Fretten

Jetzt kommt Buch vier der österreichischen Longlist und das dritte österreichische Shortlistbuch, “Fretten”der 1983 geborenen Helena Adler, die eigentlich Stephanie Helena Präauer heißt, sich aber, um nicht mit Teresa Präauer verwechselt zu werden, umbenannte.

Das dritte Buch der Salzburger Autorin, das erste ist bei “Arovell” erschienen mit dem zweiten ist sie 2020 auf der deutschen Longlist gestanden und ich habe das Cover von “Die Infantin trägt den Scheitel links” scheußlich gefunden, und tue das auch bei “Fretten”, was heißt denn das habe ich wohl gedacht, als ich das erste Mal den Titel hörte und da ist mir wahrscheinlich eingefallen, daß so die Deutschen zu Pommes frites sagen.

Mir wäre da “abfretten” eingefallen und das Titelbild finde ich wieder scheußlich. Dabei hat “Jung und Jung” wo die beiden Buchpreisbücher erschienen sind, ja einmal, als er noch bei “Residenz” war, einen tollen Illustrator gehabt.

Nun ja, das Buch wurde sehr gelobt. Wird vielleicht den Preis gewinnen, denn Jochen Jung ist ja bei den Buch und Börsenvereinen, glaube ich, sehr stimmgewaltig und mir hat das Buch im Gegensatz zum ersten überhaupt nicht gefallen und weil ich einmal Norbert Kröll geschrieben habe, daß ich seine “Kuratorin” gegen “Atemhaut” ausgestauscht hätte, kann ich ich jetzt anfügen, ich hätte das auch mit “Fretten” getan, will ich mich ja mit dem wortgewaltigen Thomas Bernhard, um den man als österreichischer Autor offensichtlich immer noch schwer herum kommt nicht “abfretten” und Norbert Kröll, den ich einmal, als sehr experimentell ,erlebt hat, hat das mit seinem Buch sehr viel sanfter getan.

Am Anfang des Buches war ich, ähnlich, wie bei Reinhard Kaiser-Mühlecker etwas verwirrt und dachte, das habe ich doch schon gelesen und so fängt auch die “Infantin” an und mehr als dort ist mir der Vergleich mit Thomas Bernhardund dem “Büchner-Preisträger” Josef Winkler eingefallen.

Da ist eine, die diesen österreichischen Provinzstil des Schimpfens und Verächtlichmachen imitiert oder perfektioniert, denn der Sprachstil ist ohne jeden Zweifel sehr gewaltig und hier hat sich Helena Adler zweifellos gesteigert. Aber mir gefällt dieser Schreibstil nicht, nicht dieses Geschimpfe, nicht diese Wortkreationen, wo ich wahrscheinlich hunderte zitieren oder abschreiben könnte.

Aber was passiert da? Eine Fortsetzung ist es nicht, hat Helena in einem Interview gesagt und sie würde wahrscheinlich auch die Autofiktion ablehnen, ich habe aber wieder Ähnlichkeiten gefunden. Da ist die Bauerntochter, die da in dem Bauernhof aufwächst und unter ihren Eltern und Urgroßeltern sehr leidet. Da geht etwa zehn Kapitel lang. Dann maturiert sie und geht an die Kunstakademie und das hat Helena Adler, glaube ich, auch getan und im Anhang des Buches gibt es verschiedene Bildnachweise.

Dann treibt sie sich mit einer Jugendband herum und macht Einbrüche am Wolfgangsee bevor sie ein Kind gebiert und sich hier mit den “Stillnazis” und den Stillproblemen beschäftigt und das hat ja Nadine Kegele auch getan und ich frage mich, muß das wirklich die hehre Literatur sein, die ja von den Kritikern hochgelobt wird.

So schreibt Katja Gasser: “Helena Adler schreibt Prosa, die sich durchs Fleisch bohrt, um für immer in den Knochen zu bleiben. Das ist wild-wuchernde Sprachkunst, die einzigartig ist in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur.”

Da muß ich schon ein bißchen widersprechen, Frau Gasser, denn sie haben sicher auch ihren Thomas Bernhard und Josef Winkler, gelesen und frage mich wirklich warum muß alles so negativ sein?

Muß natürlich nicht, obwohl sich Günter Kaindlsdorfer und Klaus Kastberger angeschlossen haben, aber ich frage mich, warum muß Literatur immer so sprachgewaltig negativ sein und frage mich nach zwei Jahren Corona und der Handvoll Krisen in der wir inzwischen stecken, immer noch wie Thomas Bernhard, schimpfen müßen und denke man muß es nicht.

Habe ich doch vor kurzem auch Kristine Bilkaus “Nebenan” gelesen, aber die hat den deutschen Buchpreis nicht bekommen, sondern eine schillernde nonbinäre Person namens Kim de L` Horizon und ich würde mir inzwischen ganz ehrlich, lieber einen Buchpreisträger namens Norbert Kröll wünschen, habe aber erst vier österreichiche Nominierungen gelesen und da bin ich auf Robert Menasses “Die Erweiterung” und das Buch von Verena Roßbacher gespannt. Daß Thomas Stangls “Quecksilberlicht” auch sehr kompliziert ist, habe ich schon bei den O-Tönen herausgefunden. Das Buch der Anna Kim hat mir dagegenrecht gut gefallen.

Hohe Berge

Bevor es zum österreichischen Buchpreis geht, noch ein Debut, das auch auf der “Bloggerdebut-Longlist” steht “Hohe Berge”, der 1968 geborenen Silke Stamm, die in Freiburg und Edinburgh Mathematik und Physik studierte und jetzt in der Nähe von Hamburg lebt. Sie hat 2013 den “Förderpreis der Stadt Hamburg” bekommen und 2020 für einen Vorabdruck von “Hohe Berge”, den “Hamburger Literaturpreis” und “Hohe Berge” schließt daran an, was ich über Kristine Bilkaus “Nebenan” geschrieben habe, die ja, glaube ich, auch in Hamburg lebt.

“Da passiert ja nichts!” und so habe ich, als ich angefangen habe auch im Konjunktiv geschrieben: “Aaron nicht in den Arm nehmen”, beispielsweise, was bei mir aber ignoriert wurde, so daß ich damit aufhörte und es wird eine geführte Skitour mit fünf Männern und einer Frau durch die Schweizer Berge geschildert.

