Zweimal zweiter Jakob

Ich habe ja ein etwas distanziertes Verhältnis zu Norbert Gstrein, weil mir seine Bücher als sehr konstruiert erscheinen. Habe einiges von gelesen und war auf einigen seiner Leseungen. Seine Romane sind sehr realistisch und sehr kompliziert zusammengefügt. Den vorletzten österreichen Buchpreis hat er gewonnen, da war er krank und konnte seinen Preis nicht entgegennehmen. Er hat aber den Beginn oder eine Seite aus seinem neuen Roman lesen lassen, was, wie ich nachher beim Buffet hörte, von einigen befremdlich aufgenommen wurde. Ich habe es sehr spannend gefunden und gedacht, jetzt habe ich wieder ins Nähkästchen gegucktund ich bin gespannt,ob und was ich von dem Roman, wo ein Schauspieler sechzig wird und eine Biografie über ihn geschrieben werden soll, noch hören werde.

Jetzt habe ich einiges gehört und weiß, daß es “Der zweite Jakob” ist. Der Roman sollte im Februar in der “Alten Schmiede” vorgestellt werden, wurde aber verschoben. Dann habe ich noch irgendwie mitgekommen, er wird auch im Lliteraturhaus Salzburg vorgestellt, aber dazu mußte man, glaubte ich, ein Ticket haben. Also ließ ich es und jetzt wurde der Roman wieder oder wirklich in der “AS” vorgestellt. Am Donnerstag, wo wir nach Harand fahren wollten und ich hatte eine sechs Uhr stunde. Also lassen wir es, wenn das Buch auf eine Listen kommen sollte, kann oder werde ich es ja lesen. Aber dann rief die Klientin schon um fünf an. Trotzdem schafften wir es nicht pünktlich nach Harland zu kommen, denn ein längeres Gespräch am Gang, ein Stau vorder Autobahn. So war Norbert Gstrein schon mitten im Gespräch mit Johanna Öttl und ich kannte mich nicht aus, obwohl ich ja aus dem Roman auch bei meinem Rauris-Surfing gehört habe. Es dauerte also länger bis ich mitgekommen bi n. Der Held ist ein Schauspieler namens Jakob, der sechhzig wird und eine Tochter namens Lucie hat, die ist offenbar oder wurde von Johanna Öttl so angedeutet autistisch und warin einem Internat.

“Ich wurde weggeben, weil ich so komisch war!” und wer ist jetzt der erste Jakob könnte man so fragen? Das ist der achtzigjährige Onkel ein Sonderling, der in den Dreißigerjahren in einem Heim war und dort knapp entkommen ist, so daß er sich tagelang im Keller versteckte, wenn jemand “Wir holen Jakob!”, sagte!”

Das ist offenbar auch der erste Satz aus seinem ersten Roman “Einer” Man sieht Norbert Gstrein ist sehrraffiniert. Es stellte sich auch die Frage nach der Biografie, denn Norbert Gstrein wurde im Vorjahr ja auch sechzig und einige biografische Spuren hat er auch gelegt, damit die Rezensenten in Fallen tappten und von Autobiografie schreiben.

Es geht aber um Biografien und als ich soweit war, das zu kapieren, kapierte ich auch, daß ich das Video zurückschalten, also Johanna Öttls Einleitung hören konnte und da kam noch heraus, es gibt eine zweite Erzählebene, die Frauenmorde an der mexikanischen Grenze die wirklich passierten und der Schauspieler Jakob fährt offenbar, wie sein Autor sehr gern nach Amerika und hat oft Frauenmörder gespielt. Dann stieg Norbert Gstrein mitten im Satz und offenbar auch mitten im Buch ein und man erfährt, daß die Tochter Lucie offenbar einen Selbstmordversuch unternommen hat und mit Vierzehn oder Fünfzehn schon viel getrunken hat. DerVater hat ihr Wein eingeschenkt und es geht auch um Gewalt an Frauen.

Dann kam wieder das Gespräch, das ich jetzt besser verstanden habe und dann eine Stelle, wo der Jakob, der vor Jahren an der mexikanischen Grenze einen Film gedreht hat, da mit zwei Freunden über die Grenze geht, dort in eine Kneipe geht und dann mit einer jungen Mexikanerin im Auto landet, die seinen Autoschlüßel nimmt. Diese Stelle hat Norbert Gstrein, glaube ich, in Rauris gelesen. Mitten in der Stelle war dann das Video aus.

