Heimweh

Jetzt kommt ein Buch, das, glaube ich, schon seit Oktober auf meinen Badezimmerstapel liegt und das gleich zweimal zu mir gekommen ist. Einmal als Lese – und dann noch als Printexemplar, das Leseexemplar habe ich an Doris Kloimstein weitergegeben, so daß wir es gemeinsam lesen können und ich habe von dem 1963 geborenen irischen Autor Graham Norton, den “Irischen Dorfpolizisten” auch gleich zweimal gefunden, aber noch nicht gelesen.

Und ich muß sagen es ist ein interessantes Buch, an Hand dem man gut den Spannungsbogen verfolgen kann, nicht die “Heldenreise”, die habe ich gar nicht darin erkannt, es ist, glaube ich, eher die unchronologische Struktur, die von 1987 bis 2019 hin und herspringt und langsam Schicht für Schicht alle Geheimnisse von sich gibt. Es ist ungeheuer spannend geschrieben, weil man sich am Anfang nicht auskennt, spannender als ich es vom Buchpreislesen kenne und wenn man dann tief durchatmet, erkennt man vielleicht die Handlung ist eigentlich trivial. Es gibt zwei Themenstränge, ein Unfall mit tödlichen Folgen, die das Leben eines jungen Mannes verändert und dann die Einstellung zur Homosexualität, die sich seit 1987 auch sehr verändert hat.

Das Ganze scheint in einer irischen Kleinstadt namens Mullinmore zu spielen oder zu beginnen und da beginnt es am Vorabend einer Hochzeit. Zwei junge Leute Bernie und David wollen sich verheiraten, die Mutter kauft der Braut kauft sich noch das Hochzeitkleid.

Bernie und David sind mit ihrer Brautjungfer Camel und deren Schwester Linda im Auto des Arztsohnes Martin ans Meer gefahren. Der Sohn des Pubbesitzers Connor ist auch dabei. In den ersten Szenen bahnt sich das Unheil an, denn die sechs hatten einen Unfall. Das Paar und Camel sind tod, Linda schwer verletzt, die beiden anderen unverletzt und Connor hat das Auto gefahren erfährt man.

Dann wird beschrieben, wie schwer es ist in einer Kleinstadt mit dieser Schuld zu leben, vor allem Ellen Connors Schwester hat diese Schwierigkeit und es ist ihr peinlich. Die Eltern schicken Connor nach England, wo er eine Arbeit am Bau bekommt, in einer Männer-WG wohnt und die Beziehung zu Mullinmore un seinen Eltern abbricht.

Dort nähert sich Martin Ellen an, führt sie aus und heiratet sie schließlich.

Eine spannende Szene ist der Weihnachtsabend von 1988, glaube ich, da ist Connor in der Wohngemeinschaft allein und besucht eine Bar, da wird er von einem Mitbewohner beim Schmusen mit einem Künstler erwischt, der ihn hinauswirft und der Vater der in der Wohngemeinschaft anruft, kann ihn nicht erreichen.

Dann kommen die Zeitsprünge. Ellens Ehe ist unglücklich und ihr Mann, der inzwischen die Praxis des Vaters übernommen hat, ist ein Ekel und 2012 trifft Connor seinen Neffen Finbarr, den er erst später als solchen erkennt in einer New Yorker Schwulenbar. Es geht ihm schlecht, denn sein Freund Tim hat ihn verlassen, er betrinkt sich und erkennt dann in Finbarrs Zimmer das Bild seiner Schwester und Finbarr erzählt seiner Mutter, daß er den Onkel getroffen hat.

Dann geht die Handlung richtig los. Ellen besucht Linda, die inzwischen vom Koma erwacht ist und im Rollstuhl sitzt und die verrät ihr Connor saß gar nicht am Steuer, sondern Martin und Ellen erkennt, warum Martin sie geheiratet hat.

