Und daneben sieht man am Holzschnitt, Sonnenschirme, Badende auf Decken und darüber schwirren die Flugzeuge.

“allein über die brücke

und doch so allein gehen wir

über die brücke-

so mutterseelenallein.”

“an deiner hand

an deiner hand will ich durch die blumen gehn

und auf keine treten

denn eine zarte blume ist die liebe

zertritt sie nicht”

Der gelassenere Richard war wohl ihr Lebensmensch und die Beziehung war, glaube ich, sehr gut und hat ihr vielleicht auch Halt und Stütze gegeben.

“als wir uns damals kennengelernt haben in hamburg,

warst du einmal bei mir im tropenkurs.

du hast mich da besucht

es wurde von der bilharziose gesprochen von einem wurm,

der sich in die haut eingräbt

und ich hab damals so einen gedanken gehabt,

ich möchte auch sowas sein,

das sich in dich,in deine haut eingräbt,

und immer bei dir ist

und von dir herumgetragen wird

und mit dir mein leben verbringt.

so ist es auch gekommen.

mein geliebter goggi,ich danke dir!”

“endloser tag

warum quält es mich

was soll der Tag, der endlose

und wohin führt er

warum kann ich nur mit meinen augen sehen

und mit meinen sinnen fühlen

immer wieder, wieder, wieder

endet niemals diese qual?”

“im hamsterrad

ich trete, trete

höre nicht auf zu treten, wenn auch immer auf der stelle.

seit anbeginn, seit ich mich erinnern kann.”

Daneben ist das Hamsterrad mit einem Bruni-Gesicht zu sehen und der nächste Text heißt passend

“im kopf-ein mühlenrad”, die “unsichtbare netze” gibt es auch.

Es gibt Texte, die sich mit dem Los der agerikanischen Frauen beschäftigen, die täglich ihre Lasten zum Markt schleppen, obwohl es ja Ochsen gäbe, aber was hätten sie sonst zu tun?, sinniert der Pfarrer, den die Bruni danach fragt.

Und zum Schluß, damit das nicht zu endlos wird, zwei meiner Lieblingstexte:

“von fäden gezogen

in normen geschnürt

marionetten

hastend

vom heute ins morgen” und

“wir kommen aus der ewigkeit

wir gehen in die ewigkeit

und in der kurzen zeit dazwischen…

schauen wir ständig auf die uhr”

Das Gedicht gibts glaube ich schon im Blog. Trotzdem waren in dem Büchlein auch einige Neuentdeckungen und so kann ich noch einmal Abschied nehmen von einer Weggefährtin, deren Unischerheit mich manchmal etwas genervt hat. Aber das bin ich auch selber und so stark und so direkt, wie sie kann ich meine Gefühle, wohl nicht ausdrücken, obwohl ich wahrscheinlich mehr und länger schreibe und dann auch nicht so unzufrieden mit meinen Texten bin.

Ein Präsident verschwindet

Julia Danielczyk hat ja bei der letzten “Wien Reihe” gefragt, wie man das macht, reale Personen in einen Roman einzubeziehen. Ralf Langroth das Psedudonym für einen erfolgreichen Autor, der in Hannover lebt, hat diese Frage mit seiner “Akte Adenauer” und “Ein Präsident verschwindet” schon verantwortet. Denn Konrad Adenauer war der erste Bundeskanzler der BRD und Otto John ,ein Verfassungsschutzpräsident, der am zwanzigsten Juli 1954 in den Osten verschwunden ist. Dann wieder auftauchte, verhaftet wurde und bis zu seinem Tod 1997 in Innsbruck, nicht mehr rehabilitiert wurde, obwohl er sich sehr darum bemühte.

Das sind die historischen Fakten, die auch auf einer Zeittafel festgehalten wurden. Dann gibt es zwei Personen, die schon im ersten Band eine Rolle spielten. Den Ermittler Philipp Gerber, der 1939 in die USA emigrierte und jetzt, das Buch spielt 1954, Kriminalhauptkommissar des BKA ist und die Journalistin Eva Herden, seine Freundin, die bei einem kommunistischen Blatt in Bonn, das ja damals die Hauptstadt Deutschlands war, arbeitete.

