Virtuoso

Wieder eine kleine Buchpreislese-Pause, obwohl ich da einen ziemlichen Nachholbedarf habe, sechs gelesene deutsche Longlistbücher und eines von der österreichischen langen Liste. Aber “Wagenbach” die mir immer ihre Quartbücher als E-pubs schicken, haben mir diesmal zwei Prints geschickt.

Eines, das ich schon als e- book gelesen habe und dann Yelena Moskovichs “Virtuoso” und das ist wieder ein brillant geschriebener Reigen, der lesbischen Liebe und dabei so turbulent, durcheinander daß es gar nicht so leicht zu verstehen ist, obwohl es wahrscheinlich einige biografische Ähnlichkeiten mit der Autorin, die in der Sowet-Ukraine geboren wurde, nach Amerika emigrierte und jetzt in Paris lebt, aufweist und es geht in dem Buch um einige Frauen, Jana, Zorka, Aimee, Dominique sind die hauptpersonen und Jana und Zorka sind in dem kommunistischen Prag aufgewachsen. Zorka, die “kleine Narzisse,” ein etwas ungewöhnliches Mädchen, wird von ihren Eltern offenbar mißhandelt, zündet dann die Wohnung an und emigiriert mit ihrer Mutter nach Amerka, was Jana offenbar zutiefst verstört.

“Sie haben Heimweh nach einem Ort, den es nicht mehr gibt. Oder den es nie gegeben hat? Die rebellischen Frauen in “Virtuoso” ziehen aus dieser Melancholie explosive <Kraft.”

“Dieser Roman ist eine Reminszenz an David Lynch, erinnert an Ferrante, spielt mit Versatzstücken von Artaud und ist durchzogen von einem Hauch Anais Nin und der Lässigkeit eines Lana-del-Rey-Songs”, steht am Buchrücken.

Das Buch beginnt in Paris auf einer Medizinmesse, wo Jana für eine Bettenfirma dolmetschen soll und läuft dort Aimee oder Amy über den Weg, die ihrem Vater, einen Mediziner assistiert und ihr ihre Visitenkarte übergibt und sie in einen Club namens “Blauer Engel” einlädt.

Chatprotokolle zwischen einem Hotgirl Amy und einer Dominxxika Nr 39, einer tschechischen Hausfrau, die von ihrem Mann offenbar am Bett angekettet wird, gibt es auch und Amy kommt nachdem sie achtzehn wurde mit dem Werkzeugkoffer ihres Vater oder dem was ihr der Zoll davon gelassen hat, dorthin um Dominika zu retten und eigentlich hat das Buch in Portugal begonnen, denn da hat sich Dominika, eine Schauspielerin, die mit Amy dort auf Urlaub war, sich umgebracht, was Amy in Schickstarre versetzte.

Jahre später oder wann auch immer, es geht in dem Buch, wie schon beschrieben, ziemlich ungeordnet zu, was ja im Beschreibungstext excellent erklärt wurde, teiffen sich Jana und Aimee nach der Messe in der Bar und gehen dann auf eine Party, wo Jana auch Zorka wiedertrifft, die schon länger in Paris lebt.

Ein wirklich virtuoses Buch mit starken Sexszenen einiger Frauenlieben und das Cover stimmt schon auf den Inhalt ein.

In Dschungeln. In Wüsten. Im Krieg

Buch sechs der neuen deutschen Longlist ist, wie am Cover steht eine “Art Abenteuerroman” und stammt von der 1958 in Stuttgart geborenen Reporterin und Autorin Gabriele Riedle, die Literaturwissenschaften studierte, für “GEO”, die “taz”, dem “Spiegel”, etcetera, gearbeitet hat. Sie ist die fünften Frau der inzwischen sechs von mir gelesenen Büchern und steht inzwischen vor “Dschinns” in meiner bisherigen Bewertung an erster Stelle, denn das Buch war eine Überraschung, auch wenn im “Schweizer Literaturclub” sehr über den Zynismus der Autorin gelästert wurde. Aber wenn man da jahrelang von den jeweiligen Chefredakteuren nach Afghanistan, Liberia, in die Mongolei, nach Lybien , Papa Neuguniea, etcetera geschickt wird und dazwschen in ihrer New Yorker Wohnung oder in Berlinin der Goethe Straße auf dem “westöstlichen Divan” sitzt und sich so die Lage der Welt betrachtet, ist das wahrscheinlich mehr als verständlich und kann ich nachvollziehen.

Und das Buch ist eigentlich ein Requiem auf den britischen Fotojournalisten Tim H., der in Lybien von einer Granate zerfetzt wurde und damit beginnt Gabriele Riedle ihren Streifzug durch ihr Leben und ihre, wie man vielleicht sagen könnte, Anklage auf die Welt und ihre Sinnlosigkeit. Sie macht dabei gewaltige Rundumschläge die das Lesen einer, die noch nie in ihrem Leben in Afghanistan, Liberia, etcetera, wie wahrscheinlich, die meisten anderen Durchschnittsleser, gewesen ist, nicht sehr einfach macht. Und sie begnügt sich auch nicht, wie in besagter Diskussion ebenfalls beanstandet wurde, nicht mit der Beschreibung ihrer Kriegsreportagen, sondern macht einen Roman daraus.

