Lifetalk mit Stefanie vor Schulte

Stefanie vor Schultes “Junge mit schwarzen Hahn” ist auf der Shortlist des Bloggerdebuts ,gestanden und da habe das erste Mal von der 1974 in Hannover geborenen Autorin etwas gehört. Das Buch hat mir nicht so gut gefallen, es war mir, glaube ich, zu phantastisch, ich habe aber, als ich mich vor ein paar Wochen bei den Bloggern umgesehen habe, was da wohl auf die deutsche Longlist kommen wird, ist Stefanie vor Schultes “Schlangen im Garten” darauf gestanden und über dieses Buch wurde heute im “Diogenes Talk” vorgestellt, beziehungsweise hat die Lektorin Martha Schoknecht mit Stefanie von Schultes darüber gesprochen und die hat einige Stellen aus dem Buch gelesen in dem es um Tod und Trauer geht und das im Gegensatz zum “Schwarzen Hahn” in der Jetztzeit spielen dürfte.

Die “Diognes Talks”, wo man per “Zoom” sich über die Verlagsprogramme informieren oder einige Autoren mit ihren neuen Büchern, kennenlernen kann, gibt es glaube ich, seit den Corona – Lockdowns, zumindestens werde ich seither dazu eingeladen.

Eine Veranstaltungsreihe, die an Buchhändler und Blogger glaube ich gerichtet ist und ich habe mir, obwohl ich ja mit dem “Buchpreislesen” momentan sehr beschäftigt bin, das Buch schicken lassen ohne genau zu wissen, worum es darin geht, denn der Titel klingt ja eigentlich auch sehr phantastisch, aber das Thema Tod und Trauer interessiert mich berufs- und selbsterfahrungsbedingt sehr und ich habe auch einiges darüber gelesen und einmal gab es ja auch einen Talk wo es um die Erfahrungen einer Trauerrednerin, ging und das Buch habe ich weil in dieser ZZeit ja auch meine Schwiegermutter gestorben ist, gut gebrauchen können und der Talk ist auch aus einem anderen Grund unerwartet aktuell, denn als ich mich gerade bei Zoom eingelockt habe, ist die Nachricht gekommen, die Queen of England ist sechundneunzigjährig gestorben. Also auch sehr viel Tod und Trauer und das wird gerade in OE 24 TV das ich im Hintergrund höre, übertragen.

Aber zurück zu “Diogenes” und Stefanie vor Schulte. Da wurden zuerst die Verlagsvertreter begrüßt. Caterine Schlumberger hat moderiert und dann die Lektorin das Buch vorstellen lassen, wo es um den Tod der Mutter von Familie Mohn und ihren Nachbarn, die sehr aufdringlich sind und wissen, wie die Hinterbliebenen trauern sollen, geht.

Es gab eine Lesestelle und dann konnten die Teilnehmer, meistens Frauen, Fragen stellen, die alle von dem Buch sehr begeistert waren und es auch schon gelesen zu haben schienen. Die starken Bilder und die schöne Sprache wurden sehr gelobt und Stefanie vor Schulte gefragt, wann das nächste Buch käme und ob sie schon daran schreibe?

Sie tut es, hat aber noch nicht sehr viel darüber verraten, wurde aber gefragt, wo sie so lange geblieben wäre? Worauf die Antwort kam, sie war immer da, wurde aber offenbar noch nicht entdeckt.

“Diogenes” hat es getan, was die Autorin sehr freute und der Verlag feiert heuer auch sein siebzigjähriges Bestehen, wie auf den Büchern auch aufgedruckt ist und da wird es in Frankfurt auf der Messe auch einen großen Talk geben. Stefanie vor Schulte wird, wie sie erklärte, auch dort anwesend sein und lesen und der Schluß des Buches, das wurde auch gefragt, ist wieder sehr magisch. Stefanie vor Schulte meinte, daß man über das Thema Tod und Trauer vielleicht nur so schreiben könne und eine Buchhändlerin meinte, daß man, wenn man den Leuten sagt, daß es in dem Buch, um das Trauern geht, neunzig Prozent der Lesenden verschreckt. Es ist aber, füge ich an, ein sehr wichtiges Thema, auch wenn man es gern verdrängt, das aber jeden von uns in der einen oder anderen Art betreffen wird.

Die neue österreichische Buchpreisliste

Den österreichischen Buchpreis gibt es ja seit 2016 und da habe ich von Anfang an mitgelesen und auch vorher immer Spekulationen angestellt, wer da wohl auf die Liste kommen könnten?

Diesmal habe ich das, wie auch beim deutschen Buchpreis mit einer kleinen Geschichte getan, eine Idee, die mir in Kroatien gekommen ist und die ich auch in meinen Work on Progress , das jetzt im Rohtext vorläufig fertig ist, gebrauchen kann.

Spekulationen wer wohl da auf der Liste stehen wird, finde ich spannend und da würde ich mir den neuen Roman von Doron Rabinovici, den ich bei “Rund um die Burg” kennengelernt habe, wünschen, den neuen Thomas Stangl, den ich bei den O-Tönen gehört habe, die neue Marlene Streeuwitz und dann die Bücher, die auch auf der deutschen Buchpreisliste stehen und alles was ich an österreichischen Neuerscheinungen gelesen habe und jetzt voila, die neue Buchpreisliste und die drei Debutvorschlägen sind da.

In der Jury sind Edith Ulla Gasser, Bernhard Bastien, Stefan Gmündner, Günther Stocker und Katharina Teutsch gesessen. Und was habe die aus den hundertdreiunddreißg Büchern aus zweiundsechzig Verlagen ausgesucht?

