Mon cheri und unsere demolierten Seelen

Hurrah, hurrah, Buch neun der Öst und das Siegerbuch, und das war für mich und vielleicht auch für andere eine Überraschung, denn ich war ja felsenfest überzeugt, Robert Menasse wird der neue Buchpreisträger und es bleibt auch mein Siegerbuch, obwohl mich der vierte Roman der 1979 in Bludenz geborenen und in der Schweiz aufgewachsenen Verena Roßbacher, die auch beim “Bachmannpreis” gelesen hat, sehr überraschte.

Denn was soll ein Ungerhaltungsroman auf einer Buchpreisliste? Da ist ja kein Platz für Krimis und Liebesromane, obwohl es das ist, was die meisten Leute wahrscheinlich lesen. Da muß alle hohe Literatur sein experimentell und unverständlich und dann quälen sich die Buchhändler mit den Siegerbüchern der Friederike Mayröcker und wünschen sich “Hoffentlich gewinnt der Jirgl nicht?”

Auf der Öst ist das ein bißchen anders, denn da gibt es ja auch Gedichte, Erzählungen und Essays und Verena Roßbachers, ich glaube, fünfhundert Seiten Roman, ich habe e pub gelesen, ist sicher auch eine Satire auf den ChickLit und ich würde auch sagen, er ist ein bißchen zu lang, würde kürzen, aber sonst alle Elemente des Chick Lits und auch die der hehren Literatur.

So beginnt es einmal gleich mit Handke, der ja auch ein sehr umstrittener Nobelpreisträger ist und vor kurzem achtzig wurde und dann gibt es natürlich die tolpatschige Heldin, über die sich schon manche ChickLit-Leser ärgerten, Charly Benz, die ihre Croissants verkohlen läßt, sich von Mon Cheri und Müsliriegeln ernährt, in der Marketingabteilung einer Firma jobbt, die vegane Kost erzeugt und das Problem hat ihre Briefe nicht öffnen zu können. Deshalb geht sie zu Herrn Schablowski, der kein Psychotherapeut ist, wie glaube ich, die Buchhändlerin neben der ich während der Buchpreisverleihung gestanden bin, ihren Freundinnen erzählte, sondern im Abo das Brief öffnen anbietet, deshalb ist er auch der beste Freund dieser Charly und es beginnt mit einem Brief eines Notars aus Wien, das Ganze beginnt in Berlin, wo Charly lebt, der nicht geöffnet werden kann.

Eine Schwester hat Charly auch, die Heilpraktikerin Sybille und die schenkt ihr einen Familienaufstellungskurs. Man sieht Verena Roßbacher nimmt unser gesamtes modernes Leben auf die Schaufel und dort trifft sie einen Schulkollegen, in dem sie damals verliebt war, der sie aber verschmähte, deshalb hat Charly auch ein Behiehungstrauma. Ein kaputtes Fahrrad, das sie trotzdem immer neben sich herschiebt, hat sie auch und vier Geschwister, die Mutter, eine Lehrerin, ist, glaube ich, verstorben und dann gibt es den Don, den immer verschwundenen Vater über den ich gleich spoilern kann, daß er gestorben ist und einmal hat er Charly und ihre Geschwister überreden versucht eine Hotelfachschule zu besuchen, was die aber nicht machten.

Nun tauchen, um mich nicht in zu viele Details zu verlieren, nacheinander drei Männer auf. Einen kennen wir schon, das ist der Dragaschnik, der Jugendheld, dann kommt ein Kulturjournalist namens Hänse Quandt auf den Schirm, der Charly dabei beobachtet, wie sie ihre Fahhradschloßkombination nicht lösen kann und dann gibt es den Nachbarn Mo, einen Kafka Spezialisten, der einen Shitstorm bekam, weil er seinen Studenten, glaube ich, sagte “Kafkasei überschätzt!”

Ulje, uje, da kann man sich gleich den Strick nehmen. Mo nimmt aber eine Ukolele, aber das passiert erst später, als Charly schwanger ist und keine Ahnung hat, wer von den Drei der Vater ist und da kann ich anmerken, daß ich so was auch schon geschrieben habe.