Darf man das?, wurde in der Sendung, glaube ich, wirklich gefragt und sie bezieht sich dabei auch auf ihr Wissen als Literaturwissenschaftlerin, kommt also sprungartig von der “Blauen Blume” von Novalis zu den napoleonischen Feldzügen. Springt von Afghanistan nach Liberia, in die Mongolei und landet dann wieder in West Berlin etceterta.

Ein rasanter Sprint durch die Welt, wie sie ist könnte man so sagen und von der Gabriele Riedle höchstwahscheinlich mehr gesehen hat, als die meisten anderen. Daß man dabei zynisch werden kann, kann ich verstehen. Denn mir ist nach zwei Jahren Lockdown eigentlich, wo ich nur auf die Bank und in mein Bett gegangen bin und jetzt in einer zweiten oder dritten Krise landete, wo der Strom abgeschaltet werden soll und der dritte Weltkrieg droht, auch nicht viel anders gegangen.

Das von der “Anderen Bibliothek” sehr ästhetisch gestaltete Buch ist in vier Teile gegliedert und es beginnt in Afghanistan, wohin der Chefredeakteur und die sind bei Gabriele Riedle durchaus austauschbar sein Reporterin schickte, die dorthin im Jahre 2002 wahrscheinlich noch ein bißchen blauäugig reiste. Dort im Mustafa-Hotel mit seinen vielen Gittern, in Kabul residierte, dort mit dem berühmten Kriegsreporter Peter Arnett diskutierte und sich auch in einem eigentlich verbotenen Fotostudio Fotos für ihren Paß machen ließ.

Im zweiten Teil wird im Dschungel Bier getrunken und dabei das Reinheitsgebot überdacht, da ist man dann gleich beim Faschismus und bei den Ausbeutern dieser Welt.

Es geht nach Liberia und Lybien, wo sie auch mit diesem Tim zusammen war und immer wieder an ihm denkt und sich an das gemeinsame Reisen erinnert und wenn man Gabriele Riegle persönlich kennen lernen will, kann ich an eine “taz- Diskussion” mit Wladimir Kaminer verweisen, in der man auch erfährt, daß Gabriele Riedle von der dortigen Redaktion einmal hinausgeschmissen wurde. Eine sympathische Frau, die sich nach der Kriegsberichterstattung wohl mit der Lteratur versuchen will, um das Leben besser aushuhalten.

Das Buch ist, wie geschrieben ästhetisch sehr liebevoll gestaltet. Schön, daß ich durch die Longlist auf es aufmerskam wurde. Sonst wäre es wohl an mir vorbei gegangen.Ich habe aber Sabine Gruber eglesen, die sich auch einmal mit einem Kriegsfotografen beschäftigte und würde es mir sehr auf die Shortlist wünschen und es ist auf jeden Fall ein starker Kontrast zu Dagmar Leupolds “Dagegen die Elefanten”, obwohl es ohne Zweifel auch sehr literarisch ist.

Dagegen die Elefanten

Buch fünf der deutschen Longlist ist das offenbar obligatorische aus dem “Jung und Jung-Verlag” und das dritte der 1955 geborenen in München lebende Dagmar Leupold, das auf der deutschen Longlist stand. “Die Witwen” habe ich gelesen und Dagmar Leupold ist sicherlich eine Sprachkünstlerin, nicht so inhaltslos wie Andrea Winkler, aber die Sprache und schöne Worte spielen eine große Rolle und in diesem Buch wird wahrscheinlich von einem Sonderling, Herrn Harald, Garderobier in einem Opernhaus erzählt. Ein mittelalter bis älterer Herr wahrscheinlich, ein Junggeselle mit seinen Schrullen.

Wegen der Schuppenflechte hat er immer weiße Handschuhe an, gibt ihm jemand Trinkgeld sagt er “Ich trinke nicht” und während der Vorstellung lernt er Italienisch aus einem alten Italienischbuch, das er einmal gefunden hat oder übergeblieben ist.

Übergeblieben ist dann auch ein Mantel in dem sich eine Pistole befindet. Das wird auch in der Beschreibung erwähnt, passiert aber erst auf Seite neunzig oder so. Herr Harald nimmt die Pistole, es ist eine Schreckschußpistole erfährt er später aus dem Internet, nach Hause und steckt sie in einem Römertopf und dann in den Backofen.

Hui was würde da in den handlungsgetriebenen Romanen passieren? Da beginnt dann wahrscheinlich schon die Krimistory. Hier passiert auch ein wenig. Einmal taucht der Mantel an anderer Stelle auf, dann verpackt er ihn in einem Plastiksack und wirft ihn in den Mistkübel, ein Knopf wird auch gefunden und einmal, ein paar Monate später taucht ein Mann auf und fragt nach dem Mantel. Herr Harald liest auch in der Zeitung von einer Leiche die gefunden wurde, grübelt viel darüber nach und fühlt sich von der Polizei verfolgt, so weit so what.

Das Buch spielt in einem Jahr von Februar bis Februar und Herr Harald geht auch an seinen freien Abenden in Konzerte und lernt da eine Notenumblätterin kennen. Das heißt, er will sie gerne kennenlernen, nennt sie Johanna oder Marie und trifft sie dann auch zweimal in seiner Garderobe, einmal allein und einmal zu einer Weihnachtsvorstellung mit ihrer Nichte und um auf die Pistole zurückzukommen. Die packt er einmal in eine Aktentasche und geht ins Konzert damit, wo aber ein junger Mann die Noten umblätterte.