Der Doron fehlt, das kann ich gleich verraten und bedauern, aber sonst klingt es ganz spannend und wieder ist sowohl Neues als auch Altes dabei. Also voila:

  1. Helena Adler “Fretten”
  2. Iris Blauensteiner “Atemhaut”
  3. Markus Grundtner “Die Dringlichkeit der Dinge”
  4. Monika Helfer “Bettgeschichten und andere”
  5. Reinhard Kaiser-Mühlecker “Wilderer”
  6. Anna Kim “Geschichte eines Kindes”
  7. Robert Menasse “Die Erweiterung”
  8. Teresa Präauer “Mädchen “
  9. Verena Rossbacher “Mon Cheri und unsere demolierten Seelen”
  10. Thomas Stangl “Quecksilberlicht”

Bei den Debuts wurden

1.Lena-Maria Biertimpel “Luftpolster”

2.Sirka Elspaß “ich föhne mir meine wimpern”

3.Anna-Maria Stadler “Maremma”

ausgesucht.

Also ein paar Treffer, ein Buch das ich schon gelesen habe und zwei die auch auf der deutschen Liste stehen, bei der ich gerade das dritte Buch gelesen habe, also lesen, lesen, lesen und dann kommt auch noch irgendwann der Schweizer Buchpreis dazu und das Bloggerdebut gibt es ebenfalls.

Die “Satanischen Verse” am Heldenplatz

Auf den1947 in Bombay geborene Schriftsteller Salman Rushdie, der in seinen Werken sowohl märchenhafte als auch magische Elemente verwendet, wurde mit seinem Roman “Satanische Verse” 1989 von Ajatolla Chomeni mittels einer Fatma mit dem Tod bedroht, beziehungsweise wurden alle Musleme dazu aufgerufen, da er in dem Buch, den Islam, den Phropheten und den Koran beleidigt sah. Das hat zu großer Aufregung geführt und ich kann mich erinnern, daß es da eine Lesung von den IG- Autoren der “Verse” gegeben hat, an der ich nicht teilnahm, weil ich die kleine Anna nicht dazu mitnehmen wollte.

Bei der GAV hat es auch Aufregung gegen, weil sich die bedroht fühlten und daher, die Türklingel abmontierten, was zu einigen Austritten, ich glaube, von Gerhard Ruiss und Barbara Frischmuth führte und ich kann mich auch erinnern, daß ich da einen Brief an Barbara Frischmuth geschrieben habe, den sie auch beantwortet hat.

1992 hat er den “Österreichischen Staatspreis für europäische Literatur” bekommen, darüber beziehungsweise, wie die Staatspolizei ihn beschützte, damit er den Preis entgegennehmen konnte, hat Judith Grohmann ein Buch geschrieben. Deckname war Joseph Anton und unter diesen Namen hat Rushdie auch eine Autobiografie geschrieben. Ich habe ein paar seiner Bücher in meinen Regalen und eines, glaube ich, gelesen, die “Satanischen Verse” aber nicht und habe, ich gebe es zu, den Roman auch für eine Gedichtsammlung gehalten.

Am zwölften August kam es zu einer Messerattacke in New York, die Salman Rusdie schwer verletzte und aus diesem Grund hat die GAV heute eine öffentliche Lesung aus dem Buch am Heldenplatz veranstaltet, um sich für Toleranz und die “Freiheit des Wortes” einzusetzen.

Interessant ist dabei, daß das Buch, obwohl es ja schon über dreißig Jahre alt ist beim letzten “Literarischen Quartett” noch einmal besprochen wurde. Vea Kaiser .hat den Roman vorgestellt und ihre Begeisterung darüber sehr euphorisch ausgedrückt. Sie hat, glaube ich, auch das Programm der Lesung gestaltet und die Lesestellen ausgesucht. Doron Rabinovichi hat, glaube ich, so etwas, wie die Schutzherrschaft übernommen und die einleitenden Worte gesprochen.

Man konnte sich melden wenn man lesen oder sich als Ordner betätigen wollte und ich habe mich als Lesende gemeldet, obwohl ich sonst ja nicht so gern die Texte anderer lese, bin aber, als ich von Ungarnis zurückgekommen bin und unter anderen auch darüber berichtet hat, mit dem Uli diesbezüglich zusammengestoßen und da ist es wohl gut, wenn man weiß wovon man spricht und so bin ich heute um halb zwölf, nach dem ich die heurige österreichischee Buchpreisliste eingesehen und die Verlage angeschrieben habe, mit dem Alfred auf den Heldenplatz gegangen. Von zwölf bis vier gab es abwechselnd fünf Minuten Lesungen von GAV-Autoren. Es gab sozusagen Polizeischutz, das heißt zwei oder drei diesbezügliche Autos sind dagestanden und da habe ich auch Erinnerungen an Heldenplatz- Demonstrationen. Die großen haben ja dort gegen schwarz-blau eins und schwarz-blau zwei stattgefunden. Die Kleineren fanden dann unter dem Erzherzog Karl Denkmal statt und da war ich in Corona-Zeiten auf einer Künstlerdemo am ersten Mai und dann im Oktober 2020 auf einer als der zweite Lockdown zustande kam und heuer auch einige Male. Auf einigen Großen auf der anderen Seite und dann auf einer Demo-Party, wo mich die vielen Polizeaufrufen “Setzen Sie eine Maske auf!” ein bißchen nervte. Das ist jetzt vorbei und großen Andrang hat es nicht gegeben. Natürlich wer hat Dienstag, um zwölf schon Zeit? Zuhörer waren, glaube ich, hauptsächlich die GAV-Mitglieder und Touristen oder wahrscheinlich auch Ministerium- oder Parlamentsmitarbeiter sind im schwarzen Anzug durchgegangen.