Vorher besucht Charly aber mit Herrn Schablowski, den starken Raucher sämtliche Spitalsambulanzen, bevor seine Krebsdiagnose gestellt wird und der dann seine Behandlungen verweigert. Auch das habe ich wie in der “Brüderschaft” im Rahmen eines “Nanowrimos” einmal geschrieben. Also bin ich vielleicht doch nicht so ohne, wenn eine Buchpreisträgerin dieselben Themen hat und dann geht es los und die Beiden hasten von einem Mediationskurs zum anderen, um sich zu finden und zu wissen, wie es weitergeht?

Etwas weiß man inzwischen schon. Nämlich was in dem Brief stand. Daß der Vater gestorben ist und Charly und ihren Geschwistern ein Hotel in Bad Gastein vererbte, das sie entweder bewirtschaften sollen oder es geht nach zwei Jahren an ein Tierheim.

Im dritten Teil des Buches, richtig ein chaotisches Weihnachtsfest hat es auch gegeben und einen Sesselkreis, wo Charly ihre drei Männer aufzuklären versuchte, aber die veranstalten stattdessen ein Ukulelekonzert, eine herrlich skurrile Szene und dann putzen sich die Väter erstmal ab und Charly flüchtet mit Herrn Schablowski in das Hotel.

Dort findet dann die Geburt, geleitet von einer walkürenhaften seltsamen Hebamme statt, die kleine Mitzi wird geboren, alle Geschwister und sogar die Väter waren dabei.

Wie es weitergeht, bleibt offen. Das heißt Herr Schablowski stirbt natürlich oder geht einer ungewissen Zukunft entgegen, wie denn sonst? Die Geschwister und die Männer reisen zum Teil wieder ab und Herr Schablowski hat Charly sein irdisches Gut hinterlassen, so daß sie, wenn sie will, das Hotel betreibn kann.

Während des Lesen, auch da habe ich eine Woche gebraucht, ich bin inzwischen trotz meiner langen Liste eine langsame Leserin, habe manchmal gedacht, das ist zu lang und die Leser werden, wenn sie Unterhaltung wollen, eher zu Hera Lind oder Ildiko von Kürthy greifen, dann aber wieder, es ist alles da, was mich auch schon beschäftigt hat und einen herrlichen Satz über Viren, die die Corona- Dauerschreiberin natürlich interessiert, gibt es auch.

Also schließe ich ab, Verena Roßbacher versteht ihr Geschäft. Den interessierten Leser würde ich raten, selber lesen, um sich sein eigenes Bild zu machen und ich habe mir ja einmal Doron Rabinovicis “Einstellung” auf die Longlist gewünscht. Das habe ich zum Geburtstag bekommen, ob ich es statt dem “Mon Cheri” auf die Liste wünsche, werde ich verkünden, wenn ich das Buch gelesen habe.

Eine runde Sache

Jetzt komme ich endlich zum “Preis der Leipziger Buchmesse”, da habe ich ja von jeder Kategorie zwei Bücher bekommen. Den Dart habe ich schon beim “deutschen Buchpreis” gelesen und Tomers “Runde Sache” schon in der “Gesellschaft” gehört. Andere Belletristik habe ich nicht bekommen und jetzt Tomer Gardi s”Runde Sache”, den Belletritik-Sieger, den 1974 in Israel geborenen und in Berlin lebenden Tomer Gardi habe ich beim “Bachmann-Preis” kennengelernt.

Sein “Broken German” habe ich gelesen und jetzt eine “Runde Sache” oder zwei Romane in einem Buch. Denn zuerst stürmt ein Schriftsteller namens Tomer Gardi aus einem Theater, holt sich im Foyer Bier und belegte Brote und verliert das Gürkchen dabei. Der Intendant rutscht darauf aus und verletzt sich sein Gesicht und das Bein.

Tomer Gardi geht aufs Ko, zieht sich eine Plastikvagina aus einem Automaten und lernt dann einen Markus kennen, einen Literaturagenten, der ihm auf eine Yacht einlädt und Tomer Gardi erzählt ihm, daß er ein Lügenworkshop vorbereitet, denn so ist das bei der Literatur, alles nur Erfindung.