Was er mit der Pistole wollte, habe ich nicht ganz verstanden, ist aber wahrscheinlich nicht so wichtig, denn Dagmar Leupold habe ich in Besprechungen gehört, ist eine langsame Erzählerin, die es mehr mit der schönen Sprache als mit der Handlung hat, die also auch von einer Katze erzählt, die Herrn Harald zuläuft und dann tageweise bei ihm wohnt, die er sehr versorgt und mit ihr zum Tierarzt fährt. Er wird dann auch krank und am Ende braucht er eine neue Brille, an die er sich offenbar noch nicht gewöhnt hat und erleidet damit am Ende einen Autounfall.

Ein ungewöhnliches leises Buch, stimmt. Die Worte sind wichtig, Herr Harald hat Worte des Monats, die er in ein Notizbuch schreibt und mir sind auch einige sehr schöne Worte dabei aufgefallen. “Pausendeserteur”, für die, die, die Oper in der Pause verlassen, beispielsweise und natürlich hat das Buch keine spannende Handlung, sondern erzählt den Alltag dieses Sonderlings.

Dagmar Leupold tut das zweifellos sehr schön und liebevoll und bietet daher eine starke Gegenstimme zu den lauten spannungsbezogenen Romanen, die ja auch gefordert werden. Bei den Bloggern wird es sehr gelobt und ich bin jetzt gespannt, ob es auf die Shortlist kommt und würde es von den fünf Büchern, die ich bis jetzt gelesen habe, an die zweite Stelle reihen.

Die erste wäre “Dschinns”, wahrscheinlich würde dann der Strunk folgen und dann der “See” und der “Simple Eingriff” oder wäre das umgekehrt?

Und wenn jetzt jemand wissen will, was das Ganze mit Elefanten zu tun hat, das ist wahrscheinlich eine Schrulle oder ein Spracheinfall von Dagmar Leupold, denn Herr Harald liebt Tierfilme, schaut sich einmal einen über Elefanten an und sagt dann in der Kneipe, in der ein manchmal Cola trinkt, diesen Satz, als sich die Stammgäste über ihn lustig machen.

Schlangen im Garten

Jetzt kommt nicht das neue fünfte deutsche Longlistbuch, obwohl Stefanie vor Schultes “Schlangen im Garten” darauf stehen könnte und die mit “Junge mit schwarzen Hahn” auf der Bloggerdebutshortlist gestanden ist und auch einen Preis dafür bekommen hat. Über das Buch habe ich ja vor kurzem im “Diogenes-Talk” ngehört und die 1974 geborene und in Hanover lebende Autorin kennengelernt und dann das Buch vorgezogen, weil ich wieder mal baden und im Auto ein Print-Buch lesen wollte und interessanterweise habe ich sehr viele deutsche oder österreichische Longlistbücher entweder vom Verlag oder über die Netgalley als E-Pubs bekommen.

Also das Buch über Tod und Trauer, wie ich dem Talk entnommen habe und etwas erstaunt darauf reagierte, denn das Debut war ja sehr phantastisch und spielte im Mittelalter. Jetzt also ein so reales Thema, zumindest würde ich oder habe ich dieses Thema sehr realistisch behandelt. Nicht aber Stefanie vor Schulte, denn die versucht es mit dem magischen Realismus oder wie man es nennen will. Behandelt das Thema auf jedenFall sehr phantastisch und ich muß sagen, Hut ab, spannend, spannend und ich hätte nie gedacht, daß man dieses Thema auf diese Art und Weise behandeln kann.

Da ist also die Familie Mohn, der Vater Adam, der Sohn Steve etwa zwanzig, sowie die Kinder Lnne und Micha, elf und zwölf, glaube ich und die Mutter Johanne ist gestorben. Das thematisiert, glaube ich, auch Mareike Fallwickl in ihrem letzten Buch, daß da eine Mutter Selbstmord begangen hat und tut es, glaube ich, weniger phantastisch und ob Johanne Selbstmord beging, weiß man nicht. Sie ist jedenfalls in einem Spital gestorben und die Familie muß weiterleben. Denn das Leben geht weiter. Also muß die Trauerarbeit in der vorgesehenden Art und Weise absolviert leben, damit man wieder weiterlieben, weiterarbeiten, weiterlernen kann.

So gibt es ein Traueramt und einen Trauerbeamten, der beobachtet und protkolliert, ob das auch wirklich schnell genug passiert und, daß man in den Spitälern von mehr oder weniger psychologisch ausgebildeten Ärzten eine sogenannte Erinnerungsbox mit der Aufforderung Bilder oder letzten Dinge der Verstorbenen hineinzutun bekommt, habe ich auch schon gehört.

Ich würde da ja darauf antworten, das tue ich selber, wie ich will und brauche dazu keine Aufforderung und Tagebücher gehören natürlich auch dorthinein und Johanne hat ein ganzes Regal davon hinterlassen und die ißt die Famlie nun Abend für Abend auf.

Es gibt Nachbarn ,die sich mehr oder weniger liebevoll nach dem Befinden erkundigen oder auffordern doch endlich das Fahrrad im Hof zu entfernen und die Familie reagiert nicht so schnell, wie es von ihr erwartet wird. Der Vater kündigt seine Stelle, das darf man nicht, denn man muß ja weiterfunktionieren. Steve bricht sein Studium ab und kommt nach Haus und Linne und Micha haben auch Schwierigkeiten in der Schule und nun begegnen sie irgendwanneinmal andere Menschen. Da ist einmal der Trauerbeamte Ginster, der DDR ähnlich seine Berichte schreibt, aber auch die obdachlose Bille, die einen Hund, den es nicht gibt, an einer Schnur mit einem Ball spazierenführt, bezieungsweise an einer Autobushaltestelle sitzt, wo Adam sie kennenlernt.