Acht Tage dauert sie und interessant, es beginnt mit dem achten Tag, wo alles schon vorüber ist und alle heil im Gasthaus sitzen, beziehungsweise dann zum Bahnhof gehen, um nach Hause zu fahren.

So habe ich auch einmal geschrieben, mit den Kleindetails, wo mir dann ja “Da passiert ja nichts!”, gesagt wurde und bei Silke Stamm passiert wirklich nicht viel mehr als, daß diese acht Tage in der Schihütte von der Ich-Erzählerin, der einzigen Frau der Gruppe, die dort auch ihren Fünfziger feiert, erzählt wird.

Liest man vorher den Klappentext, was ich natürlich getan habe, weil ich mich ja hauptsächlich daran orientiere, glaubt man, daß man in dem Buch in ein Lawinenunglück hineinkommt, das die Protagonisten, wie das in den Romanen ja gefordert wird, an ihre äußersten Grenzen bringt.

Beginnt man zu lesen, erfährt man gleich, regt euch nicht auf, es ist nichts geschehen und das finde ich zumindest interessant und natürlich auch, daß man damit Preise gewinnen kann, weil ich es bei mir anders erlebt hatte.

So geht dann vom Tag acht zurück zum ersten Tag, wo die Erzählerin ankommt und dann Aaron und die anderen Männer die Gruppe trifft. Die sprechen Schweizer Deutsch, was nicht immer so leicht zu verstehen ist und interessant ist auch, daß die Erzählerin einen Seidenschlafrock auf die Bergtour, wo man ja in Hütten mit Plumpsklos und Lagern nächtig, mitgenommen hat. Es gibt aber auch Lawinensuchgeräte, die ausprobiert werden und abgesehen davon passiert dann ungefähr das, was ich auf den Hütten erlebt habe, wenn ich mit Alfreds Wandergruppe dort war. Da waren wir allerdings nie im Winter, bin ich doch keine Skifahrerin und haben so auch keine Lawinensuchgeräte gebraucht.

Es passiert also, das Decken zusammenlegen, das Apres-Schnäpschen, das Fenster öffen im Lager, weil es dort nicht gut riecht und auch die Schwierigkeiten, die man mit den Schnarchern in den Hütten hat, auch das habe ich bei Sladkys-Wandertouren erlebt, da sind sogar einmal Leute abgereist.

Das Laawinenunglück gibt es auch. Das betrifft aber nicht die Gruppe, da hat der umsichtige Führer die Tour vorher abgebrochen. Es betriff die Schweden, da kommt dann einer sogar ins Spital und die umsichtige Hüttenwirtin tut, was man bei Lawinenunglücken tun muß.

Am Schluß ist es vorbei und alle kommen den Berg hinunter. Wir sind wieder bei Tag acht angekommen und ich habe ein sehr ruhiges Buch gelesen, bei dem nicht sehr viel oder doch natürlich das, was man auf Skitouren in den Bergen erlebt, passiert und ich nehme mir noch mit, daß man damit Preise bekommen kann.

Dann brauht man aber wahrscheinlich, die entsprechende Leserschaft und die entsprechenden Feedbacks und ich habe diesbezüglichnur den sehr kritischen Uli und so bin ich gespannt, ob es auf die Bloggerdebutshortlist kommt, was auch den Vorteil hätte, daß ich dann ein Buch weniger zu lesen habe.

“Verblüffend, wie die Erzählform hier zum sehr tragfähigen Grund wird, einer Schneedecke gleich, über den die Geschichte kraftvoll und elegant – wie auf Skiern dahingleitet”, hat Jan Peter Bremer am Buchrücken geschrieben, mit dem ich ja einmal in Klagenfurt auch meine Schwierigkeiten hatte.

Nebenan

Buch neunzehn des dBps und das vierte Shortlistbuch, Kristine Bilkaus “Nebenan”, denn eigentlich hätte ichö das Buch von dem was ich über es gehrt habe, als ähnlich interessant, wie Danielas Dröschers “Lügen über meine Mutter” eingeschätzt.

Aber nein, da gibt es Parallen zwischen meinen und dem Schreiben der 1974 geborenen oder es ist das, wie ich immer schreiben möchte und es gerade auch mit meiner “Flora Faun” versuche. Mein Realismus, meine Alltagsbegegnungen, mein “Da passiert ja nichts!” und dann wieder das Einbeziehen sämtlicher sprachlicher psychologischen Begebenheiten und Kristine Bilkau bringt dann noch das Kunststück zusammen allerhand Geheimnisse und surrealistische Elemente hineinzubringen, die sich dann sehr zum Ärger mancher Buchpreisblogger nicht auflösen.

Der Max von “KainUndAbel” hat sogar ein “böses Video darüber gedreht “Wie man den Buchpreis 2023 garantiert gewinnt” und dann all die Kritikpunkte aufgezählt, die er in dem Buch gesehen hat. Aber Kristine Bilkau hat 2022 den buchpreis nicht gewonnen, sondern die schillernde nonbinäre Person namens Kim de L´ Horizon, was vielleicht viel über das Literaturgeschehen aussagt.

Da passiert ja nichts oder doch sehr viel. Da sind zwei Frauen in einem kleinen Ort am Nord-Ostsee- Kanal, ein Ort, der durch den Kanal getrennt offenbar zwei Seiten hat und ein verlassenes Kleinstädtchen, wo die Geschäfte leerstehen und die Jugendzentren abgerissen werden.

Die eine, Julia, Ende dreißig mit unerfüllten Kinderwunsch ist mit ihrem Freund Chris dorthin gezogen und hat in dem Städtchen eine Keramikwerkstatt aufgemacht. Das Nachbarhaus steht leer. Die Nachbarn sind verschwunden und man weiß nicht, wo sind sie hin?

Sie haben sich nicht verabschiedet und es scheinen auch noch ungewaschene Teller und verschimmelte Mandarinen herumzuliegen, was natürlich Phantasien auslöst und dann gibt es Astrid, um die sechzig, praktische Ärztin in dem Städtchen mit Andreas, dem schon pensionieren Geschichtslehrer verheiratet und Mutter dreier Söhne. Sie kümmert sich um ihre alte, vielleicht dement werdende Tante Elsa, die Julia gegenüberwohnt und es beginnt, daß sie eine in der Badewanne verstorbene Frau begutachten muß, Hämatome entdeckt, die Polizei ruft und ab dann Drohbriefe bekommt.