Es waren die Schuldgefühle etwas wieder gut zu machen, denn in einer Rückblende von 1987 erfährt man, daß Martin am Strand etwas getrunken hat und Connor nachdem der Unfall passierte, zwang zu sagen, er wäre gefahren, sonst verrät er seinen Eltern, daß er homosexuell ist und davon hatte Connor schreckliche Angst und ärgert sich noch Jahre später, daß er sich darauf eingelassen hat, noch dazu, da seine Eltern mit Finbarrs Homosexualität keine Schwierigkeiten haben und auch sein Vater regelmäßige Ausflüge nach Dublin machte, wo er einen Franzosen traf, also sehr viel Homosexualität in der kleinen Stadt, die vielleicht ein wenig unrealistisch ist.

Ellen stellt ihn zur Rede, zieht in den Bungalow seiner Eltern und er verschwindet. Das ist eine spannende Szene wo Ellen in dem Bungalow beschwingt erwacht, weil sie glaubt die Ehe hinter sich zu haben und dann beim Einkaufen von einer verstörten Pflegerin, die seine demente Mutter betreut und der Ordinationshilfe angerufen wird “Dr Coulter ist verschwunden!”

Der bleibt ein paar Tage weg und räumt Ellens Konto leer. Dann kommt er zurück und schlägt Ellen die Scheidung vor. Die findet dann noch ihr Glück und einen netten Mann. Finbarr heiratet 2019 seinen Freund Luke, denn das darf man dann und es gibt jetzt ein frugales>Hochzeitsfest, zu dem auch Connor und Linda kommen.

Ein spannender Roman mit interessanten Themen und wie geschrieben, wenn man darüber nachdenkt erkennt man ein paar Unlogigkeiten und auch die gewollte Planung.

Abgesehen von den schon geschilderten sehr packenden Szenen, ist Ellen ein bißchen widersprüchig, geschildert, weil sie am Anfang große Schwierigkeiten mit Connors Schuld hatte, dann aber über sich hinauswächst und eigentlich zu stärksten Figur wird. Dr. Coulter erscheint sehr unklar. Warum ist er Ekel und Connor eigentlich ein Looser, was ich auch ein wenig ungewöhnlich fand.

Aber interessant einen neuen Autor kennengelernt zu haben und da ein bißchen mitgenascht, wie man einen spannenden Unterhaltungsroman schreiben und wo es damit haken kann.

Das Sandkorn

Jetzt geht es zum ersten Weltkrieg, beziehungsweise in die Jahre 1914/1915 zurück oder zum deutschen Buchpreis von 2014 und meinen Buchpreisbacklistlesen, das sich noch ein bißchen ausgeht. Nämlich zu Christoph Poschenrieders “Sandkorn”, das damals auf der LL stand. Ich habe mich damals am Longlistenlesen ein bißchen beteiligt.Von dem Roman des 1964 bei Boston geborenen, in München lebenden Autor aber nicht viel mitbekommen. Dann lag es wahrscheinlich irgendwann auf dem Thalia-Abverkaufstapel und voila:

Das Buch wird als ein raffiniertes Kunstwerkt beschrieben. “Mit großer Leichtigkeit gleitet Poschenrieder durch Zeiten, Orte und Lebensansichten und zeichnet Figuren, die in ihrem Inneren ein Geheimnis bewahren!”, schreibt so Bruno Bachmann am Buchrücken und ich muß schreiben, es liest sich leicht und flüßig. Im Nachhinein denkt man vielleicht “Whats up?” Was habe ich da gelesen und wie neu und einzigartig oder zusammenkonstruiert war das? Und hat vielleicht auch nicht alles verstanden.

Es beginnt ganz einfach. Da streut im Juni 1915, als schon der erste Weltkrieg tobt, ein Mann in Berlin Sand aus und murmelt dazu die Namen verschiedener iatlienischer Orte. Er wird natürlich verhaftet und wird dem Kommissar Treptows zugeführt,der dann in weiterer Folge ein Manuskript darüber verfaßt, das aber nicht veröffentlicht wird.

Der Mann ist ein Kunsthistoriker und heißt Jacob Tolmeyn mit “c” und “y” und ist Kunsthistoriker und daher hat er am preußischen historischen Instiut in Rom an der Erforschung der Bauten von Friedrich II, dem Stauferkönig geforscht, beziehungsweise dort abfotografiert und auch den Sand von dort eingesammetlt. Zu Beginn des Buches sehen wir ein Foto und zwar das Castel del Monte, das ein Arthur Haseloff 1908 fotografiert hat und in einem Nachwort fügt derAutor an, daß zwischen 1904 und 1908 das tatsächlich zwei Kunsthistoriker so taten.

