Katharina, Marie & ihre vier Männer

Nun kam eine kleine LL-Lesepause, obwohl ich da im Stress bin und sich die Bücher schon im Badezimmer türmen, aber Literaturtest hat mir auch eine “Neuerscheinung” geschickt, die gelesen werden will.

“Katharina, Marie & ihre vier  Männer, ein “Goldmann TB”, ein Briefroman oder fast schon ein Sachbuch in Sachen Liebe, Ehekriese, unerfüllter Kinderwunsch und erfüllte oder unerfüllte Seitensprünge.

Katharina und Marie sind zwei Frauen Mitte Dreißig, beide verheiratet, beide Kinderlos, beruflich mehr oder minder erfolgreich, Banangestellte, die eine, in einer Pharmafira, die andere tätig und sie schreiben sich Briefe oder besser Mails, wie man das ja heutzutage macht und das viel schneller geht.

Es beginnt damit, daß sie feststellen, daß es in ihren Ehen nicht so absolut glücklich zu geht, obwohl sie das voneinander nicht erwartet hätten.

Katharina, die als Kind ihren Vater verlor und sich deshalb nach Stabilität sehnt, hat das zwar mit ihrem Simon, aber der geht auf ihren Kinderwunsch nicht ein, vertagt ihn auf das nächste oder übernächste Jahr und da ist Carsten, OA, erfolgreicher Handchirurg, zwar natürlich verheiratet, aber davon will er nichts erzählen und er will Kinder mit Katharina und Marie ist mit ihren Michael auch nicht glücklich.

Theorien werden ausgetauscht, wieviel Prozent Glück man sich in einer Ehe erwartet darf, etcetera und Srüche der Oma  “Willst du, gelten, mach dich selten!”

Das finde ich das theoretische an dem Buch und dann kommt in die Bank, ein Unternehmensberater, um die Fehler der Chefs wieder auszubügeln, steht vor Marie. Er heißt Tom, ist auch verheiratet, hat zwei Kinder in Berlin. Marie lebt und arbeitet, glaube ich, in Frankfurt, aber seine Ehe ist nicht glücklich, weil er Sandra nie heiraten wollte, die dann, als er das vorsichtig sagte, gleich schwanger wurde und das Haus in Berlin ist auch viel zu groß und zu teuer, so daß er sie nie verassen kann. Er führt aber ohnehin eine Wochenendehe, weil er ja soviel umstrukturieren muß und verliebt sich in Marie.

Es kommt bei beiden, zuerst zaghaft, dann tatsächlich zu sexuellen Beziehungen., Marie kündigt ihre Stelle, geht nach Berlin. Tom verläßt seine Frau, das ist eine Kathastrophe, weil die zuerst die Kinder entführen will, dann finanzielle Forderungen stellt und Tom will die Kinder bei sich haben, so sucht er eine Wohnung, die zu groß ist für Marie und hat auch keine Zeit für sie und Simon bemüht sich, aber als er nachgeben will, findet er die SMSs von Carsten und schmeißt sie aus der Wohnung.

Langsam langsam kommt dieses Paar wieder zusammen, während Marie endgültig ausrastet, weil, was auch ein wenig übertrieben ist, Tom zu Weihnachten natürlich mit Sandra und den Kindern, wie immer irgendwo eine Woche hinfahren will, dabei ist ohnehin schon eine gemeinsame Kambodschareise der beiden Freundinnen geplant und ein Kollege, eine Ex-Bezieung, der Ehemann Michael ist sang und klanglos nach Australien verschwunden,  ist auch in Sicht.

Der Briefform macht es vielleicht ein wenig schwer zu lesen und ich brauchte lange mir zu merken, daß die mit dem Simon und den Carsten, die Katharina und nicht die Marie ist, weil ich irgendwie auch finde, daß das besser gepasst hätte.

Es ist auch kein ChickLit, sondern eher eine narrative Abhandlung sich zu überlegen, wie es mit der eigenen Ehe weitergehen kann und  wie man es mit den Seitensprüngen und den Dreier oder Vierbeziehungen machen soll?

Das Buch haben zwei Journalistinnen,  Tine Ratig und Hannah Wilhelm geschrieben und mich würde interessieren, ob die eine den Katharina-, die andere den Marie-Strang übernahm, weil das ja gut passen würde.

Die Kunst Elch-Urin frisch zu halten

Jetzt kommt etwas “Unwürdiges”  und einTitel für den man sich vielleicht “genieren” und das Buch in einen Umschlag packen muß.

ChickLit für Männer oder Frauen, die gerne von den Schwierigkeiten der Jungs lesen wollen, könnte man so sagen, aber ich lese ja gerne über den Tellerrrand und meine Erfahrung, was diese E- und U- Debatte und, ob jetzt die Sprache oder die Handlung wichtig ist, betrifft, ist, daß die sogenannten Erotik Bücher, die Sado Maso-Schinken, etcetera oft erstaunlich von der Realität und den Nöten des gewöhnlichen Lebens erzählen, wenn auch meist, wie in diesen Fall, komisch überhöht.

Das ist zwar auch nicht so mein Ding und ich hätte Rochus Hahn Geschichte auch gnadenlos gekürzt, denn die vielen Dialoge über Sex und was im allerweitesten Sinn dazugehört, wirken manchmal langweilig, aber die Geschichte hat es in sich und es ist eine vielleicht, die der pensionierte Studienrat, seines Zeichnen Deutsch und Religionsprofessor außer Dienst von einigen Bierchen angeheitert, bei der Feuerzangenbowl schmunzelnd seinen Enkeln aus seiner Jugend erzählt.

Ach ja, da war er einmal der kleine Tim, knackfrische achtzehn und sollte seinem Freund etwas bringen, die knackige blonde Mutter torkelt ihm betrunken entgegen, will ihn küssen und ins Bett verfrachten und Jüngelchen wird rot und kneift aus.

Daran leider der Germanistikstudent, der des Schecks der Oma wegen auch Religion studiert, nun die nächsten sieben Jahre und zu einer Frau ins Bett hat es der schüchterne junge Mann auch noch nicht gebracht.

Da trifft er seinen Schulkollegen Bullwinkel wieder, den er beim “Arschköppeln” erwischt, der hat eine junge Türkin beklöppelt, die schreit nach ihren Brüdern und die wollen ihn verhauen. Tim rettet ihn und die beiden landen dann auf der Sexparty der Türken. Die Schwester ist natürlich nicht da, aber dafür erscheinen zwei knackige Stewardessen und wollen Drogen. Tim und Bullwinkel versprechen sie ihnen, schwämen vom “Phantonflash” und müssen nun nach Finnland reisen, um dort einen Elch giftige Pilze zu fressen zu geben, dann seinen Urin abzuzapfen, um die Wunderdrogen zu bekommen.

