Erster Mai und hundertfünfzig Jahre Wiener Ringstraße

Daß der Ring heuer sein hundertfünfzigjähriges Jubiläum feiert, kann man nicht verfehlen, wenn man nur ein bißchen Radio hört, denn in Ö1 ist dieser Tage sehr oft zu hören, daß die Prachtstraße, die die Wiener Innenstadt mit den äußeren Bezirken, den ehemaligen Vorstädten verbindet und auf der es das Parlament, die Oper, das Burgtheater, das Rathaus, die Universität und viele andere wichtige Gebäude gibt, Geburtstag hat. Das erste Mal bin ich auf dieses Ereignis glaube ich vor einem Jahr bei der “Rund um die Burg-Veranstaltung” aufmerksam geworden, da wurde ein entsprechender Bildband präsentiert und es gab auch ein Gewinnspiel, wo man die Frage beantworten mußte, wie alt die Ringstraße demnächst werden wird? Da habe ich, glaube ich, noch auf hundert getippt, denn, wenn man in Wien aufgewachsen ist, ist einer das eigentlich egal, in der Schule hat man davon gelernt, vom Maler Makart, dem Theophil Hansen und den anderen Architekten, die diese schönen Bauten errichteten. Es gibt auch die Ringstraßenpalais, wo die Aristrokratie, beziehungsweise die Oberschicht wohnte, heute sind die meistens in Hotels umgewandelt und Robert Streibel hat außer über den April in Stein, auch noch ein Buch über die “Arisierung der Beletage” eines solchen Palais geschrieben, da hat die Wien-Bibliothek im März oder April zur Buchprsentation eingeladen, ich habe auch überlegt hinzugehen, dann aber eine andere Veranstaltung vorgezogen, denn wie schon geschrieben, so wichtig ist mir diese Wiener Prachtstraße nicht, obwohl ich den Ring überquere, wenn ich von der Krongasse in die “Alte Schmiede” oder in die “Gesellschaft für Literatur” gehe und als Studentin bin ich auch sehr viel in die Oper gegangen, ich habe auf der Universiät studiert, war manchmal im Burgtheater etc und mit dem Ringwagen, wo man früher die Innenstadt umrunden konnte, bin ich auch öfter gefahren. Jezt gibt es das nicht mehr, denn jetzt führen die Wege, wie ich auch im Radio hören konnte, von der Innenstadt in die Peripherie heraus, es gab heute auch eine Sendung in Ö1, daß zum Ring auch der Vorort Bezirk Ottakring gehört, wo mein Vater ja in einem der sogenannten “Jubiläumsbauten” zu irgendeinem Ehrentag des Kaiser Franz Josefs erbaut, aufgewachsen ist. Daß die Ringstraße dieser Tage ihren würdigen Geburtstag hat, habe ich also erst vorigen Donnerstag am “Tag des Buches” so richtig geschnallt, denn da gab es im “Von Tag zu Tag” eine Sendung, die etwas mit “Lesen” im Titel hatte, dann ein Interview mit der Schauspielerin Petra Morze war, die am darauffolgenden Sonntag beim “Klangteppich- des Literatursalons des Cafe Landtmanns” auftrat, das ist die Bel Etage oder der ehemalige Salon der Berta Zuckerkandl, wo es beim ersten Mal “Rund um die Burg-Neu” Lesungen gab, da wurden, konnte ich hören Texte von Eva Menasse, Marlene Streeruwitz und vielleicht auch ältere aus der Ringstraßenzeit gelesen, was mich aber auch nicht richtig interessierte, da wir das vorige Wochenende in Harland verbrachten und ich am Sonntag mit dem Alfred nach Nußdorf an der Traisen zum Weinfrühling des Weingut Herzingers geradelt bin, dann sind wir am Montag nach Wien zurückgefahren und da konnte ich im Radio hören, daß sich das Radio Kolleg die ganze Woche mit der Ringstraße ihrem Bau vor hundertfünzig Jahren, an der Stelle wo sich die ehemalige Stadtmauer, das Glacis etc befunden