Es gibt noch eine Autobushaltestelle, wo gar kein Autobus hält, sondern zu einem Pflegeheim gehört, wo sich deren Insaßen, die ausreißen wollen, einfinden und dann vom Pflegepersonal wieder eingesammelt werden.

Das ist oder war realistisch und eigentlich sehr traurig, daß die Dementen wieder nach Hause oder in ihre Vergangenheit zurückwollen und Micha besucht am Anfang auch eine alte Dame in Pflegeheim mit einer Pralienenschachtel, um ihr vorzulesen, wird aber von ihrer Tochter hinausgeschmissen.

Linne oder Micha treffen einen Riesen namens Brassert, der an einem Seee Schwäne füttert, die dann nicht kommen und Steve wird von einer Marlene angesprochen und die Drei kehren jetzt alle in die Wohnung der Mohns ein, der diese inzwischen gekündigt wurde.

Was aber nichts macht, denn das Haus fällt, wieder ein bißchen fantastisch sowieso zusammen und wird von der Polizei evakuiert. Inzwischen erzählen die Drei oder Vier, denn der Trauerbeamte taucht auch noch auf, alle ihre Geschichten, die sie einmal mit Johanne hatten.

So kann man es auch machen. So kann das Trauern und das Loslassen passieren und ich denke es passiert auch so ganz ohne Traueramt und Aufforderung sich zu beeilen, auch wenn man es nicht so phantastisch erlebt. So geht es auch und so hat mir das Buch auch gut gefallen, obwohl es mir, ich gebe es zu, vielleicht manchmal ein wenig zu phantastisch war und von der Sprache war ich auch nicht so entzückt, wie die Blogger und Buchbändler beim Talk, obwohl ich mir einige schöne Stellen angestrichen habe.

Wie die Schlangen in den Garten kamen habe ich auch nicht ganz verstanden, obwohl die an mehren Stellen vorkamen.

Auf See

Buch vier der heurigen deutschen Longlist ist, glaube ich, ein sogenannter Öko-Scienceficton, ein Genre, das in Zeiten der Klimakrise sehr modern scheint und viel geschrieben wird und die 1986 geborene Theresia Enzenberger, die Tochter von Hans Magnus, die schon “Blaupause” geschrieben hat,spielt mit alle Tastaturen der Utropie oder der gegenwärtigen realen Situation.

Das Ganze scheint ein bißchen in der Zukunft zu spielen, die Welt scheint kaputt zu sein und da hat sich einer auf eine Blase in die Seestatt, eine Insel in der Ostsee, zurückgezogen und dort eine scheinbare Ökoutopuie aufgebaut. Dalebt er mit seinen Anhängern und seiner siebzehnjährigen Tochter Yara und an der soll ein Experiment von einem Mustermenschen ausprobiert werden.

So hat sie einen dichten Stundenplan, Yoga, Biologie, etcetera von Privatlehrern. Sie hat auch einen Therapeuten und wird mit Pharmaka zugestopft, die zu Schlafwandeln führen, denn ihre Mutter so hat sie gehört, war verrückt, ist gestorben und Yara soll dieses Schicksal erspart werden.

Kinder gibt es keine in der Ökoblase, die inzwischen langsam am Verfallen ist und von Mitarbeitern ,die auf einem Mitarbeiterschiff leben, versorgt werden. Einmal hat Yara mit einem solchen Kind gespielt, das wurde aber untersagt. So absolviert sie ihren Stundenplan, ißt zu Mittag im Gemeinschaftsraum. Der Vater läßt sich sein Essen für teures Geld vom Festland bringen und macht auch weite Reisen dorthin und Yara beginnt ihm nachzuspionieren, erkennt, daß das Ganze eine Blase ist, verliebt sich in ihre Yogalehrerin Rebecca, die der Vater vom Festland mitbringt und bereitet ihre Flucht nach ihrem achtzehnten Geburtstag auf das Festland vor, um ihre Mutter zu suchen, die wie sich herausstellt, gar nicht gestorben ist.

Denn in einem zweiten Strang des Buches wird immer wieder von einer Helena erzählt. Die ist Künstlerin und ein Guru, hat eine Sekte aufgebaut und das Berlin in dem sie lebt, scheint auch etwas verfallen. Leute leben in ihren Autos. So holt sich Helena Sophie und deren Tochter Mira zu sich in ihre Wohnung. Helena hat viel Geld und einen Bruder namens August, eine Freundin namens Kamilla und einen Widersacher namens Arthur, der mit den Anhänger der Sekte in die Seestatt namens Vineta will.

Yara und Helena kommen zusammen, wohnen zuerst in einem Hotel und gehen dann, weil sie sich von Nicholas, dem Vater,, Sicherheitsmänner verfolgt fühlen, in eine Zeltstatt in den ehemaligen Tiergarten und ein sogenanntes Archiv gibt es auch.

Das sind kleine Geschichten über Ernest Hemingways Bruder beispielsweise, aber auch, wie es zur der Gründung der Seestatt kam und was aus ihr geworden ist.