Das gelingt nur mit den aberwitzigsten Abenteuer, das sich das frustrierte Männerhirn ausdenken kann und Frauen, wie ich vermute gerne lesen, um über die Tollpatsche zu schmunzeln.

Sie geraten also in eine Sodomistenparty kneifen wieder aus, rennen im Wald herum, dann finden sie den Elch und müssen ihn unter weiteren Schwierigkeiten einfangen. Die Frage, wie sie den Urin frisch nach Frankfurt zurückbekommen, ist nur die kleinste in dem Buch, in diesem Sinne ist der Titel also ein Fake, aber als sie in Helsinki zum Flughafen kommen, wittert dort die Polizei nach Sprengstoff, also müßen sie mit einem alten Auto, das kein Deck hat und zwei Sporthelmen über die skandinavischen Grenzen fahren, werden an der deutschen vom Grenzschutz eingefangen und am Ende wird alles gut?

Nicht ganz natürlich, einige Komplikationen gibt es noch. Die geilen Stewardessen entpuppen sich als ganz gewöhnliche Nutten und mit denen können Tim und Bullwinkel ja nicht. Den Urin haben sie am Ende auch noch verloren, so daß sie auch da ein bißchen faken müssen, die brave Bibliothekarin, die am Ende vielleicht die Großmutter der Studienratenkel ist, wartet aber schon und die Grenzpolizistin findet am schrulligen, aber liebenswürdigen Bullwinkel auch Gefallen.

Aus den Jungfrauen, ein blödes Wort, wieso, das nicht Jungmänner heißt, habe ich trotz meiner gelegentlichen unwürdigen Lektüren noch immer nicht verstanden, werden vermutlich brave Ehemänner und Familienväter, die an etwas anderes denken, als ständig an knackige Frauenärsche oder, wie es ist vielleicht mit Pferden zu schlafen und Rochus Hahn entnehme ich den Buch, lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kinder in Frankfurt/Main und arbeitet seit über dreißig Jahren, als Drehbbuchautor. “Die Kunst Elch-Urin frischn zu halten” ist sein erster Roman.”, der ganz spannend zu lesen ist, aber auch einiges an Vorurtelien aufzuweisen hat, so hat mir der Ekel der beiden jungen Männer gegenüber übergewichtigen Frauen nicht ganz gefallen und daß sie vor Cutterinnen Reiß aus nehmen, ist auch nicht ganz korrekt, aber möglicherweise realistisch.

Als gäbe es mich nicht

Jetzt kommt ein Buch aus dem “Aufbau-Verlag”, die neu herausgekommene Taschenbuchausgabe von Slavenka Drakulics “Als gäbe es mich nicht”, 1999 möglicherweise im schwedischen Exil geschrieben, denn die 1949 in Kroatien geborene Autorin, die in Kroatien, Wien und Stockholm lebt, hat über den Krieg geschrieben, beziehungsweise über die Traumatisierungen und Verletzungen, die man dort unschuldig erlebt und gipfelt vorsichtig in der Frage, wie das dann mit dem Weiterleben, dem Verzeihen, dem Vergessen, dem Wiederanfang ist?

S. ist eine junge bosnische Lehrerin, die im Februar 1993 im Stockholmer Karolinska Krankenhaus liegt und einen Sohn auf die Welt bringt, den sie nie sehen und ihm auch keinen Namen geben will, denn er ist die Folge einer Vergewaltigung im Lager, in dessen “Frauenraum” man S. aus ihrem Dorf, wo sie aushilfsweise unterrichtet hat, gebracht hat.

Jetzt liegt sie da in den hygienisch sauberen weißen Krankenhauslaken und denkt über ihr Leben nach. An die Stunden in Sarajevo, wo sie mit ihren Eltern und der Schwester lebte, an das Ausgehen am Wochenende, die heimlichen Küße, etcetera.

Dann kam der Krieg,  die Eltern und die Schwester sind aus ihrem Haus weggeholt worden. S., es gibt in dem Buch nur die Anfangsbuchstaben der Namen, was das Lesen etwas schwer macht, wohl aber die Distanz und vielleicht auch die gebotene Anonymität ausdrückt, war da schon im Dorf am Land und kochte gerade Kaffee, als ein Soldat erschien und sie zur Sammelstelle brachte.

Sie bietet ihm davon an und packt schnell ihre Sachen in einen Rucksack, die schönen Schuhe mit denen sie vielleicht tanzen war, ein rotes Kleid, Schmuck, ein Fotoalbum, ein Heft, denn sie ist ja Lehrerin.

Sie wird mit anderen Frauen in einem Bus ins Lager gebracht, kommt dort in den “Frauenraum”, ihr Schmuck wird gestohlen, später erährt sie, daß es eine Frau aus dem Nachbardorf war, die ihre Tochter damit schützen wollte, was ohnehin nicht gelang.

Denn nichts gelingt in dem Lager, wo man seine Würde verliert und von den Männern hört, die sich ihre eigenen Gräber graben, erschossen und die Leichen verbrannt werden, so daß ihnen am Morgen vom Geruch schlecht wird.

“Regt euch nicht auf, es wird nur Müll verbrannt!”, sagt die zahnlose Wächterin, die ihre “Mädchen” an sich liebevoll versorgt und ihnen auch mal Seife und Leckerbissen bringt. S. findet eine Schminktasche und beginnt sich grell zu schminken, denn wenn man es “freiwillig tut, verliert man seine Würde nicht!”

Die anderen verstehen diese Dissoziationsversuche nicht und sind entböhrt und weil S. eine gebildete Frau und aus der Stadt ist, darf sie wöchentlich zum Kommandanten, bekommt besseres Essen, etcetera.

Sie wohnt auch einer Geburt bei und sieht, wie die Großmutter, das Kind ihrer vergewaltigten Tochter sofort in einen Sack steckt und vergräbt. Da bekommt sie eine Ahnung, daß sie vielleicht auch schwanger sein könnte, denn sie hatte schon lange ihre Regel nicht, ist auch etwas dicker geworden.

Gewißheit kommt erst im Zagreber Flüchtlingslager, in das man sie bringt, die Ärztin, die ihr Entsetzen sieht, tröstet sie mit der Möglichkeit einer Adoption, denn sie ist schon im fünften Monat, für eine Abtreibung also zu spät.

Sie stellt einen Ausreiseantrag nach Schweden, spricht dort mit einer Psychologin, bekommt eine Bestätigung, daß sie das Kind weggeben und nach der Geburt nicht sehen will.

Die Schwestern an der Entbindungsstation verstehen sie aber nicht oder es kommt zu einem Mißverständnis.

Das Bettchen mit dem kleinen Knaben steht jedenfalls neben ihr, er wird ihr auch an die Brust gelegt, sie weigert sich zu stillen, obwohl die Milch ausschießt. Die Nachbarin erbarmt sich seiner, aber dann in der Nacht, als er schreit, nimmt sie ihn doch zu sich, legt ihm an und die Tränen schießen ihr über das Gesicht.