hat, beschäftigt und das war interessant, denn da gab es auch von sozialen Elend der Ziegelarbeiter und der Bettgeher, die beim Bau beschäftigt waren, zu hören und die Sozialreportagen von Max Winter, Alfons Petzoldt etc stammen auch aus dieser Zeit und so habe ich die ganze Woche mit halben Ohr, immer wenn ich zufällig das Radio aufgedreht habe, etwas über das Großereignis gehört, interessant gedacht und irgendwann ist mir eingefallen, vielleicht am Donnerstagmorgen, als ich, um in die Tuchlauben zum Frühstück und zur Buchpräsentaionzu kommen, den Ring überquerte und da an den Touristenmassen, bei der Albertina vorrüberging, daß ich ja am ersten Mai, auch ein Stückchen den Ring entlangmarschieren werde, denn da ist ja der “Tag der Arbeit” und ein Feiertag und der traditionelle Maiaufmarsch der Sozialisten, mit dem ich im Hernalser Gemeindebau ein bißchen sozialisiert wurde, findet am Rathausplatz statt und da bin ich als Kind mit meinem Vater  immer mitgegangen. Einmal hat mir jemand ein Maiglöckchensträußchen in die Hand gedrückt, daß ich dem Bürgermeister Jonas geben sollte, ein anderer Mal mit den ” Kinderfreunden” in einem weißen Kleid mit rotweißroten Streifen mit den Kinderfreunden vorbeidefilieren, beides war in der Zeitung. Meine Eltern haben es aufgehoben und später nach meiner Matura habe ich mit dem Marschieren aufgehört und erst nach 2000 wieder damit angefangen und da gehe ich eigentlich meistens von der Albertina bis zum Parlament und da muß man ein großes Stück an der Wiener Prachtstraße mit ihren Prachtbauten der Oberschicht, der Regierung und der Geschäftswelt vorbeimarschieren, diesmal mit der roten Fahne, die manche Funktionäre tragen und den Trommlern und auch ein bißchen mit den “Arbeitern von Wien”. Die Ringstraße also auch ein bißchen ein Symbol der Wiener Arbeiterschaft zumindestens am ersten Mai und einmal kann ich mich an eine große Sozialabbaudemonstration der Gewerkschaft erinnern, wo ich mitgegangen bin und da, weil sehr stark regnete, bis zu den Knöcheln im Wasser ging. Heute nicht, heute war das Wetter schön, der Maiaufmarsch mit dem anschließenden Fest im Kulturzentrum Siebenstern wo immer die Poet Nächte stattfinden, beendet und am Abend wird es im Ö1 noch eine lange Nacht der Ringstraße geben, wo, glaube ich, die Prachtbauten vorgestellt werden, wie Oper und Musikverein, die wie ich einen der Sprecher hören konnte, dem gehobenenen Kulturanspruch der Oberschicht entsprachen. Ja richtig, das Palais Eskeles, in dem sich heute das jüdische Museum befindet, gibt es auch und da haben die Vorfahren des Keramikers Edmund de Waal gelebt, der darüber, den berühmt gewordenen Roman “Der Hase mit den Bernsteinaugen” geschrieben hat, der gestern in den “Tonspuren” anläßlich des Ringstraßenschwerpunkts gesendet wurde. Interessant  den Ring, an dem man vor allem im Sommer so herrlich unter den großen Bäumen spazierengehen kann, von allen seinen Seiten zu betrachten und neben der großen Historiengeschichte, auch ein bißchen seine persönliche Geschichte dazudenken und da spielt auch der erste Mai seine Rolle und ich kann mich auch an ein Kinderbuch erinnern, das wir zu Hause hatte. “Geschichten aus Alt und Neu Wien” hat es, glaube ich, geheißen und da hat ein Onkel seiner kleinen Nichte und seinem Neffen, viel von der Stadtmauer, dem Glacis und wahrscheinlich auch dem Ringstraßenbau erzählt, das ich vor mehr als fünfzig Jahren gern gelesen habe.