Der Keim

Jetzt kommt ein Buch das zum Karfreitag passt, der “Keim” von dem 1897 geborenen und 1970 verstorbenen norwegischen Autors Tarjei Veesas, auf dessen “Vögel” ich durch den “Preis der Leipziger Buchmesse” aufmerksam geworden bin. Dann habe ich weil mich das Buch sehr beeindruckt hat, auch noch das “Eis-Schloss” gelesen, das auf der Frankfurter-BM als Norwegen dort das Gastland war, vorgestellt wurde.

Jetzt hat mich der “Guggolz-Verlag” auf das neue Buch aufmerksam gemacht, das ich auch gleich bekommen habe und ich muß sagen, ich bin wieder höchst beeindruckt.

Denn Tarjei Veesas hat wirklich eine sehr eindrucksvolle symbolistische Sprache, obwohl so genau weiß ich das gar nicht. Habe ich ja nur die Übersetzung von Hinrich Schmidt-Henkel gelesen, der mit den “Vögeln” ja in Leipzig nominiert wurde.

Michael Kumpfmüller hat das Nachwort des erstmals 1940 erschienenen Romans geschrieben und das ist, könnte man so sagen, eine Parabel auf die menschliche Seele und das was immer wieder, auch heute, so geschieht und so kann man das Buch auch als eine Metapher auf das menschliche gesellschaftliche und politische Geschehen in Zeiten, wie diesen deuten.

Das Ganze spielt auf einer Insel. Da kommt einer, der als Wahnsinnig beschrieben wird, heute würde man das wohl anders schreiben, dorthin. Irrt herum und erschlägt schließlich Inger die Tochter von Karl Li, dem größten Bauern der Insel, der eine große Scheune und eine große Obstplantage hat, während der Hof von einem Pächterehepaar betrieben wird und da beginnt es eigentlich bei den Schweinen und der Geburt der Ferkel, die kleine Tochter Helga sitzt dabei und später bricht noch der Eber aus.

Inger will aber mit dem schönen Fremden zu den Pflanzen ins Gebüsch, um sie ihm zu zeigen und dann wird der Mörder von allen im Dorf gejagt und Rolv, der Sohn von Karl Li, der außerhalb studiert und mit seiner Freundin Else Schluß machen will, erschlägt den Mörder und dann kommt es im zweiten Teil des Buches, zu der Auseinandersetzung des Geschehens.

Kari Nes, eine seltsame Frauengestalt irrt herum und fordert alle auf zu der Scheune zu kommen. Sie fordert auch Rolv auf, das zu tun und Karl Li wird aufgefordert zu den Leuten in die Scheune zu gehen und interessant in Zeiten, wie diesen, ist auch, daß zu dem Zeitpunkt, als das geschah, der einzige Polizist der Insel auf Urlaub war und die Bewohner sozusagen sich selbst überassen waren und, daß der Volkeszorn gewaltig und tötlich sein kann hören wir überall immer wieder.

Aber hier und das ist auch eine Stärke des Buchs, wird versöhnt. Rolv steht am Schluss vor dem Haus und wartet auf das Boot, das ihn abholen und der Gerichtbarkeit überfuhren wird und Gudrun, die Lehrersfrau, erwartet ein Kind.

Man sieht, das leben geht weiter und Michael Kumpfmüller vermutet etwas, was ich mir auch denke, nämlich wie weit der <krieg, der damals schon begonnen hat, Tarjei Vesaas beim Schreiben des Buchs beeinflusst hat.

Junge mit schwarzen Hahn

Jetzt kommt schon Buch drei der diesjährigen Bloggerdebuts tund es ist eines das mir bisher unbekannt war. Das Debut der 1974 in Hanover geborenen Stefanie vor Schule und da ist es interessant welchem Genre es zuzuordnen ist? Ist es ein Märchen, eine Parabel, ein Entwicklungsroman?

“Eine außergewöhnlicher Debutroman und eine literarische entdeckung”, steht am Buchrücken.

