Der Magier im Kreml

Der Titel des nächsten Buches macht schon neugierig, so daß ich es gleich anfragte, als ich den “C. H. Beck-Katalog” durchblätterte.

Der “Magier im Kreml” das Debut des 1973 geborenen italienisch schweizerischen Schriftsteller Guiliano de Empoli, das in Frankreich im Vorjahr zum Bestseller wurde.

Nun ja, seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine wollen wahrscheinlich alle lesen, wie das mit Wladimir Putim und seinen Politberater Vadim Baranow, der in Wahrheit, glaube ich, Vladislav Surkov hieß, den das Buch ist den realen Begebenheiten nachgefunden.

Das macht natürlich neugierig, obwohl ich gleich verraten kann, so weit ist es wahrscheinlich nicht her, aber einen gewissen Eindruck, wie das mit der neueren Geschichte Russlands ist, kann man aber auf jeden Fall bekommen.

Es gibt eine Rahmenhandlung und die hat mich am Anfang sehr verwirrt, denn da wird immer von einem Zaren geredet. Es geht aber um Putin habe ich dem Klappentext entnommen, Stalin kommt auch vor und ein Erzähler, der möglicherweise der Autor ist, denn der bekommt dann in den weiteren Kapiteln, die Geschichte des Schauspielers und Fernsehproduzenten Vadim Baranow erzählt, denn der hat seine Politkarriere inzwischen beendet.

Wie war das also mit dem Magier oder dem berühmten Politberater?

Der beginnt seine Geschichte mit seinem Großvater und dessen Bibliothek, denn das Buch ist sehr gelehrig. Da gibt es Anspielungen, um Anspielungen, Literaturhinweise und Rückblenden in die Stalin-Ära.

Da erfährt man eine eher lineare Geschichte, Vadim Baranows Beziehung zu seinem Vater. Das Treffen mit der schönen Xenja, die ihm später von Michail Chodorkowski auch eine reale Figur ausgespannt wurde.

Ein Fernsehproduzent hat dann in den Neunzigerjahre die Idee Wladimir Putin als Nachfolger des schwerkranken Boris Jelzin vorzuschlagen.

Es kommt dann zu einer Einladung Vadims zu einem Abendessen mit Putin und die Beraterkarriere beginnt. Dann kann man Einzelheiten zur Geschichte Russlands erfahren.

Der Fensehproduzent wird in seiner Villa tot aufgefunden, Chodorkowski wird aus dem Gefängnis entlassen und der Ukraine Krieg beginnt, bis Vadim Baranow dann auf eine Sanktionsliste kommt, seine Beraterkarriere beendet und dem Erzähler seine kleine Tochter “wie eine keine Brioche frisch aus dem Ofen” vorstellt.

Die Jagd

Nach den “Roten Kreuzen” und den “Ehemaligen Sohn” kommt jetzt der dritte Roman, den ich von den 1984 in Minsk geborenen Sasha Filipenko gelesen habe, der sein Buch beim “Fried Festival” im Literaturhaus vorstellte und mich da verwirrte, geht es in dem Buch doch darum, wie ein Journalist in Moskau, glaube ich, von der russischen Mafia fertig gemacht wird und die Textstellen die projeziert wurden, waren ,wie ein Musikstück aufgebaut. Da gibt es eine “Einleitung”, eine “Exposition” und so weiter, zwischendurch immer wieder “Pausen” und der Autor erzählte im Gespräch von Masha Dabic gedolmetscht, glaube ich, daß er das bewußt machte, um den Leser zu verwirren und ihn so auf die Handlung neugierig zu machen.

“Wui!”, habe ich gedacht und, daß ich mir nicht vorstellen kann, wie das gehen könnte. Jetzt weiß ich es und kann sagen, Sasha Filpenko versucht auf ungewöhnliche Art, die Mißstände, die in Russland herrschen, hinüberzubringen. Er versucht es sanft, in ein Musikstück gekleidet und kommt erst langsam in die Handlung und es dauerte lange, bis ich mich auskannte.

Es geht um eine russische Oligarchenfamilie, die in Frankreich Urlaub macht und dort auch wohl Häuser besitzt, den Sohn zum Fußballspieler aufbaut und, um den Journalisten Anton Quint, wieso hat der einen nicht russischen Namen, der die Machenschaften des Oligarchen aufdecken will. Der hat eine kleine Tochter, versucht sich auch als Schriftsteller und da gibt es eine Stelle, wo einer einen leeren Text ins Internet stellt und dafür vom Fernsehpublikum und überhaupt verurteilt wird. Da kann man abstimmen, aber wenn man für einen Freispruch plädiert, muß man dafür zahlen, während Verurteilungen gratis sind oder wer schweigt sowieso schon zugestimmt hat.