Der gute Tolmeyn ist aber schwul und da gibt es eine Geschichte, daß er 1914 nach Berlin geschickt wurde, um dort das Photografieren zu erlernen. Dort wurde er von einem Niki erpresst und der ist dann ins Wasser gefallen. Der Kommissar bekommt das natürlich heraus und läßt sich von Tolmeyn, die ganze Geschichte erzählen.

Er wird also von seinem Professor mit seinem schweizer Gehilfen Beat zu allen Stellen geschickt, wo erdie Bauwerke fotografieren muß und den Samd sammelt, um den Geruch oder das Gesicht der Sandkörner zu erforschen. Warum er dann nach Berlin kommt,um sie auszusteuen habe ich, muß ich gestehen, nicht ganz verstanden. Er versucht aber auch mit Beat Imboden, der vorher bei der Schweizer Garde war, eine Beziehung anzufangenund als der Kieg begonnen hat und sie weiterforschen, Jacob hat so gute Beziehungen, daß er von der Einberufung freigestelltwurde, bekommen sie noch eine italienische Aufpasserin, eine Leticzia Trivulzio di Belguoiso, das ist eine Emanze, eine Ärztein, die sich für das Frauenrecht einsetzt, dazu und geraten da zu dritt auch in Irrungen und Verwirrrungen.

Abwechselnd wird da in den Perspektiven hin- und hergesprungen. Am Schluß erfahren wir Niko Schulze ist gar nicht ertrunken und Jacob, dersich freiwillig stellen muß, der Kommissar will das so, fällt im Krieg und ein interessantes Buch, nun ja, 2014 hat es ja viel Literatur gegeben, die sich auf den World War I bezogen und von Christoph Poschenrieder habe ich fast erstaunt gesehen, habe ich noch ein Buch, nämlich seinen Schopenhauer-Roman “Die Welt im Kopf”auf meinen Harlander Lesestapel liegen und hoffe, daß ich bald zum Llesen komme.

Die Brille mit dem Goldrand

Buch vier der “Hotellreihe”, der wiederaufgelegten Bücher aus dem “Wagenbach-Verlag”, die uns wahrscheinlich in der sommerlichen Leichte, einen guten Einblick durch die Geschichte und die verschiedensten Gegenden Europas geben sollen, vielleicht auch einen Einblick in die verschiedensten Stile.

Sicher eine gute Idee, Altes wiederaufzulegen, nur mit dem Hotel hat Giorgio Bassanis “Die Brille mit dem Goldrand”, noch weniger als Christoph Meckels “Der wahre Muftoni” zu tun, obwohl die Sommerfrischler, die Mitglieder der guten Mittelschicht des faschistischen Italiens, die hier beschrieben werden, ihre Nächte an der Adria natürlich in einem Hotel verbracht haben dürften und wenn ich mich nicht irre, ist es wieder ein Grandhotel, das hier Erwähnung findet, nur in diesem halten sich die Protagonisten, während der beschriebenen Ereignisse, glaube ich, nur ein einziges Mal, wenn überhaupt, auf.

Giorgio  Bassani wurde jedenfalls 1912 in Bologna geboren und starb 2000 in Rom. Er ist glaube ich ein sehr politischer Autor und von ihm habe ich auch “Der Reiher”, ebenfalls bei “Wagenbach” herausgegeben, in meinen Regalen. Denn da gab es ja vor Jahren einen Abverkauf bei der “Buchlandung” auf der Mariahilferstraße, die es ja in dieser Form nicht mehr gibt und da gab es eine Reihe Italiener in der “Wagenbach TB-Reihe”, um einen Euro, zehn Schilling, waren es, glaube ich nicht mehr, denn es wird wahrscheinlich 2006 oder 2007 gewesen sein und ich habe “Erica und ihre Geschwister” davon auch gelesen und außerhalb dieser Reihe, seit den Bücherschrank- und Literaturgeflüsterzeiten auch einiges von Alberto Moravia und so bin ich an diesen italienischen Stil der Zwischen oder Vorkriegszeit, diese knisternde und bedeutungsschwangere Erotik schon gewont und habe sie bei Michela Murgia, die ja viel jünger ist, erst im letzten <Jahr wiedergefnuden.