So entpuppt sich die Yacht auch als eine Jagd und der ewige Jude trifft auf einen Schäferhund namens Rex, der nur in “Üs” spricht. Vor ihm flieht er auf einen Apfelbaum. Dann verwendet er die Vagina als Maulkorb, was den deutschen Rex nicht gefällt. Sie treffen dann in dem Wald in dem sie sich befinden auf den Erenkönig oder den toten Elfenkönig, der seine Elfen verloren hat. Der alte Goethe ist also da und die Brüder Grimm rund die drei wanden bis zum Bad Obdach, sammeln dort Flaschen für den Supermarkt und treffen auch noch auf eine Oma, die sie auf einen Braten einlädt. Denn der Jäger hat ihr offensichtlich das Wild serviert, das wegen dem Adrenalin besser schmeckt.

Über die Arche Noah geht es dann ins Theater zurück, wo der Erlkönig und der Hund zwar verloren wurden. Tomer Gardi aber ziemlich ramponiert den Intendanten trifft und sie beschließen dem Publikum die Geschichte mit der Salzgurke zu erzählen.

Im zweiten Teil der “Runden Sache”, Tomer Gardi sagte auf dem “Blauen Sofa” nach der Preisverleihung, daß für ihn eine runde Sache eigentlich zwei gegenseitige Bedeutungen hat. Auf der einen Seite ist ein Kreis nie abgeschlossen, hat also keinen Anfang und kein Ende, die Bedeutung der “Runden Sache” besagt aber genau das.

So gibt es in dem Buch noch einen Roman der “Eine runde Sache” heißt, auf Hebräisch geschrieben und von Anne Birkenhauer übersetzt und da geht es um den indonesischen Maler und Prinzen Raden Saleh, der von 1811 bis 1888 lebte und viele Jahre in Europa, der Niederlande, Deutschland und in Paris gelebt und gemalt hat.

Tomer Gardi schildert seine Reise nach Europa und wieder zurück, spricht von seinen Kleidern, den “bohemischen”, den javanischen und anderen und, daß er nicht tanzen konnte. Er wurde an den verschiedenen Höfen herumgereicht, erhielt von Prinzen und Diplomaten Stipendien, hielt auch Beziehungen zu Arbeiterkreisen und versuchte auch die Bewegungen zu malen. Es gibt auch einen geheimnisvollen Erzähler aus der Gegenwart oder dem Jahr 2030, der all das erzählt.

Dieser Teil, der mit dem ersten nichts zu tun hat, obwohl er den gleichen Titel trägt, ist abgesehen von den immer wieder eingesprenkelten Bezügen aus der Gegenwart viel konventioneller erzählt.

Zwei Romane in einem oder eigentlich zwei Erzählungen und Tomer Gardi ist ein sehr weitläufiger Erzähler, der die verschiedensten Sprachstile oder Spiele perfekt beherrscht.

Teil eins würde ich als eine Farce bezeichnen. Alexander Carmele, der meinen Blog ja sehr verfolgt, sieht Bezüge bis zu Thomas Mann und den verschiedensten Philosophen darin. Soweit würde ich nicht gehen, sondern überlege immer noch das “Broken German”, das darin, wenn auch viel weniger, als in dem anderen Buch, enthalten ist.

Tomer Gardi spricht gut Deutsch, spielt also damit und das erregte viel Widerstand oder Diskussionen, als er in Klagenfurt seinen ersten Text las und ich bin auch irgendwie davon betroffen, da ich, weil ich mich immer noch gegen die Festlegung auf Rechtschreibregeln wehre und wahrscheinlich auch die Grammatik einer österreichischen Hauptschülerin habe, die irgendwie auch anders, als die deutsche ist, nicht und nicht in den Literaturbetrieb hineinkomme, obwohl ich das so gerne will.

Tomer Gardi, der in Israel geborene, spielt damit und die heurigen “Leipziger- Buchpreisgewinner” spielen alle mit der Sprache und den Problemen der Übersetzungen und das deutete Tomer Gardi in den Interview am “Sofa” auch so an, daß er natürlich eine andere Sichtweise durch seine Herkunft und Lebenserfahrungen, als beispielsweise die Interviewerin hat.