Das ist offenbar eine Geschichte von diesem Quint und dann geht es nach Lugnano, wo ein Musiker sich auf ein Konzert vorbereitet. Der wird von seinem Bruder besucht, der ihm seine Geschichte erzählt.

Ende Achtzig hat die Familie ihr Geld verloren, musste in eine kleinere Wohnung, die Markenkleidung wurde im Discounter gekauft, der Sohn in der Schule und auf der Uni gemobbt. Der ist auch Journalist und in eine Alissa verliebt. Die lädt er auf teure Reisen ein, sonst passiert dort nichts. Gesponsert wird das alles von seiner reichen Frau und die geht in ihren Massagesalon und wird dort von Managerin Alissa in alles informiert. Sie schmeißt ihn hinaus und der Bruder wird von Onkel Wolodja und einem Freund angeheuert, Quint fertig zu machen. Sie machen, das auf subtile Art, heuern zwei Schauspieler an, die in der Nebenwohnung Dauerlärm machen, Quint schlägt die Warnungen in den Wind, glaubt auch nicht, daß der Oligarch dahinter steckt. Es wird aber immer ärger. Quint wird von einer Prostituierten ins Hotel geschleppt und dort gefilmt. Seine Frau wird vergewaltigt. Er wird als Pädophiler geoutet und Demonstraten schreien vor seiner Wohnung “An das Kreuz mit ihm!” und machen ihn solcherart zum psychischen Wrrack, so daß er seine kleine Tochter aus dem Fenster wirft.

Das alles wird dem Musiker von dem Bruder erzählt, der daraufhin sein Konzert versaut, während der Bruder Alissa wieder in die Schweiz mitgenommen hat und sie dort offensichtlich doch ins Bett bekommen hat.

Sehr ungewöhnlich und verwirrend, die Tatsache, daß Misstände, die auf diese Art und Weise erzählt werden. Aber das Leben geht weiter und während Menschen fertiggemacht werden und sich bekriegen, werden Konzerte gespielt, man vergnügt sich und versucht sein Leben zu genießen. Mir geht es in den Kriegs- und Coronazeiten auch nicht viel anders, denn was kann man wirklich gegen das Böse tun, als es aufzuzeigen? Und wenn man das literarisch tut, hilft das wahrscheinlich auch nicht viel weiter.

Der Himmel vor hundert Jahren

Jetzt kommt ein Debut, nämlich der Roman der 1988 in Moskau geborenen und in Berlin lebenden oder gelebt habenden Yulia Marfutova, die beim Klagenfurter Literaturkurs eingeladen war und auch sonst bei verschiedenen Schreibwerkstätten mitmachte, was sich offensichtlich lohnte, denn der “Himmel vor hundert Jahren”, wo der Umsturz und die russische Revolution auf sehr märchenhafte Art und Weise mit einer poetisch schönen Sprache erzählt wird, ist ein interessantes Buch.

Schauplatz ist ein Dorf am Fluß und seine Bewohner. Da gibt es den Dorfältesten Ilja, der so wie sein Vater und seine Großväter heißt und wie alt er ist, weiß man erst nicht wirklich,denn die Dorfbewohner gehen oft erst nach Jahren in die nächste Stadt aufs Meldeamt, wo der Beamte dort streng nach dem Vaternamen fragt und den Kleinen dann so nennt. Der ist aber jetzt schon alt geworden, der Dorfälteste und eigentlich recht wohlhabend und das Besondere an ihm ist auch das kleine Röhrchen, das er einmal gefunden hat, mit dem er das Wetter vorhersagen kann.

Er hat auch eine Frau Inna Nikolajewa, die nach dem Zaren heißt, der fällt ein Messer aus der Hand, was bei den abergläubigen analphabeten heißt, es kommt ein Mann ins Haus. Die drei Töchter sind an einer Seuche gestorben, übergeblieben ist die Enkeltochter Annuschka oder Anna und derMann, der ins Haus kommt, ist Wadik, einer mit einer Uniform und ohne Stiefel, der zuerst schweigt, später aber durchblicken läßt, daß er lesen kann und auch ein geheimnisvolles Papier in der Tasche hat, daß er Anna übergibt. Die stiehlt wie eine Rabe oder eine Elster. Pjotr ebenfalls ein alter Mann verschwindet oder ertrinkt im Fluß und am anderen Ufer sind auch immer wieder Männer zu sehen. Das Dorf spricht von derveränderten Realität, die Ikonen verschwinden und am Ende der Geschichte hört man noch, daß der Gutsbesitzer auch so eine Autoriät, wie der Zar ins Ausland verschwunden ist,um seine Familie zu besuchen, obwohl er das sonst nichts tat.