So geht es hin und her. Abwechselnd einmal Astrid, einmal Julia, wie ich es ja auch gern mache. Die Realistik einer ärztlichen Untersuchung und dann wieder die surrealen Elemente, verlorene Briefe auf einem Feld, ein Junge, der im Nachbarhaus erscheint, der Mann, der bei einer Bürgerversammlung ein Gedicht aufsagt und der, der plötzlich in Astrids Praxis auftaucht und sie erschreckt.

Julia sinniert über ihre Mutter, versucht eine künstliche Befruchtung, die mißlingt, schaut sich Kindervideos an und all das Surreale ist vielleicht ganz einfach zu erklären oder bleibt ungaufgelöst stehen und löst bei den Lesern, die einen spannungsgeladenen Plot erwarten, natürlich Ärger aus.

Aber mir hat das Buch gefallen und ist wahrscheinlich so, wie ich mir die Literatur vorstelle, die dann zu banal und zu wenig abgehoben erscheint, aber wahrscheinlich doch so, wie das wirkliche Leben ist. Vielleicht wäre das jetzt mein Buchpreisbuch? Aber warten wir ab, was ich zu “Spitzweg” sagen werde, das ich noch lesen muß und das wird erst in einiger Zeit geschehen, weil jetzt ja der österreichische Buchpreis kommt.

Aufruhr der Meerestiere

Schon Buch achtzehn des heurigen dBps, der zweite Roman, der 1992 in Graz geborenen Marie Gamilkscheg, die jetzt in Berlin lebt und von deren “Alles was glänzt”, das beim öst Debut gewann, ich bei Lesungen nicht so begeistert war, was sich dann als ich es gelesen habe, änderte.

Jetzt ist der Unterschied zwischen dem Gehörten und Gelesen nicht so groß und von dem Buch habe ich bevor ich zum Lesen kam auch schon viel gehört.

Das erste Mal glaube ich auf dem blauen Sofa in Leipzig, dann wurde es glaube ich in der “Gesellschaft” besprochen und bei “Nachhallendes Nachhaltiges”, wurde es auch präsentiert und da kam man natürlich darüber spekulieren, was das Nachhaltige an dem Buch ist und wie es zu dem “Literatur im Herbst” Thema passt, aber der war ja überhapt sehr vielschichtig variabel oder schwammig und bei dem neuen Buch geht es, glaube ich, um eine Coming of age Geschichte oder um die Midlifekrise einer Einunddreißigjährigen, denn das ist die Meeresbiologin Luise. Die stammt aus Graz arbeitet, aber an der Uni in Kiel, bzw. forscht sie an der Meereswalnuß, das ist eine offenbar sehr gefährliche Quallenart und da werden jetzt die Parallelen gezogen und Naturliteratur ist ja, wie ich auch im “Odeon” merkte, derzeit sehr in.

Luise, die einen Freund namens Juri hat, beruflich offenbar sehr erfolgreich ist, die junge Wissenschaftlerin des Jahres, mit einer Neurodermitis und einer Eßstörung, die gezeigt, nicht beschrieben wird und die bekommt jetzt den Auftrag ihre Forschung im Tierpark von Graz vorzustellen und für zwei Wochen dort hinzureisen, denn der ist sehr berühmt und sein Direktor Rainer Schilling, war mit seiner Tiersendung im Fernsehen offenbar das Idol ihrer Jugend.

Die Beziehung zu ihrer Familie scheint nicht so gut zu sein, insbesondere, die zum Vater ist sehr schwierig, wie ich überall hörte und sie zieht auch in die Wohnung des Vaters ein. Der ist aber, obwohl er Toastbrot für sie besorgte und ihr den Schlüsselcode bekannt gab, nicht anwesend. Bei einem Kongreß in Wien, wie er ihr sagte. Er war Biologielehrer. Der Bruder, der in Nürnberg lebt, sagt ihr aber, der Vater ist bei ihm, weil er einen Herzinfarkt hatte.

Der Vater ist also abwesend und so reflektiert Luise über ihre Kindheit und ihr Leben. Da gibt es einige Geheimnisse. Im Tierpark wird ihr eine Jahreskarte und eine Fankappe überreicht. Da wird sie von einer Frau Popeschka betreut, muß einen Vortrag halten und wird interviewt. Den Direktor bekommt sie auch erst spät zu Gesicht, da bietet er ihr an, im Tierpark eine Forschungsstelle zu übernehmen, denn das soll in dem Zoo, der eine afrikanische Zone, ein südamerikanisches Restaurant und eine Vorarlberger Stube hat, die von dort importier wurde, errichtet werden und so hasten wir durch das Buch.

Ein Wochenende mit einer ehemaligen Schulkollein Leo, Luise wird von ihr und der Mutter Luis genannt, auf einer Hütte gibt es auch und am Schluß kommt der Vater zurück und das Weitere kann man sich ausmalen.

Eine Stelle hat mich besonders fasziniert, die ich zitieren will:

“Vor der Tür passierte ein Montag, als wäre das Wochenende nie gewesen. Die Stadt berichtete weiter munter vor sich hin. Erzählte von den grossen und kleinen Schandtaten, die grossen im Ausland, die kleinen im Inland, im Ausland gab es Kriege, Waldbrände, Menschen, die mit Reformen warben, Menschen, die mit Reformen drohten, und auch in Brüssel, Washington, und Kairo schienen sich die Menschen weiter uneinig zu sein, im Inand gab es eine ausgebüchste Pythonschlange, die sich in der Klomuschel versteckte und einem Mann mittleren Alters in den Hoden biss, einen Geisterfahrer auf der A2, es gab auch ein Gespräch zwischen einen berühmten Schriftsteller und einem berühmten Dirigenten, die sich getroffen hatten, um über alles zu reden, wirklich alles, es gab den Auftakt der Skisaison mit Schnee-, Wetter- und Touristenprognosen.”

