Pandora

Jetzt kommt der zweite Roman des mir bisher unbekannten Anselm Oelze 1986 in Erfurt geboren, in Leipzig lebend. Sein Debutroman “Wallace” ist an mir vorbei gegangen.

“Pandora” ist ein ziemich dickes Buch, das in fünf Teilen von vier Protagonisten handelt, die in jedem Teil je ein Kapitel haben, die manchmal eher Kurzgeschichten sind.

Ansel Oelze geht auch in die Vergangenheit seiner Protagonisten zurück. Springt da von hinten nach vorn und ein Leitthema, wie man im falschen Leben richtig lebt oder im richtigen falsch in etwa, gibt es auch und der brasilianische Urwald spielt ebenfalls auch eine Rolle.

Dort gibt es einen Stamm, der sich bisher von der Zivilisation ferngehalten hat. Jetzt will die Ethnologin Carline dort hin. Die kommt eigentlich aus den USA und sollte Juristin werden. Ihre Mutter ist an Krebs gestorben, nach einem Vortrag über das bewußte Thema hat sie sich zur Ethnologie entschlossen und ihr Ziel am Beginn des Buches ist es in den Urwald aufzubrechen und den Stamm der Nawhua zu erforschen.

Beim Abschiedsessen telefoniert sie mit ihrer Freund Martje, die ihr erzählt, daß sie sich von David dem Vater ihres Kindes trennen will, eigentlich sollte sie mit ihm und dem Söhnchen nach Montana zu einem Stpendiumsaufenthalt aufbrechen. So disponiert er am Flughafen um, und fliegt nach Braslilien. Im Flugzeug trifft er dann auf Telmo Schmidt, dem dritten im Bunde.

Der ist Priester und Religionslehrer und war den größten Teil seines Lebens in dem Stift Lehrer, wo er auch Schüler war. Sein Einstiegskapitel habe ich sehr spannend empfunden. Es ist nämlich übergewichtig und ein Schuhfetischist. So beginnt es gleich mit dem Cordon Bleu ,das er eigentlich nicht essen soll, aber dann von der mütterlichen Küchenhilfe doch aufgetischt bekommt. Das führt zu Schuldgefühlen und Gesprächen mit Gott. Dann verdunkelt er sein Zimmer und ergötzt sich am Schuh einer Schülerin. Dabei wird er von seinen Schülern erwischt und erpresst so daß er auch in den brasilanischen Urwald abzischt und dann gibt es noch den Serben Jurij, ein Astronom, der in Chile forscht und der hadert mit dem Schicksal, daß sein vater im Krieg in Srebenica war und dort zwei Kinder erschossen hat.

Wie kommt es also dazu, daß man das richtige weiß und trotzdem das falsche tut, denn der Vater wollte eigentlich Automechaniker bleiben und nicht nicht in den Krieg?

Das ist also die Frage, die ihn fast auch in den Urwald treibt. Aber nur fast, denn schließlich trifft er seine Mutter, die er sechzehn Jahre nicht gesehen hat und entkommt seinem Schicksal, könnte man so sagen.

Den drei anderen geht es nicht so gut, Telmo kommt in dem Reservat um. David findet ihn und bringt ihn zurück. Carline, die eigentlich Caroline heißen sollte, ist von David, dem sie in Braslien näher gekommen ist, wird schwanger.

Sie macht einige Tests und wird dabei von Martje angerufen, die ihr mitteilt, daß sie wieder zu David zurück will. Das führt zu einer hektischen Abtreibung, die in Brasilien illegal ist und mißlingt.

Ein trauriges Buch, das ich am Anfang wegen seiner Rückblenden und seiner Erzählform sehr spannend fand, es am Schluß aber doch ein bisschen zu zerfasert, langatmig und klischeehaft fand. Aber trotzdem gut, daß ich es gelesen habe, wenn mir das Debut entgangen ist und ich demnächst ja wieder nach Leipzig komme und da vielleicht auch auf den Autor treffe.

Vor der Morgenröte

Jetzt habe ich auch den Film, “Ein sensibles Portrait des Schriftstellers Stefan Zweigs in seinen Jahren im Exil”, wie im Programmheft steht, gesehen, in dem Josef Hader die Hauptrolle spielt, womit ich meinen Stefan Zweig Schwerpunkt abschließen kann.

