Fretten

Jetzt kommt Buch vier der österreichischen Longlist und das dritte österreichische Shortlistbuch, “Fretten”der 1983 geborenen Helena Adler, die eigentlich Stephanie Helena Präauer heißt, sich aber, um nicht mit Teresa Präauer verwechselt zu werden, umbenannte.

Das dritte Buch der Salzburger Autorin, das erste ist bei “Arovell” erschienen mit dem zweiten ist sie 2020 auf der deutschen Longlist gestanden und ich habe das Cover von “Die Infantin trägt den Scheitel links” scheußlich gefunden, und tue das auch bei “Fretten”, was heißt denn das habe ich wohl gedacht, als ich das erste Mal den Titel hörte und da ist mir wahrscheinlich eingefallen, daß so die Deutschen zu Pommes frites sagen.

Mir wäre da “abfretten” eingefallen und das Titelbild finde ich wieder scheußlich. Dabei hat “Jung und Jung” wo die beiden Buchpreisbücher erschienen sind, ja einmal, als er noch bei “Residenz” war, einen tollen Illustrator gehabt.

Nun ja, das Buch wurde sehr gelobt. Wird vielleicht den Preis gewinnen, denn Jochen Jung ist ja bei den Buch und Börsenvereinen, glaube ich, sehr stimmgewaltig und mir hat das Buch im Gegensatz zum ersten überhaupt nicht gefallen und weil ich einmal Norbert Kröll geschrieben habe, daß ich seine “Kuratorin” gegen “Atemhaut” ausgestauscht hätte, kann ich ich jetzt anfügen, ich hätte das auch mit “Fretten” getan, will ich mich ja mit dem wortgewaltigen Thomas Bernhard, um den man als österreichischer Autor offensichtlich immer noch schwer herum kommt nicht “abfretten” und Norbert Kröll, den ich einmal, als sehr experimentell ,erlebt hat, hat das mit seinem Buch sehr viel sanfter getan.

Am Anfang des Buches war ich, ähnlich, wie bei Reinhard Kaiser-Mühlecker etwas verwirrt und dachte, das habe ich doch schon gelesen und so fängt auch die “Infantin” an und mehr als dort ist mir der Vergleich mit Thomas Bernhardund dem “Büchner-Preisträger” Josef Winkler eingefallen.

Da ist eine, die diesen österreichischen Provinzstil des Schimpfens und Verächtlichmachen imitiert oder perfektioniert, denn der Sprachstil ist ohne jeden Zweifel sehr gewaltig und hier hat sich Helena Adler zweifellos gesteigert. Aber mir gefällt dieser Schreibstil nicht, nicht dieses Geschimpfe, nicht diese Wortkreationen, wo ich wahrscheinlich hunderte zitieren oder abschreiben könnte.

Aber was passiert da? Eine Fortsetzung ist es nicht, hat Helena in einem Interview gesagt und sie würde wahrscheinlich auch die Autofiktion ablehnen, ich habe aber wieder Ähnlichkeiten gefunden. Da ist die Bauerntochter, die da in dem Bauernhof aufwächst und unter ihren Eltern und Urgroßeltern sehr leidet. Da geht etwa zehn Kapitel lang. Dann maturiert sie und geht an die Kunstakademie und das hat Helena Adler, glaube ich, auch getan und im Anhang des Buches gibt es verschiedene Bildnachweise.

Dann treibt sie sich mit einer Jugendband herum und macht Einbrüche am Wolfgangsee bevor sie ein Kind gebiert und sich hier mit den “Stillnazis” und den Stillproblemen beschäftigt und das hat ja Nadine Kegele auch getan und ich frage mich, muß das wirklich die hehre Literatur sein, die ja von den Kritikern hochgelobt wird.

So schreibt Katja Gasser: “Helena Adler schreibt Prosa, die sich durchs Fleisch bohrt, um für immer in den Knochen zu bleiben. Das ist wild-wuchernde Sprachkunst, die einzigartig ist in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur.”

Da muß ich schon ein bißchen widersprechen, Frau Gasser, denn sie haben sicher auch ihren Thomas Bernhard und Josef Winkler, gelesen und frage mich wirklich warum muß alles so negativ sein?

Muß natürlich nicht, obwohl sich Günter Kaindlsdorfer und Klaus Kastberger angeschlossen haben, aber ich frage mich, warum muß Literatur immer so sprachgewaltig negativ sein und frage mich nach zwei Jahren Corona und der Handvoll Krisen in der wir inzwischen stecken, immer noch wie Thomas Bernhard, schimpfen müßen und denke man muß es nicht.

Habe ich doch vor kurzem auch Kristine Bilkaus “Nebenan” gelesen, aber die hat den deutschen Buchpreis nicht bekommen, sondern eine schillernde nonbinäre Person namens Kim de L` Horizon und ich würde mir inzwischen ganz ehrlich, lieber einen Buchpreisträger namens Norbert Kröll wünschen, habe aber erst vier österreichiche Nominierungen gelesen und da bin ich auf Robert Menasses “Die Erweiterung” und das Buch von Verena Roßbacher gespannt. Daß Thomas Stangls “Quecksilberlicht” auch sehr kompliziert ist, habe ich schon bei den O-Tönen herausgefunden. Das Buch der Anna Kim hat mir dagegenrecht gut gefallen.

