“1984 revisited”

Wieder eine kleine Vorschau auf mein Work on progress, das jetzt im Rohtext so ungefähr fertig ist, das heißt eigentlich eine Materialsammlung und ein Hinweis, wohin es gehen könnte, die noch ordentlich überarbeitet werden muß.

28741 Worte bis jetzt, neunundzwanzig Sezenen und sechsundfünfzig ein halb Seiten, also wieder sehr kurz, kann aber noch werden und jetzt einmal die erste von den drei Winston Szenen zum Vorkosten:

23.

“Sie haben am sechzehnten Mai Ihre Stromration überschritten, Winston Smith und daher einen neuen Schlechtpunkt in ihrem sozialen Punktekonto bekommen! Da müssen wir miteinander reden und Sie haben sich am nächsten Morgen mittels Videokonferenz in meiner Sprechstunde einzufinden! Bestätigen Sie die Anweisung Ihres Maßnahmenbegreuers 0 `Brien unverzüglich!”, leuchtete auf Winstons Handy, das er, wie vorgeschrieben um den Hals trug.

Verdammt, verdammt! Da war schon wieder eine Mahnung und wenn er so weitermachte, war sein Urlaub dahin und er bekam am Ende noch eine Ausgangsperre! Verdammt, verdammt, dabei hatte er, soweit er wußte, sein Stromkonto gar nicht überzogen oder jedenfalls versucht so sparsam, wie es nur irgend möglich war, mit der ihm zugeteilten Ration auszukommen und was das Schlimmste war, war seiner Freundin Julia vor ein paar Tagen das Gleiche passiert! Da hatte sie verbotener Weise, obwohl er sie gewarnt hatte, ein Bad genommen. Der große Bruder, der alles mitbekam, hatte das natürlich gleich gespeichert und ihr ebenfalls eine Strafsitzung aufgebrummt! Also wurde es auch mit ihrem Konto knapp und sie befanden sich demnächst wegen ungebührenden Verhaltens wieder im Lockdown und auf dem öffentlichen Pranger, der sozialen Überwachungsapp!

Verdammt, verdammt, wo waren sie nur hin gekommen? Das hatte er sich vor fünf Jahren nicht geträumt, daß er einmal in einer solchen Misere landen würde! Da hatte er in London an einer Highschool Englisch unterrichtet, Julia kennengelernt und war mit ihr, nachdem England aus der europäischen Union ausgetreten war, nach Österreich übersiedelt, weil Julia, wie sie immer betonte, eine Wiener Großmutter hatte und von der alten Kaiserstadt sehr schwärmte und da hatte es ihm Anfangs auch sehr gefallen! Er hatte im British Council eine Stelle gefunden. Julia war Modedesignerin. Dann war die Pandemie ausgebrochen und damit hatte das Unglück angefangen. Da war er sich ganz sicher. Die Pandemie, der Lockdown, die Ausgangssperren, die Masken– und die Testpflicht! Die Impfpflicht war auch eingfordert und letztendlich wieder ausgesetzt worden! Er und Julia hatten die Zähnen zusammengebissen und sich impfen lassen. Masken hatten sie auch getragen. Zuerst hatte Julia sie selbst designet. Später war die weiße oder schwarze FFP2-Mske verpflichtet worden und während er sich noch fragte, wer das alles zahlen sollte, war schon die nächste Krise hereingebrochen. Russland hatte der Ukraine den Krieg erklärt und alle russischen Künstler, die in Europa lebten, wie beispielsweise, die berühmte Operndiva Anna Netrebko war auf die schwarze Liste gekommen und der Präsident der Ukraine hatte alle Staaten aufgefordert Waffen zu liefern und ihm im Kampf zu unterstützen! Die Folge waren die Sanktionen der europäischen Staaten gegen Russland gewesen, was zu einer Gasknappheit und einer allgemeinen Teuerungswelle, die sich schon vorher unterschwellig angekündigt hatte, gewesen! Der Strom, das Öl, das Benzin, die Fernwärme und auch die Lebensmittel waren teurer und teurer geworden und jetzt gab es die “Große Bruder Überwachungsapp”, die seit Anfang des Jahres zum Wohle aller, jeder um den Hals tragen musste. Damit wurden die Türen zu den Geschäften und den U-Bahnstationen aufgemacht und die Strom- und Gasration überwacht. Das Baden war verboten worden und der Kalorienverbrauch rationalisiert.