Ich hätte es eher für das Außenseiterbuch gehalten, das meistens auf den Bloggershortlists gibt. Das ist es wohl nicht und erinnert auch ein bißchen an den “Halbbart”., der ja auch dei “Diogenes” erschienen ist. Es spielt in der Vergangenheit und in Zeiten während oder nach einem Krieg. Mittelalter habe ich irgendwo gelesen. Ich würde eher an den dreißigjährigen Krieg tippen und es spielt in einem Dorf, in das ein Maler kommen soll, um die Kirche auszumalen. Der wird von den drei Dorfältesten, den Seidel, den Sattler, und den Henning dorthin geführt, aber sie finden den Schlüßel nicht. So schicken sie den elfjährigen Martin, das ist der Junge mit dem schwarzen Hahn, den alle für den Teufel halten, ins Nachbardorf, um den Pfarrer danach zu fragen, denn das Dorf hat keinen eigenen.

Der Martin ist ein aufgewecktes Kind, aber auch irgendwie ein Ausgestoßener, denn sein Vater der einmal bei den “Schlafspielen” teilnehmen wollte und darob verrückt wurde und darauf seine Frau und seine Kinder erschlug. Jetzt lebt Martin im Dorf, ist ein bißchen in die Franzi verliebt, die im Gasthaus hilft und weil er ein kluges Kind ist, errät er auch das Geheimnis, wo der Schlüßel ist, verrät es den drein, die recht derb und brutal zu ihm sind, nicht, sondern schlägt ihnen vor eine kleine Tür einzubauen.

Der Maler malt nun den Christus mit dem Martingesicht und die Maria mit dem der Franzi, was die Dorfbewohner nicht goutieren. Der Martin soll nun mit der Godel auf den Markt und wird dabei Zeuge, wie ein Reiter ihr Baby raubt. Das ist schon früher so vorgekommen und so beschließt der kluge Martin mit dem Maler fortzugehen und die Babies zu retten.

Er verläßt aber dann den Maler, weil der ein bißchen liderlich ist. Er trifft auf den Reiter, rettet ihn und kommt in ein Schloß, wo der Maler eine Familie malen soll. Das war, glaube ich, schon vorher und das Makabre an der Sache ist, daß der Junge, der mitgemalt werden soll, schon tot ist. Ein Diener zündet dann auch noch das Schloß an, so daß alle flüchten mußen.

Der Junge mit dem Hahn, den er oberhalb oder auch unterhalb seines Hemdes trägt und der sprechen kann, trfft dann auf einen Spaßmachen und kommt mit ihm in das Schloß der Fürstin, die eine recht grausame Person ist. So finden sie zum Beispiel vor dem Schloß, die Leiche einer ihrer Hofdamen, denn die Fürstin verträgt, wie die Königin im Schneewittchen nicht, wenn jemand jünger, als sie ist. Die Fürstin, die die Kinder rauben läßt, stellt sich heraus, ist schon recht alt und die Knder werden auch immer wieder ausgetauscht und um einen Wunsch an die Fürstin zu haben, muß Martin, wie sein Vater auch an den “Schlafspielen” teilnehmen. Da darf man nicht schlafen. Martin gewinnt und sagt der Fürstin, er will die Knder zurückbringen. Die bekommt er aber erst, nachdem sie stirbt. So bringt er den Jungen und das Mädchen wieder an ihr Elternhaus zurück.

Ihn treibt es dann in sein Heimatdorf, obwohl der Maler mit dem er wieder zusammen ist, davon abrät. Aber er hat Sehnsucht nach der Franzi, um die die drei Ältesten würfeln. Aber Martin verrät nun das Geheimnis, um den Schlüßel. Den hatte der verrückte Organist, der inzwischen tot aufgefunden wurde, in seiner Tasche. Franzi und Martin bekommen sich und die drei Ältesten würfeln weiter.

Eine interessante Geschichte, deren Sinn und roten Faden ich nicht ganz verstanden habe und auch nicht so genau weiß, was die einzelnen Metaphern und die Fingerzeige, die darin vorkommen, bedeuten sollen, beziehungsweise nicht ganz weiß, was die Parabel ausdrücken will?

Die Sprache ist schön. Martin und die Dorfbewohner sind arm. Der Krieg wütend und alles stinkt und ist ungepflegt, wie im “Hammer”, und die Welt ist wie man wohl auch schon in anderen Büchern gelesen hat und wahrscheinlich auch so festgestellt hat, unendlich grausam, nur Martin schön und gut und weiß auch was er will, was ich ebenfalls nicht ganz verstanden habe.