Es haben sich auch einige Organisationen, wie die IG, der PEN, die “Alte Schmiede”, das Literaturhaus, der Republikanische Club, “bahoe books”, etceteta, dem Soldaritäsaufruf angeschlossen. Der Republikanische Club und der “Falter” haben auf die Veranstaltung auch hingewiesen und so hat auch der Pen-Präsident Helmuth A Niedlerle, und Gerhard Ruiss von den IG-Autoren gelesen und dann das Who ist Who, der GAV, beziehungsweise, der österreichischen Autorenszene, wie Vea Kaiser, Susanne Ayoub, Klaus Haberl, Christa Nebenführ, Renate Aichinger, Herbert Maurer, Ilse Kilic, Birgit Schwaner, Angelika Stallhofer, Anna Weidenholzer, Dieter Sperl, Dine Petrik, Lydia Haider, Marlen Schachinger, Manfred Loydolt vom Lesetheater, Rhea Krcmarova, Luis Stabauer, Udo Kawasser, Eva Schörkhuber, Margret Kreidl, Lukas Cejpek, Jopa Jotakin, Monika Vasik, Thomas Northoff, Jörg Piringer, etcetera.

Man konnte sich aussuchen wann man lesen wollte. Bis vier ist es mir egal, habe ich gesagt, weil ich Dienstag fünf Uhr Fixstunde habe und hätte, um viertel Vier drankommen sollen. Geworden ist es dann eine Stunde später, so daß ich gleich nach meiner Lesung weggehen und nicht mehr den Abschluß hören konnte und ein Roman über fünfhundert Seiten kann wohl nur in Ausschnitten gelesen werden. Iich habe wer es wissen will von Seite 417-419 gelesen und der Text wurde von der GAv zur Verfügung gestellt. Trotzdem war der Ritt durch das Buch sehr interessant und es war auch ein schöner warmer Sommernachmittag am Heldenplatz und einen Aufruf vom internationalen Literaturfestival Berlin am 29. September, wo weltweit jeder der will aus den Versen lesen oder eine Lesung veranstalten soll, gibt es auch und das wäre eine gute Idee, sich mit dem Roman zu beschäftigen und ihn dadurch bekannter zu machen.

“1984 revisited”

Wieder eine kleine Vorschau auf mein Work on progress, das jetzt im Rohtext so ungefähr fertig ist, das heißt eigentlich eine Materialsammlung und ein Hinweis, wohin es gehen könnte, die noch ordentlich überarbeitet werden muß.

28741 Worte bis jetzt, neunundzwanzig Sezenen und sechsundfünfzig ein halb Seiten, also wieder sehr kurz, kann aber noch werden und jetzt einmal die erste von den drei Winston Szenen zum Vorkosten:

23.

“Sie haben am sechzehnten Mai Ihre Stromration überschritten, Winston Smith und daher einen neuen Schlechtpunkt in ihrem sozialen Punktekonto bekommen! Da müssen wir miteinander reden und Sie haben sich am nächsten Morgen mittels Videokonferenz in meiner Sprechstunde einzufinden! Bestätigen Sie die Anweisung Ihres Maßnahmenbegreuers 0 `Brien unverzüglich!”, leuchtete auf Winstons Handy, das er, wie vorgeschrieben um den Hals trug.

Verdammt, verdammt! Da war schon wieder eine Mahnung und wenn er so weitermachte, war sein Urlaub dahin und er bekam am Ende noch eine Ausgangsperre! Verdammt, verdammt, dabei hatte er, soweit er wußte, sein Stromkonto gar nicht überzogen oder jedenfalls versucht so sparsam, wie es nur irgend möglich war, mit der ihm zugeteilten Ration auszukommen und was das Schlimmste war, war seiner Freundin Julia vor ein paar Tagen das Gleiche passiert! Da hatte sie verbotener Weise, obwohl er sie gewarnt hatte, ein Bad genommen. Der große Bruder, der alles mitbekam, hatte das natürlich gleich gespeichert und ihr ebenfalls eine Strafsitzung aufgebrummt! Also wurde es auch mit ihrem Konto knapp und sie befanden sich demnächst wegen ungebührenden Verhaltens wieder im Lockdown und auf dem öffentlichen Pranger, der sozialen Überwachungsapp!

Verdammt, verdammt, wo waren sie nur hin gekommen? Das hatte er sich vor fünf Jahren nicht geträumt, daß er einmal in einer solchen Misere landen würde! Da hatte er in London an einer Highschool Englisch unterrichtet, Julia kennengelernt und war mit ihr, nachdem England aus der europäischen Union ausgetreten war, nach Österreich übersiedelt, weil Julia, wie sie immer betonte, eine Wiener Großmutter hatte und von der alten Kaiserstadt sehr schwärmte und da hatte es ihm Anfangs auch sehr gefallen! Er hatte im British Council eine Stelle gefunden. Julia war Modedesignerin. Dann war die Pandemie ausgebrochen und damit hatte das Unglück angefangen. Da war er sich ganz sicher. Die Pandemie, der Lockdown, die Ausgangssperren, die Masken– und die Testpflicht! Die Impfpflicht war auch eingfordert und letztendlich wieder ausgesetzt worden! Er und Julia hatten die Zähnen zusammengebissen und sich impfen lassen. Masken hatten sie auch getragen. Zuerst hatte Julia sie selbst designet. Später war die weiße oder schwarze FFP2-Mske verpflichtet worden und während er sich noch fragte, wer das alles zahlen sollte, war schon die nächste Krise hereingebrochen. Russland hatte der Ukraine den Krieg erklärt und alle russischen Künstler, die in Europa lebten, wie beispielsweise, die berühmte Operndiva Anna Netrebko war auf die schwarze Liste gekommen und der Präsident der Ukraine hatte alle Staaten aufgefordert Waffen zu liefern und ihm im Kampf zu unterstützen! Die Folge waren die Sanktionen der europäischen Staaten gegen Russland gewesen, was zu einer Gasknappheit und einer allgemeinen Teuerungswelle, die sich schon vorher unterschwellig angekündigt hatte, gewesen! Der Strom, das Öl, das Benzin, die Fernwärme und auch die Lebensmittel waren teurer und teurer geworden und jetzt gab es die “Große Bruder Überwachungsapp”, die seit Anfang des Jahres zum Wohle aller, jeder um den Hals tragen musste. Damit wurden die Türen zu den Geschäften und den U-Bahnstationen aufgemacht und die Strom- und Gasration überwacht. Das Baden war verboten worden und der Kalorienverbrauch rationalisiert.