“Verdammt, verdammt!”, fluchte Winston Smith nochmals vor sich hin und strich sich mit der Hand über die Stirn. Was sollten er uns Julia machen, wo doch jeder Widerstand zwecklos war? Zwar hatt es schon in Corona-Zeiten Demonstrationen gege ben, die waren aber bald den Rechtsradikalen zugeschrieben worden, die man bekämpfen und verbieten mußte und als im letzten Herbst die Menschen wegen der Teuerung auf die Straße gingen, hatte man den Staatsschutz eingeschaltet. Dann war der Strom und das Gas und auch das meiste Andere rationalisiert und mit der “Großen Bruder-Überwachungsapp”, die man im Handy mit sich trug, kontrolliert wurde.

“Großer Bruder-Überwachungsapp!”, fluchte Winsoton Scmith vor sich hin und schüttelte verächtlich den Kopf. War ihm doch eingefallen, daß es seinem Vater vor vierzig Jahren auch nicht anders gegangen war. Das heißt eigentlich kannte er seinen Vater gar nicht. War er doch in einem Waisenhaus aufgewachsen, wo ihm die die dortige Vorsteherin mitgeteilt hatte, daß seine Eltern bei einem Unfall verstorben waren, weshalb er vom Staat aufgezogen wurde. Dann war aber eine Frau aufgetaucht, die sich als seine Großmutter vorgestellt hatte und ihn, als die damalige Diktatur vorüber und Großbritannien wieder Demokratie geworden war, zu sich genommen hatte. Da war er eigentlich ganz angenehm aufgewachsen. Hatte nach dem Abitur englische Literatur studiert und war Lehrer geworden, was ein Beruf war, der ihn sehr befriedigte und die Großmutter hatte ihm vor ihren Tod noch die Geschichte seiner Eltern zugeflüstert, die offenbar gar keinen Autounfall hatten. Die Mutter hatte Julia, wie seine Liebste geheißen, beide waren dem sogenannten Wahrheitsministerium zum Opfer gefallen und jetzt schien sich die Geschichte offenbar zu wiederholen.

“Verdammt, verdammt, das gab es doch nicht! Das darf nicht sein!”, fluchte Winston Smith vor sich hin und schüttelte den Kopf mit den aschblonden Haaren. Dann drückte er auf sein Handy und gab seine Zustimmung zu der verordneten Videokonferenz. Blieb ihm doch nichts anderes über. Er hatte keine andere Wahl.

Johanne Amundsen kommt nach Wien

“Da hast du die Adresse meiner Jugendfreundin, mit der ich vor vierzig Jahren ein paar Semester in Wien studiert habe, Steffi Schuster, die vor kurzem, wie sie mir mailte, in Pension gegangen ist und die sich über deinen Besuch sehr freute, weil du neuen Schwung in ihre Bude bringen kannst!”, hatte Tante Frieda zu ihr gesagt und ihr einen Zettel in die Hand gedrückt.

“Was willst du eigentlich in Wien, Lieblingsnichte?”, fügte sie noch hinzu und sah sie fragend an.

“Du hast am Campingplatz in Senj, wo wir mit dem Onkel und deinen Freundinnen, ein paar Wochen verbrachten, ein Sackerl mit drei Büchern gefunden, hast du mir erzählt! Die hast du in der Rezeption abgegeben, aber später in der offenen Bücherkiste dort gefunden, weil sich niemand meldete, der sie haben wollte! Was willst du damit und warum willst du, deshalb nach Wien fliegen? Obwohl ich dir das nur empfehlen kann! Wien ist eine wunderschöne Stadt, wie ich noch von meinen Studienjahren weiß und du bist Literaturkritikerin! Seit kurzem Mitglied der “Schwedischen Akademie” und hast daher genug zu tun den nächsten Nobelpreisträger vorzuschlagen! Was willst du also mit den Büchern? Das habe ich nicht so ganz verstanden! Sei also so nett, Lieblingsnichte und klär mich auf!”, hatte die Tante weitergesprochen. Jetzt hatte Johanne Amundsen den Kopf geschüttelt und die Tante ratlos angesehen.

“Das weiß ich selber nicht so genau!”, mußte sie bekennen.