Das ist die Ausgangslage und es beginnt, vor allem wenn man den ersten Band nicht gelesen hat, sehr verwirrend und schwierig in die Fakten hineinzukommen, obwohl die Handlung eigentlich eher banal ist. Oder auch nicht, ganz im Gegenteil, denn es wird geschossen und gemordet, entführt und ein rauher Ton verwendet. Was das mit dem realen John zu tun hat, ist wahrscheinlich unklar oder natürlich, nach dem wird damals wohl auch gesucht worden sein.

Also der Hauptkommissar wird am Anfang zu Adenauer zitiert, der eigentlich zurück in den Schwarzwald will. Er soll nach John suchen und seine Freundin Eva ist offenbar in seine Entführung verwickelt und selbst in den Osten abgehauen oder verschwunden. Der Inhaber der kommunistischen Zeitung und seine Sekretärin werden ermordet. Eva ist auch in einen Mord verwickelt und Gerber fliegt mit einen Kollegen nach Berlin, dort sieht er ständig Eva, die zwischen Ost und West hin und herpendelt. Es gibt einen windigen Fotografem und einen “französischen Agenten” namens Walter Dorst, der mordet, Botschaften überbringt und dann auch mithilft Gerber in den Osten zu bringen. Dort wird er von der “Nachthexe”, eine russische Kampfliegerin namen Katya mit “y”, wie sie betont und dem Präsidenten verhört. Evas Vater, der der Lckvogel für sie war, wird ermordet und am Schluß kehrt John in den Westen zurück, obwohl er von Gerber gewarnt wird und wird, wie schon geschrieben verhaftet.

Besonders spannend habe ich diese Krimihandlung nicht empfunden, sondern eher, wie bewußt klischeehaft, um den realen Fall gelegt, um einen spannenden Thriller daraus zu machen. Aber das liegt wahrscheinlich an mir, daß mich diese kalte Kriegsgeschichten nicht so interessieren. Aber das Buch gelesen habe, weil mich ja historische Romane interessieren. Ein Widerspruch nicht wahr, aber das Lesen ist, wie das Leben widersprüchig, erweitert aber den Horizont und jetzt bin ich an der Auflösung des Pseudynym unseren Autors, der übrigens in der “Blauen Stunde” beim “Blauen Sofa” in Leipzig aufgetreten ist, sehr interessiert.

Drachen jagen

“Heroin auf Alufolie rauchen, wird in der Szene Drachen jagen”, genannt “und im sogenannten normalen Leben ist es die Jagd nach dem Erfolg”, schreibt die 1965 in Bremen geborene Journalisten Kerstin Herrnkind in ihrem Memoir oder besser wahrscheinlich Personal Essay in dem sie den Drogentod ihres Bruders Uwe beschreibt und es ist ein Buch, das man gelesen haben sollte, sei es zur allgemeinen Information oder wenn man als Angehöriger wissen will, wie es den Betroffenen geht und Kerstin Herrnkind geht ihre Recherche oder Bewältigungsarbeit sehr vielschichtig an.

Beginnen tut es mit dem Besuch zweier Polizisten um halb zehn Uhr Abends in Lübeck, die ihr den Tod des zweiundfünzigjährigen Bruders, der seit 2007 in einem Berliner Obdachlosenheim lebt, mitteilen, weil die Berliner Polizei vermerkt hatte, daß die Schwester verständigt werden will.

Ob das wirklich so passierte? Ich hätte eher gedacht, daß die Sozialarbeiterin Miriam des Heimes, die Verständigung übernimmt. Aber gut, die Polizisten sind freundlich, sagen sie haben Zeit, als Kerstin Herrnkind geschockt erzählt, daß der Bruder begabt gewesen sei, aber nie etwas daraus gemacht hätte und dann geht es los mit der Beschreibung, nachdem die in Spanien lebende Mutter verständigt wurde und Kerstin dem Bruder auch eine schöne Bestattung ermöglichte, wo auch die Sozialarbeiterin und die Kumpels aus dem Heim, Uwes neue Familie, wie Kerstin Herrnkind schreibt, anwesend waren.