“Shit!”, dachte ich, entdeckte dann aber, daß ich mir das Video aus dem Salzburger Literaturhaus anschauen konnte und da erzählte Tomas Friedmann nochmal die Handlung und Norbert Gstrein fing freundlicherweise auch vom Anfang an, der heißt “Natürlich will niemand sechzig werden und natürlich will niemand ein Fest deshalb feiern!

“Irrtum, lieber Norbert Gstrein!”, füge ich an, ich habe das getan und da meine dreißig Bücher, die ich damals hatte, vorgestellt und sechzig Minuten oder solange Elfriede Haslehner mich ließ, daraus gelesen. Aber das ist wahrscheinlich auch der Unterschied zwischen mir und Norbert Gstrein oder seinem Jakob, denn der will seinen Geburtstag nicht feiern, sondern mit seiner Tochter nach Amerika entflüchten, was aber weil Lluciemißlingabsagt mißlingt und im Gespräch mit Tomas Friedmann erklärte Norbert Gstrein auch noch wie er es mit seiner Namensgebung hält.

Dann las er eine Stelle, die in El Paso spielt, vor, wo auch G .W. Bush vorkommt, der aber einen anderen Namen hat und interessant ist auch, daß der Nachname des Jakobs erst auf Seite 91, das erste Mal genannt wird. Norbert Gstrein ist auch zur Recherche nach Mexiko gefahren, hat davon aber nur indirekte Details von seinen Notizen verwendet, zum Beispiel, daß dort in den Tankstellen gekoche Eier in Plastikdosen verkauft werden und das tut dann eine der Personen im Roman.

Interessant, das Switschen zwischen den beiden Lesungen und interessant, was ich jetzt von diesen wieder sehr komplizierten Plot verstanden und mitbekommen habe und habe wieder etwas über das Schreiben und den Taktiken von Schriftstellern gelernt.

Enquette zur Literaturvermittlung

Gestern habe ich nicht nur die “H.C.Artmann-Preisverleihung” an Anselm Glück, sondern auch die Eröffnung der “Enquette zur Literaturvermittlung” im Odeon Theater, versäumt, die von zehn österreichischen Literaturhäusern, die schon seit 2004 mit einem “mit Sprache” genannten Projekt zusammenarbeiten, veranstaltet wurde und die im vorigen Jahr einen Fragebogen entwickelt haben, in dem sie die Besucher  zu ihren Motiven befragten,ein Literaturhaus zu besuchen, ich habe je einen davon in der “Gesellschaft für Literatur” und in der “Alten Schmiede”, die in Wien neben dem Literaturhaus auch zu den Veranstaltern, gehört ausgefüllt und bin heute zu der Enquette gegangen, an der sich außer dem NÖ Literaturhaus noch die anderen österreichischen Literaturhäuser, das Felder Archiv und das Stifter Haus Linz beteiligt haben.

Gestern wurde auch noch eine Anthologie “Zwischen Schreiben und Lesen” vorgestellt, wo wieder einige  Autoren ausgewählt wurden, dazu ihren Senf abzugeben und heute ging es los mit verschiedenen Themengebieten, die sich mit der Literaturvermittlung befassen.

So gab Michael Wimmer, der einmal das “Kulturservice” gegründet hat, einen sehr interessanten Einblick, wie sich die Kulturlandschaft im Laufe der Zeit entwickelt hat. In den fünfziger Jahren gab es eine autoriäte Landschaft, dann kamen, die sehr aufbruchsorientierten Siebzigerjahre, wo Kreisky ja mit der Literaturförderung begann, die Literaturhäuser gegründet wurden und jetzt werden die Budgets eingespart und man kann darüber diskutieren, ob man überhaupt Orte wie Literaturhäuser braucht?

Manfred Müller, der Leiter der “Gesellschaft für Literatur” brachte dazu eine Studie, die zeigte, daß seit den Neunzigerjahren, die Zahl der Literaturveranstaltungen sehr zugenommen hat, jetzt wird auch in Buchhandlungen, Bibliotheken, Wirtshäuser und Cafes, etcetera, gelesen.

Aber die Literaturhäuser sind, glaube ich, die Orte, wo die eingeladenen Autoren, alle dürfen da ja nicht lesen, ein einigermaßen anständiges Honorar bekommen, während die anderen jetzt wahrscheinlich viel leichter, woanders lesen und auch ihre Bücher selber machen können, dafür aber nichts oder zwanzig oder dreißig Euro bekommen.

Dazu gab es auch eine Untersuchung, die zeigte, wie viele Autoren überhaupt umsonst lesen und im dritten Block ging es, um die Literaturvermittlung bei Kindern- und Jugendlichen.