So endet das dünne zweihundertzwanzig Seiten Buch, das berührt und sehr beeindruckend ist.

Denn das alles ist in den Neunzigerjahren, als ich täglich mit dem Zug von St. Pölten nach Wien fuhr, um meinen Vater zu betreuen, geschehen.

Die Flüchtlinge aus dem Balkankrieg hat man gesehen und hat davon gewußt oder auch nicht, daß die Frauen massenhaft vergewaltigt wurden, damals vielleicht noch nicht so sehr.

Slavenka Drakulic, von der ich schon “Das Liebesopfer” gelesen hat, erzählt das alles in einer sehr schönen dichten Sprache, bei der immer beeindruckende Wendungen auffallen.

“Und nur das Blut ist wichtig, das rechte Blut der Soldaten gegenüber dem falschen Blut der Frauen” oder “Für S. ist klar, auch jene sind Gefangene, ohe Individualität, ohe Gesicht. Ihre Körper, ihr Wille gehören ebenfallls nicht ihnen, sondern der Armee, dem Anführer, der Nation”, die aufhorchen und nachdenken lassen.

“Was kann das Kind dafür?”, fragt, G. eine ehmalige Schulkollegin, die  am Stockholmer Flughafen die Angekommenen empfängt und dolmetscht. Sie nimmt sie zu sich in ihre Wohnung, besorgt ihr eine Aufenthaltserlaubnis, eine Wohnung und kümmert sich um sie und klar, das Kind kann nichts dafür und ist auch nicht Schuld an dem Krieg und all dem anderen Elend der Welt.

Ein leichtes Leben wird es wahrscheinlich trotzdem nicht haben, egal, ob es in einer Stockholmer Adoptivfamilie oder doch bei seiner Mutter, die mit ihren Traumatisierungen fertig werden muß, aufwächst.

Ein beeindruckendes Buch und sehr zum Lesen zu empfehlen, vor allem jeden, die meinen, daß es jetzt siebzig Jahre bei uns keinen Krieg gegeben hat, würde ich es an das Herz legen und es war auch interessant für mich, da ich ja erst vor kurzem nach kroatischer Literatur gesucht habe und da schon daraufgekommen bin, daß die nicht so leicht zu finden ist, weil die kroatischen Autoren oft in Serbien geboren sind oder ihre Geschichten in Bosnien oder Slowenien handeln und es ist vielleicht auch nicht so ganz geeignet, als Einstiegslektüre für meinen neuen Sommerroman oder doch vielleicht, denn ich bin ja erst durch Bosnien gefahren, wo alles frisch aufgebaut wird und die Kriegsspuren und die Verwüstungen, vielleicht doch zu sehen sind und der junge Mann wäre jetzt dreiundzwanzig Jahre alt und da S. ja nicht nur ein Einzelschicksal war, sondern das damals vielen Frauen so passierte, bin ich ähnlichen jungen Männern und Frauen höchstwahrscheinlich auch schon begegnet.

Sommernomaden

Jetzt kommt ein Sommerbuch, zehn Stories von Marianne Jungmaier, die ja das “Saiko-Reisestipendium” bekommen hat, die einen hinführen an die Orte dieser Welt und dennoch eigentlich viel weniger von den Städten oder Ländern, als von Lebensgefühlen und Beziehungen und, das alles in einer sehr poetisch schönen Sprache, die von vielen englischen Ausdrücken untersetzt ist, erzählen.

Ja, Marianne Jungmaier, 1985 geboren ist ein Kind der Achtzigerjahre aufgewachsen in den Neunzigern, “wo Bill Clinton Präsdient war, Dolly geklont wurde und der Disc- den Walk man ablöste”.

So reißt es die in Linz geborene herum, deren Debutroman ich im letzten Herbst gelesen habe und die ich auch einmal on der “Alten Schmiede” hörte, sie reist herum und schreibt Briefe oder Mails, wie das  heutzugtage heißt aus allen Gegenden, die sie dann beispielsweise mit Erika Kronabitter bei den “Wilden Worten”, las.

In Indien erfährt man von ihrem Großvater, der aus Kroatien flüchten mußte und von Miro, der kein spanischer Maler ist, sondern Miriolsav heißt, ebenfalls aus Kroatien kommt und in Indien so eine Art Hostel zu betreiben scheint.

Ihn hat Marianne Jungmaier beziehungsweise die Ich-Erzählerin “im Reiseführer für Fremde, dem ungeschriebenen Atlas der Unbekannten, die man einmal Freunde nennen wird”, gefunden.

Sie wird ihn wieder verlieren, denn das Leben und die Reisen der Sommernomadin geht ja weiter und sie wird ihn auch so niemals wiedertreffen “weil wir nicht gleich bleiben. Weil die Person, deren Reiseführer wir lesen, eine andere sein wird, schon im nächsten Moment.”

Wunderschön poetisch ausgedrückt und schon geht es weiter nach Venedig oder an den Banhof von Linz, wo sie “Eli mit den braunen Lederschuhen, den dunkelgrünen Wollsocken und einer Plastikmargarite im kurzen blonden Haar “trifft, mit der sie in Vededig ihren Geburtstag feiern wird.

Die schenkt ihr schon in Salzburg ein blaues Kleid und sie wird sie, die “so viel Verständnis für Neurosen hat”, auch verlieren, “denn  sie kann nur dann ich sein, wenn sie alleine ist”, sie wird sie aber auch wiederfinden, denn der Geburtstag ist noch lang und sie wird ihre Küße auch elf Monate, bis zu Elis Geburtstag in “Stanniolpapier” aufbewahren.

Nach Beldgrad in eine Stadt “in die man vor und während des Krieges offenbar nicht reiste”, ich war 1998 vor dem Kosovkrieg mit Anna und dem Alfred da um meine Tante Dora zu besuchen, geht es offenbar zu einer Lesung oder eine Kulturveranstaltung, dennnoch teilt sie mit Sergio, das Schlafsofa in ihrer Gastwohnung und denkt wieder an ihren Großpapa, der  von dort flüchtete und danach nach Norwegen ging, um dort eine neue Familie zu gründen.

In Berlin und London trifft sie sich  mit Mitgliedern ihrer “Reisefamilie”, die sie in Indien kennenlernte, besucht mit ihnen Nachtlokale, wo man  der Drogen wegen, die man später konsumieren wird, besser vorher den Weg am Handy markiert, hat mit ihnen Sex und man sieht, wie die Geschichten zusammenhängen und das Leben und die Beziehungen einer modernen Reisenomadin aussehen kann, während sie nach Island, eine sehr starke Geschichte, offenbar mit ihrer Mutter reist, mit der sie Schwierigkeiten hat.

Sehr zart werden die Differenzen, das Ausweichen und das Nichtaushalten von Nähe angedeutet, die nur “sie” genannte Reisepartnerin zahlt für sie, was der Erzählerin Schwierigkeiten macht, denn “wo bleibt da der Ausgleich des Gebens und Nemens?”