Das ist alles was Yulia Martinova über die Realität ab 1917 erzählt. Sonst deutet sie, wie schon erwähnt nur an. Bleibt bei Metaphern, gibt in einer schönen andeutungsreichen Sprache, die Gedanken, Vermutungen, den Irr- und Aberglauben, der ungebildeten Ddorfbewohner wieder, die keine Ahnung von den Geschehnissenaußerhalb des Dorfes haben und doch von der Geschichte mitgerissen werden. Listen werden, wie bei Simone Hirth angelgtund Andrey Kurkov hat mit seinem “Volkskontrolleur” wohl etwas Ähnliches versucht. Geschichte mit Ironie, Andeutungen und märchenhaften Metaphern zu erzählen.

Am Am Schluß des Presseexemplars, das leider keine biografischen Angaben hat und auch im Netz ist über die jungen Autorin nicht viel zu finden führt Yulia Martinova ein Märchen an, daß sie offenbar für das Buch verwendete und ein Buch von Orlando Figes “Die Tragödie eines Volkes. Die Epoche der russischen Revolution 1891 bis 1924”. Das Buch ist auch ihren Großeltern gewidmet und in einem Verlagsinterview habe ich gelesen, daß der “Rowohlt-Verlag” begeistert von dem ungewöhnlichen Debut war und es stimmt, so hat man die russische Revolution wohl noch nie gelesen. Ich bin beeindruckt und gespannt, ob und auf welche Nuchpreislisten das Buch, das im März erschienen ist, kommen wird. Eine Lesen würde ich empfehlen, was soll man auch in Zeiten wie diesen anders machen und Parallelen zur heutigen Realität lassen sich höchstwahrscheinlich ebenfalls herstellen.

Der verlorene Sohn

Das neue Buch der 1984 in Baku geborenen Olga Grjasnova deren “Russe, der die Birken liebt” und “Gott ist nicht schüchtern” gelesen habe und die ich auch im Literaturhaus und einmal in Leipzig erlebte, führt in den Kaukasus und in die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts und ich finde die Themenbandbreite und auch die Stilverschiebungen der Literaturinstitut Absolventin sehr interessant, liest sich der Roman doch sehr leicht und fast wie ein Jugendbuch und man erfährt sehr viel dabei. Von der russischen Kriegspolitik des neunzehnten Jahrhunderts und auch, wie sich jemand fühlen muß, wenn er plözlich von Baku oderAkhulgo nach Moskau kommt oder von Damaskus nach Berlin oder Wien, denn der achtjährige Jamalludin, Sohn des mächtigen Imams Schamil wird aus politistchen Grünen von Akhulgu im Nordkaukassus nach St. Petersburg geschickt. Er ist eine Geisel des Zaren und seine Mutter erzählt ihm, daß es sich nur, um ein paar Tage oder Wochen handeln würde.

Es werden fünfzehn Jahre daraus und der Zar läßt ihn in einer Kadettenschule erziehen, lädt ihn und die anderen Zöglinge zu Kinderbällen und anderen Festivalitäten ein. Er lernt Russisch und Französisch, dient in der russischen Armee, wird von dort nach Polen geschickt und verliebt sich die die emanzipierte Lisa, die in Göttingen studieren will und natürlich Sex mit ihm hat. Dann plötzlich nimmt der Vater georgische Geiseln gefangen und Jamalludi muß wieder, seiner Kultur entwöhnt, in den Kaukasus zurückkehren, denn die russische und französische Kultur ist natürlich besser. Die russischen Ärzte können den Fuß der tochter des Vaters heilen, der inzwischen viele andere Nebenfrauen und von ihren Kinder hat. Jamadullahs Mutter ist schon vor zehn Jahren gestorben und die Briefe die Jamadullah an den Vater gewchrieben hat, haben diesen nie erreicht.

