Ein simpler Eingriff

Buch drei der diesjährigen deutschen Longlist, Yael Innokais “Ein simpler Eingriff”, von der ich noch nie etwas gehört habe, obwohl die 1989 in Basel geborene, aus der Redaktion von P.S kommt und im Nachwort Kaska Bryla ausdrücklich für die Begleitung am Text dankt.

Ein dünnes Buch, hundertsiebzig Seiten, habe ich gelesen und das PDF gehabt, am Cover ist eine Krankenschwester mit einem altmodischen Häubchen zu sehen und das Buch scheint auch in der Nachkriegszeit zu spielen.

Aus dem Klappentext hätte ich entnommen, daß das Buch so etwas wie “The Handmaid Tale” sein könnte, stimmt aber nicht. Es ist stattdessen ein sehr leises Buch, das in drei Teilen vom Leben der Krankenschwester Meret erzählt. Wo das Buch spielt ist auch nicht klar. Den Namen nach würde ich Deutschland schätzen. Meret ist also Krankenschwester, wohnt in einem Schwesternwohnheim, wo sie mit dem Fahrhrad in die Klinik fährt. Dort assistiert sie einem Doktor, der einen simplen Eingriff an impulsiven Patienten, damit sie ruhiger und angepasster werden, durchführt, eine Art Lobotomie wahrscheinlich, obwohl das Wort nicht erwähnt wird.

Es gibt drei Teile, Marianne Sarah, Meret ernannt und Marianne ist eine Tochter aus reichen Haus, an der ein solcher Eingriff durchgeführt werden soll und Merets Aufgabe ist es mit den Patienten vorher und während des Eingriffs Karten zu spielen, denn der Eingriff wird im Wachzustand durchgeführt.

Dann gibt es noch zu Sarah eine Art lesbische Beziehung, denn die ist ihre Mitbewohnerin im Schwesternwohnheim und Meret kommt auch aus einer problematischen Familie. Es gibt eine Schwester namens Bibi und einen Bruder namens Wilm und Bibi, reißt immer aus, reist immer herum und schreibt dann Karten aus Amerika oder so obwohl sie nie dort war.

Der Eingriff an Marianne geht schief. Sie gerät ins Wachkoma und Meret fängt zu zweifeln an, noch dazu da sie eine frühere Patientin triff, die jetzt in einer Wäscherei arbeitet und Sara erzählt von einer Freundin, der offenbar dasselbe passierte.

Sie besucht dann auch Marianne in dem Pflegeheim in das sie gebracht wurde und eine Rückblende, die mich etwas verwirrte hat es auch gegeben, denn Marianne stirbt an Medikamentenversuchen, Sarah und Meret fahren aber trotzdem mit ihr im Rollstuhl zu Sarahs Mutter.

Ein interessantes Buch, das sehr gelobt und sogar als Siegerbuch gesehen wird, ich aber eigentlich eher als sehr leise und etwas altmodisch empfand, das aber einen eigenen Rhythmus und eine eigene Sprache hat.

Auf die Shortlist würde ich nicht schätzen, aber mal sehen, wie das die Juroren sehen, ich bin gespannt.

Für ein Leben

Ich sage immer, daß man man oft das richtige Buch zum richtigen Zeitpunkt erwischt und so ist es auch mit “Für ein Leben”, des 1960 geborenen Ulrich Woelk, der 2019 mit “Der Sommer meiner Mutter”, auf der Longlist des dBps gestanden ist, beschäftige ich mich doch gerade in meinem neuen Projekt mit dem Feminismus und dem Gendern und Ulrich Woelk tut das in seinem Monsterroman, der über sechshundert Seiten besitzt auch und das ist ihm wohl ein ironischer Schachzug zwischen den Genres gelungen. Denn was ist der Roman? Ein feministischer Erotikroman, so könnte man es wohl am besten bezeichnen,der manchmal etwas ktschig ist oder haarscharf daran vorbeischifft. Kein noch so plattes Thema ausläßt oder docheines,wasichamSchlußanführen würde,wie ich den Romanbeendet hätte und der dabei höchst spannend und auch leicht lesbar ist, obwohl man mehrmals sagte könnte “Stop, Halt, spar deine Phantasie ein, das geht denn doch zu weit!”