Das heißt das Literaturcafe, das wie viele Blogs Werbung für den Film machte, der seit zweiten Juni in den Kinos zu sehen ist, verlost noch drei Biografien von von Ulrich Weinzierl “Stefan Zweigs brennendes Geheimnis”, womit dieser, glaube ich, nachweist, daß Zweig ein Homosexueller und ein Exhibionist war. Aus dem Film und seiner Autobiografie geht das aber nicht hervor und ich habe mich zufälligerweise in den letzten Monaten auch sehr viel mit Zweig beschäftigt und ihn bezüglich meines “Nicht Berühren oder Notizen zur Romanentstehung”, womit ich ja im Februar ziemlich planlos begonnen habe, quer durch sein Werk gelesen, womit ich jetzt zumindest die Frage beantworten kann, ob er ein großer Schriftsteller war?

Er war es, glaube ich und und wird in diesem Episodenfim, der in fünf Bildern und einem Epilog, die letzten Jahre ab dem PEN-Kongreß in Argentinien  sehr schön und aufwendig, aber wahrscheinlich, wenn man nur das übliche Mittelschulwissen und nicht sehr viel gelesen hat, nicht sehr verständlich ist, auch bewiesen.

Ich bin ja in der Wattgasse in einem wie ich immer sage, sozialistischen Arbeiterhaushalt mit einem Bücherschrank im Wohnzimmer, der später, als meine um elf Jahre ältere Schwester Ursula, das Zimmer  bekam, in das Schlafzimmer wechselte, aufgewachsen und in dem gab es cirka dreihundert vorwiegend Büchergilde Gutenberg Ausgaben und da von Stefan Zweig die Biografie Marie Antoinette” und “Die Welt von gestern”

“Marie Antoinette” habe ich, glaube ich, noch in der Hauptschule oder in den ersten Jahren der Straßergasse, wo ich mich sehr für Geschichte und da speziell für Napoleon interessierte, aber von Stefan Zweig sicher keine Ahnung hatte, gelesen und “Die Welt von Gestern”, glaube ich, als Studentin. Die hat mich tief beeindruckt, sehr viel  Ahnung über das, was das beschrieben wird, hatte ich aber trotz meines geschichtlichen Interesses, glaube ich, nicht und auch keine über Stefan Zweig.

Dann habe ich wahrscheinlich im Fernsehen einige Verfilmungen seiner Novellen gesehen und viel später im Bücherschrank die “Schachnovelle” gefunden, das war vor ein paar Jahren, so besonders hat mir die, glaube ich, nicht gefallen und später bin ich immer öfter auf die Behauptungen gestoßen, daß Stefan Zweig kein großer Dichter, sondern nur ein Biografienschreiber war.

Das stimmt, glaube ich, nicht, die frühen Novellen sind sehr beeindruckend und die “Autobiografie”, die er mit der “Schachnovelle” und seiner Hommage über “Brasilien” in seinem Exil geschrieben hat.

Die Biografien wahrscheinlich nicht so sehr, würde ich sagen und ich bin wieder auf Stefan Zweig gestoßen, als ich mich im März oder April, in meiner Schreibblockade für ihn zu interessieren begann, weil ich da ja die Idee hatte, mit Figuren aus Romanen zu arbeiten, die schließlich zu Schriftstellern wurden, zu Stefan Zweig, Heimito von Doderer und Anne Frank.

Das heißt die “Arte Dokumentation”, die auch auf die Gehiemnisse und Widersprüchlichkeiten in seinem Leben hinweisen, habe ich da schon gesehen und das erste Buch, das ich für meinen Schwerpunkt gelesen habe, “Ungeduld des Herzens”, auch kurz nach der Emigration geschrieben und vor dem ersten Weltkrieg spielend, gibt, glaube ich, auch sehr genau Auskunft über das angebliche Zauerdliche und Unentschlossene, das auch im Film eine Rolle spielt.

Und der war für mich zumindestens sehr verwirrend, beginnt er doch, ich glaube, bei einem Empfang auf diesen PEN-Kongreß mit einem großen Bankett, wo man zuerst die Dienstmädchen und die Kellner sieht und dann wird minutenlang Französisch, Spanisch oder Portugiesisch mit deutschen Untertiteln geredet und ich dachte schon, ich bin im falschen Film.