Scheinbar hochaktuell, aber dann wieder sehr unverbindlich. Kein Wort von Corona, Krieg und Wirtschaftskrisen, obwohl das Buchwahrscheinlich in Corona-Zeitengeschrieben sein dürfte.

Das ist vielleicht das Besondere am Schreiben der Marie Gamillscheg, die von Katja Gasser am “Blauen Sofa”, als eine der interessantesten jungen österreichischen Schriftstellerinnen bezeichnet wurde.

Auf die österreichische Buchpreisliste ist das Buch aber nicht gekommen.

Eine Liebe in Pjöngjang

Schon das siebzehnte deutsche Longlistbuch und ein interessantes widersprüchiges über das sich sicher viel nachdenken läßt.

“Eine Lebe in Pjöngjang des 1983 in Bonn geborenen Andreas Stichmann, der glaube ich beim “Bachmann-Preis” gelesen hat, den “Bremer Förderungspreis” bekommen hat und 2017 in Nordkorea gewesen ist, das hat ihn zu dem Buch veranlaßt um seine Reiseerlebnisse nicht nur in Sachbuchform zu verarbeiten, wie ich irgendwo gelesen habe.

So reist eine fünfzigjährige Bibliothekarin, Präsdientin des europäischen Bibliotheksverband, die eigentlich schon in Ruhestand gehen will, gemeinsam mit anderen deutschen Kuturschaffenden, Bloggern, etc, nach Pjöngjang, um dort die deutsche Bibliothek zu eröffnen.

Claudia Aebischer war schon einmal dort, so bleibt sie gelassen, als sie mit den Zug von China über die nordkoreanische Grenze fahren und da die Lichter ausgehen. Die Pässe werden später einkassiert, die Handies haben keine Empfang und Claudia Aebischer sieht im Gegenzug eine junge Frau, die ihr später auf einer gelben Vespa entgegengefahren kommt.

Sie ist ihre Dolmetscherin Sumni. Viel jünger und mit einen alten General verheiratet. Sie hat ihre Doktorarbeit über einen koreanischen Dichter und die deutsche Romantik geschrieben, spricht ein schönes altmodisches Deutsch und ich fragte mich, wo hat sie das gelernt? Ist sie doch nur von ihrem Heimatort an der chinesischen Grenze in die Hauptstadt gekommen und ob es dort wirklich soviele Germanisten gibt, wird ja auch später das deutsche Bibliotheksprojekt von der Regierung beendet und eigentlich hätten dort ohnehin nur Scheinbesucher Zutritt gehabt, ist fraglich.

Claudia Aebischer verliebt sich jedenfalls in die junge Frau und plant sogar mit ihr über die chinesische Grenze nach Berlin zu fliehen.

Der “umschmeichlnder Begleitservice” ist aber Plan des koreanischen Überwachungsprogramm, so wird Sumni von einer Frauenstimme instruiert und verwanzte Kleider werden ihr auch zugestellt mit denen sie die Bibliothekarin verführen soll. Da geht es in eine Sauna, vom saunieren wird hier gesprochen, dann in eine Bowlinghalle, um der hochgewachsenen Deutschen, die andere Delgation ist schon abgereist, den Tourismus vorzuspielen und Claudia soll mit Sumni und ihren Überwachern zu einem Vulkan reisen, um dort eine Rede halten, um den nordkereanischen Tourismus anzukurbeln.

Die Fluchtpläne werden erweitert, scheitern aber, als bei Claudia im Kulturpalast ein Kreuz entdeckt wurde, so etwas Ähnliches ist Andreas Stichmann auch passiert, wie er bei einer Lesung im Berliner Literaturhaus erzählte. Dort hat er auch sein Filmmaterial, tanzende und singende Kinder, vorgeführt und erzählt, wie er zu der romantischen Sprache in Sumnis Dissertation gekommen ist.

Er hat nämlich einmal die einer einer chinesischen Studentin gelesen und die hat so geschrieben. Am Schluß stiribt der General, Claudia bekommt ihren Paß zurück und Sumni fährt mit der Leiche nach Pjögjang, um weiter im Tourismusbüro zu abeiten.

Ein widersprüchiges Buch, das viele Reaktionen auslöste. Dem “Papierstau-Podcast” hat es nicht gefallen und sie haben es sogar als Zumutung empfunden, weil hier nur Klischees widergegeben würden.

Andreas Stichmann sagte bei der Lesung, daß er die Überwachung in Pjöngjang gar nicht so arg erlebt hätte und mit seinen Dolmetschern gut ausgekommen wäre.

Ich habe den Sprachstil als sehr einfach empfunden um mich daher anfangs über die Longlistenominierung auch gewundert. Später, als ich dann die anderen Rezensionen gehört habe, bin ich in das Buch hineingekommen und habe es als sehr interessant gefunden über Nordkorea, über das ich wirklich nicht viel weiß, etwas zu erfahren.

Das mit der Liebe im Titel ist vielleicht auch ein wenig widersprüchig, denn über eine lesbische Liebe geht es eigentlich nicht wirklich oder wurde von Andreas Stichmann vielleicht nur dem Zeitgest wegen so angedeutet.

Trottel

Das sechzehnte Longlistund das vierte Shortlistbuch des heurigen dBps und ich muß sagen, ich hätte “Trottel” des 1951 in Prag geborenen Jan Faktor den Vorzug gegenüber “Blutbuch” gegeben.

Beides sind sprach sehr ungewöhnliche experimentelle Bücher, beide Autofiktion und mich, die ich ja nur zwei Jahre jünger, als Jan Faktor bin, gebe dessen Memoir mehr den Vorzug, als einem Buch von dem ich nicht sicher bin, ob es sich nicht vielleicht um eine Modeerscheinung handelt, obwohl es sprachlich durchaus eindrucksvoll und ungewöhnlich war.

“Trottel” ein sehr ungewöhnlicher Titel über den ich Anfangs auch stolperte und nicht recht wußte, wie ich es einordnen soll. Es wurde in der Rezension auch öfter als Schelmenroman bezeichnet, diesen Eindruck kann ich mich nicht anschließen und eigentlich auch nicht so recht verstehen, wieso ihn einige Buchblogger abgebrochen und davon gesprochen und geschrieben haben, wieso das Buch sie nervte.