Murmelbrüder

Da habe ich wieder einmal den Beweis bekommen, daß es gut ist, eine zweites Buch eines Autors, einer Autorin zu lesen, wenn einer das Erste nicht so gefallen hat.

Denn “Chiru” der Roman der 1972 in Sardinien geborenen Michela Murgia habe ich ja eher altmodisch gefunden und konnte mich mit dem Frauenbildm das dort präsentiert wird, nicht begeistern.

Jetzt hat mir “Wagenbach” die  2014 erschienene “Geschichte aus Sardinien”, Roman steht bei “Wikipedia”, ist aber keiner, geschickt und ich bin hingerissen. Denn diesmal hat mich der etwas altmodische Touch, der im Somme 1985 spielenden Handlung nicht gestört und kann mir vorstellen, daß es in den kleinen sardischen Dörfern dort so war und vielleicht noch immer so ist.

Die Erzählung ist eine Parable auf menschliche Geschehen, wo n uns ja Ehrgeiz, Haß, Eifersucht, etcetera antreiben und zu so manchen veranlaßen, was man vielleicht nachher bereut.

Michela Murgia zeigt das meisterhaft an der Figur des zwölfjährigen Maurizio, der von seinen Elter,n die Sommer über immer zu den Großeltern nach Crabas geschickt wird. Nur das Cover des Taschenbuches ziert einen schon älteren Jüngling, was ein wenig stören könnte.

Dort erlebt Maurizo, der sonst während des Jahres immer abseits alleine spielt, ein Jugendlleben.

“Wir haben schon zusammen gespielt,” definiert Michela Murga solche Fundamente von Männerfreundschaften. Denn er fühlt sich im Städtchen mit seinem “Wir-Gefühl” geborgen.

Die Großmutter sitzt des Abends mit den Frauen und der anderen Dorfgemeinschaft vor dem Haus und erzählt Geschichten von den Vampirinnen. Das sind Frauen, denen die Kinder während der Geburt oder später gestorben sind und die sich nun die Geister der anderen holen und des Tages robbt Maurizio mit Giulio, dem Sohn des Polizisten und Franco durch die Abwasserkanäle, um die Geheimnisse des Städtchens zu ergründen.

Sie finden Ratten, jagen sie als brennende Fackeln auf den Baum des Priesters. Grillen nennen sie das, denn sie sind in dem katholischen Städtchen alle eifrige Messdiener und dann trifft die Katastrophe ein und die Dorfgemeinschaft beginnt sich zu entzweien.

Und, wie immer beginnt allles mit einem guten Zweck. Der greise Bischof will etwa sGutes stiften und schenkt Crabas eine neue Kirche und einen neuen Pfarrer, was die Eifersucht des Alten herausfordert und Franco, der etwas außerhalb des Städtchens im anderen Teil der Gemeinde lebt, kommt nich mehrt zum ministerieren und zu den Spielen der Freunde.

“Wir schließen ihn aus!”, verkündet Giulio großspurig, was Maurizio noch nicht so ganz versteht .Inzwischen werden Maurizios Eltern, weil sie zu wenig  verdienen, landflüchtig und wandern nach Ferrara aus, lassen den Buben aber bei Großeltern zurück, so daß der nun ebenfallls als Meßdiener, das Geschehen zu Ostern hautnahm miterleben kann. Denn da gibt es immer eine große Prozession.

Falsch, denn jetzt gibt es zwei und es wird sehr köstlich geschildert, wie die nun rivalisierenden Stadtteile mit den Madonnenstatuen aufeinander zugehen und die eine Seite, der anderen “Heilige Jungfrau bete für uns!”, zuruft. Wenn Worte töten könnten…..

Und wenn man schon an die Katastrophe glaubt und den Kopf schüttelt, daß sich eine Gemeinde wegen so einer Kleinigkeit auf ewig verfremden kann, macht Michela Murgia einen Spannungsbogen und hat wohl auch das Schreiben einer spannenden Geschichte studiert, den Franco zieht die Leine. Die Madonnen werden irgenwie ausgetauscht und ziehen in die falsche Kirche zurück. Der Bischof ist zufrieden und rät nur das nächste Mal aus praktischen Gründen vielleicht mit weniger Madonnen auszukommen und was das beste an der Sache ist, Franco kehrtzu den Spielen der “Murmelbrüder” zurück und geht mit ihnen Vögel fangen.