In “Die Heimat der Kolibris” geht es nach Brasilien, das Land der Zukunft, wie Stefan Zweig vor über siebzig Jahren schrieb.

Marianne Jungmaier wird es anders erlebt haben, geht es doch mit einer Nachbarin, der deutschen Wiebke oder Wi zu einer Caroline, die sie im Flugzeugt kennenlernte und die ihr auffiel, weil sie dort die Decken einsammelte, dann erzählte sie ihr, daß sie einer Religion angehöre, die ihre Feste mit einer drogenähnlichen Substanz zelebriert. Zu so einer Zeremonie, wo alle weiß gekleidet sind, brechen die beiden auf und die Kolibris, die Namengeber der Geschichte, flirren ums Haus.

In Schottland geht es wieder in ein “Writer Retreat” oder zu einem Stipendienaufenthalt, wie sich die prekären Arbeitsverhältnisse aufstrebender Jungautoren abzuspielen scheinen und zwar in ein ganz spezielles, in ein Schloß einer alten Dame namens H, das von einem Manager geleitet wird, der gleich beim Ankommen erklärt, “daß es der Ettikette entspricht, daß sich Günstlinge und Gebende nicht begegnen”.

Ja, es ist hart  das Mäzenatentum auch noch im einundzwanzigsten Jahrhundert und die Jungautoren sind wohl auf solche Begünstigungen angewiesen, so sind gerade  zwei Frauen und zwei Männer anwesend. Namen darf der Manager nicht nennen, es gibt drei Mahlzeiten am Tag, eine große Bibliothek, aber kein Internet und auch keine Möglichkeit außer halb des Parkes die Gegend zu erforschen oder einkaufen zu gehen. Denn das Schreiben ist das Wichtigste. Begegnungen mit den anderen Günstlingen gibt es also nur beim Frühstück mit der selbstgemachten Zitronenmarmelade oder abends beim drei- oder viergängigen Dinner. Da huscht dann auch manchmal die Mäzenin, begleitet von einem Gewehr vorbei und Marianne Jungmeier hat Zeit an ihren Texten zu arbeiten oder  eine makaber schöne Geschichte zu schreiben.

Es geht dann noch nach Nevada  und am Schluß nach Kerala zu einem Jogalehrernamens Steve, der mit einem Scooter fährt und mit dem sie Silvester verbringt, womit sich der Kreis wieder schließt und wir sind an den Anfang der Geschichten  zurückgekommen, die von Trennungen und Begegnungen, sich Verlieren und dem Wiederfinden, Sex, Drogen, Vegie-Momos, Cuppuccinis, Keksen, etcetera handeln und, wie nicht nur der letzte Text zeigt, nicht nur im Sommer spielen.

Der Klappentext hat noch ein Foto der sehr fotogenen jungen Frau, die vor einem Stapel alter Koffer posiert, wahrscheinlich ist sie eher mit Rucksack und Trolley losgereist, um “Ihre Geschichten aus dem Inneren der Ferne voll magischer Momente und einzigartiger Begegnungen”, wie am Buchrücken steht, zu erleben.

Der Fisch der zu ihm gesprochen hatte

Eine in der “Bibliothek der Provinz” erschienene Erzählung des, wie  in der Biographie steht, 1958 geborenen bildenden Künstlers, Schriftstellers, Regisseurs, Schaupielers und Stadtstrawanzers Thomas J. Hauck, der  schon viele Bücher geschrieben hat und den ich im Mai bei den “Wilden Worten” kennenlernte.

Jetzt hat er mir das zweiundsiebzig Seiten dicke Büchlein geschickt, das er, glaube ich, auch im Cafe Prückl vorgestellt hat.

“Manfred P. T. Ellermann taucht in eine seltsame Geschichte, eine Geschichte voller Poesie, Melancholie und großem Erwarten. Ein Traum? Eine Vision? Realität? Er weiß es nicht und wird es vielleicht nie erfahren, wenn es da nicht einen Duft gäbe…”, steht am Buchrücken und beginnen tut das Buch, das von Geogia Wölfle illustriert wurde, mit dem lapidaren Satz: “Manfred P. T. Ellermann war am 7. Februar in Zirl in Tirol losgegangen, um zu vergessen.”

Dabei gab es gar nicht so viel, was er zu vergessen hätte, jedenfalls nichts Schreckliches, denn er war in seiner Stadt angesehen, hatte einen guten Beruf, Ehrenämter, eine Frau, zwei Kinder, eine Villa, alles also was man so braucht und trotzdem stimmte etwas nicht in seinem Leben, so daß es in ihm zu einem fortwährenden Grollen kam, zu einem Gewitter, von dem seine ewig putzende und den Sex verweigernte Frau “Na, schatzi heut gibts ka Gewitter und morgen a net!”, nichts merkte, so daß er plötzlich, nachdem er in der Zeitung gelesen hatte, daß Gehen gut für das Vergessen ist, aufsteht und mit seiner Aktentasche in Richtung Westen marschiert.

Am Abend ißt er in einem Gasthaus eine Forelle, läßt sich die Fischgräte einpacken und nimmt sie mit auf seine weitere Reise, auf der er bis nach Straßburg kommt.

Seine Uhr bleibt stehen oder eigentlich, geht sie zurückwährt, so daß er nach und nach bis in den Dezember kommt und in Straßburg quartiert er sich zuerst in ein Hotel, in dem er schon einmal war, dann in eine verwunschene Hinterhofpension ein, um zum Bahnhof zu gehen und auf eine Frau zu warten, von der nicht weiß, ob und wann sie kommt.

Dabei findet er eine Christbaumkugel, die er für ein Kücken hält, in dem Pensionszimmer gibt es eine Spinne, die er in sein Umfeld einbezieht, er ernährt sich von Croissants, die ihn an den Mond erinnern.

Und das Vergessen verwandelt sich ein eine vage Erinnerung und der Suche nach einer Vergangenheit, die es vielleicht nie gegeben hat.

Ein Traum? Eine Vision? Realität? Die Midlifekrise, die man mit vierzig, wenn man eine sexmüde Frau und zwei ewig lernende Kinder hat, schon einmal bekommt oder der Weg in die Demenz?

Kann die so ausschauen, daß man, in dem man auf einmal alles hinter sich, sein langweiliges, kompromißverseuchtes Leben und sich in seine Träume, seine Sehnsucht, seine nicht gelebte Vergangenheit zurückzieht?

Vielleicht. Die Psychologin könnte es sich vorstellen und es läßt sich auch herrlich nachdenken und weiterphilosophieren bei dieser Parabel, die uns der umtriebige Vielschreiber schenkte.

Ein Geruch, ein Parfum und noch vieles anderes, spielen dabei auch eine Rolle.