Um was geht es? Um zwei Frauen in Berlin nach der Wende. Um Niki oder Nikisha Sri Lamont,1989 fünfundzwanzig Jahre alt, die als Kind von Hippieeltern in Afghanistan geboren wurde. Gezeugt wurde sie in Lourdes füge ich noch an.Vier Jahre in einem Ashram lebte, dann mit ihren Eltern nach Mexiko ging, dort Medizin studierte und 1989 als Ärztn in einem Weddinger Krankenhaus zu arbeiten anfängt und dort gleich einmal eine Fehldiagnose stellt und um Ljubina Sellen, genannt Lu, Kind einer kroatischen Mutter, die als sie, glaube ich, Dreizehn ist, an Lungenkrebs stirbt, worauf ihr Vater ausrastet und sie hintereinander zu zwei Mietern des Wohnhauses flüchtet.

In zwanzig Kapitel, die Namen tragen, wie “Die Töchter Egalias”, “Die Erfindung des Paradieses” wird das erzählt und erzhltechnscht ist hier interessant, daß jedes Kaptel eigentlich in sich abgeschlossen ist und zu Beginn ein bißchen weiter ist, so daß die Handlung dann rückläufig aufgerollt wird und da ist viel zu erzählen.

Es beginnt also, daß Niki fünfundzwanzig ist und da gleich, während die Ostberliner die westdeutschen Spitäler stürmen, einen Patienten mit einer Hodenentzündung hat. Dem stellt sie die falsche Diagnose und heiratet ihn später. Auch das erfährt man gleich auf der ersten Seite. Niki hat ein Helfersndrom, wurde von ihren Hippieeltern, wie beschrieben in Lourdes gezeugt, als die von Paris kommend nach Indien aufbrachen. In Mexiko wurde sie dann für einen Engel gehalten. Deshalb konnte sie sich auch ihr Studium finanzieren, hat sie doch den Sohn eines Bauern geheilt und den dann zu einem Kind verholfen. Der kann ihr nichts als einen Lottoschein als Dank schenken mit dem gewinnt sie dann aber gleich einmal 123 574,87 DM gewinnt, was für das Studium reicht und man sieht schon, wohin es geht.

Es passiert wirklich viel in diesem Buch und manches ist, wie erwähnt sehr übertrieben, so daß man denkt, jetzt hör mal auf und man kann es zuläßig sein, daß sich ein Mann auf diese Art und Weise lustig über den Feminsmus und die Lesbenbewegung macht?

Lu flüchtet, nach dem Tod der Mutter, als der Vater in seiner Verzweiflung zu trinken beginnt und dann alles zusammenschägt, zuerst in die Nachbarwohnung zu dem Musiker Hans, der Katzen hat, die Musikernamen tragen und sich mit der Stille in der Musik beschäftigt und weil sie das nicht aushält etwa sspäter einen Stock hinunter zu Victor Belkow, der aus dem Osten geflohen ist oder abgeschoben wurde und der sie einmal erschreckte, weil sie seinen Penis sah, als er einen Ventilator verrückte. Das führte zu ihrem Entschluß niemal Sex mit Liebe zu haben, aber vielleicht war daran auch ihr Vater schuld, der sich immer Frauen aus dem Osten bolte, sie dann in seine Draga zu verwandeln versuchte und später wieder alles kurz und klein zuzsammenschlug,was zu einem Koma führte, so daß er in das Krankenhaus kam, wo Niki Ärztin war.