Ein interessantes aber auch etwas verstörendes Buch, das mir am Anfang gut gefallen hat, später weniger. Da habe ich es zu wenig gegliedert und auch als zu handlungsarm empfunden.

Theresia Enzenberger ist aber hart an der Utopie, die uns vielleicht in den nächsten Zeit erwarten wird und erzählt das in einer starke Sprache. Ich habe wieder nicht alles verstanden und die Archivgeschichten auch eher übersprungen.

Ein simpler Eingriff

Buch drei der diesjährigen deutschen Longlist, Yael Innokais “Ein simpler Eingriff”, von der ich noch nie etwas gehört habe, obwohl die 1989 in Basel geborene, aus der Redaktion von P.S kommt und im Nachwort Kaska Bryla ausdrücklich für die Begleitung am Text dankt.

Ein dünnes Buch, hundertsiebzig Seiten, habe ich gelesen und das PDF gehabt, am Cover ist eine Krankenschwester mit einem altmodischen Häubchen zu sehen und das Buch scheint auch in der Nachkriegszeit zu spielen.

Aus dem Klappentext hätte ich entnommen, daß das Buch so etwas wie “The Handmaid Tale” sein könnte, stimmt aber nicht. Es ist stattdessen ein sehr leises Buch, das in drei Teilen vom Leben der Krankenschwester Meret erzählt. Wo das Buch spielt ist auch nicht klar. Den Namen nach würde ich Deutschland schätzen. Meret ist also Krankenschwester, wohnt in einem Schwesternwohnheim, wo sie mit dem Fahrhrad in die Klinik fährt. Dort assistiert sie einem Doktor, der einen simplen Eingriff an impulsiven Patienten, damit sie ruhiger und angepasster werden, durchführt, eine Art Lobotomie wahrscheinlich, obwohl das Wort nicht erwähnt wird.

Es gibt drei Teile, Marianne Sarah, Meret ernannt und Marianne ist eine Tochter aus reichen Haus, an der ein solcher Eingriff durchgeführt werden soll und Merets Aufgabe ist es mit den Patienten vorher und während des Eingriffs Karten zu spielen, denn der Eingriff wird im Wachzustand durchgeführt.

Dann gibt es noch zu Sarah eine Art lesbische Beziehung, denn die ist ihre Mitbewohnerin im Schwesternwohnheim und Meret kommt auch aus einer problematischen Familie. Es gibt eine Schwester namens Bibi und einen Bruder namens Wilm und Bibi, reißt immer aus, reist immer herum und schreibt dann Karten aus Amerika oder so obwohl sie nie dort war.

Der Eingriff an Marianne geht schief. Sie gerät ins Wachkoma und Meret fängt zu zweifeln an, noch dazu da sie eine frühere Patientin triff, die jetzt in einer Wäscherei arbeitet und Sara erzählt von einer Freundin, der offenbar dasselbe passierte.

Sie besucht dann auch Marianne in dem Pflegeheim in das sie gebracht wurde und eine Rückblende, die mich etwas verwirrte hat es auch gegeben, denn Marianne stirbt an Medikamentenversuchen, Sarah und Meret fahren aber trotzdem mit ihr im Rollstuhl zu Sarahs Mutter.

Ein interessantes Buch, das sehr gelobt und sogar als Siegerbuch gesehen wird, ich aber eigentlich eher als sehr leise und etwas altmodisch empfand, das aber einen eigenen Rhythmus und eine eigene Sprache hat.

Auf die Shortlist würde ich nicht schätzen, aber mal sehen, wie das die Juroren sehen, ich bin gespannt.

Dschinns

Buch zwei der deutschen Longlist, “Dschinns” von Fatma Aydemir, das, glaube ich, schon im Februar erschienen ist und sogar in der “AS” vorgestellt wurde. Das habe ich aber versäumt und auch das Debut der 1986 in Karlsruhe geborenen Fatma Aydemir nicht gelesen. Sie hat dann einen Sammelband “Eure Heimat ist unser Albtraum” herausgegeben und mir von daher als recht aggreessiv oder aufmüpfing erschienen.

“Dschinns” ist das aber gar nicht, sondern eigentlich ein recht konventionelles und mir durchaus realistisch erscheinendes Buch, obwohl “Dschinns” die inneren Stimmen oder das Böse das in und um uns passiert und in den Häusern lauert, es eigentlich nicht ist oder doch natürlich und jeder hat wohl seine Dschinns egal ob er in Wien, Karlsruhe, Istanbul oder einem anatolischen Dorf geboren wurde.

Da ist einmal Hüsesyn, eigentlich ein Kurde, aber das durfte man in der Türkei nicht sein, ohne verfolgt zu werden, so ist er in den Sechzigerjahren wahrscheinlich nach Deutschland gegangen, um das große Geld zu verdienen. Jetzt ist er sechzig, das Buch spielt 1999, in Pension gegangen und hat sich eine Eigentumswohnung in Istanbul gekauft, um dort mit seiner Frau Emine seinen Lebensabend zu verbringen. Kaum angekommen erleidet er einen Schlaganfall und nun reist die Familie, die Frau Emine und die vier Kinder, sowie die zwei Enkel, um der Beerdigung beizuwohnen.