Ich könnte aber auch Thomas Mann und seinen  Tod in Venedig”, damit man weiß, was gemeint ist, erwähnen und füge hinzu, daß ich mir mit solchen bedeutungsschweren Gefühlsgeschichten sehr schwer tun, weil sie meinen Widerstand erregen und ich eigentlich die Gefühlsregungen dieses Doktor Fadigati, des Nannes mit der Goldbrille nicht nachvollziehen kann. Sie erscheinen mir, der 1953 geborenen, sehr widersprüchig  und ich kann nur sagen, daß es Gottseidank sowetwas nicht mehr gibt, zumindest hoffe ich das.

So wird aber dieser Dr. Fadigati in den achtzehn Kapiteln der Erzählung auf jeden Fall sehr wiedersprüchig geschildert und man weiß auch nicht genau, wie alt er ist?

Da steht einmal etwas von vierzig und dann ist er plötzlich ein alter Mann. In wenigen Monaten gealtert, gedemptigt, stotternd. Von einem jungen Schönling total ausgenommen, obwohl er doch vorher so erfolgreich war.

Ist er doch HNO- Arzt, Leiter der entsprechenden Abteilung im Krankenhaus mit einer schönen modernen Privatpraxis, wo sämlichte Honoratoren von Ferrara, wo die Geschichte in den dreißiger Jahren spielt, Hitler an die Macht gekommen ist, Dollfuß erfordet und die Juden in dem Städtchen sich Sorgen machen müssen, ob die Rassengesetzte nicht auch bald in Italien angewendet werden, seine <Patienten sind und ihren kindern von ihm die Mandeln nehmen lassen.

Er ist auch ein großer Kunstkenner, geht in die Oper, ist literarisch gebildet, sammelt Gemälde, die man sich in seinem Wartezimmern, wo  die junge schöne Sprechstundenhilfe, die Patienten freundlich begrüßt, auch ansehen kann und hat nur einen Makel, er ist unverheiratet. Hat auch keine Köchin, so kauft er sich zu Mittag seine Thunfischdose und seinen Aufschnitt selbst und am Abend wird er meistens in einem Kino gesehen und so fängt man zu munkeln an, ob er nicht vielleicht und ob es sein könnte…

So fängt es jedenfalls sehr packend und dicht beschrieben, im erste Kapitel an. Dann fährt er plötzlich zweimal in der woche mit dem Zug zweiter Klasse nach Bologna, besucht dort aber die dritte, wo die Stundenten und auch der Erzähler fahren und dort lernt er einen schönen blonden Sportstudenten kennen, verfällt ihm offenbar sofort, wird von ihm gedemütigt und macht sich völlig wehrlos, total lächerlich und mir fällt soetwas schwer zu lesen, wenn es auch vielleicht in den Dreißigerjahren in Italien oder sonstwo sowas gegeben haben mag.

Dann kommt der August und der Erzähler fährt mit seiner Familie ans Meer, wo auch Dr. Fadiati mit seinem Lebhaber Station gemacht hat und der dort mit seinem roten Alfa herumfährt. Kann ein HNO Arzt und Abteilungsvorstand wirklich seine Praxis für zwei Monate verlassen?

Die gute Gesellschaft die sich auch am Strand befindet, redet jedenfalls scheißfreundlich und hinterhältig von ihm und seinen Liebhaber. Der kommt aber nicht, läßt den Doktor warten und stottern, denn er fährt mit dessen Auto nachmittags mit zwei Frauen davon und lädt auch noch andere ein, mitzukommen und als sich der Doktor vielleicht doch wehren will, schlägt er ihn zusammen und raubt ihn aus und der kann ihn nicht anzeigen. Wahrscheinlich wäre das damals wegen der damaligen Gesetze  auch nicht möglich gewesen und so bleibt ihm nichts anderes über, nachdem er seine Stelle und seine Patienten verloren hat, als in den Po zu gehen und der Erzähler erfährt aus der Zeitung davon und erzählt seiner Familie, man ist wieder in Ferrara, während des Mittagessens davon.