Am Schluß erwischt Jamadulin die Tuberkulose. Der russische Arzt, der ihn behandeln soll, kann ihm nur die Diagnose, die er schon wußte, mitteilen und der Diener Ali, den er bittet ihn etwas vorzulesen, kann ihm nur aus dem Koran zitieren. Da er weder Russisch noch Französisch versteht und so lautet einer der letzten Sätze “Jamalludin hatte nicht mehr die Kraft sich dagegen aufzulehnen” und am Anfang hat Olga Grjasnowa geschrieben, daß der Roman auf historischen Fakten beruhen würde.

“Vieles stimmt, manches ist frei erfunden oder der Struktur des Romanes angepasst.”

Ich bin nicht ganz sicher, ob das wirklich so funktionierte, daß der Zar seinen Feinden, die besten Ausbildung genießen ließ und die dann gebildet zurückschickt, aber spannend eine völlig andere Olga Grjasnowa zu lesen und auch etwas über das Leben am St. Petersburger Hof im neunzehnten Jahrhundert und auch ein bißchen über den Kaukasus zu erfahren.

Die Leben der Elena Silber

Jetzt kommt Buch dreizehn des dBps und es spielt wieder in Berlin, in der EX-DDR und in Russland, ein wahrscheinlich autobiografischer Familienroman des 1962 in Berlin geborenen Alexander Osang, von dem ich schon ein Weihnachtsbuch gelesen habe und mir vor ein paar Monaten beim Schubert in St. Pölten einen Erzählband aus der Abverkaufskiste gezogen habe.

In zwei Strängen wird das Buch erzählt, beginnend in Russland, wo 1903 Jelena geboren wurde, deren Vater ein paar Jahre später von zaristischen Attentätern ermordet wurde,  dann geht es abwechselnd nach Berlin zu dem Filmemacher Konstantin, dessen Mutter Maria oder Mascha eine Tochter Jelenas oder Lena, die in Berlin zur einer Elena wurde, den an Demenz erkrankten Vater gerade in ein Pflegeheim abschiebt, in dem auch Jelena gestorben ist.

Aber zuerst geht deren Mutter mit den zwei Kindern von Gorbatov weg, ein paar jahre später kehrt sie mit ihrem zweiten Mann, der Jelena mißbraucht, zurück.

Es kommt zu einem Prozeß, Jelena freundet sich mit dem Sohn eines der Attentäters an. Er wird ihre große Liebe. Sie heiratet aber den deutschen Ingenieur Robert Silber und geht mit ihm 1936 nach Deutschland.

Zuerst nach Berlin, dann nach Schlesien, wo er herkommt,  sein Großvater eine Fabrik besaß und eine Kirche erkabuen ließ.

Jelena hatte fürnf Töchter, zwei davon noch in Rußland geboren, die kleineste Anna, 1942 geboren, verstarb 1944 an Diphterie und als die Russen nach Schlesien kamen, wurde Robert von ihnen in den Fuß geschoßen. Jelena trifft ihren Jugendfreund wieder, der Robert hilft, der verschwindet aber und Jelena zieht ihre vier Töchter, Lara, Vera, Maria und Katja alleine auf.

Maria, Konstatntins Mutter, rät ihm sein Thema zu finden und vielleicht einen Film über seine Familie zu machen. So sucht er die auf, kommt sogar nach Russland in den Geburtsort Jelenas und das Buch endet im Herbst 2017, als der Vater aus dem Altersheim verschwindet, von einem Freund aber gefunden wird und 1990 als Jelena dorthin übersiedelt, damit einer ihrer Neffen ihre Wohnung haben kann.

Neunhundertsechzig Seiten hat das E-Book, im Print werden es wohl sechshundert sein und ich denke, es sind einige zulang, weil man das Meiste schon viel früher erfährt und sich vieles  wiederholt.

Am eindrucksvollsten haben ich die Szenen über den Demenz kranken Vater und sein Leben in dem Pflegeheim gefunden, wo er verwirrt nach einem Klo sucht oder im Aufenthaltsraum sitzt, wo der Pfleger lustlos aus einem Buch vorliest, das die anderen Bewohner hinterlassen haben und das dann “Literarischer Zirkel” genannt wird.

Bücher spielen in dem Buch überhaupt eine große Rolle. So wird Julian Barnes “Der Lärm der Zeit” erwähnt und Dostojewskis “Schuld und Sühne” das nun  “Verbrechen und Strafe” heißt.