Da wurde offenbar schon am Donnerstag vor allem von Jochen Jung beklagt, daß die Leute viel zu wenig lesen, die Kinder lernen es oft in der Schule nicht mehr richtig und da springen dann zum Beispiel “Institute für Kinder und Jugendliteratur” ein und machen mit den Kindern Rollenspiele und Schreibwerkstätten oder das Literaturhaus Köln bietet Fortbildung für Lehrer an, wo die selber schreiben lernen.

Am Nachmittag ging es dann, um die Medien. Da diskutierte Klaus Kastberger mit Peter Klein von Ö1 und Brigitte Schwens Harrant, die ja nicht nur Jurorin beim öst.Bp ist, sonder auch die Literaturabteilung der “Furche” leitet und er gab auch eine Studie in Auftrag, wieviel die Medien über Literaturhäuser berichten und da ist interessant, daß nicht nur die Zeitungen durchforstet wurden, sondern einige Blogs, da fiel zwar öfter das Wort “Laienkritik” und, wie das jetzt mit den E-Books ist, war man sich auf den Podien auch nicht ganz sicher, hat aber einige Litblogs durchforstet und herausbekommen, daß nur ganz wenige österreichische Blog über die Literaturhäuser berichten.

Da war der meine höchstwahrscheinlich wieder einmal nicht dabei, denn ich tue das ja sehr viel, wohl aber “Inadäquat”, den es  nicht der gibt und der “Duftenden Doppelpunkt”.

Das Ergebnis war aber, daß sehr wohl über Veranstaltungen berichtet wird und dann gings zur Auswertung der Fragebögen und da stellte sich auch heraus, das Publikum ist sehr zufrieden, will aber, was mich ein wenig wunderte, gar nicht so sehr mit den Autoren, als über die Autoren dieskutieren. Man konnte auch bei dieser Veranstaltung nicht direkt Fragen stellen, saß zwar im selben Raum, aber wenn man Fragen hatten, konnte man die auf einen Zettel schreiben und mit einer Kluppe auf ein Wäscheseil hängen und sie wurden dann in der Schlußdiskussion zusammengefaßt, was ich wieder etwas seltsam fand.

Aber erst kamen Markus Köhe und Mieze Medusa an die Reihe, die den ganzen Tag offenbar den Auftrag hatten, bei der Veranstaltung mitzuschreiben und dann eine Performance, beziehungsweise fast einen Poetry Slam aus den mitgeschriebenen Sätzen machten und bei der Schlußdiskussion mit Klaus Kastberger, Doris Moser, Gerhard Rusis, Margit Schreiner, Daniela Strigl und Michael Wimmer, der neue Bundesminister war zwar angefragt, ist aber nicht gekommen, Kristina Pfoser moderierte, ging es wieder kontrovers zu, denn Klaus Kastberger der neue Leiter des “Grazer Literaturhauses” stellte die Frage, ob ein Literaturhaus subversiv sein müsse und meinte, er hätte nur deshalb zu lesen angefangen, weil es zu Hause keine Bücher gegeben hätte, hätte ihm ein Lehrer beispielsweise Handke in die Hand gedrückt, hätte er den höchstwahrscheinlich bis heute nicht gelesen.

Gerhard Ruiss beklagte die Einsparmaßnahmen und die Schäden die die Zentralmatura für die Schüler und die Studenten hat, die jetzt nur noch Leserbriefe schreiben, aber keine Bücher mehr besprechen würden, wurden auch sehr oft beklagt.

Eine sowohl sehr interessante,  als auch wieder sehr elitäre Veranstaltung, wo sich die Vermittler und die Autoren grüßten, küßten, Kaffee tranken und das Publkum, das ja wie der Fragebogen auch erhob, oft auch aus Autoren bestand, daneben stand und schaute zu.

Aber sehr viel Zeit, das zu bedauern, blieb mir gar nicht, denn die Diskussion war um viertel acht zu Ende und, um dreiviertel sieben hatte im “Kulturzentrum Siebenstern”, auch einer von den anderen literarischen Orten, schon die “Poet Night” des Wiener Lesetheaters beonnen und da lese ich ja immer mit.

Was ich mir aber mitnehmen kann, ist das wieder selber machen, selber lesen, selber schreiben, auch wenn man damit nicht in den Literaturbetrieb hineinkommt, der ja, wie man sieht sehr abgekapselt ist und das auch immer perfekter praktiziert, zwischen gut und schlecht, hüben und drüben, draußen und drinnen zu unterscheiden.

Die Eigenintiative aber machts, das sagt ja auch Gerhard Ruiss immer, auch wenn ich persönlich offenbar nicht viel weiter komme, sondern manchmal sogar an Anführungszeichen scheitere.