Ganz schön beklemmend diese Geschichte.

“Ein genau gezeichnetes Portrait der guten  Gesellschaft und, wie sie ihr Fähnlchen in den Wind hängt,”, steht noch am Buchrücken und mich hat an diesem beklemmenden Portrait vor allem die Vebindung mit dem herannahenden Faschismus beeindruckt.

Die plötzliche Schwäche des erfolgreichen Arztes und Kunstliebhabers war mir nicht nachvollziehbar. Er ist homosexeull gut, muß er dann aber mit über vierzig Jahren, jeden Jünglichen verfallen und von ihm ausrauben, ohrfeigen und lächerlich machen lassen?

Ich würde Homosexualität anders beschreiben und das wird sie inzwischen auch und die Verbindung mit dem Faschismus ist mir auch nachvollziebar und um mehr über Giorgio Bassani, sein Schreiben und seine politsche Einstellung zu erfahren, müßte ich wohl endlich den “Reiher” und vielleicht auch adneres von ihm lesen und jetzt fehlen mir noch zwei Bücher aus der Hotelreihe, die dieses Wort schon im Namen tragen, nämlich Markus Ohrts Zimmermädchen, wo dieses glaube ich, unter dem Bett eines Hotelgastes liegt und Arnold Bennetts “Grand Hotel Babylon” von dem ich noch gar nichts gelesen habe.

Mal sehen, ob diese Bücher zu mir kommen, obwohl ich ja schon eine sehr beeindruckende Backlist habe?

Im Herzen der Gewalt

Bei meinem 2018 Lesen, da suchen sich ja die Buchtuber achtzehn Bücher aus, die sie in diesem Jahr lesen wollen, während ich schon über sechzig auf der Liste habe, komme ich jetzt zu den Geburtstagsbücher, also zu Edouard Luis  “Im Herzen der Gewalt”, das ich mir dazu wünschte, als ich während meines Frankfurtsurfings ein Monat früher ein Interview mit dem 1992 geborenen blonden Franzosen hörte, Frankreich war da das Gastland und daraufhin habe ich  begonnen mich für die französische Literatur zu interessieren, beziehungsweise sie für sehr poltisch zu halten.

Zwei andere FrankreichBücher habe ich inzwischen schon gelesen, das waren Rezensions-Exemplare, die mir “Ullstein” freundlicherweise schickte, da hatte ich dann die poltische Situation, bei Eduourd Luis eigentlich nicht oder nur indirekt.

Der Autor, steht im Klappentext ist vierundzwanzig Jahre alt und schon mit seinem ersten auobiografischen Roman “Das Ende von Edy” in dem er das Aufwachsen in ärmlichen Verhältnissen in der französischen Provinz und die Mobbingerfahrungen, die er als Homosexueller dort erlebte, beschreibt, berühmt geworden.

Was ja eigentlich sehr überraschend ist, hätte ich doch angenommen, daß ein Verlag die Autbiografie eines Zwanzigjährigen nicht druckt. Bei Eduouard Luis, der eigentlich Bellegueule heißt, ist das offensichtlich anders und das zweite Buch ist, wie ich weitergelesen habe, schon in über zwanzig Sprachen übersetzt und verfilmt worden.

“Buchrevier” hat es unter seine Flops des Jahres gereiht und als ich am Freitag im Literaturhaus zu lesen begonnen habe, hätte ich ihm fast zu gestimmt.

Das heißt, natürlich nicht, denn das Buch ist ja kein Roman, obwohl das prompt drin steht, sondern ein wahrscheinlich mehr oder weniger authentischer Bericht einer Vergewaltigung, also etwas, was natürlich interessiert und die Handlung ist sehr einfach und schnell erzählt.