Der trübe Morgen

Jetzt kommt nach den “Schwestern”, gleich Teil drei von Alexej Tolstois Trilogie “Der Leidenweg” über die russische Revolution, denn den zweiten Teil habe ich ausgelassen, obwohl ich ihn mir von Stephan Teichgräber ausborgen hätte können, denn der hat ja  im November in dem Antiquariat in der Margaretenstraße alle drei Bände für das “Doml”, beziehungsweise seinem “Revolutionsworkshop” gekauft.

Aber damals war ich noch so mit meinen Rezensionsexemplaren beschäftigt und hatte wahrscheinlich weder die deutschen noch die österreichischen Buchpreisbücher alle gelesen, so daß ich gar nicht daran dachte, mich an die mehrfach umgeschrieben und dem sozialistischen Realismus angepassten Bücher des 1945 verstorbenen Alexejs Tolstois zu machen.

Aber es kommt ja immer anders als man denkt, die Rezensionsexemplare sind ausgelesen, jetzt könnte ich mich an meine Backlist machen, wo  noch einiges wartet, aber da bin ich vom “Theodor Kramer-Sommerfest” nach Hause gefahren,  am “Wortschatz” vorbeigekommen und da lag der “Trübe Morgen” diesmal nicht in der schönen Ausgabe, die Stephan Teichgräber, um zwanzig Euro erstanden hat, sondern in einer schon recht vergilbten “Globus-Ausgabe” aus dem Jahr 1984, die vierte durchgesehene Ausgabe, aus dem “Ragusa Verlag in Moskau”, die in der UDSSR gedruckt wurde.

Das sieht man dem Papier auch an. Die Übersetzung stammt wieder von Maximilian Schick, der, wie ich “Wikipedia” entnehme, 1884 in Moskau geboren und dort 1968 gestorben ist. Von 1882- bis 1907 lebte er in   Berlin, wo er auch studierte und war außer als Übersetzer auch als Balletkritiker tätig.

Daß ich den zweiten Teil, “Das Jahr Achtzehn” ausgelassen habe, könnte man bereuen, denn ich habe mich, da in dem Buch keine Inhaltsangabe und auch keine Notizen zum Autor, noch ein Vorwort oder ein Nachwort enthalten ist, mit dem Lesen, beziehungsweise den Lücken recht schwer getan.

Teil eins endet mit der Revolution und dem Sturz des Zaren. Teil drei spielt, glaube ich, von 1919 bis 1920 und schildert hauptsächlich Kampfhandlungen, die sich bis in die Ukraine ziehen. Die Rote Armee und die Bolschewiken müßen gegen die “Weißen” und die “Kosaken” kämpfen und da bräuchte man wahrscheinlich ein historisches Vorwissen, um die Abläufe zu verstehen und dann habe ich ja, natürlich selbstgewollt, eine Lücke, was mit den Schwestern im Jahr 1918 passiert ist, was man leider auch nicht in “Wikipedia” nachlesen kann, denn offensichtlich haben sich die Paare getrennt.

Darja ist mit einem ehemaligen Popen in einem Dorf unterwegs. Ihr Mann Iwan Iljitsch Telegen kommandiert ein Matrosenregiment, wo es auch eine Köchin namens Anissja, eine ehemalige Bäuerin gibt, die durch die Kosaken oder die “Weißen” ihren Mann und ihre zwei Kinder verloren hat.

Katjas zweiter Mann Wadim Petrowitsch ist auf der Suche nach ihr und erfährt in einem Restaurant von einem deutschen  Offizier, daß sie noch am Leben ist.

Sie ist inzwischen als Lehrerin in der  Ukraine tätig, muß von dort aber nach Moskau flüchten, siedelt sich in ihrer ehemaligen Wohnung, die inzwischen von einem  Genossen Maslov bevölkert ist, der sie fragt, ob sie nicht wisse, “daß man in Moskau des Hungers stirbt!”, sie dann aber doch in ihrem ehemaligen Zimmer wohnen läßt, sie aber sexuell bedrängt.

So daß es gut ist, daß sie zuletzt doch zu ihrem Wadim Petrowitsch und natürlich auch zu Telegin und ihrer Schwester findet, am Ende, das ist dann schon im kalten Winter 1920, begeben sie sich alle zu einem Vortrag in ein Theater, wo auch der Genosse Lenin anwesend ist und das Buch schließt mit den dramaischen Sätzen:

“Der Würfel ist gefallen!”, sprach der Mann an der Karte, auf den Stock wie auf eine Lanze gestützt. “Wir kämpfen auf den Barrikaden für unser und der Welt Recht, ein für allemal der Ausbeutung des Menschens durch den Menschen ein Ende zu machen.”