“Verdammt, verdammt!”, fluchte Winston Smith nochmals vor sich hin und strich sich mit der Hand über die Stirn. Was sollten er uns Julia machen, wo doch jeder Widerstand zwecklos war? Zwar hatt es schon in Corona-Zeiten Demonstrationen gege ben, die waren aber bald den Rechtsradikalen zugeschrieben worden, die man bekämpfen und verbieten mußte und als im letzten Herbst die Menschen wegen der Teuerung auf die Straße gingen, hatte man den Staatsschutz eingeschaltet. Dann war der Strom und das Gas und auch das meiste Andere rationalisiert und mit der “Großen Bruder-Überwachungsapp”, die man im Handy mit sich trug, kontrolliert wurde.

“Großer Bruder-Überwachungsapp!”, fluchte Winsoton Scmith vor sich hin und schüttelte verächtlich den Kopf. War ihm doch eingefallen, daß es seinem Vater vor vierzig Jahren auch nicht anders gegangen war. Das heißt eigentlich kannte er seinen Vater gar nicht. War er doch in einem Waisenhaus aufgewachsen, wo ihm die die dortige Vorsteherin mitgeteilt hatte, daß seine Eltern bei einem Unfall verstorben waren, weshalb er vom Staat aufgezogen wurde. Dann war aber eine Frau aufgetaucht, die sich als seine Großmutter vorgestellt hatte und ihn, als die damalige Diktatur vorüber und Großbritannien wieder Demokratie geworden war, zu sich genommen hatte. Da war er eigentlich ganz angenehm aufgewachsen. Hatte nach dem Abitur englische Literatur studiert und war Lehrer geworden, was ein Beruf war, der ihn sehr befriedigte und die Großmutter hatte ihm vor ihren Tod noch die Geschichte seiner Eltern zugeflüstert, die offenbar gar keinen Autounfall hatten. Die Mutter hatte Julia, wie seine Liebste geheißen, beide waren dem sogenannten Wahrheitsministerium zum Opfer gefallen und jetzt schien sich die Geschichte offenbar zu wiederholen.

“Verdammt, verdammt, das gab es doch nicht! Das darf nicht sein!”, fluchte Winston Smith vor sich hin und schüttelte den Kopf mit den aschblonden Haaren. Dann drückte er auf sein Handy und gab seine Zustimmung zu der verordneten Videokonferenz. Blieb ihm doch nichts anderes über. Er hatte keine andere Wahl.

Vom Weinhaus Sittl zum Volksstimmefest

Am Freitag sind wir wieder zu einer Lesetheateraufführung ins Weinhaus Sittl gegangen und zwar wurde da von George Bernhard Shaw “Man kann nie wissen” aufgeführt, ein interessantes Stück, das in einen englischen Seebad Ende des neunzehnten Jahrhunderts spielt, wieder die Moral auf den Kopf stellt und satirisch, die gesellschaftlichen Zustände beleuchtet.

Die Veranstaltung hätte eigentlich in der ehemaligen Galerie Heinrich stattfinden sollen, dort gab es einen Wasserrohrbruch und so waren wir die einzigen Zuschauer. Eine Exclusivaufführung sozusagen, interessant ist nur die Frage, was die Aufführenden gemacht hätten, wenn wir nicht gekommen wären? Aber mir ist das ja auch zweimal fast passiert. Christa Kern, hat mitgelesen und dann auch ein paar wie Claudias Kölz, die auch bei der “Wannsee-Konferenz” auftraten.

Und am Wochenende Volksstimmefest, das schönsten Fest des Jahres, wie es so schön heißt, immer pünktlich vor Schulbeginn und da gibt es seit 1975, wie gesagt wurde das “Linke Wort” von Arthur West eingeführt. Da haben zu Beginn Elfriede Jelinek gelesen, Peter Turrini, Marie Therese Kerschbauer, etcetera. Ich habe das erste Mal im Rahmen des “Arbeitskreises schreibender” Frauen gelesen und dann ab 1989 regelmäßig und fast jedes Jahr. Nach Arthur West hat Helmut Rizy die Organisation übernommen, und dann Roman Gutsch und Christoph Kepplinger. Die letzten Jahre wurde die Veranstaltung allein von Christoph Kepplinger organisiert, dem es dann zu viel geworden ist, so daß er es 2019 das letzte Mal organisierte. Die Anthologie hat es dann auch schon nicht mehr gegeben. Dann kam Corona und es gab 2020 statt dem Fest eine Wahlverantaltung zur Wien-Wahl und voriges Jahr wurde die Lesung von Alex Hartl und noch einem Typen organisiert. Die mich sogar eingeladen haben, die Ruth und andere nicht, mich aber schon, aber da wußte man ja nicht 3 G oder nicht und dann wollten die Veranstalter den Text vorher sehen und das “Frühlingserwachen” schien mir total veraltet, so habe ich eine Szene aus meinen damaligen Work on Progress, wo zweimal das Wort Corona vorkommt und einmal, glaube ich, ein “Männerhassender Feminist”, was den Veranstalter nicht gefallen haben, so daß sie mich ausgeladen haben.

Uje, uje, das “Frühlingserwachen” hätte ich aber lesen können, aber dann gabs doch 3G und heuer keine Einladung. Als ich die Sigi Maron-Bühne erreichte, sah ich auf dem Podium fast lauter unbekannte Gesichter. Das heißt Erwin Riss hat wieder ein Stück aus seinem neuen “Herr Groll-Krimi” gelesen und Alex Hartl hatte eine Mitorganisatorin und ein Maskottchen das herumgegangen ist. Die Mitorganisatorin sagte, alle lesen auf Augenhöhe. Also alle in einer Reihe und richtig die erste Leserin Nadja Baha habe ich gekannt, denn sie hat schon einmal gelesen. Sie hat mich auch gegrüßt. Das Thema hieß “Unbewußt” aber die meisten Leser haben sich nicht daran gehalten.