Eduoard Luis geht an einem Weihnachtsabend mit zwei Büchern, die er geschenkt bekommen hat, von seinen zwei Freunden Geoffrey und Didier nach Hause. Da wird er von einem jungen Mann, im Buch steht Kabyle, irgendwo habe ich Algerier gelesen, namens Reda angesprochen. Er nimmt ihn in seine Wohnung mit. Es kommt zum Sex zwischen beiden, dann geht Eduard duschen und, als er aus der Dusche kommt, findet er sein Handy nicht mehr und sieht, daß sein I-Pot aus Redas Tasche ragt. Er spricht ihn darauf an, der antwortet, daß er seine Mutter beleidigt hätte, wenn er ihm des Diebstahls verdächtigt und beginnt ihm zu würgen, dann gibt es noch eine Vergewaltigung und eine Attacke mit einem Messer, bevor er Edouard den Verfolger los wird.

Er geht dann zuerst ins Krankenhaus, später auf die Polizei, um eine Anzeige zu machen, dann zu einem Freund, wo er schläft, beziehungsweise fährt er Heim zu seiner Schwester und die Geschichte wird, wenn ich sie recht verstanden habe, sowohl von ihm, als auch von der Schwester erzählt und ein paar Rückblendungen gibt es auch.

Die Ich-Form wechselt sich mit dem “er” immer wieder ab und es wird auch nicht chronologisch, sondern in Schleifen und Wiederholungen, so wie das bei Flashbacks offenbar ist, erzählt. So beginnt es, daß er sich zuerst dreimal duscht und die Bettwäsche wechselt.

Nach und nach kommt man in die Geschichte, in das Memoir, in das Gewalterlebnis, die Vergewaltigung und die Bedrohung hinein. Ein bißchen hatte ich, ob der Brisanz des Themas, den Zweifel, ob man das Buch nicht rassistisch interpretieren könnte.

Erduard Luis schreibt auch etwas davon und wenn ich so bedenke, daß die Patrioten sich derzeit ja sehr über die Gewalt aufregen, die von den Flüchtlingen ausgehen, die ihrer Meinung nach jede Frau vergewaltigen, habe ich da ein wenig ein ungutes Gefühl.

Trotzdem war das Buch  teilweise  sehr spannend zu lesen. Mit manchen anderen Teilen habe ich mir schwerer getan, so daß ich es auf keinen Fall als Flop bezeichnen würde.

Wenn auch, wie schon erwähnt ein vielleicht  ungutes Gefühl zurückbleibt und natürlich die Frage, warum ein Buch, das von der Gewalterfahrung eines Mannes erzählt, ein Bestseller werden kann, während viele anderes, vielleicht auch nicht uninteressantere unbeachtet bleibt?

In den Wäldern des menschlichen Herzens

Der 1974 in Potsdam geborenen Antje Ravic Strubel, die 2001 beim Bachmannpreis gewonnen hat, hat mit dem, wie am Cover steht, Episodenroman “In den Wäldern des menschlichen Herzens” einen Reigen des einundzwanzigsten Jahrhunderts geschrieben, wo es hauptsächlich um Frauenbeziehungen geht, aber auch eine Transgender Person, was der Grund auch war, weshalb ich das Buch anfragte und gelegentlich ein Mann, spielen eine Rolle.

Der Schausplatz ist die moderne globalisierte Welt, wo wir ja so leicht von einem Kontintent in den anderen fliegen und auch unsere Wohnort wechseln, also von Berlin nach Amerika oder nach Schweden ziehen, weshalb die Umwelt verschmutzt, so daß man sich dann auch in die modernen Naturoasen,  wie in die Wüsten bei L.A oder in die schwedischen und norwegischen Fjorde zum Kanufahren und Marathonlaufen begibt, wo man sich vor den Mückenschwärmen schützen muß.

Katja, Rene, Leigh, Faye, Emily, Helen, Sara etcetera spielen eine Rolle und flattern in wechselnden Beziehungen durch die Kapiteln, in denen man nach und nach eine Handlung erkennt.

Ich habe das ja in den “Dreizehn Kapitel”, wo es nicht um Sex geht, auch einmal versucht, jetzt weiß ich, daß das “Episodenroman” heißt und Sex spielt in den Episoden eine große Rolle. Es geht um Sex und um menschliche Beziehungen, allerdings in einer viel moderenen Art (no na), als bei Arthur Schnitzer, obwohl es ein Weihnachtskapitel gibt, das mich an seinen “Anatol” erinnerte.