Die Leserin weiß im Sommer 2019, daß das nicht gelungen ist und kann noch hinzufügen, daß “22. Juni 1941”, darunter steht.

Unter den “Schwestern” in der schönen Moskauer Ausgabe ist “1921” gestanden, so daß man raten kann, ob es sich bei Band drei schon über eine überarbeitete Ausgabe handelt, während der erste noch eine Frühform ist, das Buch ist aber in den Fünfzigzerjahren erschienen.

Anmerken kann ich auch noch, daß es einige sehr beeindruckende Stellen gibt, wie beispielsweise die, wo der Kommandant den ehemaligen Popen in eines der Dörfchen schickt. Denn es naht ein christliches Fest, die sind zwar jetzt abgeschafft, die Bauern aber noch immer gläubig und sie brauchen auch die Feste, um ihre Jungfrauen zu verheiraten und die Kinder zu taufen. Vorher liefern sie kein Getreide ab. So kommt der Pope und traut und die Mädchen haben sich auch alle mit kostbaren Kleidern herausgeputzt, die sie wohl vorher den Bürgerlichen oder dem Adel entwendet haben.

Eine zweite ist dann die, wo die Truppe um Telegen Schillers “Räuber” mit Anissja als “Amalie” und dem Popen als “Franz” aufführt.

Bücher spielen in Tolstois Trilogie, beziehungsweise den zwei Teilen, die ich gelesen habe, auch eine große Rolle und ein spannendes Detail ist da, daß sich der Genosse Maslow mit dem “utopischen Sozialismus” beschäftigt und Katja seine Bücher zeigt, wo ich mich frage, ob eines davon, vielleicht Samatjatins “Wir” ist, mit dem wir uns bei Stephan Teichgräbers “Utopieworkshop” ein wenig beschäftigt haben, aber das war damals vielleicht noch nicht erschienen.

Die Schwestern

Jetzt kommt der erste Teil von Alexej Tojstois Trilogie “Der  Leidensweg”, die, wie in “Wikipedia” steht, “Am Beispiel einer Intellektuellen Familie ein Panaroma der russischen Gesellschaft vor, während und nach der Revolution” zeichnet.

Sonst ist im Netz nicht sehr viel über das Buch zu finden, während man  über den 1882 oder 83 geborenen und 1945 gestorbenen Alexej Tolstoi erfahren kann, daß er ein Verwandter des berühmten Lew war, in Paris und Deutschland gelebt und unter Stalin Todesurteile unterzeichnet und Schauprozessen beigewohnt hat.

Der Dichter und seine Trilogie ist über Stephans Teichgräber Revolutionsworkshop, das ich nun schon das zweite Semester besuche, zu mir gekommen.

Das heißt, das Buch hat Stephan Teichgräber in November ein einem Antiquariat gekauft und ich habe mich erst zum Lesen entschlossen, als ich Band drei in einer “Globus-Ausgabe” im Schrank gefunden hat. Stephans Teichgräbers Anthologie, dessen erstes Kapitel von Teil eins wir ja ungefähr ein Semester lang gemeinsam mit Alexander Döblins Vierteiler über das Jahr 1918 bearbeiteit haben, stammt aus dem “Verlag für fremdsprachige Literatur Moskaus” aus 1955, wurde von Mamililian Schick übersetzt und ist  sehr schön gestaltet.

Die ersten Kapitel, die ich also schon sehr gut kannte, zeichnen ein Bild eines sehr dekadenten verkommenen Petersburg, in das der Dichter Bessonov des Nachts in der Kutsche fährt.

Alles ist dekadent und lüstern aufgemacht. In dem Lokal “Roten Schellen”, sitzt eine Dichterin, die an Anna Achmatowa erinnern könnte. In der “Philosophischen Gesellschaft” gibt es Vorträge und dort lernen wir auch Dascha, eine der Schwestern, ein neunzehnjähriges Mädchen, Studentin, der Rechtswissenschaft, das bei der Schwester Katja und dem Schwager, einem Rechtsanwalt, lebt, kennen.

Die Wohnung ist mit vielen futoristischen Gemälden ausgestattet, denn die ein paar Jahre ältere Schwester liebt es, sich mit moderner Kunst auszustatten. Es gibt auch jede Woche einen literarischen Salon und, daß Katja ihren <mann betrogen hat, erfahren wir auch sobald.