Am Ende hat Manfred P. T. Ellermann Bluttränen im Gesicht  und geht immer weiter ins Nichts. Hört noch “wie sein Fisch, sein Kücken und seine Spinne zu ihm sprachen:” Du hättest sie nie loslassen sollen, nie. Verstehst du? Und Manfred P. T. Ellermann nickt unter Tränen und flüsterte mit tränenerstickter Stimme: “Ja, ich weiß, Fisch, ja, ich weiß Kücken, ja, ich weiß Spinne”, und ging so lange, bis er im Nichts verschwunden war.”

Florian Berg ist sterblich

Als ich im März in Leipzig war, war ich  auch bei einer Lesung von Absolventen des “Leipziger Literaturinstiuts” und da ein Stück aus Janko Markleins bei “Blumenbar” erschienenen, wahrscheinlichen Debutroman “Florian Berg ist sterblich” gehört, den der 1988 in Bremen geborene, der 2010 den “Open Mike” gewonnen hat, über einen jungen Studenten, der an der Leipziger Uni im ersten Semester Philosophie studiert und nun vor einer Beschwerdestelle wartet, weil er keinen Platz für ein Proseminar bekommen hat und stattdessen einen Französischkurs besuchen solll, geschrieben hat.

Eine Satire über das Studentenleben würde ich es interpretieren, auch ein Buch über das Erwachsenwerden und bei “Amazon” kann man lesen, daß dieser Florian Berg sehr unsympathisch ist.

So habe ich das teilweise auch empfunden, aber das ist wahrscheinlich Absicht des Romans und der Clou, Florian Bergs Unentschloßenheit zu zeigen, dem dann in einem Seminar, das er auf Vermittlung der Studentenvertreterin Line, doch bekommt, demostriert wird, das er sterblich ist, denn alle Menschen sind das, Florian Berg ist ein solcher, etcetera…

Denn er ist ein Sohn zweier Pastoren, aus einem kleinen Dörfchen, die Mutter ist für die Beerdigungen zuständig, der Vater für die Hochzeiten und deshalb schwankt der liebe Junge, wie ein Baum im Wald, na ja.

Es wird in zwei Strängen erzählt, der erste ist Florians Studentenleben, Line, die sich in ihm zu verlieben scheint und ihn küßt. Er tut das nicht, hält aber still, weil sie sich für ihn ja einsetzen will. So bekommt er ein Seminar bei einer Anna Kuszlak, mit der will er nun Kontakt und auf Kaffee und Kuchen gehen…

Sie verhält sich abwartend, nimmt ihn aber dann doch auf einen Spaziergang mit, wo sie die Deutschlandfahnen von den Autos entfernt, sie ist nämlich sehr politsch.

Line besetzt inzwischen die Uni, um gegen die Bildungsmisere zu kämpfen. Das wollen, die Wirtschaftstudenten, die gerade Vorlesung haben, aber nicht und Anna fährt dann auch noch nach Santiago de Chile, um die dortigen Proteste zu unterstützen.

Florian reist ihr nach, wohnt bei einem Couch-Surfer im siebzehnten Stock eines Hochhauses und weil der Lift gerade kaputt ist, muß der arme Portier seinen riesigen Rucksack hinaufschleppen.

Im zweiten Strang wird von der Kindheit erzählt. Den Eltern die sich streiten, der Depression des eher hilflosen Vaters, der immer zu dem Sohn ins Zimmer geht und mit ihm reden will, beispielsweise, ob er weiß, wie man ein Präservativ verwendet?

“Ich muß lernen!”, antwortet der dann und schickt ihn hinaus.

Mit seinem Freund Ole, einem Bauernsohn hat er einen Bund gegründet, der keine Mädchen zulassen will, eines drängt sich hinein, verwirrt die Burschen und schließlich wird die “Grüne Garde” eine grüne Jugendorganisation, Florian besteht sein Abitur und zieht nach Leipzig.

Jugendbuch habe ich bei “Amazon” gelesen. Ja, Janko Märklein ist noch sehr jung und sieht auf dem Foto am Klappentext auch so aus.

Der Roman ist, was man wahrscheinlich im “Literaturinstitut” lernt, sehr gut konstruiert und mich hat die satirische Seite, die lapidar schlapsige Art, wie der junge Mann da von den Initialriten des jungen Florian erzählt, sehr angesprochen.

Um in den Bund hineinzukommen, muß man Käfer essen und Hunde töten. Das ist vielleicht kein besonderes Zeichen der Neuzeit und war schon früher so. Die Lieblingslektüre von Florian Berg und seinen Freunden ist aber “Harry Potter”. Den liest er noch als Student, neben philosophischen  Schriften. Aber er und seine Freunde lesen ihn nicht nur auf Deutsch oder vielleicht in der englischen Originalfassung, sondern auch auf Japanisch, Lateinisch etcetera.

Was ich mir, als die Überforderung der heutigen Jugend interpretieren würde und daher sehr froh bin, auf das Buch aufmerksam geworden zu sein, das sonst, ist es ja schon 2015 erschienen, an mir vorbeigegangen wäre und jetzt ja ein anderes Buch einer noch jüngeren Frau über die Schwierigkeiten des Lebens in aller Munde ist.

In den Wäldern des menschlichen Herzens

Der 1974 in Potsdam geborenen Antje Ravic Strubel, die 2001 beim Bachmannpreis gewonnen hat, hat mit dem, wie am Cover steht, Episodenroman “In den Wäldern des menschlichen Herzens” einen Reigen des einundzwanzigsten Jahrhunderts geschrieben, wo es hauptsächlich um Frauenbeziehungen geht, aber auch eine Transgender Person, was der Grund auch war, weshalb ich das Buch anfragte und gelegentlich ein Mann, spielen eine Rolle.

Der Schausplatz ist die moderne globalisierte Welt, wo wir ja so leicht von einem Kontintent in den anderen fliegen und auch unsere Wohnort wechseln, also von Berlin nach Amerika oder nach Schweden ziehen, weshalb die Umwelt verschmutzt, so daß man sich dann auch in die modernen Naturoasen,  wie in die Wüsten bei L.A oder in die schwedischen und norwegischen Fjorde zum Kanufahren und Marathonlaufen begibt, wo man sich vor den Mückenschwärmen schützen muß.

Katja, Rene, Leigh, Faye, Emily, Helen, Sara etcetera spielen eine Rolle und flattern in wechselnden Beziehungen durch die Kapiteln, in denen man nach und nach eine Handlung erkennt.

Ich habe das ja in den “Dreizehn Kapitel”, wo es nicht um Sex geht, auch einmal versucht, jetzt weiß ich, daß das “Episodenroman” heißt und Sex spielt in den Episoden eine große Rolle. Es geht um Sex und um menschliche Beziehungen, allerdings in einer viel moderenen Art (no na), als bei Arthur Schnitzer, obwohl es ein Weihnachtskapitel gibt, das mich an seinen “Anatol” erinnerte.