Das kann ich auch nicht bestätigen, obwohl auch ich über einige Stellen drüber gelesen habe, denn da wird ja wirklich über über den Krautgarten des Lebens des Autors geschrieben, der, wie ich mir vorstellen könnte, wirklich mit dem Stil experimentierte, um aufzufallen und bei den vielen Bücherbergen etwas Besonderes zu bieten.

Es geht, um das Leben von Jan Faktor und da wundert es mich wirklich, daß am Buchbeginn “Es handelt sich bei dem Buch um ein fiktionales Werk. Namen, Figuren, Orte und Vorkommnisse sind entweder Erfindungen des Autors oder werden fiktiv verwandt. Alle Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Ereignissen, Örtlichkeiten, lebenden oder toten Personen wären gänzlich zufällig.”

Ob diese Sätze vom Autor oder Verlag stammen, weiß ich nicht. Blättert man aber in Jan Faktors Lebenslauf nach, findet man wahrscheinlich viele Ähnlichkeiten und Zufälle und das Buch ist auch in Ich-Form geschrieben und genervt haben die Buchblogger wohl auch die zweihundertsechzig Fußnoten, in die man sich beim E-Book aber leicht klicken kann und, daß er wirklich von hundersten ins tausensten kommt und sich dabei und das finde ich sehr originell noch Schreibanweisungen gibt oder erzählt, was sein Lektor, seine Großmutter, seine Frau von seinem Schreiben hält.

Das buch ist auch seiner Frau gewidmet. Jedenfalls steht am Beginn der Dank an sie und, daß sie es vielleicht nicht lesen konnte und dann geht er, was die Blogger auch störte, manchmal äußerst ambivalent mit ihr um und beschwert sich beispielsweise darüber, daß sie nicht nur anspruchsvolle Literatur, sondern auch Krimis liest oder verschlingt und das Berührendste an dem Buch ist sicher auch der Selbstbmord des Sohnes, der mit dreiunddreißig Jahren vom Dach des Hauses sprang und deshalb die Eltern auch in eine starke Krise und in den Gebrauch von Psychopharmaka, die er sehr ausführlich beschreibt, stürzte.

Es beginnt aber und das hat mich auch anfangs irritiert, mit der Beschreibung von Käse, den man nicht essen soll und den Unterschied zwischen Prager Weinstuben und Bierkneipen erklärt. Richtig, Jan Faktor wurde in Prag geboren, studierte dort auf Anraten der Großmutter, zu der er offenbar eine liebevolle Bezieung hatte, Informatik, brach das dann ab und fuhr für eine Armeebäckerei die Waren aus, denn im kommunistischen Prag mußte man ja arbeiteten und wurde verhaftet, wenn man das nicht tat.

Später kam er in die DDR. Hat sich dort verheiratet und beschreibt dann das Leben am Prenzlauerberg, bezieht sich auf seinen Sohn, den er mehrmals, als sehr schön beschreibt und dessen Absturz in eine Schizophrenie und ich habe, glaube ich, ein gutes Buch gelesen und das Schelmische daran ist wohl dabei, daß er er sich gleichzeitig über die Schulter schaut und sein Schreiben kommentiert oder kritisiert.

Die Blogger haben das als Distanzierung von dem eigentlichen Thema, der Traueraufarbeitung, bezeichnet. Kann sein, kann aber auch sein, daß Jan Faktor ein so routinierter Schreiber ist, daß er das gar nicht nötig hatte. Ich stelle mir aber schon die Frage, wie persönlich das Schreiben sein kann oder soll, denn wenn man diese persönlichen Details den Lektoren und der Öffentlichkeit preisgibt, ist man sehr verletzlich. Das zeigen auch die Rezensionen.

Wie geschrieben, bis jetzt würde ich in “Trottel” obwohl mir der Titel nicht sehr gefällt und er mir zu augenhzwinkernd ironisch ist, “Blutbuch” vorziehen. Mal sehen, was die Literaturgeschichte dazu sagen und die Zukunft weisen wird und ich werde weiterlesen. Warten doch noch vier deutsche Buchpreisbücher auf mich und vor allem “Spitzweg”, das ich als letztes lesen werde, wurde sehr gelobt.

Die Kuratorin

“Geplatzt. Nicht der Traum, sondern das Mon dom”, ist der erste Satz des neuen Romans des 1981 geborenen Norbert Maria Kröll, von dem ich schon einiges gehört, mit ihm einmal gelesen und ihn eher für experimentell gehalten hätte und der letzte des vorletzten Kapitels “Ich sterbe einen langsamen qualvollen Tod.”

Dazwischen liegt eine herrliche und wahrscheinlich nur manchmal bösartige Satire auf den Kuturbetrieb. Ein sanfterer Bernhard würde ich sagen mit einer Frau als Antiheldin und diese über vierzig, Regina Steinbruch, ist die Kuratorin der Außenstelle der “Belvertina”. Die liegt in Simmering und in der gibt es keine Bilder sondern Performances die sich “money sells” oder “three mothers” betiteln” und diese Regina macht in dem Buch eine Wandlung durch.

Auch nur eine sanfte, halbe, sonst wäre der Roman wahrscheinlich kitschig geworden und die sanfte Abrechnung mit dem Kulturbetrieb hat es wahrscheinlich in sich. Ich kenne ja nur eher den Literaturbetrieb. Der der bildenden Kunst ist wahrscheinlich noch härter und erbarmungsloser und man kann als Frau, die Kunstgeschichte studierte, wahrscheinlich darin Karriere machen. Besagte Regina wurde als Kind natürlich vergewaltigt und sie hat noch andere Traumen. So stellt sie sich und das ist köstlich abartig immer ihr eigenes Sterben vor.