Aber natürlich es ist eine moderne Produktion und wir leben ja in Krisenszeiten, wenn auch in anderen und das drückt die Verloren- und die Entwurzeltheit auch sehr stark aus.

Dann geht es nach New York und man trifft plötzlich auf die andere Frau Zweig mit ihren Kindern, hört eine Menge Namen, die man vielleicht auch nicht als allgemein bekannt voraussetzen kann und Zitate, daß sich der ganze Kurfürstendam jetzt in New York befindet, etcetera.

Dann geht es nach Brasilien zum sechzigsten Geburtstag, wo Zweig einen Hund geschenkt bekommen hat und im Epilog nimmt die Polizei das Protokoll auf, man sieht, die Leichen im Bett durch einen Spiegel, das Dienstmädchen betet und Herr Federn wird, glaube ich, gebeten den deutschen Abschiedsbrief vorzulesen.

Sehr anspruchsvoll und sensibel, für den Film wurde aber, glaube ich, auch viel Werbung gemacht. Wolfgang Tischler empfiehlt, wenn man nicht alles parat hat, vorher nachzugooglen und natürlich zu lesen.

Das empfehle ich auch. Mit “Brasilien” würde ich nicht beginnen. Mit den Biografien wahrscheinlich auch nicht, der Roman, die Novellen und vor allen die Autobiografie würde ich aber sehr empfehlen und nun werde ich mich ja noch den Sommer über mit dem Korrigieren beschäftigen, bevor man bei mir nachlesen kann, wie das mit Stefan Zweig, Anne Frank und Heimito von Doderer im Himmel, auf der Wolke sieben, beziehungsweise mit dem Theaterstück das Zarah Bashrami über die beiden Dichter, die sich am 12. Februar 1934 im Cafe Central treffen, geschrieben hat, ist.

Brasilien

1936 ist Stefan Zweig über Einladung des PEN-Clubs zuerst nach Argentinien, danach nach Brasilien gekommen, wo er von dem Land sehr beeindruckt und dort auch schon sehr bekannt war, so daß er, als er dann auch aus London emigirieren wollte und es in Amerika nicht aushielt, sich 1941 mit seiner zweiten Frau Lotte in Petropolis ein Haus für ein halbes Jahr mietete, wo er im Februar 1942 mit ihr Selbstmord beging.

Im September 1941 ist “Brasil – Pais do Futora – Brasilen- ein Land der Zukunft” erschienen, in dem der vom Krieg und den Zuständen in Deutschland  Zerrüttete, seiner neuen Heimat ein Denkmal setzte, das er als “Paradies” empfand und “Brasilien wird immer eine Zukunft haben”, als Schlußwort schrieb, was der Herausgeber, des bei S. Fischer erschienenen Bandes, in seinem Nachwort, angesichts der heutigen Zustände ein wenig revidieren mußte.

Ich  habe mich jetzt durch meine Recherchearbeit für meine “Berührungen” in denen sowohl Stefan Zweig, als auch Heimito von Doderer, als Figuren eines Theaterstück und auch als Betrachter auf der “Wolke” eine Rolle spielen, in Stefan Zweig eingelesen und auf den Band “Brasilien”, ein Spätwerk, wie die “Schachnovelle” und die “Welt von Gestern”, bin ich nur durch Zufall, beziehungsweise durch den Film “Vor der Morgenröte”, der heute in die Kinos kommt und den ich mir nach meiner Rückkehr aus Kroatien anschauen kann, gekommen und, wie ich mich vor einem Jahr mit dem “Mexiko” das Egon Erwin Kisch in seiner Emigration erlebte, beschäftigt habe, reise ich jetzt durch das Brasilien der Neunzigdreißiger und frühen Vierzigerjahre, das heute sicher anders ist, aber durch die scharfe Analyse Stefan Zweigs, dem europaischen Denker, seine beeindruckenden Spuren hinterläßt.