Also, Katja und Rene fahren zum Kanaufahren nach Schweden und Katja gesteht der Journalistin, die ein Crossover zwischen einem Reiseführer und einem Reiseroman mit fiktiven Elementen schreiben will, daß ihr die Beziehung mit ihr keinen Spaß mehr macht, so läßt sie “Katjuscha” zurück und im nächsten Kapitel sind wir in Kalifornien, wo Emily, mit Leigh, der einmal ein Mädchen war, in die Wüste fährt und dort verschwindet.

Sie taucht dann etwas später in Hiddensee, in Deutschland auf, wo sie kellnert und noch nicht so gut Deutsch spricht, daß sie Kinder, die Quallen quälen zurechtweisen könnte.

Sie ist die Tochter von reichen Eltern, die ihr Geld mit dem Verkauf an Wasserrechten verdienen, als sie das anprangert, wird sie entführt und in der Wüste ausgesetzt. In der Bar in der sie in Deutschland arbeitet, lernt sie Rene kennen, übersetzt ihr Buch und stellt es mit ihr in Manhatten bei einem Übersetzerkongreß vor.

Es soll auch groß, allerdings in einer anderen Übersetzung, herauskommten, was zur Beziehungskrise zwischen ihr und Rene führt und die gibt es bei zwischen Faith, Emilys Freundin, die einmal mit Leigh in die Wüste fuhr, um nach Emily zu suchen, sich jetzt aber in Schweden in einer Dreierbeziehung vorfindet, auch und am eindrucksvoll- skurillsten fand ich die Sznene, wo Helen, das ist eine Frau aus dieser Dreierbeziehung, nach Berlin fliegen will, am Flughafen aber eine Frau sieht, die nach Münschen will. Sie ändert ihren Plan, folgt ihr ins Hotel, das sie sich eigentlich nicht leisten kann und wird von der Rezeptionistin angerufen, die ihr sagt, daß sie die Polzei rufen will, weil unten in der Lobby eine verrückte Alte eine Party feiern will. Sie geht dann hinunter, um sich an den Freigetränken zu bedienen.

Am Schluß wird es ein wenig unverständlich, denn da fährt eine “sie” mit einem Katt durch Mecklenburg, Vorpommern, ein alter Mann rennt in ihr Auto, niemand der Alten in dem Dorf hilft ihm, denn in der DDR hat man die Unbequemen dorthin ausgesetzt und die Erzählerin entdeckt in Katts Aufzeichnungen, den Namen “Katjuscha” und die Beschreibung “Es ging um Sex. Sex in Hotels, auf Felsen, in Bars, nüchtern, drastisch, verliebt” und der Reigen hat sich geschlossen.

Ich habe Antje Ravic Strubel, wie schon erwähnt durch ihren Text beim Bachmannpreis kennengelernt, die ich mir damals, glaube ic,h noch ausdruckte und nachlas und dann 2003 oder vier oder fünf, als es in der “Buchlandung” die Ein-Euro Bücher gab, einiges von ihr entdeckt und auch gelesen, aber wie ich mich erinnern kann, eher unverständlich gefunden.

Jetzt habe ich vor ein paar Tagen “Tupolew 134” von ihr im Schrank gefunden.

“Kältere Schichten” war 2007 für den “Leipziger Buchpreis” nominiert, mit “Sturz der Tage in der Nacht” ist sie 2011 auf der  LL des “Deutschen Buchpreises” gestanden.

Jetzt habe ich sie in Leipzig auf dem “blauen Sofa gehört, wo sie sagte, daß wir immer noch sehr wenig Ahnung über die verschiednenen Beziehungsformen haben und beispielsweise, Transsex mit Transgender verwechseln, was aber, wenn ich  John Irving richtig verstanden habe, eine Veränderung der Sprache ist, so daß man heute zu dem, was früher Transsex war, heute politisch korrekt Transgender sagt.

Und verändert hat sich, wie das Buch deutlich zeigt, auch sonst sehr viel.

Anna Mitgutschs neues Buch

Nachdem mein sechs Uhr Klient heute etwas früher gekommen ist, ist es sich doch für dien Besuch in der “Alten Schmiede” ausgegangen, wo es wieder eine ” Lesart – beziehungsweise das zweiundachtzigste Autorinnenprojekt” gab und  Angelika Reitzer Anna Mitgutschs zehnten Roman “Die Annäherung” vorstellte und dabei auf die zwei zuletzt erschienenen Essaybände der Autorin hinwies, die ich beide gelesen habe.

Die 1948 in Linz geborene Autorin, die glaube ich auch Vizepräsidentin der IG-Autoren ist, kenne ich seit den Siebzigerjahren und dem Erscheinen ihrer frühen Bücher die “Ausgrenzung” und die “Züchtigung”.

Hilde Schmölzer hat von ihr auch ein Portrait in ihrem “Frau sein und Schreiben Buch”, das ich ja im “Arbeitskreis schreibender Frauen” kennenlernte.

Einige ihrer Romane habe ich gelesen und ihren “Mobby Dick-Roman” mir auch auf unserer vorjährigen Donauradreise beim “Thalia Ausverkauf” in Ulm gekauft.

Eine interessante Autorin, die “Das Haus der Kindheit”, das glaube ich, mal bei den Grundbüchern war und “Familienfest” geschrieben hat und jetzt einen Roman wie Angelika Reitzer in ihrer Einleitung erwähnte, wo es, irgendwie auch naheliegend, bei einer 1948 geborenen, um das Älterwerden, Schuld und auch wieder  um Familiengeschichten geht.

Da gibt es den sechsundneunzigjährigen Theo, in auktorialer Perspektive geschrieben und seine Tochter Frieda, die in  Ich-Form erzählt.

Der Sechsundneunzigjährige, der sich von seiner Tochter als sie achtzehn wurde, trennte, weil sie mit seiner zweiten Frau nicht zurechtgekommen ist, erleidet einen Schlaganfall.

Da begegnen sich Tochter und Vater im Krankenhaus wieder und versuchen sich vorsichtig anzunähern.

Das ist eine Stelle, die Anna Mitgutsch gelesen hat, dann kommt Ludmilla, eine ukrainische Pflegerin, im Enkeltochteralter ins Haus, die sich dem alten Mann, während sie ihnm wäscht und pflegt, auch vorsichtig annähert und eine solche Annäherung zu seiner Tochter ist auch, daß Theo ihr sein Kriegstagebuch, er war bei der Wehrmacht und die Tochter weiß nun nicht, hat er im Krieg Schuld auf sich geladen oder nicht, schenkt, das sie mißtrauisch und auf der Suche nach seiner Schuld oder Unschuld durchforstet und mit ihrem Freund dann auch in die Ukraine fährt, um der Vergangenheit ihrers Vaters auf die Spur zu kommen.

Der Roman spielt hat Angelika noch erzählt, in  den verschiednenen Jahreszeiten, von Frühling bis Frühling wenn ich mich nicht irre, weil Theo auch ein leidenschaftlicher Gärtner war und nun dem Ende seines Lebens entgegengeht.