So entstehen Mißverstänisse oder können das und das ist natürlich eine Frage, die uns alle betrifft. Also ist die die Sache gar nicht so rund, wie es vielleicht den Anschein hat.

Blaue Frau

Buch achtzehn des dBps, das letzte der Shortlist und das Siegerbuch, außerdem gehört es noch zu den der fünf aufmüpfigen diversen Frauen, ist auf meiner Shortlist und ich denke auch, daß es meinen bisherigen Favoritentip nämlich “Identit” verdrängt. Ferdinand Schmalz habe ich noch nicht gelesen, mal sehen ob er auf meine Shortlist kommt?

Und die 1974 in Potsdam geborene Antje Ravic Strubel, die wahrscheinlich auch einmal in Klagenfurt gelesen kann, kenne ich, weil ich einmal ein paar ihrer Bücher aus der “Buchlandungs-Averkaufsliste” fand, sie gelesen oder überflogen habe. Sehr beeindruckt haben sie mich, glaube ich, nicht. Dann hat sie in Leipzig als ich gerade “Paul und Paula” geschrieben habe, aus den “Wäldern des menschlichen Herzen” gelesen und vor kurzem war sie in der “Gesellschaft” und hat dort über die “Blaue Frau” gesprochen.

Weil das Buch erst spät zu mir gekommen ist, habe ich vorher schon einiges darüber gehört. Einigen Bloggern hat es gefallen, anderen glaube ih auch nicht. Ich habe es eher für ein Transbuch gehalten, weil sich Antje Ravic Strubel ja, glaube ich, auch dazu bekennt, es ist aber ein Buch über die Gewalt an Frauen und da wird das Thema sicher literarischer, als bei Bettina Wilpert und es spricht sich auch gegen die Diskriminierung aus.

Vor allem ist es, glaube ich, hervorragend geschrieben, poetisch und literarisch und die Hauptperson Adina, eine junge Tschechin ist schon in “Unter Schnee” vorgekommen. Die ist als die letzte oder einzige Jugendlichen in einem kleinen tschechischen Ort im Riesengebirge aufgewachsen. Nennt sich in Chats “Der letzte Mohikaner” und geht dann nach Deutschland, um zu studieren. Lernt dort eine Fotografin kenne und macht ein Praktikum in der Uckermarck. Dort erlebt sie sexuelle Gewalt, flüchtet damit, weil das niemand ernst nimmt, nach Helinski ,verkriecht sich dort in einen Plattenbau und die Geschichte beginnt.

Sie wird also von hinten nach vorne aufgewickelt und dazwischen gibt es immer wieder die “Blaue Frau-Passagen”, wo sich eine Schriftstellerin, ich interpretiere sie als die Autorin über das Schreiben unterhält, also so etwas wie das “Kaffeetrinken mit der Poesie” der Simone Hirth.

Es gibt auch noch einen Leonides, einen estnischen Europaabgeordneten, mit dem Adina ein Verhältnis hat und der will an ihren Peiniger einen Menschenrechtspreis vergeben, worauf sie ihn verläßt, das führt wieder zu der Frage, ob man das Werk von der Person trennen darf?

Bei einem Menschenrechtspreis würde ich sagen, der gehört vielleicht nicht an einem Grapscher, aber da haben sich schon mehrer “weiße ältere Politiker” an jungen Frauen vergriffen oder die sind vielleicht fünf jahre später kurz vor der Wahl daraufgekommen, daß sie das thematisieren könnten. Man sieht das Thema ist vielschichtig und ich denke immer noch, daß die Weinheber-Gedicht trotzdem großartig bleiben, auch wenn er ein überzeugter Nazi war und generell denke ich, wenn sich alle an den Hausverstand oder die zehn Gebote halten, wäre die Welt viel besser.

