Das Rosen-Experiment

Jetzt kommt noch immer nicht ein deutsches Longlistbuch,obwohl Jan Böttchers “Rosen-Experiment” darauf stehen hätte können und es ist eines das sich mit den Neunzehnzwanzigerjahren und seine Verknüpfung zur Gegenwart beschäftigt.

Vom 1973 geborenen Jan Böttcher habe ich schon einiges gelesen und gehört und das Interessante an dem Buch ist, daß es sich mit Doktorantinnen beschäftigt, die in den Neunzehnhundertzwanzigerjahren am Psychologischen Institut in Berlin, das sich in einem Schloß befand oder vielleicht auch noch immer befindet, forschten.

Und das ist für die Psychologin, die zwischen 1973 und 1979 in Wien Psychologie studierte und sich vorher mit Charlotte Bühlers “Psychologie im Leben unserer Zeit” beschäftigte, natürlich interessant, wie es da in den Neunzehnhundertzwanzigerjahren mit den psychologischen Instituten ausgesehen hat, wo ja unter anderem, die Sozialpsychologie in Experimenten erforscht wurde.

In Berlin, in diesem Schloß war es offenbar ein Professor Lewin, der forschte und dann in die USA emigrierte und er hatte, wie Jan Böttcher in seinem Nachwort schreibt, einige osteuroäische Studentinnen, die meist Jüdinnen waren und später nach Moskau oder auch zu ihm in die USA gingen.

Jan Böttcher hat einen Leonhard Zadek aus Kurt Lewin gemacht und die Doktorantin, eine lettische Apothekerstochter, die mit einem Dima verheiratet ist, heißt Zenia. Böttcher führt noch an, daß damals in dem Institut die Kolloquien im “Schwedischen Cafe”, das dem Institut gegenüberlag, abgehalten wurden. “Quasselstrippe” nannten sie sie und da lernt im Roman Zenia eine Kellnerin namens Helene kennen und beobachtet sie, wie sie sich die Bestellungen merkt und dann gleich darauf vergisst. Sie macht die, die ja nicht studiert, sondern eigentlich die Kinder, der Kaffeehausbesitzerin betreut und bekocht, aber auch noch ein paar Schichten hat, zu ihrer Assistentin und der Professor gibt ihr den Auftrag über die Gefühle “Wut” und “Ärger” zu erforschen. Da plant sie das “Rosenexperiment”, das in Wahrheit eine Tamara Demko so durchführte und eine Bluma Zeigarnik hat über “Das Behalten erledigter und unerledigter Handlungen” geforscht, was sie offenbar auch an einer Kellnerin beobachte.

Das Rosen-Experiment besteht nun darin, daß die VPs drei Lösungen an eine Rose zu gelangen, finden müssen. Es gibt aber nur zwei und der Ärger in den die Probanden dann geraten, besteht blöderweise darin, daß sie Zenia als “Saujüdin” beschimpfen.

Einige Szenen des Romans spielen dann schon 1939 in den USA, wo Prof. Zadek weiterforscht und eine der Assistentinnen schon bei sich hat.

Es wird viel gefeiert und ins Kino gegangen, in dem Roman, der auch eine sehr ungewöhnliche Sprache hat, die mir manchmal mehr literarisch als Psychologisch vorkam.

Ich habe 1975 beim damaligen Assistenten Herkner Sozialpsychologie und da wahrscheinlich genau diese Experimente gehört. Bin aber in das Buch schwer hineingekommen.Das Rosen-Experiment wird, glaube ich, auch erst auf Seite zweihundert erwähnt. Vorher habe ich gedacht, da wird viel dahergeschwafelt und was den Bezug zu der Jetztzeit betrifft, spitzte ich natürlich die Ohren, weil ich mich ja gerade damit beschäftige, “1984” in die Gegenwart oder ins Jahr “2024” zu verlegen und die Zweitausendzwanzigerjahre sind sicher genauso oder eine ähnliche Krisenzeit, wie es die Neunzehnhundertzwanzigerjahre waren. Die Sozialpsychologie und andere Wissenschaftszweige haben sich entwickelt, die Frauen Pagenköpfe getragen und manche haben Beziehungen zu Frauen gehabt und heute wird ja sehr über das Gendern gestritten und darüber, wieviele Geschlechter es gibt und welche Gefühle man verletzt, wenn man sagt, was ich eigentlich auch glaube, eigentlich zwei und damit wurde man ja inzwischen auch schon mit dem Tod bedroht.