Dagegen die Elefanten

Buch fünf der deutschen Longlist ist das offenbar obligatorische aus dem “Jung und Jung-Verlag” und das dritte der 1955 geborenen in München lebende Dagmar Leupold, das auf der deutschen Longlist stand. “Die Witwen” habe ich gelesen und Dagmar Leupold ist sicherlich eine Sprachkünstlerin, nicht so inhaltslos wie Andrea Winkler, aber die Sprache und schöne Worte spielen eine große Rolle und in diesem Buch wird wahrscheinlich von einem Sonderling, Herrn Harald, Garderobier in einem Opernhaus erzählt. Ein mittelalter bis älterer Herr wahrscheinlich, ein Junggeselle mit seinen Schrullen.

Wegen der Schuppenflechte hat er immer weiße Handschuhe an, gibt ihm jemand Trinkgeld sagt er “Ich trinke nicht” und während der Vorstellung lernt er Italienisch aus einem alten Italienischbuch, das er einmal gefunden hat oder übergeblieben ist.

Übergeblieben ist dann auch ein Mantel in dem sich eine Pistole befindet. Das wird auch in der Beschreibung erwähnt, passiert aber erst auf Seite neunzig oder so. Herr Harald nimmt die Pistole, es ist eine Schreckschußpistole erfährt er später aus dem Internet, nach Hause und steckt sie in einem Römertopf und dann in den Backofen.

Hui was würde da in den handlungsgetriebenen Romanen passieren? Da beginnt dann wahrscheinlich schon die Krimistory. Hier passiert auch ein wenig. Einmal taucht der Mantel an anderer Stelle auf, dann verpackt er ihn in einem Plastiksack und wirft ihn in den Mistkübel, ein Knopf wird auch gefunden und einmal, ein paar Monate später taucht ein Mann auf und fragt nach dem Mantel. Herr Harald liest auch in der Zeitung von einer Leiche die gefunden wurde, grübelt viel darüber nach und fühlt sich von der Polizei verfolgt, so weit so what.

Das Buch spielt in einem Jahr von Februar bis Februar und Herr Harald geht auch an seinen freien Abenden in Konzerte und lernt da eine Notenumblätterin kennen. Das heißt, er will sie gerne kennenlernen, nennt sie Johanna oder Marie und trifft sie dann auch zweimal in seiner Garderobe, einmal allein und einmal zu einer Weihnachtsvorstellung mit ihrer Nichte und um auf die Pistole zurückzukommen. Die packt er einmal in eine Aktentasche und geht ins Konzert damit, wo aber ein junger Mann die Noten umblätterte.

Was er mit der Pistole wollte, habe ich nicht ganz verstanden, ist aber wahrscheinlich nicht so wichtig, denn Dagmar Leupold habe ich in Besprechungen gehört, ist eine langsame Erzählerin, die es mehr mit der schönen Sprache als mit der Handlung hat, die also auch von einer Katze erzählt, die Herrn Harald zuläuft und dann tageweise bei ihm wohnt, die er sehr versorgt und mit ihr zum Tierarzt fährt. Er wird dann auch krank und am Ende braucht er eine neue Brille, an die er sich offenbar noch nicht gewöhnt hat und erleidet damit am Ende einen Autounfall.

Ein ungewöhnliches leises Buch, stimmt. Die Worte sind wichtig, Herr Harald hat Worte des Monats, die er in ein Notizbuch schreibt und mir sind auch einige sehr schöne Worte dabei aufgefallen. “Pausendeserteur”, für die, die, die Oper in der Pause verlassen, beispielsweise und natürlich hat das Buch keine spannende Handlung, sondern erzählt den Alltag dieses Sonderlings.

Dagmar Leupold tut das zweifellos sehr schön und liebevoll und bietet daher eine starke Gegenstimme zu den lauten spannungsbezogenen Romanen, die ja auch gefordert werden. Bei den Bloggern wird es sehr gelobt und ich bin jetzt gespannt, ob es auf die Shortlist kommt und würde es von den fünf Büchern, die ich bis jetzt gelesen habe, an die zweite Stelle reihen.

Die erste wäre “Dschinns”, wahrscheinlich würde dann der Strunk folgen und dann der “See” und der “Simple Eingriff” oder wäre das umgekehrt?

Und wenn jetzt jemand wissen will, was das Ganze mit Elefanten zu tun hat, das ist wahrscheinlich eine Schrulle oder ein Spracheinfall von Dagmar Leupold, denn Herr Harald liebt Tierfilme, schaut sich einmal einen über Elefanten an und sagt dann in der Kneipe, in der ein manchmal Cola trinkt, diesen Satz, als sich die Stammgäste über ihn lustig machen.

Die Witwen

Buch vier ist Dagmar Leupolds “Witwen”, die, 2013 schon einmal auf der Longlist stand und von der ich mir einmal bei einem der Ein-Euro-Abverkäufe der “Buchlandung”, “Eden Plaza” aus den Regalen zog.

Das hab ich noch nicht gelesen, habe ich ja viel zu viele Bücher und von Dagmar Leupold, die auf den Blogs sehr gelobt wird, ebenfalls noch nichts.