Dann gäbe es aber vielleicht auch keine Bücher, wie dieses und Andina kreist auch um die Frage, ob sie das zur Anzeige bringen soll? Die Anwältin rät ab, weil die Aussichten, daß ihr geglaubt wird, sehr gering und Antje Ravic Strubel hat, glaube ich, bei der Preisverleihung auch gesagt, daß sie während des Schreibens, sie hat acht jahre für das Buch gebraucht, daraufgekommen ist, wie häufig Gewalt an Frauen passiert.

Also auch ein sehr politisches Buch, wo ich wieder schreiben werde, daß es mir das literarischer, als bei Olga Flor ausgedrückt, vorkommt.

Anette, ein Heldinnenepos

Jetzt gehts zum letzten Buch der deutschen Buchpreisliste, das gleich das Siegerbuch geworden ist, Anne Webers Heldinnenepos, den Witzel, habe ich 2015 auch zuletzt gelesen.

“Archipel” dagegen eher früh und ich muß sagen, ich bin mit dem Buchpreis einverstanden, obwohl ich eigentlich auf Thomas Hettche tippte, ja ich habe es mit den berühmten Namen und die in Frankreich lebende 1964 geborene Anne Weber schon in der”AS” gehört und auch schon was von ihr gelesen.

Die 1923 in der Bretagne geborene Anne Beaumanoir hat AnneWeber vor ein paar Jahren kennengelernt und nun aus ihrem Leben ein Versepos gemacht. Bei einem Versepos denkt man, denke ich, wahrscheinlich an etwas altmodisches, schweres, komplizierte, Anne Weber bringt es aber erstaunlich leicht zusammen. Erstaunlich modern und gut und schnell zu lesen, das Leben der alten Franzlösin, die in ihrer Jugend im kommunistischen Widerstand gegen die deutsche Besatzung tätig war. Jüdische Kinder oder Jugendliche rettete, Medihzin studierte und später im Algerienkrieg zu zehn Jahren Haft verurteil wurde,weil sie da wieder im Widerstand tätig war. Ein Heldinnenleben eben und interessant, von deralten Dame etwas zu hören, die ohne AnneWeber höchstwahrscheinlich nie kennengelernt hätte.

Interessant aber auch, daß sich die alte Dame in dem von Anne Weber beschriebenen Leben nicht wiederkannte und es nicht als ihres akeptierte.

Ich bin, wie schon geschrieben mit dem heurigen Buchpreis sehr einverstanden, fand die ganze Liste sehr spannend, nicht so viele Debuts wie im vergangenen Jahr, nicht soviele Midlifekrise Männer, die von ihren Ängsten vor dem Tod und dem Pech mit den Frauen erzählen, sondern eine durchaus interessante Mischung und bin mit dem deutschen Buchpreislesen jetzt fertig geworden. Mit der österreichischen Liste war ichs schon. Jetzt muß ich nur noch den Tom Kummer lesen, um die wirklich kurze Schweizer Liste zu beenden und dann kommen noch ein paar andere Neuerscheinungen bevor es an das Bloggerdebutpreislesen geht, da warten ja auch noch drei Bücher auf mich und richtig meine Bücherbestenliste des verrückten Jahres 2020 wird es pünktlich vor Silvester auch noch geben.

das alles hier, jetzt.