Dann kam Alexander Lippmann mit einem Stück aus einem Buch, wo es um einen Alptraum ging und Lennart Levy thematisierte in seinem Text der von Stalin handelte und sich dabei, was ich ja auch gerne tue, zum “Nobelpreis” hochhantelte. Ansonsten könnte man an dem Text eine Kommunismuskritik kritisieren, das hat aber, glaube ich, niemand getan.

Maria Muhar folgte, das ist eine Debutantin, deren Buch ich vorige Woche bekommen habe, eine Sprachkunstabsolventin und sie hat vielleicht auch schon mal am Fest gelesen, denn die Szene die sie las handelte von einem Volksstimmefest im Regen und da habe ich ja einmal eines erlebt, wo sich alle unter das Dach flüchteten. Katharina Braschel hatte einen sprachlich sehr anspruchsvollen Text und Philipp Böhm, der aus Deutschland gekommen ist und im “Verbrecher-Verlag” verlegt, brachte eine Kurzgeschichte aus seinem Band und dann wurde, das ist wahrscheinlich neu am Neuen linken Wort an den hundertsten Geburtstag von Pier Paolo Pasolini erinnert, der auch ein überzeugte <kommunist war. Seine Texte wurden zweisprachig Deutsch und Italienisch gelesen und Alex Hartl hat etwas aus der Biografie erzählt.

Interessant interessant, ein paar bekannte Gesichter habe ich gesehen, die Ruth war da und Walter Famler, der die “Sichel” austeilte, Eva Brenner und dann gab es einen Rundgang und vorher habe ich noch beim Frauenstand eine Diskussion zum Frieden gehört. Da saß Bärbl Danneberg am Podium und die hat am Sonntag fünf ihrer Kolumnen gelesen, die sie in der “Volksstimme”, im “Augustin” etcetera, “Trara, Trara, der Herbst ist da”, geschrieben hat. Sama Maani, den ich, glaube ich, schon auf der “Buch-Wien” oder in der “AS”, hörte, beschäftigte sich mit der Frage, ob eine Weiße das Gedicht von Amanda Gorman Florian Neuner übersetzten darf und hat die Texte Sigmund Freuds dahingehend durchleuchtet, wie oft da Worte “bewußt- unbewußt” vorkommen.

Vorher hat noch Josefine Riecks zwei Kapitel aus ihrem Roman gelesen. Marlene Streeruwitz ist am Schluß nicht ganz in “Augenhöhe” mit Walter Baier aufgetreten, um ihr “Handbuch gegen den Krieg” zu präsentieren.

Da bin ich mit der Ruth hingegangen, die vorher bei uns zum Mittagessen war. Ilse Kilic, Fritz Widhalm, Eva Schörkhuber und noch viele andere habe ich gesehen, dann ein Runde um die Festwiese gemacht und bin nach Hause gegangen . Der Alfred ist mit den Hundertmarks inzwischen wieder nach Harland gefahren, wo sie ihr Auto stehen haben, um am Montag zurückzufahren.

Dschinns

Buch zwei der deutschen Longlist, “Dschinns” von Fatma Aydemir, das, glaube ich, schon im Februar erschienen ist und sogar in der “AS” vorgestellt wurde. Das habe ich aber versäumt und auch das Debut der 1986 in Karlsruhe geborenen Fatma Aydemir nicht gelesen. Sie hat dann einen Sammelband “Eure Heimat ist unser Albtraum” herausgegeben und mir von daher als recht aggreessiv oder aufmüpfing erschienen.

“Dschinns” ist das aber gar nicht, sondern eigentlich ein recht konventionelles und mir durchaus realistisch erscheinendes Buch, obwohl “Dschinns” die inneren Stimmen oder das Böse das in und um uns passiert und in den Häusern lauert, es eigentlich nicht ist oder doch natürlich und jeder hat wohl seine Dschinns egal ob er in Wien, Karlsruhe, Istanbul oder einem anatolischen Dorf geboren wurde.

Da ist einmal Hüsesyn, eigentlich ein Kurde, aber das durfte man in der Türkei nicht sein, ohne verfolgt zu werden, so ist er in den Sechzigerjahren wahrscheinlich nach Deutschland gegangen, um das große Geld zu verdienen. Jetzt ist er sechzig, das Buch spielt 1999, in Pension gegangen und hat sich eine Eigentumswohnung in Istanbul gekauft, um dort mit seiner Frau Emine seinen Lebensabend zu verbringen. Kaum angekommen erleidet er einen Schlaganfall und nun reist die Familie, die Frau Emine und die vier Kinder, sowie die zwei Enkel, um der Beerdigung beizuwohnen.

Das Buch ist in sechs Teilen geschrieben, eines gehört dem Vater, dann haben die Kinder Ümit, Sevda, Hakan und Perihan je eine Stimme und interessant, zwei davon kommen zu spät zum Begräbnis. Ja der Weg von Deutschland nach Istanbul ist weit und ein Flug wahrscheinlich nicht so schnell zu bekommen.

Ümit, der jüngste ist fünfzehn und wurde und das erscheint mir etwas unrealistisch von seinem Sporttrainer zu einem deutschen Therapeuten geschickt, weil er etwas mit einem Jungen hatte, damit er ihn wieder “normal” machen kann. Das ist heute wohletwas anders und Sevda, die Älteste ist Analphabetin oder nie in die Schule gegangen, weil sie bis sie zwölf oder dreizehn war, bei der Großmutter aufwuchs, bevor sie die Eltern nach Deutschland holten. Dann hat sie zwar einen Deutschkurs besucht, sollte aber gleich verheiratet werden. Beim ersten Mann weigerte sie sich. Den Zweiten hat sie genommen. Der hat sich aber als Nichtsnutz erwiesen und seine Abende in Klubs bei Freunden verbracht. So mußte sie in der Nacht als Büglerin arbeiten und die Kinder waren allein zu Haus, als dort die Rechtsradikalen ein Feuer legten. sie floh mit den Kindern zu ihren Eltern. Die schickten sie aber wieder zurück. Sie trennte sich trotzdem, übernahm eine Pizzeria und steckte dem obdachlos gewordenen Mann sogar immer etwas Geld zu.

