Mein Lieblingstier heisst Winter

Hurrah, hurrah, das deutsche Buchpreislesen ist jetzt abgeschlossen, bei der Öst bin ich bei Buch sieben, Ferdinand Schmalz “Mein Lieblingstier heißt Winter,” dem 1985 in Graz geborenen Dramatiker, den ich im “Musa” kennengelernt habe und der 2017 mit einem Kapitel daraus den “Bachmann-Preis” gewonnen hat.

Bei den O-Tönen hat er mit Klaus Kastberger das Buch vorgestellt und hat da in vierzig Minuten tour wahrscheinlich, wie am Klappentext steht “Eine abgründige tour quer durch die österreichische Gesellschaft” gemacht.

Hinter dem Absperrgitter stehend und von den vorbeiflanierenden Passanten abgelenkt,habe ich davon nicht viel mitbekommen, wohl aber die melidiös klingende Kunstsprache Wie ausgestorben liegt der da der Ot”, a la Nestroy, Bernhard.

Der allseitig erwähnte Horvath ist mir nicht so aufgefallen und, daß es da um einen Tiefkühlverkäufer nahmens Schlicht steht. Ja, Frau Heidegger, falls Sie mich noch lesen sollten, Ferdinand Schmalz hält es auch mit den sprechenden Namen. So hat der Vertreter der dem Herrn Dr. Schauer jede Woche ein Rehragout bringt, offenbar ein einfaches Gemüt und der Herr Dr. Schauer hat Krebs und einen makrabren Einfall.

Ja der Tod ist ein Wiener und ein makabres Geschäft oder doch nicht so ganz, tanzen doch die Leichen munter am Zentralfriedhof, wie das Klischee verlautet und der der jüngere Steirer, der, glaube ich, in Wien lebt und meistens einen Hut trägt, scheint davon auch einiges mitbekommen zu haben und den Parcour durch die österreichische oder wahrscheinlich auch internationalen Korruption skurril ausgestattet zu haben.

So will sich der Krebskranke in der Tiefkühltruhe einfrieren lassen und der Schlicht, wie es heißt, soll seine Leiche versorgen.

“Er der Schlicht, sieht sich in seinem Innersten, in seiner tiefsten Prägung, als, wie man so sagt, wüsten Chrarakter.”

Aber als der kommt, um sie abzuholen ist sie nicht da. Nur das aufgetaute Rehragout liegt herum und die Tochter Astrid, eine Zahntechnikerin taucht auf und beauftragt den Schlicht nach Papas Leiche zu suchen.

Einen Dinosaurier Park gibt es auch und eine Reinigunsfirmainhaberin namens Sabine Teufel. Die hat den Herrn Ministerialrat Kerniger, ihren Klienten, erpresst, weil er Naziweihnachtsschmuck sammelt, was wohl nicht wirklich verboten ist.

Dann gibt es noch einen, der sich in sein Haus einmauern läßt. Ja, der Tod muß ein Wiener sein und Wien hat einen morbiden Ruf, so landet der Schlicht auf seiner Leichensuche auch einmal im Spital, wo ihm ein Säugling in den Arm gelegt wird und das zweite Ml wird er Gegenstand eines “Lebendbegräbnis”, liegt dann scheintot in der Pathologie. Kann dem Tod noch einmal von der Schaufel springen.

Aber vorher war er noch bei einem makabren Abendessen bei der Frau Dr Bitter und deren Gatten, die diesen erst aus seinem künstlichen Koma erlösen muß, bevor sie ihm die Stopfleber serviert, die der dann ausspuckt.

Makaber, aber alles sehr musikalisch in schönster Bernhard-Manier, aber viel weniger negativ, man sieht, würde ich ihm unterstellen, das Lächeln auf Ferdinand Schmalzs Lippen, der diesen Namen wohl Ferdinand Schmatz gestohlen hat, mit dem er das Buch geschrieben hat, das herrlich altmodisch ist und einer wahrscheinlich auch konservativen Wiener Kommunistin daher gut gefällt. Bei den Buchpreisbloggern habe ich gelesen, daß es zu den Experimentellen gehören würde. Für den deutschen Geschmack vielleicht. Ich würde es eher der traditionellen österreichischen Theatertradition zuordnen und hätte es mir auf beide Shortlists auf einer war es und vielleicht sogar auf den Öst gewünscht.