Die wohnte inzwischen bei einem Maler in Untermiete, wo sie ein Vagina-Diptychon in ihrem Zimmer hatte, das sie mit Büchern verstellte, der Niki ständig fragte, ob sie vielleicht lesbisch sei und vermutete, daß mit ihrer Sexualität etwas nicht in Ordnung sei. Um das aufzuklären, reiste sie nach Lourdes, macht da die Bekanntschaft mit einem Pater Leo, der sie einteilte, die behinderte Bernarda, die nach einem Impfschaden im Rollstuhl saß, zu betreuen. Die sollte, um die Aufmerksamkeit der Presse zu erregen, auf einer Bahre zur Prozession getragen werden. Dasklappte aber nicht, also legte sich die hilfsbereite Niki darauf, flüchtete aber kurz darauf, weil, die Sanitäter, die Bahre fallen ließen und das neue Wunder von Lourdes war geboren, das natürlich in die Zeitung kam. Die las Clemens Rubener, der sich als ein ausgebrannter Schriftsteller entpuppte, der mit seinem zweiten Roman nicht und nicht weiterkam, in seiner Writer in Residence Wohnung in Aix en Provence. Erinnerte sich an seineÄrztin und reiste nach Berlin, um sie zuheiraten,was sie auch prompt tat.

Zur Hochzeit ließ sie sich ganz nach indischen Brauch den ganzen Körper bemalen, wurde aber auf der Hochzeitsfeier ins Spital zurückgerufen,denn der Komapatient Herbert Sellen war plötzlich wach gdeworden, stand am Dach und wollte hinunterspringen und das Krankenhaus war ratlos. Mutig pirschte Niki sich im Hochzeitskleid an ihn heran, wo Herbert Sellen dann vor ihre Füße fiel und versuchte ihr Strumpfband zu küßen, weil er glaubte, sie wäre Draga und man das nach kroatischen Brauch so machte. Kurz darauf fiel er wieder ins Koma. Niki verließ aber ihren Ehemann, um eine Beziehung mit Lu zu beginnen, die inzwischen Schauspielerin geworden ist und in einem alternativen Theater im Sommernachtstraum statt dem Lysander eine Lysandra spielte. Dazu war sie auch am ganzen Körper mit Henna bemalt und stand, als die Nachricht aus dem Krankenhaus kam, gerade nur mit einem Mantel bekleidet, in der Pause vor dem Theater. Die Beiden zogen zusammen und ein besonderes Detail ist Ulrich Woelk auch noch eingefallen, ließ er Niki doch schwanger sein und das war dann eine unbefleckte Empfängnis, denn die Ehe wurde ja nicht vollzogen und Sex vor der Trauung wird von der Kirche ja nicht anerkannt.

Die beiden Frauen reisten mit dem kleinen Pablo ein paar Jahre später nach Mexiko zu Nikis Eltern, wo Lu wieder bei einem Film mitzuspielen begann. Sie verließ,weil sie ja nicht glücklich werden durfte, Niki, verheiratete sich in LA, begann noch einmal in einem Film zu spielen und bekam dann auch noch den Morbus Wilson, den Niki diesmal richtig diagnostizierte und wir sind mit Ulrich Woelk durch ein halbes Jahrhundert der Lesben- und Frauengeschichte gewandert und ich kann nur wiederholen, sehr gut recherchiert, das Ganze sicher auch ironisch zu interpretieren. Aber leicht und gut zu lesen, obwohl es manchmal, wie schon geschrieben haarscharf an der Grenze zum Kitsch dahinschrammt und auch wieder viel zuviel des Guten ist.

Es hat mir wirklich gut gefallen, wieder eines der 2021 Highlighst, neben den “Vögel” und der “Muttermilch” und da geht es ja auch um Sex und lesbische Liebe und ich bin jetzt nur neugierig, ob das Buch wieder auf die deutsche Buchpreisliste kommt? Ich würde es empfehlen, denn “Der Sommer meiner Mutter” hat mir, glaube ich, nicht sogut gefallen

Und wie hätte ich den Roman beendet? Meine Leser wissen es wahrscheinlich. Ich hätte Clemens Rubener einen Roma schreiben lassen, in dem er Nikis seltsame Verwandlungen schldert mit dem er dann den deutschen Bchpreis gewinnt.