Sie hat auch einen behinderten Bruder und nach der Gewalterfahrung mit dreizehn Jahren, hat sich das brave Schulmädchen vorgenommen, sich ab nun nie mehr als Frau etwas gefallen zu lassen, sondern aufzusteigen und Karriere zu machen und ist dabei hart und bösartig geworden. So hält sie dem Bettler an dem sie vorübergeht einen hundert Euroschein hin und steckt ihn dann genüßlich ein. Bei Heinz Strunks Satire auf den Literaturbetrieb habe ich auch schon so was gelesen. Aber da geht der Held schließlich zu Grunde. Regina, so viel sei verraten, kehrt ganz, fast oder halb ins normale Leben zurück und am Anfang ist ein Kndom geplatzt, das sie mit Marvin einen gegenständlichen <maler fast zufälig gebrauchte. Sie gibt ihm eine Ohrfeige, schmeißt ihn hinaus, um dann doch den Ankauf eines seiner Bilder zu organisieren. In ihrem Büro liest sie die Mails zwischen einem anderen Kurator und ihrer Assistentin und als sie schwanger wird, beschließt sie die Abteibung, um die Klinik oder Ordination dann doch zu verlassen. Hat sie doch eine bessere Idee. Näämlich eine Freundin namens Sue, die mit einer Jen verheiratet ist und die wollen, weil es nicht anders geht, ein Kind adoptieren.

Also wird das beschloßen, nach dem Vater gefragt, Marvin auch einmal unverbindlich eingeladen und dazwischen wurde die Ausstellung “money sells” kuratiert, wo ein Künstler ständig fünfzig Euro an die Wartenden verschenkt und damit ein großer Erfolg wurde. Woher das Geld kam, wurde mir nicht ganz klar. bei der nächsten Vernissage ist Regina schon im Mutterschutz, darf daher nicht die Eröffnungsrede halten und verrät um einen Verehrer abzuschütteln, Marvin, daß er der Vater ist, dann platzt die Fruchtblase und Marvin muß die Rettung holen. Das Kind, Tom, kommt per Kaiserschnitt zur Welt und als er ungefähr ein Jahr ist, darf die Tante Regina das Baby hüten, weil die beiden Frauen ins Theater gehen wollen.

Das ist, glaube ich, eine rührende Szene. Der Kleine lacht und brabbelt “Mama” und fürchtet sich gar nicht vor der fremden Frau, die er noch nicht oft gesehen hat. Regina spult die ganzen Tätigkeiten, füttern, Märchen vorlesen, das Wickeln läßt sich aus, intellektuell hinunter und als sie das Kinderzimmer verlassen will, fängt der Kleine zu schreien an und hört nicht mehr auf damit, so daß ihr nichts anderes einfällt, als Marvin anzurufen, der dann weinend seinen Sohn zum ersten Mal in den Armen hält. In diesem Moment, der Kleine hat sich schon beruhigt, erscheint Sue, die sich mit Jen zerstritten hat und reißt den Beiden böse das Kind aus der Hand.

Regina fährt daraufhin nach Kärnten ins Elternhaus. Da gibt es noch eine Phantasie wo sie den behinderten Bruder ertränken will, ihm dann aber ihre Lebensgeschichte erzählt und der trinkende Vater hat ihr vorher erzählt, daß er gerne Künstler geworden wäre, sein Vater aber seine Zeichnungen verbrannt hat, damit aus dem Buben was Richtiges wird.

Dann geht es nach Wien zurück. Regina ist ein bisschen geläutert, das heißt, sie gibt dem Bettler zwanzig Euro und verspricht ihm zu Weihnachten fünfzig. Dann ruft sie Marvin an, erzählt ihm, sie hätte die Pille genommen und er braucht kein Kondom mehr, der ihr das nicht glaubt und nachdem er ihr verraten hat, in welcher Stellung man ein Mädchen oder einen Jungen zeugt und dann noch, daß er inzwischen eine Freundin hat, geht es los oder mit der schon zitierten Erhängungsphantasie weiter, weil der Bruder offenbar gestorben ist, wie sie an den Anrufen ihrer Eltern vermutet. Dann wird es doch eine Thelma und ich habe einen sehr realistischen satirischen Roman gelesen von dem ich es nur sehr schade finde, daß er nicht auf der Öst gelandet ist, aber richtig, ein wenig konventionell ist er vielleicht schon. Also bin ich sehr gespannt, wie ihn die Literaturkritik aufnehmen wird?

Lento Violento

Jetzt kommt das zweite Debut in Folge, das dritte wenn man das heurige deutsche Buchpreisträger-Buch einbezieht, das aber nicht auf der österreichischen Debutliste rsteht. Ich habe die 1986 in Wien geborene Maria Muha, die ebenfalls ein Sprachkunststudium absoluvier, schon am Volksstimmefest aus ihrem Buch lesen gehört und da wird ja, glaube ich, die “Linke Wort Lesung” von 2018, wo es regnete, erwähnt und damit beginnt das Buch, von dem im Klappentext steht, daß “Lento Violento” nicht nur eine Musikrichtung der Neunzigerjahre, sondern ein Lebensgefühl ist. Das heißt es beginnt nicht ganz damit, sondern für mich eher verwirrend, weil inhaltslos mit einer seltsamen Ansprache einer seltsamen Regisseurin, die ihre Crew auf ein freies Feld bestellt hat und dafür ein Buffet mit “Mineralwasser und alter Kochschokolade” aufbauen ließl

Den Zuusammenhang habe ich nach wie vor nicht verstanden. Dann wird es konkreter. Denn da geht ein Daniel, ein erfolg- oder arbeitsloser Künstler in den Prater und trifft da auf eine Ruth, die, glaube ich, auch Künstlerin ist. Die nimmt ihn mit in ihre WG. Sie wohnt mit einer Alex zusammen. Die ist Schriftstellerin und will einen Roman über die Neunzigerjahre schreiben. Befindet sich aber in einer Schreibkrise und weil Daniel eine Mieterhöhung bekommt, die er sich nicht leisten kann, zieht er in die WG ein. Alex hat nichts gegen den neuen Untermieter. Denn sie braucht Geld, weil schon wieder ein Stipendikum abgelehnt wurde. Allein kann sie sich die große Wohnung, die sie braucht, um die vielen Sachen, die sie angesammelt hat, aufzubewahren, nicht leisten. Sie geht aber zu einem Psychianalytker, den sie offenbar bezahlt oder auch nicht. Denn irgendwann bricht sie die Therapie ab und der ruft dann an und fragt nach dem Honorar.

Ruth und Daniel fragen nach Alex Mietvertrag, den sie ihnen aber nicht zeigen oder herausgeben will und am Schluß vermauern, die zwei Alex Zimmer, macht daraus eine offenen Bücherschrank, so daß sie nicht mehr in ihre Wohnung gehen kann.