Das Buch ist in sechs Teilen geschrieben, eines gehört dem Vater, dann haben die Kinder Ümit, Sevda, Hakan und Perihan je eine Stimme und interessant, zwei davon kommen zu spät zum Begräbnis. Ja der Weg von Deutschland nach Istanbul ist weit und ein Flug wahrscheinlich nicht so schnell zu bekommen.

Ümit, der jüngste ist fünfzehn und wurde und das erscheint mir etwas unrealistisch von seinem Sporttrainer zu einem deutschen Therapeuten geschickt, weil er etwas mit einem Jungen hatte, damit er ihn wieder “normal” machen kann. Das ist heute wohletwas anders und Sevda, die Älteste ist Analphabetin oder nie in die Schule gegangen, weil sie bis sie zwölf oder dreizehn war, bei der Großmutter aufwuchs, bevor sie die Eltern nach Deutschland holten. Dann hat sie zwar einen Deutschkurs besucht, sollte aber gleich verheiratet werden. Beim ersten Mann weigerte sie sich. Den Zweiten hat sie genommen. Der hat sich aber als Nichtsnutz erwiesen und seine Abende in Klubs bei Freunden verbracht. So mußte sie in der Nacht als Büglerin arbeiten und die Kinder waren allein zu Haus, als dort die Rechtsradikalen ein Feuer legten. sie floh mit den Kindern zu ihren Eltern. Die schickten sie aber wieder zurück. Sie trennte sich trotzdem, übernahm eine Pizzeria und steckte dem obdachlos gewordenen Mann sogar immer etwas Geld zu.

Perihan, die jüngere Schwester schaffte ein Philosophiestudium, Hakan ist Gebrauchsautohändler und kommt zum Begräbnis zu spät, weil die Polizei ihn zu einem Drogentest zwingt. Es kommt zu einer Aussöhnung zwischen Sevda und der Mutter und am Schluß kommt es, um das Ganze auch dramatisch zu machen, zu einem Erdbeben. Ja die Dschinns lassen einen nicht aus und es hat auch noch ein anderes Kind gegeben, das Emine weggenommen wurde und sie sich nicht wehren konnte.

Der Vater wird als ambivalent geschildert, sich zu Tode arbeitend, nach außen rauh, aber die Entscheidungen hat die Mutter getroffen und die konnte auch nicht aus ihrer Haus heraus und die Dschinns zurücklassen.

Ein sehr realistisches Buch, denn ich habe lang mit einer Türkin gearbeitet, die als Vorbild der Sevda dienen könnte. Sehr spannend über die ehemaligen Gastarbeiterkinder zu erfahren, die es geschafft haben, auf Buchpreislisten stehen oder bei der TAZ arbeiten.

Viele schaffen das noch nicht so problemlos obwohl die türkischen Mädchen, wie ich im laufe meines Praxisleben erfahren konnte, auch schon aufs Gymnasium gehen, auch wenn sie die Matura vielleicht noch nicht schaffen. Ihre Töchter werden es vielleicht und ich könnte mir vorstellen oder wünschen, daß das Buch auf die shortlist kommt, obwohl ich ja bis jetzt nur ein anderes Listenbuch gelesen hat.

Eine Liebe

Einmal noch, bevor es dann wirklich ans deutsche Buchpreislesen geht, wenn ich nicht doch zur Romanrecherche “1984” nochmals lese, bin aber mit dem vorläufigen Rohtext wahrscheinlich schon fertig.

Also eine Vorschau auf die Frankfurter Buchmesse und das Gastland Spanien, das es dort gibt, den Roman, der 1976 in Sevilla geborenen Sara Mesa “Eine Liebe”, den mir “Wagenbach” wieder freundlicherweise schickte.

“Dies ist keine Liebesgeschichte oder etwa doch”, steht am Buchrücken.

“Ein Roman über gemischte Gefühle, ein Dorf auf der Suche nach einem Sündenbock und eine Frau, die auf schmerzhafte Weise in die Eigenbrödlerei findet, beuruhigend, betörend präzise und im besten Sinne merkwürdig.”

Und dann geht es um die etwa dreißigjährige Nat oder Natalie, die in ein kleines spanisches Dorf zieht, um dort ein Buch zu übersetzten. Das Haus ist verfallen, der Vermieter unfreundlich und kommt selbst monatlich die Miete zu kassieren, obwohl er sich um die Reparatueren nicht kümmert. Er bringt ihr aber einen verwilderten Hund, mit dem sie sich langsam anfreundet. Sie putzt das Haus um die Konzentration für ihre Übersetzung aufzubringen und wird von den übrigen Dorfbewohnern eigentlich freundlich aufgenommen.

Vor allem vor dem “Hippie” Piter, einem Glaser, der aber vielleicht ein bißchen besitzergreifend ist. Es gibt ein Ladenmädchen und einen Laden, eine Romafamilie, ein altes Ehepaar, eine Nachbarfamilie, die nur gelegentlich kommt und den “Deutschen”. Der ist aber eher ein Kurdensohn und baut Gemüse an.

Dann wird das Dach kaputt und muß renoviert werden. Der Vermieter, der einmal unangmeldet in ihrem Haus aufgetaucht ist, weigert sich, es zu renovieren und dann kommt der Deutsche und bietet ihr das an, wenn sie ihn nur voher “in ihn reinlässt”, weil er sehr einsam ist. Sie ist zuerst empört. Dann kommt sie in sein Haus und eine große Liebe oder eine Besessenheit zu Andreas beginnt. Eine Besessenheit wahrscheinlich, denn er ist sehr verschlossen und sie fühlt sich von den Nachbarn ausgestoßen, obwohl das wahrscheinlich nur in ihrem Kopf passiert. Piter hält zu ihr, die Nachbarin verhält sich seltsam und sie fängt Andreas zu stalken an, bis er, sehr freundlich, bei Sara Mesa ist vieles ungewöhnlich, die Beziehung beendet.