Der Fisch der zu ihm gesprochen hatte

Eine in der “Bibliothek der Provinz” erschienene Erzählung des, wie  in der Biographie steht, 1958 geborenen bildenden Künstlers, Schriftstellers, Regisseurs, Schaupielers und Stadtstrawanzers Thomas J. Hauck, der  schon viele Bücher geschrieben hat und den ich im Mai bei den “Wilden Worten” kennenlernte.

Jetzt hat er mir das zweiundsiebzig Seiten dicke Büchlein geschickt, das er, glaube ich, auch im Cafe Prückl vorgestellt hat.

“Manfred P. T. Ellermann taucht in eine seltsame Geschichte, eine Geschichte voller Poesie, Melancholie und großem Erwarten. Ein Traum? Eine Vision? Realität? Er weiß es nicht und wird es vielleicht nie erfahren, wenn es da nicht einen Duft gäbe…”, steht am Buchrücken und beginnen tut das Buch, das von Geogia Wölfle illustriert wurde, mit dem lapidaren Satz: “Manfred P. T. Ellermann war am 7. Februar in Zirl in Tirol losgegangen, um zu vergessen.”

Dabei gab es gar nicht so viel, was er zu vergessen hätte, jedenfalls nichts Schreckliches, denn er war in seiner Stadt angesehen, hatte einen guten Beruf, Ehrenämter, eine Frau, zwei Kinder, eine Villa, alles also was man so braucht und trotzdem stimmte etwas nicht in seinem Leben, so daß es in ihm zu einem fortwährenden Grollen kam, zu einem Gewitter, von dem seine ewig putzende und den Sex verweigernte Frau “Na, schatzi heut gibts ka Gewitter und morgen a net!”, nichts merkte, so daß er plötzlich, nachdem er in der Zeitung gelesen hatte, daß Gehen gut für das Vergessen ist, aufsteht und mit seiner Aktentasche in Richtung Westen marschiert.

Am Abend ißt er in einem Gasthaus eine Forelle, läßt sich die Fischgräte einpacken und nimmt sie mit auf seine weitere Reise, auf der er bis nach Straßburg kommt.

Seine Uhr bleibt stehen oder eigentlich, geht sie zurückwährt, so daß er nach und nach bis in den Dezember kommt und in Straßburg quartiert er sich zuerst in ein Hotel, in dem er schon einmal war, dann in eine verwunschene Hinterhofpension ein, um zum Bahnhof zu gehen und auf eine Frau zu warten, von der nicht weiß, ob und wann sie kommt.

Dabei findet er eine Christbaumkugel, die er für ein Kücken hält, in dem Pensionszimmer gibt es eine Spinne, die er in sein Umfeld einbezieht, er ernährt sich von Croissants, die ihn an den Mond erinnern.

Und das Vergessen verwandelt sich ein eine vage Erinnerung und der Suche nach einer Vergangenheit, die es vielleicht nie gegeben hat.

Ein Traum? Eine Vision? Realität? Die Midlifekrise, die man mit vierzig, wenn man eine sexmüde Frau und zwei ewig lernende Kinder hat, schon einmal bekommt oder der Weg in die Demenz?

Kann die so ausschauen, daß man, in dem man auf einmal alles hinter sich, sein langweiliges, kompromißverseuchtes Leben und sich in seine Träume, seine Sehnsucht, seine nicht gelebte Vergangenheit zurückzieht?

Vielleicht. Die Psychologin könnte es sich vorstellen und es läßt sich auch herrlich nachdenken und weiterphilosophieren bei dieser Parabel, die uns der umtriebige Vielschreiber schenkte.

Ein Geruch, ein Parfum und noch vieles anderes, spielen dabei auch eine Rolle.

Am Ende hat Manfred P. T. Ellermann Bluttränen im Gesicht  und geht immer weiter ins Nichts. Hört noch “wie sein Fisch, sein Kücken und seine Spinne zu ihm sprachen:” Du hättest sie nie loslassen sollen, nie. Verstehst du? Und Manfred P. T. Ellermann nickt unter Tränen und flüsterte mit tränenerstickter Stimme: “Ja, ich weiß, Fisch, ja, ich weiß Kücken, ja, ich weiß Spinne”, und ging so lange, bis er im Nichts verschwunden war.”