Perihan, die jüngere Schwester schaffte ein Philosophiestudium, Hakan ist Gebrauchsautohändler und kommt zum Begräbnis zu spät, weil die Polizei ihn zu einem Drogentest zwingt. Es kommt zu einer Aussöhnung zwischen Sevda und der Mutter und am Schluß kommt es, um das Ganze auch dramatisch zu machen, zu einem Erdbeben. Ja die Dschinns lassen einen nicht aus und es hat auch noch ein anderes Kind gegeben, das Emine weggenommen wurde und sie sich nicht wehren konnte.

Der Vater wird als ambivalent geschildert, sich zu Tode arbeitend, nach außen rauh, aber die Entscheidungen hat die Mutter getroffen und die konnte auch nicht aus ihrer Haus heraus und die Dschinns zurücklassen.

Ein sehr realistisches Buch, denn ich habe lang mit einer Türkin gearbeitet, die als Vorbild der Sevda dienen könnte. Sehr spannend über die ehemaligen Gastarbeiterkinder zu erfahren, die es geschafft haben, auf Buchpreislisten stehen oder bei der TAZ arbeiten.

Viele schaffen das noch nicht so problemlos obwohl die türkischen Mädchen, wie ich im laufe meines Praxisleben erfahren konnte, auch schon aufs Gymnasium gehen, auch wenn sie die Matura vielleicht noch nicht schaffen. Ihre Töchter werden es vielleicht und ich könnte mir vorstellen oder wünschen, daß das Buch auf die shortlist kommt, obwohl ich ja bis jetzt nur ein anderes Listenbuch gelesen hat.

Eine Liebe

Einmal noch, bevor es dann wirklich ans deutsche Buchpreislesen geht, wenn ich nicht doch zur Romanrecherche “1984” nochmals lese, bin aber mit dem vorläufigen Rohtext wahrscheinlich schon fertig.

Also eine Vorschau auf die Frankfurter Buchmesse und das Gastland Spanien, das es dort gibt, den Roman, der 1976 in Sevilla geborenen Sara Mesa “Eine Liebe”, den mir “Wagenbach” wieder freundlicherweise schickte.

“Dies ist keine Liebesgeschichte oder etwa doch”, steht am Buchrücken.

“Ein Roman über gemischte Gefühle, ein Dorf auf der Suche nach einem Sündenbock und eine Frau, die auf schmerzhafte Weise in die Eigenbrödlerei findet, beuruhigend, betörend präzise und im besten Sinne merkwürdig.”

Und dann geht es um die etwa dreißigjährige Nat oder Natalie, die in ein kleines spanisches Dorf zieht, um dort ein Buch zu übersetzten. Das Haus ist verfallen, der Vermieter unfreundlich und kommt selbst monatlich die Miete zu kassieren, obwohl er sich um die Reparatueren nicht kümmert. Er bringt ihr aber einen verwilderten Hund, mit dem sie sich langsam anfreundet. Sie putzt das Haus um die Konzentration für ihre Übersetzung aufzubringen und wird von den übrigen Dorfbewohnern eigentlich freundlich aufgenommen.

Vor allem vor dem “Hippie” Piter, einem Glaser, der aber vielleicht ein bißchen besitzergreifend ist. Es gibt ein Ladenmädchen und einen Laden, eine Romafamilie, ein altes Ehepaar, eine Nachbarfamilie, die nur gelegentlich kommt und den “Deutschen”. Der ist aber eher ein Kurdensohn und baut Gemüse an.

Dann wird das Dach kaputt und muß renoviert werden. Der Vermieter, der einmal unangmeldet in ihrem Haus aufgetaucht ist, weigert sich, es zu renovieren und dann kommt der Deutsche und bietet ihr das an, wenn sie ihn nur voher “in ihn reinlässt”, weil er sehr einsam ist. Sie ist zuerst empört. Dann kommt sie in sein Haus und eine große Liebe oder eine Besessenheit zu Andreas beginnt. Eine Besessenheit wahrscheinlich, denn er ist sehr verschlossen und sie fühlt sich von den Nachbarn ausgestoßen, obwohl das wahrscheinlich nur in ihrem Kopf passiert. Piter hält zu ihr, die Nachbarin verhält sich seltsam und sie fängt Andreas zu stalken an, bis er, sehr freundlich, bei Sara Mesa ist vieles ungewöhnlich, die Beziehung beendet.

Im dritten Teil greift der Hund, während sie spazieren geht, dann die Tochter der Nachbarin an, der Vermieter versucht sie zu vergewaltigen oder droht ihr das an, sie spricht sich mit Andreas aus, bevor es ihr gelingt in den Nachbarort zu ziehen und Piter sich weiter um sie zu kümmern scheint.

Eine metatphernreiche Novelle würde ich sagen, die zum Nachdenken über das Leben zwingt. Denn eigentlich wäre ja alles sehr einfach und man könnte auch mit der Liebe viel unkomplizierter umgehen. Er will Sex von ihr, sie braucht seine Hilfe, aber Pitar oder ein anderer Handwerker hätten ihr das Dach wahrscheinlich auch renoviert.

“Sara Mesa verzichtet auf den Luxus des Details, ihre Sprache besticht durch Knappheit: prägnant entwirft sie eine unheimliche Welt hinter glasigem Dunst – mit doppelten Böden, unscharfen Grenzen und moralischen Grauzonen”, steht noch am Klappentext.

Mit dem Besuch aus Leipzig zur Wannseekonferenz

Dieses Wochenende haben wir wieder Besuch aus Leipzig, das heißt die Ute und der Andreas, bei den wir immer während der Buchmesse gewohnt haben, sind wieder nach Wien gekommen. Das heißt eigentllich am Dienstag nach Harland und heute nach Wien, wo sie bis Montag bleiben werden und der Alfred hat sich vor einem Jahr extra deshalb ein Sofa machen lassen, damit sie übernachten können.