“Ich habe aber die Bücher, das heißt, die zwei, die von einer Eja Augustin stammen mitgenommen und inzwischen gelesen. Es sind selbstgemachte Bücher! Eigenverlag hat man früher gesagt und die Nase gerümpft! Jetzt nennt man es Selfpubblishing und haben immer noch nicht mehr Anerkennung! In meiner Zeitung darf ich, glaube ich, nicht darüber schreiben! ich habe sie aber gelesen und sie haben mir gefallen! Von einer Eja Augustin habe ich noch nie etwas gehört! Was zwar kein besonderes Kunststück ist, weil ich ja in Stockholm lebe! Ich habe aber vergleichende Literaturwissenschaft studiert und bin an allem interessiert! Brüste mich immer über den Tellerrand hinauszuschauen! Also habe ich den Günthi, den die Tove nach Senj mitgenommen hat und der in Wien Radioredakteur und auch Literaturkritiker ist, danach gefagt, aber der hat auch nur die Schultern gezuckt und die Nase gerümpft. “Eigenverlag interessiert mich nicht!”, hat er, glaube ich, ebenfalls gesagt oder hat er es Selfpublishing genannt? Das weiß ich nicht mehr, es ist auch egal! Ich habe die Bücher aber gelesen und sie haben mir gefallen! Eines hat “Die gestohlenen Jahre” geheißen und sich mit der Pandemie beschäftigt, die ja in Österreich wie ich hörte, anders gemeistert wurde, wie es bei uns in Schweden war. Das andere “Claire – Klara – Clarisse” und spielt im Campingplatz von Trogir, nicht in dem von Senj ich gebe es zu, hat mich aber trotzdem interessiert! Wer ist die Frau, die diese Bücher geschrieben hat, habe ich mich gefragt und keine Auskunft bekommen. Sie lebt in Wien, steht in ihrer Biografie und hat schon einige Bücher im sogenannten Selbstverlag herausgebracht. Güthi hat wieder den Kopf geschüttelt und von mir wissen wollen, wer für den nächsten in Frage käme? “Weißt du das schon?”, hat er mich neugierig gefragt. Da habe ich den Kopf geschüttelt und keine Auskunft geben dürfen! “Du denkst doch nicht vielleicht diese Eja Augustin vorzuschlagen?”, hat er weitergefragt und sarkastisch gegrinst und da, ich gebe es zu, mich auf die Idee gebracht, das ich das tun könnte! Nicht diese Eja Augstin vorzuschlagen, natürlich nicht! Aber nach Wien zu fliegen und nach ihr zu forschen! Denn ich bin ja neugierig und schaue gern über den Tellerrand! Habe noch etwas Urlaub, so daß ich meine Privatzeit dafür verwenden könnte, wenn ich die Bücher dieser Eja schon nicht meiner Zeitung und auch nicht der Akadmie vorschlagen kann und habe den Rezeptionisten noch einmal nach ihr gefragt! Der mir aber auch keine Auskunft gab! Ob es der Datenschutz war, daß er sie mir verweigerte oder, ob eine Dame dieses Namens nicht am Camp logierte, weiß ich nicht! Es ist aber auch egal! Ich habe noch etwas Urlaub, war noch nie in Wien, will immer neue Autoren kennenlernen und außerdem könnte ich mich da auch mit Günthi treffen!”, fügte sie noch ein wenig spöttisch hinzu, weil das, das Letzte war, was sie wollte, denn so sympathisch hatte sie den neuen Schwarm ihrer Freudnin Tove nicht gefunden. Wer weiß aber, was passiert und ob sie seine literarischen Wien-Kenntnisse nicht doch einmal brauchen konnte? Die Beziehungen ihrer Tante zu ihrer Jugendfreundin aber schon. Denn diese hatte sich sofort angeboten, an Steffi Schuster zu schreiben und zu fragen, ob ihre Nichte ein paar Tage bei ihr logieren konnte, damit sie einen Wiener Bezugspunkt hätte und kein Hotel benützen mußte und jetzt hatte die, der Tante geantwortet und sie eingeladen zu i kommen.

“Das ist fein, Tante Frieda! Ich freue mich sehr, richte deiner Jugendfreundin gern deine besten Wünsche aus und lade sie auch ein, uns zu Weihnachten zu besuchen! Vielleicht ist sie daran interessiert dich wiederzusehen und ich führe sie auch gern in Stockholm herum! Wie ist denn deine Jugendfreundin? Verrate mir das bitte! Sie hat wie du Psychologie studiert, ist vor kurzem in Pension gegangen und will jetzt über die die psychischen Maßnamenschäden und das soziale Kreditsystem schreiben! Das ist doch interessant und führt vielleicht auch zu dieser Eja Augustin! Vielleicht kennt deine Freundin, wenn sie literarisch interessiert ist, diese Autorin und kann mir weiterhelfen, wenn sich der Günthi schon verweigert!”, sagte sie, vor sich hingrinsend und brach ab.

“Ich höre schon auf mit meinen Fantastereien, Tante Frieda, du brauchst mich gar nicht so mahnend anschauen und komme zum Ernst der Sache zurück! Vielen Dank für deine Hilfe, ich richte die Grüße aus, schicke dir gern eine Ansichtskarte und jetzt gehe ich nach Hause meine Sachen packen und schicke deiner Freundin ein Mail, um ihr meine Ankunft anzukündigen!”