Die Infantin trägt den Scheitel links

Nun kommt Buch sechs der deutschen Longlist, der zweite Roman der 1983 in Oberndorf bei Salzburg geborenen helena Adler, die eigentlich Stehphanie Helena Prähäuser heißt und deren erstes Buch bei “Arovell” erschienen ist. Der zweite bei “Jung und Jung” erschienene Roman hat dann eingeschlagen, ist auch auf die “Öst” gekommen und bisher bei mir wegen dem Titel und dem Cover, wo es ein Kinderbild mit Beschmierungen und einer Augenklappe zu sehen gibt, an mir vorbeigegangen ist, denn was heißt denn das?

Das Buch ist auch an mir vorbeigegangen, als es bei den O- Tönen vorgestellt wurde, denn da hat es geregnet.

Malte Bremer der im Literaturcafe die Longlisttitel nach ihrer Lesbarkeit bewertet, war von den der “schwarzen Regensuppe zum Nachtmahl” und dem Bruegel-Gemöde im Eingangskapitel, des “Antiheimatromans”, wie das Buch auch genannt wird, nicht begeistert und ich habe, als ich auf Seite siebzehn war, gleich einen Kommentar geschrieben und bin dann ein bißchen hin und hergeschwankt, ob das jetzt ein tolles Buch ist und sprachlich noch viel besser als Valerie Fritsch oder vielleicht doch ein bißchen übertrieben und manche Formulierungen zu sehr abgehoben?

Ich weiß auch jetzt noch nicht so genau, ob ich es auf die Shortlist geben würde, sie ist aber sehr beeindruckend, diese Heimatgeschichte vom Aufwachsen im Dorf, die, außer im Literaturcafe überall gelobt wird und mit Winkler und Innerhofer verglichen wird.

Das erscheint mir mir vielleicht auch ein bißchen übertrieben, es ist aber auf jedenfall sehr beeindruckend das Buchm das wahrscheinlich Autobiografisches in einer sehr ungewöhnlichen, zum Teil rotzigen Sprache erzählt.

Das beginnt außer beim Titel schon bei den Kapiteln, die Namen wie “Glaube Hoffnung Liebe”, “Der Triumpf des Todes”,”Tod des Helden”, “Bäuerin eine Kuh melkend”, etcetera tragen und die offensichtlich, wenn auch vielleicht weniger klar, wie beim Eingangskaptiel Assoziationen zu berühmten Gemäden, die im Anhang zitiert werden, darstellen sollen und dann wird die Geschichte der aufmüpfigen Ich-Erzählerin, der Infantin, die am Schluß auch mit einem Kind an ihrer Brust endet, in einundzwanzig Kapitel erzählt.

Sie lebt im Dorf mit Urgroßeltern, Großeltern, Eltern und den Zwillingsschwestern, die sie mobben und unterdrücken. Es beginnt gleich damit, daß sie den Stall abfackelt, der Vater zwinkernd vom “Blitz” spricht und grinsend zur Feuerversicherung geht und dann wird von Kapitel zu Kapitel mit der Familie abgerechnet.

Die Mutter erscheint am Anfang noch ganz vernünftig, später erscheint sie dann bigott, denn sie will vom Vater eine Kapelle erbaut haben weil ihr eine Marienerscheinung begegnete. Es war aber nur die Maria des Vaters.

Soviel zum Stil, manche Formulierungen wie die “ÖVP Frisur” oder die der “selbst diagnostizierte Sozialverwaisung” haben mich sehr begeistert und an Angela Lehners Debutroman vom Vorjahr erinnert, so daß dieser Antiheimatroman sicher, als stärker zu interpretieren ist als Petra Piuks “Toni und Moni”.

Es geht dann von den Urgroßeltern, deren Tod beschrieben wird, weg, bis ins Gymnasium, in das die Lehrerin die aufmüpfige infantin schickte, um “Sozialstudien” zu machen. Dort gerät sie in schlechte Gesellschaft oder an schlechte Freundinnen, während sie selbst den Drogen, die die “schwarze Anna” auf die Psychiatrie bringt, widerstehen kann. Die Mutter ist entsetzt, gerät aber auch an Beruhigungssmittel und in Streit mit dem Vater, der mit seinen Gewehren alle zu erschießen droht. Die Mutter zieht in die Stadt, der Vater kommt ins Gefängnis und sie ist zuerst auf dem großen Hof, wo es auch eine Beziehung zum Cousin, Inzest ist natürlich auch ein Thema, wie der Mißbrauch in dieser Antiheimatgeschichte, allein, bevor sie von den Schwestern hinausgeworfen und um ihren Pflichtteil betrogen wird.

Ein starkes Buch auf jeden Fall, mir vielleicht wieder ein bißchen zu übertrieben, obwohl mich die Überhöhung der Alltagssprache, die ich so noch nie gelesen habe, sehr begeistert hat und ich Helena Adler alles Gute wünsche, gespannt bin, was ich von der jungen Frau mit der starken Sprache noch so alles hören oder lesen werde und wieder nur empfehlen kann, ein Buch auch weiter als bis zur ersten Seite zu lesen, obwohl mein Eindruck in diesem Fall ja eher in die umgekehrte Richtung, als die von Malte Bremer ging.