Die flieht nach Paris, der Schwager an die Krim und Dascha begibt sich zuerst aufs Land zu ihrem Vater, der dort Arzt ist und sich zu Tode raucht, zurück.

Auf der Schiffsfahrt dorthin verliebt sie sich in den Ingenieur Telegin und, daß das Ganze 1914 spielt, erfahren wir durch den Vater, der in der Zeitung von der Ermordung des österreichischen Thronfolgers in Sarajewo liest.

Das löst bekanntlich den ersten Weltkrieg aus, Telegin wird eingezogen, Dascha läßt sich als Krankenschwester ausbilden, um die verwundeten Soldaten in Moskau zu pflegen. Katja, die aus Paris zurückkehrt, tut es ihr gleich und Telegin gerät in österreichische Kriegsgefangenschaft.

Kommt aber zurück und nun sind wir schon im Jahr 1917, wo die Revolution beginnt. Der Zar wird gestürzt, die Dienstmädchen gehen zu Dienstmädchenversammlungen, der General erklärt den Soldaten, daß sie ihm nun die Hand geben und nicht mehr “Zu Befehl!”, sagen müssen und Katjas Mann kommt um.

Sie findet schnell Ersatz für ihn und kehrt von Moskau nach Petrograd, wo  inzwischen auch Dascha und Telegin  übersiedelt sind, zurück.

Damit endet der erste Teil, den zweiten “Das Jahr 1918” müßte ich mir von Stephan Teichgräber ausborgen, werde aber gleich zum “Trüben Morgen” übergehen, was dann wahrscheinlich nach der Revolution angesiedelt sein wird.

Manaraga

“Manaraga – Tagebuch eines Meisterkochs”, der neue Roman des 1955 bei Moskau geborenen Vladimir Sorokin, den ich schon mehrmals in Wien, in der Hauptbücherei, im Literaturhaus und im Odeon gehört und gesehen habe.

Das “Eis” habe ich gelesen und das Spannende an dem “Meister der Grosteske”, wie er im Klappentext bezeichnet wird, ist wohl die Mischung zwischen Sci Fi und tradioneller Erzählweise, so habe ich mich jedenfalls beim “Schneesturm” gewundert, daß das, was ich hörte, wie aus dem vorvorigen Jahrhundert mit Kutsche und Landarzt und so klang.

In “Manaraga” geht es in die Zukunft, in das Jahr 2037, das ja bald gegenwärtig sein wird und wird man dann das Buch noch lesen? Und wieder, wie ich in letzter Zeit in einigen Büchern gelesen habe, hat der große neue Krieg Europa zerstört, die islamische Revolution hat stattgefunden und die Menschen tragen sogenannten “Flöhe” also Chips im Ohr, die ihnen die sogenannte Weisheit zuflüstern und damit maniupulieren und richtig, gedruckte Bücher gibt es auch nicht mehr.

Das heißt die wertvollen Erstausgaben werden in Museen aufbewahrt und von dort gestohlen, denn es gibt ein Event für die Reichen und die Schönen, die sich das leisten können. Sie lassen diese Bücher stehlen und veranstalten ein sogenanntes Book´n Grill, das heißt die Meisterköche, Geza, der Ungar, auf russische Literatur spezialisiert, ist einer davon, sich ihre Steaks, etcetera auf Tolstois oder Bulgakov grillen lassen, oder das Schnitzel auf Schnitzler.

Der Phantasie ist da keine Grenze gestellt. Man könnte sich höchstens fragen, wie man ein Schnitzel oder Austern grillt? Aber dazu läßt einen Sorokins überbordendePhantasie, der oft deutsche Wörter oder Phrasen im Original verwendete, keine Zeit. Denn es ist köstlich, was er da seinen Meister über seine skurillen Erlebnisse mit seiner skurillen Kundschaft erleben läßt. Da wird ein Menü auf einem Schiff serviert. Meister Tolstoi tritt sogar persönlich oder nachgeklont auf und läßt sich seine Originalausgabe verbrennen.

Gefakt und gefläscht wird natürlich auch dabei. Einmal sind die Seiten feucht und so läßt die Crew, die gerade den “Meister und Margarita” dreht, den Kochmeister vermöbeln und ein gefälschter “Nabokov” taucht auch auf und die Handlung beginnt oder dreht sich weiter und da muß man eigentlich sagen, daß der Einfallsreichtum des Meister Sorokins eigentlich begrenzt ist und der sogenannte Plot einer ist, den man wahrscheinlich schon hundert oder tausendmal lesen konnte.