Dann wird in der eigenen Familie bis in die Großelterngeneration recherchiert. Da sind wir im Krieg und die Familie kommt aus ärmlichen Verhältnissen, die Trauma und Gewalt erlebte und die auch an die Kinder weitergegeben hat. Es gibt eine Großmutter Helene und die Eltern haben den Drachen auf ihre Weise gejagt, als sie ihren Kindern ein besseres Leben ermöglichen wollte. Der Bruder Uwe war drei jahre jünger als Kerstin und drei Monate zu früh auf die Welt gekommen, was vielleicht einiges erklärt. Die Mutter ist sehr besorgt und behütend. Der Vater ambivalent, auf der einen Seite besorgt, die Kinder hatten auch die besten Kleider und Spielsachen und die Familie ist aus den Sozialwohnungen Bremens und Hamburgs bald in ein Haus ins Grüne gezogen, wo sie dann wieder isoliert und einsam waren und dann gibt es die Geschichte mit dem Strolchi, das ist Uwes Hund, aber als sich die Eltern scheiden ließen, hat der Vater den Hund einfach einschläfern lassen, was Uwe ihm nie verziehen hat.

Uwe hat Automechaniker gelernt und da schon zu trinken angefangen, weil man das da halt so macht. Später wollte er Technik studieren, hat das aber nicht geschafft, weil er, wie manche interpretieren, durch seine Frühgeburt so verhätschelt war, weil ihm alle Steine aus dem Weg geräumt wurden, daß er immer den leichteren Weg, das Studium also abgebrochen hat, gegangen ist.

Uwe hat zu kiffen angefangen, als die Schwester, die nach der Schule ein Jahr in Amerika war, von dort wieder zurückgekommen ist. Die Beziehung zwischen Bruder und Schwester war immer sehr eng. Die Schwester hat sich immer um ihn gekümmert, ihn besucht, Geld geschickt. Die Mutter tat das aus Spanien, wo sie Ferienanlagen betreut, auch. Der Vater war verschwunden und tat das nicht. Aber ein Zusammenleben der Beiden ging nicht gut. Uwe brach sein Versprechen nicht zu kiffen, fing zu dealen und dann auch den Drachen zu jagen an. So schmiiß sie ihn hinaus. Er zog in das Obdachlosenheim, wo er auch einen Hund haben konnte und sich die Sozialarbeiterin um ihn kümmerte.

Ein weiterer Teil des Buches ist die Sicht der Mutter, der Freunde, der Kumpels aus dem Heim gewidmet, die auch ihre Geschichte erzählen. Kerstin Herrnkind klärt die Frage, warum Uwe und nicht sie drogenabhängig geworden ist, mit der Geschichte, daß sie als Jugendliche mit einer Freundin Hanfsamen rauchen, beziehungsweise verkaufen wollte. Die Polizei kam darauf, es kam zu einer Anzeige. Hanfsamen sind zwar nicht gefährlich, aber Kerstin Herrenkind war für ihr Leben bekehrt. Mir ist das mit Sechzehn beim Rauchen so gegangen, als ich da von meiner Mutter eine Ohrfeige bekam. Auf der anderen Seite habe ich in der Rahlgasse, als da einmal Polizisten über das Thema Drogen informierten, gehört, daß man das einmal probiert haben muß und das hat auch Doris Nussbaumer zu mir gesagt, als ich ihr von meiner “Miranda” erzählte. Man kann nicht über einen Joint schreiben, wenn man keinen geraucht hat, was ich nicht so sehe und die Joints auch nicht für so ungefährlich halte, weil ich sowohl bei meinen Klienten als auch im Freundeskreis mehrere Psychosen, die dadurch ausgelöst wurde, erlebt habe.

Ein interessantes Buch, wo man viel darüber lernt, wie das Leben mit Drogenabhäniggen aussehen kann, das auch leicht zu lesen ist, obwohl mir Kerstin Herrnkind manchmal zu weitschweifig war. So zitiert sie die Nazivergangenheit eines Lehrers durch sein Entnazifierungsschreiben. Da frage ich, wie sie dazu gekommen ist? Sie läßt auch die Mutter und die Kumpels in ihrer Sprache sprechen, was mich anfangs irritierte, als das die Mutter bei einer Drogenberatungsstelle anruft und die Antwort bekommt “Das muß Ihr Sohn selber wollen!” und ich dachte, Sohn das ist ja die Schwester, weil Kerstin Herrnkind auch in der Ich-Form schreibt und ich die Überschrift “Mutters Sicht” überlesen habe. Ansonsten aber interessant, wie Kerstin Herrnkind versucht, Uwes Schicksal aus der Kriegsvergangenheit seiner Eltern- und Großelterngeneration zu erklären und diese Familiengeschichtentraumen habe ich auch beim Leipziger- Surfen beobachten können, daß das auch andere Autoren in ihren Romanen so beschrieben.