Jetzt kommt das Siegerbuch des Schweizer-Buchpreises und das vierte, das ich schon von der Shortlist, die ja nur aus fünf Büchern besteht, gelesen habe. Anna Sterns sehr experimenteller und sprachfreudiger Roman, den ich, meine Leser wissen es, die geringsten Chancen auf den Preis gegeben hätte, aber damals am achten November habe ich ja nur den “Halbbart” und “Aus der Zuckerfabrik” gelesen, weil sie auch auf der deutschen Longlist standen und von der 1990 in Rorschach geborenen und in Zürich lebenden kurzhaarigen jungen Frau habe ich 2018 das erste Mal gehört, als sie in Klagenfurt gelesen hat, da wurde ihr Text gar nicht so besonders von der Jury goutiert und dann stand sie auf einmal auf der Shortlist und hat einen Preis gewonnen, was vor allem Wolfgang Tischer sehr empörte, der darauf Transparenz bei der Shortlistlfestlegung forderte, was inzwischen auch geschieht und bei “das alles hier, jetzt.” , wo wieder alles kleingeschrieben ist, was, glaube ich, Wolfgang Tischer auch sehr ärgert, ich bin das von den österreichischen Experimentellen eher gewohnt, geht es um die Trauerarbeit und das ist schon mal ein interessantes Thema. Da ist eine oder ein ananke früh gestorben und Anna Stern betonte auch bei Lesung aus dem Züricher- Literaturhaus, die man sich als Video ansehen kann, daß sie die Geschlechterpronomen er und sie in das du ausgehen lassen wollte, etwas was jetzt sehr modern ist, ich aber auch nicht so ganz nachvollziehen kann, beziehungsweise macht es das Lesen schwer und das hat mich und wahrscheinlich auch andere Leser im ersten Teil sehr verfolgt, denn das gibt es zwei Textteile, eine fett und eine dünn gedruckt und auf der fetten Seite bewältigt ein oder eine ichor, die Trauer und auf der anderen Seite geht es in die Jugenderlebnisse. Anna Stern sagte im Gespräch bei der Lesung, daß sie die Namen erfunden hat, indem sie die Buchstaben aneinanderreihte, wieder um eine Zuordnung zu erschweren ananke und ichor stammen aber aus der griechischen Mythologie, die beiden Textteile hat sie, weil bei ihr auch eine Person jung gestorben ist, in ihrem Notizbuch aufnotiert, also wieder sehr konstruiert, was das Verständnis erschwert, obwohl es bei “Lovely Book” den Tip gibt, das Ganze laut zu lesen, damit man es besser versteht.

Anna Stern war dann die viele Trauer selbst zu viel und so beschloß sie am Ende der Geschichte ein wenig konkreter zu werden, so sitzen das erzählede du, vienna, eden und cato betrunken in einer Bar und schmieden den Plan einen adenauer, das ist offenbar das alte Auto, das am Cover zu sehen ist, auszuborgen und damit zum Gab zu fahren. anankes Urne auszugraben und sie im Meer zu versenken.

Das habe ich wieder sehr spannend, originell und ungewöhnlich empfunden und denke Anna Stern ist vielleicht doch nicht so streng experimentell, wie sie es vorgibt und ein interessantes Buch ist es allemal.

Also Gratulation zum Preis und ich bin gespannt, was ich von der jungen Frau, die auch eine Dissertation über Antbiotikaresistenz schreibt, noch so hören oder lesen werde.

Als ich jung war

Nun kommt Buch acht der österreichischen Buchpreisliste und gleichzeitig das Siegerbuch Norbert Gstreins “Als ich jung war” und ich habe von dem 1962 in Tirol geborenen schon einiges gelesen und gehört.

Aufgefallen ist er mir, glaube ich, vor zig Jahren als er beim “Bachmannpreis” gelesen hat. Da habe ich ihn, glaube ich, für experimentell gehalten. Inzwischen ist sein Stil eindeutig realistisch geworden. Er greift immer aktuelle Themen auf und versucht sie, glaube ich, auch mit philosophischen Ansätzen zu verbinden.

“Selbstportrait mit einer Toten”, sowie “Die ganze Wahrheit”, habe ich gelesen und kürzlich erst die “Kommenden Jahre” wo er mit dem Buch, glaube ich, sowohl in Krems, als auch bei den “O-Tönen” war.

Er ist, glaube ich, auch schon öfter auf den “Buchpreislisten” gestanden. 2013 mit einer “Ahnung vom Anfang”, in der “Alten Schmiede” habe ich auch schon Lesungen aus seinen Romanen gehört, den “Wildganspreis” hat er bekommen und bei dem neuen Buch haben, glaube ich, einige bedauert, daß es nicht auf der deutschen Liste gestanden ist.