In der Diskussion hat Angelika Reitzer, die Autorin  gefragt, ob sie Kriegstagebücher hat, die sie dafür verwendete, Anna Mitgutsch hat, glaube ich, geantwortet, daß es ja schon inzwischen sehr viele Bücher gibt, die sich mit diesen Thema beschäftigen und, daß die Achtundsechzigergeneration, der sie auch entstammt, damals nur Schuld und Unschuld kannte und keine Differenzierungen zuließ.

Da ist mir eingefallen, die ich  auch zwei Fotoalben meines Vater von seiner Wehrmachtzeit, er wurde, wie alle Männer damals, eingezogen, besitze,  mir eigentlich nicht einfallen würde, diese Alben mißtrauisch zu durchsuchen.

Aber mein Vater war ein aktiver Sozialist, obwohl auch er damals nicht sehr viel erzählte und fragen kann ich ihn nicht mehr, ist er ja schon gestorben und das wurde  auch in der Diskussion thematisiert, daß die Leute damals nicht sehr viel aus ihrer Schuld oder auch aus ihrer Traumatisierung heraus über ihre Erlebnisse gesprochen haben, so daß man heute nur mehr rätseln, wie damals gewesen ist oder sich verteidigen, beziehungsweise rechtfertigen kann.

Schade, daß sich die Anna Mitgutsch, vielleicht aus schlechter Erfahrung, auf eine diesbezügliche Diskussion nicht einlassen wollte und sich auf die Literatur zurückzog.

Es ist aber natürlich ein heikles Thema, wie sie sagte, weil es eine ganze Generation betrifft, die sich fragen mußte, ob sie die Kinder von Mördern sind und sicher auch ein interessantes Buch vom Älterwerden eines Mannes und seiner Pflegebedürftigkeit, das uns  auch alle irgendwie betrifft.

Y

Jetzt kommt eine Frühjahrsneuerscheinung aus dem “Aufbau-Verlag”, nämlich Jan Böttchers Y, eine Geschichte, die von Entwurzelung,  dem Aufwachsen zwischen den verschiedensten Kulturen Europas und dem eines Kindes, für das seine Eltern, egal, ob im Krisengebiet des Kosovo oder dem computerverseuchten Berlin, keine Zeit haben, erzählt.

“Die Geschichte beginnt!”, schreibt der Erzähler, ein Schriftsteller, der mit seiner Frau und seinem vierzehnjährigen Sohn in Berlin lebt, als der, Benji, eines Abends einen schweigsamen Freund nach Hause bringt und ihn bei sich übernachten läßt.

Der Vater stellt den Sohn zur Rede und der Leka genannte Junge verschwindet dann auch wieder. Nicht nur aus der Wohnung des Schriftstellers, sondern überhaupt aus Berlin und als Benji seinen Vater vorwurfsvoll anblickt, beginnt der nach ihm zu suchen und trifft Jakob Schütte, einen Nerd, Workoholic und Computerspielerfinder und der beginnt ihm seine Geschichte zu erzählen.

Er ist mit Arjeta, einem Flüchtlingsmädchen aus dem Kosovo zur Schule gegangen, hat sie Jahre später, in den Neunzigern wieder getroffen, eine Beziehung begonnen, sie  auch bei ihren Eltern und ihren Brüder besucht. Die Beziehung klappte irgendwie nicht, haben Moslems doch andere Moralvorstellungen, außerdem hatte im Kosovo, der Krieg schon begonnen, so daß zuerst die Söhne zum Kämpfen zurückgingen, später die ganze Familie mit Arjeta, die dem Erzähler  ihre Sicht der Dinge erzählt.

Jakob Schütte folgte der Familie in den Kosovo, wo Arjeta, die in Deutschland studierte, Deutsch und Englisch Unterricht gibt und mit Leuten, die im Rundfunk einen neuen Kosovo aufbauen wollen, in Kontakt kommt. Sie wurde dann auch von Jakob schwanger. Heiratete aber nicht ihm, sondern einen Mann namens Bedri, denn der Deutsche, der sich schon mit Computerspielen zu beschäftigen beginnt, war ihr viel zu verrückt.

Jakob kümmert sich eine Weile noch um den kleinen Leka, eine Abkürzung von Alexander, dann geht er nach London. Kommt aber wieder, als Leka sechs Jahre alt ist und kauft ihm einen Computer. Als er in einer Bibliothek Bücher mitgehen läßt, um sie zu kopieren, wird er von der Securty zusammengeschlagen, sein Schlüßelbein wird gebrochen, er fliegt verletzt nach Berlin und kommt  nie mehr in den Kosovo.

Sein Sohn ist dann vierzehnjährig nach Berlin gekommen, ob er sich, von der Mutter allein gelassen, die sich inzwischen einem Künstler angeschlossen hat und mit ihm Videos dreht, selber auf die Suche nach seinen Vater macht oder von ihm entführt wird, bleibt unklar.

Leka ist auch nicht lange in Berlin geblieben, sondern hat sich selber der Poloizei gestellt und zurückbringen lassen.

Der Erzähler und sein Sohn werden ihm, es sind noch Ferien, in den Kosovo folgen. Dort wird er sich mit Arjeta und ihrem neuen Freund ihre Kunstprojekte ansehen.

Da stoßen wir auch auf den Namen des Buchs, das Geheimnisvolle “Y”, ein Symbol für das aufstrebende Kosova vielleicht. Wir begegnen aber auch dem Computerspiel, mit dem Jakob Karriere machte und vom Krieg im Kosovo profitierte und der Erzähler beginnt, als er mit seinem Sohn wieder in Berlin ist und die Fahnen für den Roman, den er darüber geschrieben hat, über sein eigenes Leben,  seine Beziehung zu seinen Eltern, im Nachkriegsdeutschland und in den Zeiten, als die DDR zusammenbrach, zu reflektieren.

“Jan Böttcher hat einen großartigen europäischen Roman geschrieben. Einen Roman, der einige der drängensten Fragen unserer Zeit neu stellt: Wie frei können wir sein, ohne die eigene Herkunft zu verleugnen? Wieviel Verantwortung übernehmen wir im Leben füreinander, für unsere Kinder, für die Gesellschaft? Und was macht uns eigentlich zu guten Eltern?”, steht so auch im Klappentext.

Jan Böttcher von dem ich vor kurzem seinen ersten Roman Lina oder: das kalte Moor” im Schrank gefunden habe, wurde 1973 in Lüneburg geboren und hat 2007 beim “Bachmannpreis” gewonnen.

 

Eine Dame von Welt

Von der Reichstumsschriftkammer und dem Biedermeier komme ich nun ins neunzehnte  Jahrhundert und zu einem amerikanisch-britischen Schriftsteller, in New York geboren, in England vor fast genau hundert Jahren gestorben, nämlich Henry James, der zu diesem Anlaß für den deutschen Raum entdeckt und wieder oder neu aufgelegt zu werden scheint.

