Y

Jetzt kommt eine Frühjahrsneuerscheinung aus dem “Aufbau-Verlag”, nämlich Jan Böttchers Y, eine Geschichte, die von Entwurzelung,  dem Aufwachsen zwischen den verschiedensten Kulturen Europas und dem eines Kindes, für das seine Eltern, egal, ob im Krisengebiet des Kosovo oder dem computerverseuchten Berlin, keine Zeit haben, erzählt.

“Die Geschichte beginnt!”, schreibt der Erzähler, ein Schriftsteller, der mit seiner Frau und seinem vierzehnjährigen Sohn in Berlin lebt, als der, Benji, eines Abends einen schweigsamen Freund nach Hause bringt und ihn bei sich übernachten läßt.

Der Vater stellt den Sohn zur Rede und der Leka genannte Junge verschwindet dann auch wieder. Nicht nur aus der Wohnung des Schriftstellers, sondern überhaupt aus Berlin und als Benji seinen Vater vorwurfsvoll anblickt, beginnt der nach ihm zu suchen und trifft Jakob Schütte, einen Nerd, Workoholic und Computerspielerfinder und der beginnt ihm seine Geschichte zu erzählen.

Er ist mit Arjeta, einem Flüchtlingsmädchen aus dem Kosovo zur Schule gegangen, hat sie Jahre später, in den Neunzigern wieder getroffen, eine Beziehung begonnen, sie  auch bei ihren Eltern und ihren Brüder besucht. Die Beziehung klappte irgendwie nicht, haben Moslems doch andere Moralvorstellungen, außerdem hatte im Kosovo, der Krieg schon begonnen, so daß zuerst die Söhne zum Kämpfen zurückgingen, später die ganze Familie mit Arjeta, die dem Erzähler  ihre Sicht der Dinge erzählt.

Jakob Schütte folgte der Familie in den Kosovo, wo Arjeta, die in Deutschland studierte, Deutsch und Englisch Unterricht gibt und mit Leuten, die im Rundfunk einen neuen Kosovo aufbauen wollen, in Kontakt kommt. Sie wurde dann auch von Jakob schwanger. Heiratete aber nicht ihm, sondern einen Mann namens Bedri, denn der Deutsche, der sich schon mit Computerspielen zu beschäftigen beginnt, war ihr viel zu verrückt.

Jakob kümmert sich eine Weile noch um den kleinen Leka, eine Abkürzung von Alexander, dann geht er nach London. Kommt aber wieder, als Leka sechs Jahre alt ist und kauft ihm einen Computer. Als er in einer Bibliothek Bücher mitgehen läßt, um sie zu kopieren, wird er von der Securty zusammengeschlagen, sein Schlüßelbein wird gebrochen, er fliegt verletzt nach Berlin und kommt  nie mehr in den Kosovo.

Sein Sohn ist dann vierzehnjährig nach Berlin gekommen, ob er sich, von der Mutter allein gelassen, die sich inzwischen einem Künstler angeschlossen hat und mit ihm Videos dreht, selber auf die Suche nach seinen Vater macht oder von ihm entführt wird, bleibt unklar.

Leka ist auch nicht lange in Berlin geblieben, sondern hat sich selber der Poloizei gestellt und zurückbringen lassen.

Der Erzähler und sein Sohn werden ihm, es sind noch Ferien, in den Kosovo folgen. Dort wird er sich mit Arjeta und ihrem neuen Freund ihre Kunstprojekte ansehen.

Da stoßen wir auch auf den Namen des Buchs, das Geheimnisvolle “Y”, ein Symbol für das aufstrebende Kosova vielleicht. Wir begegnen aber auch dem Computerspiel, mit dem Jakob Karriere machte und vom Krieg im Kosovo profitierte und der Erzähler beginnt, als er mit seinem Sohn wieder in Berlin ist und die Fahnen für den Roman, den er darüber geschrieben hat, über sein eigenes Leben,  seine Beziehung zu seinen Eltern, im Nachkriegsdeutschland und in den Zeiten, als die DDR zusammenbrach, zu reflektieren.

“Jan Böttcher hat einen großartigen europäischen Roman geschrieben. Einen Roman, der einige der drängensten Fragen unserer Zeit neu stellt: Wie frei können wir sein, ohne die eigene Herkunft zu verleugnen? Wieviel Verantwortung übernehmen wir im Leben füreinander, für unsere Kinder, für die Gesellschaft? Und was macht uns eigentlich zu guten Eltern?”, steht so auch im Klappentext.

Jan Böttcher von dem ich vor kurzem seinen ersten Roman Lina oder: das kalte Moor” im Schrank gefunden habe, wurde 1973 in Lüneburg geboren und hat 2007 beim “Bachmannpreis” gewonnen.

 

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