Nun  war er auf der österreichischen und ich kann schreiben, daß ich mit dem Buch wohl das Problem hatte, wie mit Norbert Gstrein überhaupt, den ich wahrscheinlich, als etwas distanziert empfinde oder man kann über das Buch ein großes philosophisches Konstrukt stülpen, kann die verschiedenen Fragen, wie “Wem gehört die Wahrheit?”, “Wer erzählt eine Geschichte?”, “Was erzählt man dabei und was nicht?”, diskutieren und dann liest man ein Buch, wo auf den dreihundertfünfzig Seiten eigentlich nicht sehr viel geschieht, als daß der Ich-Erzähler Franz der im Hotel seines Vaters aufgewachsen ist, der dort eine sogeannten Hochzeitfabrik betrieb, das heißt, jedes Wochenende Hochzeiten ausrichtete, einmal die Cousine einer Braut küsste, die sich als siebzehn ausgab, aber erst dreizehn war.

Er war zu dieser Zeit Student und ein paar Wochen später ist eine Braut bei einer anderer Hochzeit, die er fotografierte, tot aufgefunden worden. Der Protagonist ist daraufhin nach Amerika gegangen, war dort jahrelang Skilehrer und kehrte, nachdem er eine Beinverletzung hatte, wieder nach Tirol in das Hotel, das inzwischen von seinem Bruder geführt wird, zurück. Dazwischen liegt eine Beziehung zu einem tschechischen Professor, dessen Skilehrer er in der USA war und der sich dort umbrachte.

Das ist eigentlich die ganze Handlung und die ist eigentlich banal. Norbert Gstrein schreibt einen ganzen Roman daraus, der die Frage, der Schuld aufbläht oder beleuchtet und eigentlich einen Looser aus diesem Franz macht.

Aber, um welche Schuld geht es? Ein Kuß ist, denke ich, kein Verbrechen auch wenn das Mädchen erst dreizehn ist und die Theorie, die ich auch schon hörte, daß er die Braut umgebracht hat, kann ich aus dem, was ich gelesen habe, eigentlich nicht nachvollziehen.

Trotzdem tauchen ständig Kommissare oder Sheriffs auf, das halbe Buch spielt in Amerika, die andere Hälfte in Tirol und am Schluß, da fährt er zu einem Konzert, wo das inzwischen erwachsene, dreizehnjährige Mädchen, eine Geigerin ein Konzert gibt.Er geht aber nicht hienein, aus Angst, daß ihm die Polizei verhaften können, flieht er mit dem Auto nach Sizilien, wo er zusammengeschlagen wird, in einem Krankenhaus aufwacht und den dort ihn fragenden Ärzten einen Namen angibt.

Das erscheint mir etwas sehr aufgebläht oder viel Lärm um nichts und man könnte das alles viel einfacher und viel weniger geheimnisvoll erzählen, aber damit vielleicht keinen Buchpreis gewinnen.

Interessant ist auch, daß Norbert Gstrein bei der Preisverleihung ja krank war, den Anfang seines nächsten Romans von seiner Lebensgefährtin vorlesen ließ, was einigen Besuchern nicht gefallen hat und Clemens J. Setz der ja auch auf der Shortlist gestanden ist, dessen Erzählband ich gerade ebenfalls lese, sich auf der “Buch Wien” wo er für Michael Köhlmeier eingesprungen ist, sich darüber mokierte, daß er nicht anwesend war und in seiner ersten Erzählung auch Norbert Gstrein erwähnte.

Da ich außer “Schotter” jetzt schon alle Bücher gelesen habe, könnte man mich nach meiner Einschätzung zum Buchpreis fragen und wissen wollen, wem ich den Preis gegeben hätte?

Ich fürchte, ich weiß es nicht, bei meiner Shortlistprognose hätte ich ja auf Florjan Lipus oder Gerhard Roth getippt. Das Roth Buch hat mir, glaube ich, während des Lesens nicht so sehr gefallen. Jetzt würde ich es aber bei meinen Ranking hinaufreihen. Raphaela Edelbauers Buch hat mir sehr gefallen. Sie hätte ich gern auf der “Bloggerdebutshortliste” gehabt und sonst Karl Markus Gauss ist interessant, Norbert Gstrein ohne jeden Zweifel ein routinierter Schreiber, Sophie Reyer eher experimentell und Harald Darer, der mir auch nicht so gefallen hat und Marlene Streeruwitz sind ja nicht auf der Shortlist gestanden, was auch für Ivna Zik gilt.