Ich bin ja schon am Montag wieder nach Wien gefahren, um meine Stunden und die Monatsabrechung zu machen und ab heute gibt es wieder ein literarisches Programm.

Die Programm von der “Alten Schmiede”, Literaturhaus und “Gesellschaft”, die nächste oder übernächste Woche beginnen, sind gekommen. Am Wochenende gibt es des Volksstimmefest, auf dem ich nicht lesen wird und die Sommerlesereihe des Gasthaus Sittl gab es auch, aber da sind wir diesen Sommer nicht gewesen.

Aber am ersten September ist der Antikriegstag und da gibt es immer eine Veranstaltung des ersten Wiener Lesetheaters und da bin ich einmal mit Ottwald John auf den Spuren von Berta von Suttner durch Wien gegangen und heute gab es Aufführung im “Arche Theater”, wo auch immer der “Literarische Lenz” stattfindet, des Theaterstücks Film des 1930 geborenen Paul Mommertz über die “Wannseekonzerenz”, denn da haben sich ja im Jänner 1940 Reinhard Heydrich, Adolf Eichmann mit Vertretern der nationalsozialistischen Regierung und einer Sekretärin getroffen, um die Endlösung der Judenfrage zu besprechen und Paul Mommertz hat offenbar das Stück oder den Film aus dem Jahr 1984 aus den damaligen Protokollen zusammengestellt.

Susanna C. Schwarz Aschner hat die Aufführung gestaltet und die Rolle der Sekretärin übernommen. Die Bilder der damaligen Atkteuren waren im Theaterfoyer aufgehängt.

Die Ruth habe ich gesehen, Werner Grüner und meine Hauptschulfreundin Christa U, die ich heuer bei den O-Tönen vermisst haben, waren im <Publikum.

Claudius Kölz, Christian Katt, Martin Auer und der Theaterleiter Jakub Kavin haben unter anderen schwarzgekleidet die Rollen gelesen. Zuerst gab es ein Interview mit Adolf Eichmann, dann sind die zwölf Akteure aufgetreten und haben das Protokoll vergesen. Dazwischen wurde bei der Konferenz offenbar Kognac getrunken und ein Imbiß eingenommen.

Ein sehr bedrückendes Stück anlässlich des achtzigsten Jahrestages zur Wannseekonerenz von der ich in der Schule hörte. Das Stück und den Autor aber nicht gekannt habe und wieder daran erinnern kann, daß an den Friedensbemühungen, auch wenn man das heute vielleicht ein wenig anders sieht, nicht zu rütteln ist.

Das Rosen-Experiment

Jetzt kommt noch immer nicht ein deutsches Longlistbuch,obwohl Jan Böttchers “Rosen-Experiment” darauf stehen hätte können und es ist eines das sich mit den Neunzehnzwanzigerjahren und seine Verknüpfung zur Gegenwart beschäftigt.

Vom 1973 geborenen Jan Böttcher habe ich schon einiges gelesen und gehört und das Interessante an dem Buch ist, daß es sich mit Doktorantinnen beschäftigt, die in den Neunzehnhundertzwanzigerjahren am Psychologischen Institut in Berlin, das sich in einem Schloß befand oder vielleicht auch noch immer befindet, forschten.

Und das ist für die Psychologin, die zwischen 1973 und 1979 in Wien Psychologie studierte und sich vorher mit Charlotte Bühlers “Psychologie im Leben unserer Zeit” beschäftigte, natürlich interessant, wie es da in den Neunzehnhundertzwanzigerjahren mit den psychologischen Instituten ausgesehen hat, wo ja unter anderem, die Sozialpsychologie in Experimenten erforscht wurde.

In Berlin, in diesem Schloß war es offenbar ein Professor Lewin, der forschte und dann in die USA emigrierte und er hatte, wie Jan Böttcher in seinem Nachwort schreibt, einige osteuroäische Studentinnen, die meist Jüdinnen waren und später nach Moskau oder auch zu ihm in die USA gingen.

Jan Böttcher hat einen Leonhard Zadek aus Kurt Lewin gemacht und die Doktorantin, eine lettische Apothekerstochter, die mit einem Dima verheiratet ist, heißt Zenia. Böttcher führt noch an, daß damals in dem Institut die Kolloquien im “Schwedischen Cafe”, das dem Institut gegenüberlag, abgehalten wurden. “Quasselstrippe” nannten sie sie und da lernt im Roman Zenia eine Kellnerin namens Helene kennen und beobachtet sie, wie sie sich die Bestellungen merkt und dann gleich darauf vergisst. Sie macht die, die ja nicht studiert, sondern eigentlich die Kinder, der Kaffeehausbesitzerin betreut und bekocht, aber auch noch ein paar Schichten hat, zu ihrer Assistentin und der Professor gibt ihr den Auftrag über die Gefühle “Wut” und “Ärger” zu erforschen. Da plant sie das “Rosenexperiment”, das in Wahrheit eine Tamara Demko so durchführte und eine Bluma Zeigarnik hat über “Das Behalten erledigter und unerledigter Handlungen” geforscht, was sie offenbar auch an einer Kellnerin beobachte.

Das Rosen-Experiment besteht nun darin, daß die VPs drei Lösungen an eine Rose zu gelangen, finden müssen. Es gibt aber nur zwei und der Ärger in den die Probanden dann geraten, besteht blöderweise darin, daß sie Zenia als “Saujüdin” beschimpfen.

Einige Szenen des Romans spielen dann schon 1939 in den USA, wo Prof. Zadek weiterforscht und eine der Assistentinnen schon bei sich hat.

Es wird viel gefeiert und ins Kino gegangen, in dem Roman, der auch eine sehr ungewöhnliche Sprache hat, die mir manchmal mehr literarisch als Psychologisch vorkam.