So hat der “Schweizer Literaturclub” seine Dezembersendung seinem Roman “Die Europäer” gewidmet, der mit den “Gesandten” derzeit bei Anna Jeller im Schaufenster liegt. “Jung und Jung”, hat die von Walter Kappacher übersetzte Erzählung “Die mittleren Jahre” herausgebracht und “Aufbau”, der mich seit Herbst ein bißchen in seine Neuerscheinungen schnuppern läßt, hat mir die, im Jänner erschienenen Salonerzählung “Eine Dame von Welt” zugeschickt.

Soviele Neuerscheinungen von einem 1843 erschienenen Schriftsteller, der für mich bisher eher unbekannt war, erscheint mir eher ungewöhnlich und ich finde es auch spannend, die Hintergründe für die plötzliche “Jamesmanomie” herauszufinden.

“Dieser Schriftsteller wird Sie nicht mehr aus seinen Fängen lassen, sobald Sie eine Zeile von ihm gelesen haben!”, steht auch am Rücken des kleinen gelben Büchleins.

Ich muß feststellen, für mich trifft das nicht zu und auch im “Literaturclub” waren die Meinungen zweigeteilt. Einige waren begeistert von dem alten Herrn, der so  vortrefflich Charaktere beschreiben kann. Elke Heidenreich hat dagegen eher das Korsett und den Staub erwähnt, den sie beim Lesen verspürte und ich kann mich erinnern, das erste Mal von Louise Doughty den Namen Henry James gehört zu haben, als ich mich in ihr Projekt “Ein Roman in einem Jahr” eingelesen habe, und sie war eher auch nicht begeistert.

Worum geht es in dem Buch und wahrscheinlich, wenn ich es richtig verstanden habe, überhaupt in dem Werk des Dichters, der ein Zeitgenosse von Melville und Charles Dickens war?

Um die Unterschiede der Amerikaner und der Europäer habe ich verstanden und die Geschichte beginnt in Paris, in einem Theater, wo zwei Amerikaner mit dem Feldstecher in die Logen schauen und dort von dem Anblick einer weißgekleideten Dame gefesselt werden.

“Ist sie ehrbar?”, lautet die Frage des einen an den anderen und in dem Stück, das sie gerade sehen, geht es auch darum. Da will einer heiraten, fragt einen Freund nach der Ehrbarkeit der Braut und dieser verneint, denn sie war einmal seine Geliebte.

Mister Littlemore, der Gesandte, verneint auch, denn er hat die Dame, Missis  Headway oder Nancy Beck, wie sie früher hieß, auf einer Veranda in San Diego, New Mexiko, wie es in dem Buch heißt, kennengelernt und war  für das späte Neunzehntejahrhundert ungewöhnlich, vier oder fünfmal geschieden oder verwitwet und  scheint auch sonst Beziehungen zu Männern gehabt zu haben.

Jetzt ist sie aber zu Geld gekommen und befindet sich an der Seite von Sir Arthur Demesne, der sie heiraten will. Nichts destotrotz lädt sie die beiden Amerikaner in ihr Hotelzimmer ein und erzählt ihnen, daß sie von der europäischen Gesellschaft aufgenommen werden will.

Die Amerikanische hat ihr das versagt, jetzt will sie in die ersten europäischen Häuser und verlangt von ihrem Bräutigam, den sie gar nicht gut behandelt, daß er seine Mutter, die auf den Weg nach Cannes, wo sie den Winter verbringen will, ein paar Tage in Paris Station macht, daß sie zu ihr kommen soll. Die kommt auch und wird wieder nicht sehr gut von der schönen Nancy behandelt. Dann geht es in das Landhaus der Demesnes, nach England und dort will die Mutter von den beiden Amerikanner auch wissen, ob es sich bei ihr, um eine ehrbare Frau handelt, die man heiraten kann?

Sie ist es offenbar nicht und Mister Littlemore würde sie auch nicht heiraten wollen, erklärt der Lady und dem Bräutigam aber, daß sie es ist und das Schicksal nimmt seinen Lauf, beziehungsweise wird die Ehe vielleicht bald wieder geschieden werden.

Für mich ehrlich gesagt, ein wenig schwer verständlich und weit hergeholt, einmal das neunzehnte Jahrhundert, dann die erste englische Gesellschaftschicht, etwas, was, wie ich meine, in Zeiten, wie diesen nicht mehr sehr so sehr interessiert, daß es mich fesseln würde.

Ich würde das Ganze auch eher, als Satire verstehen und dem guten Sir raten, die Hände von der Kokotte, die auch noch  einen Verfolgungswahn haben dürfte, sich von allen bespitzelt fühlt und, die Lady  als Hexe beschimpft, zu lassen. Warum George Littlemore  lügt oder schweigt, habe ich nicht ganz verstanden, halte es aber auch nicht für so  oder ähnlich wichtig, wie Richard Lugners neue Ehe oder das Seitenblicke TV.

Dagegen interessiert mich vielleicht auch die Frage, warum Henry James plötzlich in aller Munde ist, denn Emile Zola, oder John Galsworthy, von dem ich übrigens eine Menge Bücher in den Schränken gefunden habe, wird jetzt  auch nicht neu aufgelegt?

Ich bin auch gespannt, wie die Blogger auf Henry James reagieren werden. Die “Klappentexterin” hat ja schon angedeutet, daß sie ihn demnächst lesen wird und mir ist noch ein Roman von Hedwig Courths-Mahler eingefallen, die ich ja einmal sehr begeistert gelesen habe und die ich trotz ihrer sehr verqueren Moralvorstellungen, für eine hervorragende Beschreiberin des Berliner Gesellschaftsleben des frühen zwanzigsten Jahrhunderts halte, der ein ähnliches Thema, wie ich finde, packender behandelt hat.

“Käthes Ring” heißt er, glaube ich und da liebt ein armes Mündel, den Sohn des Hauses, der ist aber in eine schöne Schauspielerin verknallt und heiratet sie gegen des Willen des Vaters, der  den vorigen Liebhabern, der Dame dieselbe  Frage stellt und die antworten “Um Gottes Willen, so etwas heiratet man doch nicht!” und schicken die Rechnungen der Pelzmäntel oder Kleider, die sie ihr kauften.

Die Gesellschaft hat sich aber verwandelt und heute muß man  nicht mehr so “ehrbar”, wie vor hundertfünfzig Jahren sein. Spannend aber trotzdem, daß die Dame so oft geschieden war, dachte ich doch, das ging im neunzehnten Jahrhundert nicht.

In einer Rezension habe ich gelesen, daß es sich um das England von Jane Austen handelt und von der habe ich ja demnächst ein Buch auf meiner Liste und einen diesbezüglichen Dating-Ratgeber vor kurzem gelesen.