Also, Katja und Rene fahren zum Kanaufahren nach Schweden und Katja gesteht der Journalistin, die ein Crossover zwischen einem Reiseführer und einem Reiseroman mit fiktiven Elementen schreiben will, daß ihr die Beziehung mit ihr keinen Spaß mehr macht, so läßt sie “Katjuscha” zurück und im nächsten Kapitel sind wir in Kalifornien, wo Emily, mit Leigh, der einmal ein Mädchen war, in die Wüste fährt und dort verschwindet.

Sie taucht dann etwas später in Hiddensee, in Deutschland auf, wo sie kellnert und noch nicht so gut Deutsch spricht, daß sie Kinder, die Quallen quälen zurechtweisen könnte.

Sie ist die Tochter von reichen Eltern, die ihr Geld mit dem Verkauf an Wasserrechten verdienen, als sie das anprangert, wird sie entführt und in der Wüste ausgesetzt. In der Bar in der sie in Deutschland arbeitet, lernt sie Rene kennen, übersetzt ihr Buch und stellt es mit ihr in Manhatten bei einem Übersetzerkongreß vor.

Es soll auch groß, allerdings in einer anderen Übersetzung, herauskommten, was zur Beziehungskrise zwischen ihr und Rene führt und die gibt es bei zwischen Faith, Emilys Freundin, die einmal mit Leigh in die Wüste fuhr, um nach Emily zu suchen, sich jetzt aber in Schweden in einer Dreierbeziehung vorfindet, auch und am eindrucksvoll- skurillsten fand ich die Sznene, wo Helen, das ist eine Frau aus dieser Dreierbeziehung, nach Berlin fliegen will, am Flughafen aber eine Frau sieht, die nach Münschen will. Sie ändert ihren Plan, folgt ihr ins Hotel, das sie sich eigentlich nicht leisten kann und wird von der Rezeptionistin angerufen, die ihr sagt, daß sie die Polzei rufen will, weil unten in der Lobby eine verrückte Alte eine Party feiern will. Sie geht dann hinunter, um sich an den Freigetränken zu bedienen.

Am Schluß wird es ein wenig unverständlich, denn da fährt eine “sie” mit einem Katt durch Mecklenburg, Vorpommern, ein alter Mann rennt in ihr Auto, niemand der Alten in dem Dorf hilft ihm, denn in der DDR hat man die Unbequemen dorthin ausgesetzt und die Erzählerin entdeckt in Katts Aufzeichnungen, den Namen “Katjuscha” und die Beschreibung “Es ging um Sex. Sex in Hotels, auf Felsen, in Bars, nüchtern, drastisch, verliebt” und der Reigen hat sich geschlossen.

Ich habe Antje Ravic Strubel, wie schon erwähnt durch ihren Text beim Bachmannpreis kennengelernt, die ich mir damals, glaube ic,h noch ausdruckte und nachlas und dann 2003 oder vier oder fünf, als es in der “Buchlandung” die Ein-Euro Bücher gab, einiges von ihr entdeckt und auch gelesen, aber wie ich mich erinnern kann, eher unverständlich gefunden.

Jetzt habe ich vor ein paar Tagen “Tupolew 134” von ihr im Schrank gefunden.

“Kältere Schichten” war 2007 für den “Leipziger Buchpreis” nominiert, mit “Sturz der Tage in der Nacht” ist sie 2011 auf der  LL des “Deutschen Buchpreises” gestanden.

Jetzt habe ich sie in Leipzig auf dem “blauen Sofa gehört, wo sie sagte, daß wir immer noch sehr wenig Ahnung über die verschiednenen Beziehungsformen haben und beispielsweise, Transsex mit Transgender verwechseln, was aber, wenn ich  John Irving richtig verstanden habe, eine Veränderung der Sprache ist, so daß man heute zu dem, was früher Transsex war, heute politisch korrekt Transgender sagt.

Und verändert hat sich, wie das Buch deutlich zeigt, auch sonst sehr viel.