Ich habe 1975 beim damaligen Assistenten Herkner Sozialpsychologie und da wahrscheinlich genau diese Experimente gehört. Bin aber in das Buch schwer hineingekommen.Das Rosen-Experiment wird, glaube ich, auch erst auf Seite zweihundert erwähnt. Vorher habe ich gedacht, da wird viel dahergeschwafelt und was den Bezug zu der Jetztzeit betrifft, spitzte ich natürlich die Ohren, weil ich mich ja gerade damit beschäftige, “1984” in die Gegenwart oder ins Jahr “2024” zu verlegen und die Zweitausendzwanzigerjahre sind sicher genauso oder eine ähnliche Krisenzeit, wie es die Neunzehnhundertzwanzigerjahre waren. Die Sozialpsychologie und andere Wissenschaftszweige haben sich entwickelt, die Frauen Pagenköpfe getragen und manche haben Beziehungen zu Frauen gehabt und heute wird ja sehr über das Gendern gestritten und darüber, wieviele Geschlechter es gibt und welche Gefühle man verletzt, wenn man sagt, was ich eigentlich auch glaube, eigentlich zwei und damit wurde man ja inzwischen auch schon mit dem Tod bedroht.

Hinterher

Nein, jetzt kommt noch nicht das deutsche Buchpreislesen, obwohl ich mir vorstellen hätte können, daß Finn Jobs Debutroman darauf steht. Auf der des Bloggerdebuts steht es schon. Es ist wieder ein Wagenbach-Quartbuch”, das ich digital gelesen habe und ich bin wieder etwas ratlos, was es ist?

Ein Roadmovie, ein Coming of Age Roman, ein rasantes Debut in den verschiedensten Sprachstilen, wie in der Beschreibung steht?

Es geht also um einen etwa zwanzigjährigen Ich-Erzähler, der von seinem Freund Chaim, der zurück nach Israel gegangen ist, verlassen wurde. Vorher hat er in einer WG, aber auch in einer kleinen Wohnung in Neukölln geworden und jetzt hat ihn ein Francesco, ein Künstler, nach Frankreich mitgenommen, der dort in einer Kirche eine Kunstinstallation machen will.

Das Buch springt vollkommen unchronologisch hin und her, so daß es ein Weile braucht, um alles mitzubekommen, wahrscheinlich habe ich immer noch nicht alles verstanden, was vielleicht gar nicht möglich ist, weil sich die Beiden vollkommen bekiffen und betrinken, wie das in einem Coming of Age Roman heutzutage offenbar so sein muß.

Sie landen in Frankreich, schwierig ist auch, daß ganze Passagen in Englisch oder Französisch geschrieben sind, die nicht übersetzt werden, in einer komischen Villa oder besser gesagt, einer schönen alten Villa, die der Besitzer Gedeon, ein äußerst verrückter Typ , der mal einen Hund, mal eine Katze spielt und sich auch ständig besäuft in ein Art Hotel umgewandelt werden soll und sie dabei äußerst verschandelt. Die Kirche wird auch mit Alufolie überdeckt, damit man statt Gott, sich selbst sehen soll, es geht aber ohnehin niemand hin und was ist jetzt da in Neukölln geschehen?

Der Koffer und der Ausweis des Erzählers liegen offenbar noch in der WG bei einem Peter. Der Erzähler hat auch seine Arbeit verloren, offenbar hat er gekellnert und noch kein wirkliches Ziel im Leben. Er hatte eine Beziehung zu einer Sophia, dann zu einer Hatice, die aus nach Neukölln gekommen ist, weil sie kein Kopftuch mehr tragen will, sie wird von ihrer Familie deshalb verfolgt, weil sie wie eine deutsche Hure lebt. Da wird das Buch politisch und das finde ich sehr interessant, weil der 1995 in Hannover geborene Finn Job hier sehr direkt ist, direkter als ich es bisher in Romanen gelesen habe. Schließlich hat er dann eine Beziehung zu diesem Chaim angefangen und ihn in Neukölln, obwohl man das nicht darf oder soll, sehr vorsichtig auf der Straße geküßt. Da kamen dann sofort die “Allahu Akbar! schreienden Jugendlichen aus allen Richtungen und verfolgten die Beiden, die sich gerade noch in die WG flüchten könnte. Der Erzähler beschimpfte die Angreifer als “Pack!”, worauf er von den WG Bewohnern als rassistisch beschimpft wurde, denn er hätte die Gefühle der Angreifer verletzt.

So realistisch habe ich das in einem Roman noch nicht gelesen und kann nur fragen, ist es wirklich schon so arg in Neukölln und sind die Jugendlichen von heute, die rauchen und kiffen und keinen Sinn im Leben haben, wirklich so dumm, Dinge nachzuplappern, ohne nachzudenken, ob das jetzt stimmt und der Situation angepasst ist?

Dieser Francesco ist jedenfalls sehr reich, gibt dem Erzähler Geld, kauft ihm Kleider. Proust und überhaupt die Literatur spielt in dem Buch auch eine große Rolle. Also ist alles doch nicht ganz so banal und der Erzähler ein Proust-Fan. Es wird auch rückgeblendet auf eine Reise, die der Erzähler mit diesem Chaim, dem er immer noch nachzutrauern scheint, einmal machte, um das Grab von Klaus Mann zu besuchen. Ansonsten weiß er Erzähler nicht was er will, geht nicht ans Telefon, schmeißt sein Handy ins Meer und in der Kirche kommt es dann noch zu einer absurd grotesken Schlußszene, wo alles in Flammen aufgeht oder sich vielleicht zu Guten wendet? Wer weiß das schon und wer weiß, was das überhaupt ist? Soll er nach Deutschland zurckgehen, einen Entzug machen, studieren oder einen Job suchen? Alles ist ungewiß und vielleicht auch nicht so einfach zu beantworten.

“Hört er es denn nicht, das gellende Schweeigen der Sirenen?”, ist jedenfalls der letzte Satz und wir bleiben vielleicht ratlos zurück und können darüber philosophieren, was wir da gelesen haben?