Das hat sich jetzt geändert und ich muß sagen, es ist ein schönes Buch, ein wenig altmodisch vielleicht, da habe ich ja gerade bei Tobias Nazemi gelesen, daß er das bei Bodo Kirchhoff so empfindet, das, als überübernächstes LdBp-Buch an die Reihe kommen wird, bei Dagmar Leupold würde ich die Sprache und den Stil so empfinden, obwohl die Handlung eigentlich sehr modern und da auch sehr originell ist, wie ich finde.

Nur das Cover, eine nacke Frau aus einem sicher sehr berühmten barocken Bild, ist furchtbar, zum Glück sieht man das bei den PDF-s ja nicht. Und jetzt hinein in das sprachliche Vergnügen, denn das ist die, 1955 in Niederlahnstein geborenen Autorin, es ist also auch mein erstes deutsches LL-Buch, eine Sprachkünstlerin. Sie hat es aber mehr mit den Wortschöpfungen, formt die Mehrzahl von “Vagina”, heißt das jetzt “Vaginas” oder “Vaginen”, sinniert über das Wort “Fremdenzimmer” nach, “Scheusal” kommt von “scheu”, denn “Sprache schafft Fakten” und die Witwen sind auch gar keine, sondern vier Frauen über fünfzig.

Penny, Dodo, Laura, Beatrice und von denen hat nur Penny einmal einen Mann gehabt, den Winzter Otto, hat ihren Odysseus, den sie von Berlin nach Steinbronn an die Mosel folgte, vor acht Jahren verloren.

Da ist er von einer seiner Reisen einfach nicht mehr zurückgekommen. Se weigert sich aber, ihn für tot zu erklären, sondern bezieht jedes Monat oder Woche auch seine Doppelbetthälte frisch, ansonst arbeitet, die ausgebildetete Lehrerin im Wirtshaus der Schwiegermutter, zieht den Sohn Bert groß und ihre drei Freundinnen sind nach und nach auch nach Steinbronn nachgekommen.

Dorothea, die kräftige, ist Gärtnerin und hat Trauerränder unter den Fingern, Beatrice Jogalerherin und Feldenkreistrainerin und die schöne Laura hat sich von der Maskenbildnerin zur Logopädin umschulen lassen, um in dem Städtchen was zu verdienen, das finde ich das Moderne an dem Abenteuerroman, wie der Untertitel lautet.

Einen Bendix, die Abkürzung von Benedikt git es auch, der hinkt und stottert, das ist vielleicht wieder ein wenig klischheehaft überhöht, ist Privatgelehrter, schreibt Briefe an seinen Freund Friedrich und hält sich ein Auqarium, wo die Fische Namen, wie Nietzsche, Kant oder Arends tragen.

Auch ein wenig abgehoben, er hat aber im Gegensatz zu den vier Frauen einen Führerschein und so meldet er sich, als die beschließen, den September einmal nicht der Weinlese, den Patienten oder der Gärtnerei zu widmen, sondern sich einen Chauffeur für eine Abenteuerreise zu mieten und fährt mit den Frauen los.

Dodos Hund Zwiebel wird Pennys Sohn Bert übergeben. Sie fahren von Trier nach Schengen und stranden dann in der ersten Weltkrieg- Gedenkstätte in Hartmannswillerkopf wo wir vor zwei Jahren waren.

Das Auto, ausgerechnet ein Fiat Ulysse, hat eine Panne und so erzählen sich die vier Frauen und ihrem Chauffeur ihre Liebesgeschichten.

Beatrice hatte, bevor sie nach Steinbronn übersiedelte, ein jahrelanges Verhältnis mit einem verheirateten italienischen Banker. Dodos Vater ist einen Tag nach ihrerm Geburtstag verstorben, so daß die Mutter einen Kater mit dem Namen Erwin kaufte, wie der Vater hieß und und Laura die schöne, die für eine Tanzausbildung trainiert wurde, gesteht den Freundinnen, sie hat nie geliebt, nachdem sie mit ihrem Fahrlehrer, sie war offenbar die einzige der vier, die den Versuch einer Führerscheinausbildung machte, in einem Hotelzimmer gestrandet ist, dann flog sie durch die Prüfung, trat nie wieder an und kam auch nach Steinbronn.

Inzwischen fahren die fünf mit einem Bus, der, der eine Schulgruppe zur Gedenkstättte brachte in ein Hotel, am nächsten Morgen kommt der Pannendient. Dazwischen folgt noch Pennys Geschichte von ihrem verlorenen Odysseus und einer Polenreise, die schuld daran hat, daß sie jetzt sehr zum Leidwesen ihrer Schwiergermutter an der VHS einen Polnischkurs belegt.

Der Pannendienst reapariert das Auto.

“Wohin wollen wir fahren?”, fragt Bendix.

“Ans Meer?”, antworten die vier und das Buch endet in Steinbronn, wo Bert den Hund Zwiebel versorgt und die Schwiegermutter bei einem ihrer Saisonarbeiter, den verschollenen Sohn zu erkennen glaubt.

Werden die Frauen zurückkommen, lautet die Abschlußfrage und meine Antwort ist, daß ich auf Dagmar Leupold neugierig wurde und mir das Buch trotz, der etwas künstlichen Altmodischkeit bis jetzt am besten gefallen hat, denn es hat trotz Odysseus, Penelope, Kant und Hegel auch einige sehr moderne Elemente und die gefallen mir ja immer sehr.