“Alex betritt die Wohnung, die einmal die ihre war und nun zu einem öffentlichen Bücherschrank umgewidmet worden ist. Ruth und Daniel haben alle Wände mit Regalen zugeschraubt, sie sind so tief, dass in der Mitte des Raumes nur etwa ein halber Quadreatmeter zum Stehen übrig ist.”

Die Stelle wiederholt sich dann ein paar Seiten später, nur heißt es da:

“Ich betrete das Zimmer, das einmal meines war und nun zu einem öffentlichen Bücherschrank umgewidmet worden ist. Alex hat alle Wände mit Regalen zugeschraubt,,sie sind so tief, dass in der Mitte des Raumes nur ein halber Quadratmeter zum Stehen übrig ist. Wenn ich in mein ehemaliges Zimmer gehen möchte, komme ich nicht mehr weit – sobald ich es betrete werde ich von allen Seiten von Büchern umzingelt. Auch quer über die Fenster wurden tiefe Regalbretter montiert, kein Tageslicht dringt mehr herein. Ich stehe vor den künstlich beleuchten Buchrücken und lese Titel, wie “Zusammen schreibt man weniger allein”. Oder “Die Zukunft einer Illusion.” Oder “A room for Ones Own.” Niemand weiß von dem öffentichen Bücherschrank, noch nie waren andere menschen in dieser Wohnung.”

Da sind wir schon im Mai 2019, das Ibbiza Video wurde veröffentlicht und Die drei haben sich am Ballhausplatz bei der Demo, wo die Venga Boys “We are going to Ibiza” spielten oder die, wo Kanzler Kurz dazu Stellungnahme nehmen sollte.

Im Klappentext steht “Als für Alex die Grenze zwischen Fiktion und Realität immer weiter zu verschwimmen droht, wird die Beziehung der Drei auf eine harte Probe gestellt.Kann sie sich aus der Krise herausschreiben?”

Eine interessante Frage, auf die ich auch nach Beenden des Buches keine Antwort weiß. Aus der politischen Situation nicht, würde ich schätzen. Da hat es wahrscheinlich erst angefangen. Ich lese seither nicht mehr auf dem Volkkstimmefest. Maria Muhar aber schon. Corona, die Korruptionskrisen, die Teuerungswellen, der Krieg in der Ukraine haben stattgefunden. Aber das wird die Drei, die wohl noch in den Neunzigern stecken, wahrscheinlich nicht so interessieren.

Musik von der ich nicht so viel verstehe, spielt in dem Buch eine große Rolle. Es wird auch viel und ganze Passagen auf Englisch zitiert.

Alex begibt sich auf die Psychiatrie, wird dort wieder entlassen und kommt dann offenbar in ihre zum Bücherschrank verwandelte Wohnung zurück. Aber auch Daniel geht in die Apotheke, um sich dort “Cipralex”, “Seroquel” und “Zypralex” abzuholen und die Apothekerin schreit laut die Medikamenten- und Daniels Namen durch den Raum und der betrachtet im Schaufesner einen Mann mit weißen Mantel, der offenbar dort weihnachtlich dekoriert. Auch diese Stelle wird mehrmals wiederholt und hat mir gefallen, wie für mich überhaupt die Stellen, wo die politische Situation beschrieben wurde, sehr eindrucksvoll waren, während ich den Bezug zu den Neunzigerjahren, wo die Protagonisten ja Knder waren nicht so verstanden habe.

Passagen aus Schreibratgebern werden zitiert und spannend ist auch die Stelle, wo die schreibblokierte Alex in die Bibliothek geht, d dort aber nie einen Sitzplatz, der ihr gefällt, bekommt und ihren Analytiker muß sie dann von ihren Figuren und ihren Romanfortschritt berichtet, aber da fällt ihr nichts ein und sie glaubt auch nicht, ob sie noch jemals etwas schreiben kann.

Ein interessates Buch mit einem sehr abgehackten Sprachstil, das wir zumindestens teilweise besser als das Debut, der Bettina Schleifinger, das doch eher konventionell war, gefallen hat. Dann haben mir die Handlung und der Plot aber whrscheinlich doch gefehlt und habe auch nicht alles verstanden. Aber vielleicht ist das, das Lebensgefühl der Neunziger bis zum Mai 2019, das die junge Frau damit ausdrücken wollte?

Erbgut

Wieder eine kleine Buchpreis-Pause, denn jetzt kommen die drei “K&S”-Bücher, die ich mir doch bestellt habe, obwohl die Schweizerin Bettina Scheiflinger, die in Wien lebt und dort auch Sprachkunst studiert, irgendwie an den deutschen Buchpreisträger, der ja große Diskussionen und sogar Haß und Unverständnis auslöste anknüpft.

Hier und da die Schweiz und die Schweizer Sprache und die 1984 geborene trat auch bei den “O-Tönen” auf. Da habe ich mirdann das Buch bestellt. Vorher habe ich gedacht mit der “Kuratorin” auszukommen und bei der Lesenacht im “Römer” ist Bettina Scheiflinger auch aufgetreten und hat ihren Familienroman präsentiert, der ja eigentlich vom Thema her gar nichts so Neues ist, denn da gibt es wahrscheinlich hunderte Bücher, wo die Familiengeschichte des letzten Jahrhunderts erzählt wird.

Interessant ist dabei vielleicht, daß es Bettina Scheiflinger wahrscheinlich absichtlich nicht chronologsch tut, sondern von einer Person und einem Zeitunkt wild hin- und herspringt.

Der Titel “Erbgut” ist vielleicht auch interessant, denn da denkt man gleich an die Nazis und “Ui!” oder wird dorthin getrimmt, obwohl es Bettina Scheiflinger eher, um den familiären Alltag, also um die Geburt und das Sterben an Hand einer drei Generationenfamilie geht und auch um die Frage, was da an Erbgut weitergegeben wird, etwa, ob die Tochter auch Brustkrebs bekommt, wenn die Mutter daran leidet und ob sie sich deshalb ihre Brüste vorbeuglich entfernen lassen soll?