Im dritten Teil greift der Hund, während sie spazieren geht, dann die Tochter der Nachbarin an, der Vermieter versucht sie zu vergewaltigen oder droht ihr das an, sie spricht sich mit Andreas aus, bevor es ihr gelingt in den Nachbarort zu ziehen und Piter sich weiter um sie zu kümmern scheint.

Eine metatphernreiche Novelle würde ich sagen, die zum Nachdenken über das Leben zwingt. Denn eigentlich wäre ja alles sehr einfach und man könnte auch mit der Liebe viel unkomplizierter umgehen. Er will Sex von ihr, sie braucht seine Hilfe, aber Pitar oder ein anderer Handwerker hätten ihr das Dach wahrscheinlich auch renoviert.

“Sara Mesa verzichtet auf den Luxus des Details, ihre Sprache besticht durch Knappheit: prägnant entwirft sie eine unheimliche Welt hinter glasigem Dunst – mit doppelten Böden, unscharfen Grenzen und moralischen Grauzonen”, steht noch am Klappentext.

Das Rosen-Experiment

Jetzt kommt noch immer nicht ein deutsches Longlistbuch,obwohl Jan Böttchers “Rosen-Experiment” darauf stehen hätte können und es ist eines das sich mit den Neunzehnzwanzigerjahren und seine Verknüpfung zur Gegenwart beschäftigt.

Vom 1973 geborenen Jan Böttcher habe ich schon einiges gelesen und gehört und das Interessante an dem Buch ist, daß es sich mit Doktorantinnen beschäftigt, die in den Neunzehnhundertzwanzigerjahren am Psychologischen Institut in Berlin, das sich in einem Schloß befand oder vielleicht auch noch immer befindet, forschten.

Und das ist für die Psychologin, die zwischen 1973 und 1979 in Wien Psychologie studierte und sich vorher mit Charlotte Bühlers “Psychologie im Leben unserer Zeit” beschäftigte, natürlich interessant, wie es da in den Neunzehnhundertzwanzigerjahren mit den psychologischen Instituten ausgesehen hat, wo ja unter anderem, die Sozialpsychologie in Experimenten erforscht wurde.

In Berlin, in diesem Schloß war es offenbar ein Professor Lewin, der forschte und dann in die USA emigrierte und er hatte, wie Jan Böttcher in seinem Nachwort schreibt, einige osteuroäische Studentinnen, die meist Jüdinnen waren und später nach Moskau oder auch zu ihm in die USA gingen.

Jan Böttcher hat einen Leonhard Zadek aus Kurt Lewin gemacht und die Doktorantin, eine lettische Apothekerstochter, die mit einem Dima verheiratet ist, heißt Zenia. Böttcher führt noch an, daß damals in dem Institut die Kolloquien im “Schwedischen Cafe”, das dem Institut gegenüberlag, abgehalten wurden. “Quasselstrippe” nannten sie sie und da lernt im Roman Zenia eine Kellnerin namens Helene kennen und beobachtet sie, wie sie sich die Bestellungen merkt und dann gleich darauf vergisst. Sie macht die, die ja nicht studiert, sondern eigentlich die Kinder, der Kaffeehausbesitzerin betreut und bekocht, aber auch noch ein paar Schichten hat, zu ihrer Assistentin und der Professor gibt ihr den Auftrag über die Gefühle “Wut” und “Ärger” zu erforschen. Da plant sie das “Rosenexperiment”, das in Wahrheit eine Tamara Demko so durchführte und eine Bluma Zeigarnik hat über “Das Behalten erledigter und unerledigter Handlungen” geforscht, was sie offenbar auch an einer Kellnerin beobachte.

Das Rosen-Experiment besteht nun darin, daß die VPs drei Lösungen an eine Rose zu gelangen, finden müssen. Es gibt aber nur zwei und der Ärger in den die Probanden dann geraten, besteht blöderweise darin, daß sie Zenia als “Saujüdin” beschimpfen.

Einige Szenen des Romans spielen dann schon 1939 in den USA, wo Prof. Zadek weiterforscht und eine der Assistentinnen schon bei sich hat.

Es wird viel gefeiert und ins Kino gegangen, in dem Roman, der auch eine sehr ungewöhnliche Sprache hat, die mir manchmal mehr literarisch als Psychologisch vorkam.

Ich habe 1975 beim damaligen Assistenten Herkner Sozialpsychologie und da wahrscheinlich genau diese Experimente gehört. Bin aber in das Buch schwer hineingekommen.Das Rosen-Experiment wird, glaube ich, auch erst auf Seite zweihundert erwähnt. Vorher habe ich gedacht, da wird viel dahergeschwafelt und was den Bezug zu der Jetztzeit betrifft, spitzte ich natürlich die Ohren, weil ich mich ja gerade damit beschäftige, “1984” in die Gegenwart oder ins Jahr “2024” zu verlegen und die Zweitausendzwanzigerjahre sind sicher genauso oder eine ähnliche Krisenzeit, wie es die Neunzehnhundertzwanzigerjahre waren. Die Sozialpsychologie und andere Wissenschaftszweige haben sich entwickelt, die Frauen Pagenköpfe getragen und manche haben Beziehungen zu Frauen gehabt und heute wird ja sehr über das Gendern gestritten und darüber, wieviele Geschlechter es gibt und welche Gefühle man verletzt, wenn man sagt, was ich eigentlich auch glaube, eigentlich zwei und damit wurde man ja inzwischen auch schon mit dem Tod bedroht.