Der Einheitsbrei eben, wie er für die Massen, in diesen Fall digital bereitgestellt wird, während sich die Elite ihre Orignale zubreiten läßt.

Es taucht also eine gefälschte “Ada” auf, hunderttausend Mal das selbe Original mit den selben Kaffeeflecken und die Kochgilde ruft eine Sondersitzung ein. Geza muß einige Termine deshalb absagen, der Verräter wird entlarvt und gleich hingemordet und Geza ausgewählt auf den Berg Manaraga zu fahren und die Druckmaschinen abzustellen.

Dann kommt es natürlich anders, als erwartet und das ist eigentlich platt und traugig und wenn mans bösartig will, eine simple Nachahmung von George Orwells “1984”, die Chips im Ohr werden einfach ausgewechselt und Geza ist wieder glücklich und überwältigt von der schönen neuen Welt, die ihm da geboten wird “Und der Strom meiner Tränen ergißt sich über die zarten Lenden”, lautet der letzte Satz.

Trotzdem, um nicht mißverstanden zu werden, ein spannendes Buch und ein absolutes Lesevergnügen, das sich auch leicht und schnell hinunterlesen läßt, weil es wahrscheinlich die packenden Bücherszenen sind und nicht die eher einfallslose Handlung, die hier bewegen und das im November erschienene Buch, von dem ich in den anderen Blogs und in den Medien noch nicht so viel hörte, zu einem “Meisterwerk” werden läßt.

Aserbaidschanische Falken

Der Lehrer, den ich oft bei Literaturveranstaltungen treffe, hat mich am Freitag gefragt, ob ich am Dienstag zu Bodo Hell in die “Alte Schmiede” oder in die Hauptbücherei zu dem Russen gehe?

Bodo Hell würde mich interessieren, habe ich geantwortet, da ich aber um sechs noch eine Stunde habe, wird sich höchstens die Gesellschaft für Literatur” ausgehen.

Dann war im Mittagsjournal zu hören, daß Alexander Ilitschewski aus dem “Perser” liest und ich habe umdisponiert, beziehungsweise bin ich nach der Stunde, die sich fast bis sieben hingezogen hat,hingefahren und eine halbe Stunde zu spät gekommen, das heißt der Schauspieler Rafael Schuchter hat gerade etwas von Kindern die Schmetterlinge sammeln, gelesen und dann kam ich  zu den biografischen Angaben, die der Übersetzer des bei “Suhrkamp” erschienenenen Buches, Andreas Tretner gab.

Alexander Ilitschewski, der mir bisher unbekannt war, wurde 1970 am äußersten Gipfel von Aserbaidschan geboren, studierte in Moskau Mathematik und Physik, bevor er zu schreiben begann und scheint jetzt in Jerusalem zu leben.

“Nicht so viel Biografie erzählen!”, unterbrach  der Autor, “die ist doch uninteressant”, aber für dieses Buch, der zweite Teil einer Trilo-oder Quadrologie, wie der Übersetzer noch anmerkte, offenbar nicht.

Denn in dem Kapitel, das ich halb versäumte, ist es offenbar um das Kindheitsparadies von Autor und  dem Protagonisten Ilia, einen Geologen, der in Amerika lebt, aber auf Dienstreise in seine Heimat, beziehungsweise nach Baku zurückkommt und dort seinen Jugendfreund  Chaschem, den Perser, der jetzt Biogloge im Naturschutzgebiet an der iranischen Grenze ist und sich dort mit Falken beschäftigt.

Der Held bleibt dann länger, es geht um Sufismus, Derwische, aber auch um die Falken, die in den Iran verkauft werden und am Schluß, um eine große Jagd.

Ein interessantes Buch über das der Übersetzer im Gespräch mit dem Autor sehr viel erzählte, um Fundamentalismus geht es,  um Stalin und um historische Genauigkeiten oder Ungenauigkeiten.

Um Putin nicht, das hat, glaube ich, Erich Klein, der auch im Publikum war, im Mittagsjournal den Autor gefragt und im Internet gibt es eine Seite, wo man sich die Schauplätze des Geschehens bevor oder während man das Buch liest, anschauen kann.

Und interessant, am Montag haben der Autor und sein Übersetzer das Buch in Salzburg vorgestellt.