Da ist die namenlose Protgonistin, glaube ich, ihre Schwester Anna, die Mutter Rosa, der Vater Arno, die mütterliche Großmutter heißt Sofia und kommt aus Italien. Die väterliche Johanna hatte ein Gasthaus und da sind wir schon beim Großvater, der weil er im Krieg bei den “falschen Leuten” kämpfte, auch eingesperrt war. Der geht mit dem Vater Arno nicht sehr gut um und mißhandelt ihn und Arno reist auch viel in der Welt herum.

Die Familie lebt in der Schweiz, besucht oft die Großeltern und die Tante in Kärnten und die Protagonisten kommt aus der Schweiz nach Wien, besichtigt hier Wohnungen und gebärt schließlich ein Kind, für daß sie Anfangs keinen Namen weiß, so daß das Erbgut und die Erbfolge weitergeht.

Interessant, interessant, aber nicht so neu, nur versucht anders zu erzählen und sicherlich ist auch viel Autobiografisches dabei.

Blutbuch

Hurrah, hurrah, jetzt kommt das fünfzehnte deutsche Longlist-, das dritte Shortlist-Buch, das auch auf der Schweizer Buchpreisliste steht und das auch erwartungsgemäß oder nicht den deutschen Buchpreis 2022 gewonnen hat, Kim de L`Horizons “Blutbuch” und der ist offenbar eine Kunstfigur, steht doch in der Biografie “Geboren 2066 auf Gethen. Heute hat aber Kim genug vom “Ich” studiert Hexerei bei Starhawwk, Transdisziplintät an der ZHdk und textet kollektiv im Magazin DELIRIUM” und ich muß in meinem Longlistartikel gleich einen Fehler bekennen, habe ich dort doch von “Ssieben Männern und dreizehn Frauen” geschrieben. Stimmt nicht, denn Kim, wie er sich nennen will, ist eine nonbinäre Persönlichkeit, hat kurze dunkle Haare, einen Oberlippenbart, sehr geschminkt und trägt auffallend bunte Kleider.

Bei der Preisverleihung hat er sich die Haare abrasiert, alle umart und geküßt und ein Happening aus der Veranstaltung gemacht und in den Blogs habe ich gelesen, daß die sich das Buch als Gewinner wünschen.

Da bin ich, eine Frau, fast siebzig und wahrscheinlich doch eher konservativ, etwas gespalten, denn ich habe, als ich ich mir überlegte, wer den Preis wohl gewinnen wird eher an Jan Faktor und Eckhardt Nickel gedacht, dann an Fatma Aydemir und “Blutbuch” hat vielleicht auch Chancen!”, aber nicht wirklich daran geglaubt und mir mit dem Lesen auch nicht ganz leicht getan.

Daß das Buch aber sehr ungewöhnlich ist und auch Sprachexperimente wagt, kann ich bestätigen. Kim de L`Horizon hat sehr lang dran geschrieben und sagte nach der Preisverleihung auch, daß er vor zehn Jahren wahrscheinlich höchstens in einem Kleinverlag erschienen wäre.

Jetzt hat das Buch schon den “Literaturpreis der Jürgen Ponto Stiftung” gewonnen, liegt in der Zeit, obwohl der Inhalt dann vielleicht doch nicht so ungewöhnich ist, setzt sich da einer oder eine mit der Familiengeschichte auseinander. Kim verwendet aber das * dabei und nennt, er ist in der Schweiz aufgewachsen, seine Großmutter “Grandmeer”, Grandmeer habe ich gelesen, wäre das Bernerdeutsch für die Großmutter und darum geht es. Die Erzählfigur namens Kim erfährt, daß seine Großmutter an Demenz erkrankt ist und setzt sich daraufhin auf dreihundert Seiten und fünf Kapitel mit seiner Identität und der Familiengeschichte auseinander.

Das Buch ist wahrscheinlich auch ein Stück Naturlyrik, denn es geht, wie schon der Name sagt, um die Blutbuche, oder nein, stimmt wieder nicht. Denn das Buch heißt “Blutbuch” und da hätte ich zuerst an ein blutiges Buch gedacht und jeder der fünf Teile ist auch in einen anderen Stil geschrieben.

Da geht es in einem also sehr um die Buche und kehrt bis in achtzehnte und neunzehnte Jahrhundert in den Wörlitzer Park und zu Johann Wolfgang von Goethe zurück, während es sich dann wieder um die Mutter und Großmutter, um Hexen und, um ein verschwundenes Kind, die erste oder zweite Rosmarie geht.

Kim ist sehr sexbesessen. Das ist auch Thema und der letzte Teil, die Briefe an die Großmutter ist überhaupt nur in Englisch geschrieben. Kann man das nicht lesen, muß man das Buch umdrehen, denn da gibt es eine Übersetzung. Kim macht also auch etwas mit seinen Lesern und zwingt sie zu Aktionen und im Teil vorher wird die Großmutter in einem modernen Pflegeheim für Demenzen geschildert, wo jedes Zimmer oder Stockwerk einen anderen Zeitabschnitt spiegelt. Das habe ich auch schon gelesen und fand ich sehr interessant. Im Brief an die Großmutter heißt es aber dann, daß die noch gar nicht in einem Heim ist, sondern den Enkel noch erkennt und noch zu Hause lebt da erzählt er der Großmutter auch, daß er sich mit zwei anderen in einer alten Schokoladefabrik im Tessin auf einer Art Schreibwerkstatt befindet, berichtet ihr von seinem Sex und dem Bemalen der Nägel.

Um Sprache und das Schreiben geht es auch dabei und ich komme jetzt wieder zu der Frage, für wen der deutsche Buchpreis eigentlich ist?

Um das Kaufverhalten der Bücher zu fördern, glaube ich, die Buchhändler haben sich am Anfang auch sehr empört, daß da nur Literaturwissenschaftler in der Jury saßen und niemand den Jirgl und den Petzer lesen oder der Schwiegermutter zu Weihnachten schenken will.

Jetzt frage ich, wer wird “Blutbuch” seiner Mama schenken oder lesen? Die jungen Leute, die sich für das Queer und die political Correktness interessieren, wahrscheinlich. Aber kaufen die Bücher, um fünfundzwanzig Euro und lesen sie noch soviel? Die Schwiegermütter wahrscheinlich nicht und, ob es seinen Platz in der Literaturgeschichte finden wird, wird die Zukunft zeigen.