Hinterher

Nein, jetzt kommt noch nicht das deutsche Buchpreislesen, obwohl ich mir vorstellen hätte können, daß Finn Jobs Debutroman darauf steht. Auf der des Bloggerdebuts steht es schon. Es ist wieder ein Wagenbach-Quartbuch”, das ich digital gelesen habe und ich bin wieder etwas ratlos, was es ist?

Ein Roadmovie, ein Coming of Age Roman, ein rasantes Debut in den verschiedensten Sprachstilen, wie in der Beschreibung steht?

Es geht also um einen etwa zwanzigjährigen Ich-Erzähler, der von seinem Freund Chaim, der zurück nach Israel gegangen ist, verlassen wurde. Vorher hat er in einer WG, aber auch in einer kleinen Wohnung in Neukölln geworden und jetzt hat ihn ein Francesco, ein Künstler, nach Frankreich mitgenommen, der dort in einer Kirche eine Kunstinstallation machen will.

Das Buch springt vollkommen unchronologisch hin und her, so daß es ein Weile braucht, um alles mitzubekommen, wahrscheinlich habe ich immer noch nicht alles verstanden, was vielleicht gar nicht möglich ist, weil sich die Beiden vollkommen bekiffen und betrinken, wie das in einem Coming of Age Roman heutzutage offenbar so sein muß.

Sie landen in Frankreich, schwierig ist auch, daß ganze Passagen in Englisch oder Französisch geschrieben sind, die nicht übersetzt werden, in einer komischen Villa oder besser gesagt, einer schönen alten Villa, die der Besitzer Gedeon, ein äußerst verrückter Typ , der mal einen Hund, mal eine Katze spielt und sich auch ständig besäuft in ein Art Hotel umgewandelt werden soll und sie dabei äußerst verschandelt. Die Kirche wird auch mit Alufolie überdeckt, damit man statt Gott, sich selbst sehen soll, es geht aber ohnehin niemand hin und was ist jetzt da in Neukölln geschehen?

Der Koffer und der Ausweis des Erzählers liegen offenbar noch in der WG bei einem Peter. Der Erzähler hat auch seine Arbeit verloren, offenbar hat er gekellnert und noch kein wirkliches Ziel im Leben. Er hatte eine Beziehung zu einer Sophia, dann zu einer Hatice, die aus nach Neukölln gekommen ist, weil sie kein Kopftuch mehr tragen will, sie wird von ihrer Familie deshalb verfolgt, weil sie wie eine deutsche Hure lebt. Da wird das Buch politisch und das finde ich sehr interessant, weil der 1995 in Hannover geborene Finn Job hier sehr direkt ist, direkter als ich es bisher in Romanen gelesen habe. Schließlich hat er dann eine Beziehung zu diesem Chaim angefangen und ihn in Neukölln, obwohl man das nicht darf oder soll, sehr vorsichtig auf der Straße geküßt. Da kamen dann sofort die “Allahu Akbar! schreienden Jugendlichen aus allen Richtungen und verfolgten die Beiden, die sich gerade noch in die WG flüchten könnte. Der Erzähler beschimpfte die Angreifer als “Pack!”, worauf er von den WG Bewohnern als rassistisch beschimpft wurde, denn er hätte die Gefühle der Angreifer verletzt.

So realistisch habe ich das in einem Roman noch nicht gelesen und kann nur fragen, ist es wirklich schon so arg in Neukölln und sind die Jugendlichen von heute, die rauchen und kiffen und keinen Sinn im Leben haben, wirklich so dumm, Dinge nachzuplappern, ohne nachzudenken, ob das jetzt stimmt und der Situation angepasst ist?

Dieser Francesco ist jedenfalls sehr reich, gibt dem Erzähler Geld, kauft ihm Kleider. Proust und überhaupt die Literatur spielt in dem Buch auch eine große Rolle. Also ist alles doch nicht ganz so banal und der Erzähler ein Proust-Fan. Es wird auch rückgeblendet auf eine Reise, die der Erzähler mit diesem Chaim, dem er immer noch nachzutrauern scheint, einmal machte, um das Grab von Klaus Mann zu besuchen. Ansonsten weiß er Erzähler nicht was er will, geht nicht ans Telefon, schmeißt sein Handy ins Meer und in der Kirche kommt es dann noch zu einer absurd grotesken Schlußszene, wo alles in Flammen aufgeht oder sich vielleicht zu Guten wendet? Wer weiß das schon und wer weiß, was das überhaupt ist? Soll er nach Deutschland zurckgehen, einen Entzug machen, studieren oder einen Job suchen? Alles ist ungewiß und vielleicht auch nicht so einfach zu beantworten.

“Hört er es denn nicht, das gellende Schweeigen der Sirenen?”, ist jedenfalls der letzte Satz und wir bleiben vielleicht ratlos zurück und können darüber philosophieren, was wir da gelesen haben?