Es gibt auch eine Zeittafel, um die Geschichte des Landes, das von den Portugiesen, deshalb spricht man auch Portugisisch und nicht Spanisch, wie in manchen Romanen, die Stefan Zweig gelesen hat, behauptet wurde, erobert wurden und Stefan Zweig, der durch den Krieg Traumatisierte, lobt in seinem Vorwort, die Freundlichkeit der Brasilaner, die durch ihre Geschichte total vermischt sind und keine Rassentrennung kennen, so daß die Weißen mit den Schwarzen und den Braunen ganz selbstvcerständlich nebeneinander gehen, sich umarmen und befreundet sind.

So freundlich und friedfertig war das wohl doch nicht so ganz,  obwohl die Portugiesen im sechzehnten Jahrhundert mit den nackten Ureinwohnern, die außer Holz, das man nicht gut transportieren konnte, keine Schätze zu besitzen schienen, nicht viel anfangen konnten.

Später entdeckten sie aber das Gold, den Zucker, den Kaffee, den Gummi, die Portugiesen siedelten sich in Brasilien an, schickten auch ihre Jungfrauen und Huren hin, was dann auch zu der Vermischung führte, sowie, die Sklaven die von Afrika importiert wurden.

Also wieder trotz der Freundlichkeit der Brasilianer eine Geschichte der Gewalt und auch das Kapitel der Wirtschaft ist eine der Ausbeutung. Die Braslianer durften selbst aus der Baumwolle keine Stoffe machen, sondern mußten sie importieren und ihre Kleider kaufen, der Kaffee wurde zu Spekulationszwecken ins Meer geworfen etcetera. Das dritte Kapitel ist die Kultur des Landes gewidmet und da lobt Zweig wieder die Freundlichkeit und den Stolz der Einwohner, die lange Analphabeten waren, so hat sich die Kultur auch erst sehr spät entwickelte.

Denn der Samba kam ja von den Sklaven aus Afrika, die ersten Romane und die ersten Opern wurden erst sehr spät geschrieben, wie auch die Schulbildung und die Universitäten sehr sehr spät eingeführt wurden und Stefan Zweig, als er nach Braslien kam, wie einst bei seinem Besuch in Russland, die Straßenbahnschaffner und die Arbeiter in ihren Pausen stolz mit einem Buch in der Hand lesen sah.

Dann gehts nach Rio de Janeiro in diese wunderschöne Stadt am Meer, wo frühmorgends alle Passagiere auf den großen Schiffen mit ihren Ferngläsern und Kameras stehen um die Einfahrt nicht zu versäumen, wo man statt der Freiheitsstatue den “Pao de Acuar”, den Zuckerhut sieht, es gibt in der Stadt nach französischen Modell, dem großen Vorbild nachempfunden, einen großen Boulvard und außerdem die “Favelvas”, die “Negerdörfer”, wie man damals noch schreiben durften, die wie Stefan Zweig bedauert, “morgen” vielleicht schon verschwunden sind, die für ihn aber, obwohl ihre Bewohner sehr arm waren, einen großen Reiz ausmachten.

Die Städte  San Paolo, eine moderne zukunftsträchtige Stadt, wie Zweig steht, in dem alle hasten und es wenig Romantik, dafür aber eine Schlangenfarm, ein Museum mit ausgestopften Papageien und eine große Strafanstalt gibt und Bahia, die Zweig während eines Rundflugs kennenlernt und eine religiöse Prozession miterlebt, werden besucht und der Amazonas erlebt.

Es gibt ein Kapitel über den Kaffee, den ja die Türken nach Wien gebracht hat, in Brasilien wird man zu jeder Tageszeit zu einem Tässchen Kaffee eingeladen und schlürft das schwarze starke Getränk, wie Likör hinunter. Die ehemaligen Goldgräberstädte und die modernen Minen und noch vieles anderes, werden besucht oder ausgelassen.

Und am Schluß meint Zweig nach seiner wahrscheinlich ersten Brasilienreise: “Aber dann besinnt man, da der Motor anhebt zu rattern, um uns fortzutragen, wieviel Dank man schon schuldet für Glück und Gewinn dieser Wochen und Monate. Wer Brasilien wirklich zu erleben weiß, der hat Schönheit genug für ein halbes Leben gesehen.”

Man sollte also hinfahren in das moderne Brasilien, das inzwischer sicherlich ganz anders ist, aber vorläufig habe ich mich ja auf Kroatienurlaub begeben und werde darüber wahrscheinlich auch einiges zu berichten haben.