Die Annäherung

Nach der Vergabe des deutschen Buchpreises an Bodo Kirchhoff geht es mit der österreichischen Liste und dem dritten Longlistbuch, sowie dem ersten, das auf der Shortlist steht, weiter.

Aus Anna Mitgutschs “Annäherung” habe ich schon in der “Alten Schmiede” ein Stückchen gehört und die 1948 geborene war mir schon in den Neunzehnhundertsiebziger Jahren, als ich zu schreiben begonnen habe und mich auch im Arbeitskreis schreibender Frauen literarisch sozialisierte, ein Begriff. Sie war oder ist auch Vizepräsidentin der IG Autoren und ich habe einige ihrer Bücher, auch die literaurwisschenschaftlichen gelesen.

“Die Annäherung” ist ein interessantes Buch, über vierhunderseiten dick, könnte man so sagen, auch wenn auf dem ersten Blick vielleicht nicht so viel passiert und es auch keine sprachlichen Experimente gibt.

Es gibt auch nicht so viel Neues, was hier beschrieben wird, sondern eine Familiengeschichte, die wahrscheinlich jeder in irgendeiner Form erlebt und die über Sechzigjährigen werden auch, wie ich, Väter haben, die ihnen ihre Kriegstagebücher, sowie ihre Fotoalben mit lachenden jungen Wehrmachtssoldaten hinterlassen haben.

Das Buch wird in zwei Perspektiven aus der, des siebenundneunzigjährigen Theos, in “Er- Form” und dann aus der in “Ich Form” seiner Tochter Frieda erzählt.

Die beiden hatten es nicht leicht miteinander und sie nähern sich auch nicht wirklich an, da gibt es zuviel was sie hindert, hemmt, sprachlos macht, etcetera.

Es wird in einem Jahr erzählt, beginnt mit dem Winter, wo der Sechundneunzigjährige einen Schlagerfall erleidet und endet dann im nächsten Winter mit seinem Tod.

Inzwischen wird viel, ein ganzes Leben einer ganzen Famalie, Kinder, Enkelkinder, Cousinen, geschiedene Ehemänner, gestorbene Frauen, erzählt.

Theo ist und das unterscheidet ihn von anderen Protagonisten anderer Romane, kein intellektueller, sondern ein Gärtner, ein sprachloser Bauernsohn, der in den Krieg geschickt wurde.

Die erste Frau Wilma ist gestorben, ein Jahr später freundet er sich sehr zum Mißfallen seiner pubertierenden Tochter mit Berta an, heiratet sie und schickt Frieda, um seine Ehe zu retten noch vor ihrem achtzehnten Geburtstag aus dem Haus.

Denn Theo ist ein passiver Typ, ordnet sich Berta unter. Frieda studiert Geschichte und fragt den Vater, wenn sie ihn heimlich trifft, öfter, die berühmte Frage, die ich meinem, glaube ich gar nicht so sehr stellte, “Was hast du im Krieg getan?” und es kommt nicht sehr viel heraus, als Scham, Schweigen, Reue.

Friedas Sohn Fabian ist Theo näher gestanden, der hatte aber mit dreißig seinen Unfall, der Enkel bzw. Urenkel verschwindet mit seiner Mutter, so ist Frieda, die noch eine Tochter hat, allein und im ersten Winter, als Theo gehbehindert aus dem Spital zurückkommt, hat auch Berta, die zwar siebzehn Jahre jünger ist, einen Schwächeanfall, muß ins Spital und es bleibt ihr nichts anderes über, als die Tochter anhzurufen, damit sie sich, um den Vater kümmert.

Später kommt Ludmila aus der Ukraine, als illegale vierundzwanzig Stunden Betreuerin, in die sich der alte Theo verliebt, das erscheint mir ein wenig kitschig, kann aber vielleicht so sein. Beim siebenundneunzigjährigen Geburtstagsfest wird Berta jedenfallls auf sie eifersüchtig und schmeißt sie hinaus, so daß Theo, die Stunde abwarten muß, bis Berta mit der neuen Pflegerin in der Stadt ist, um die Tochter zu sich zu rufen, ihr ein Sparbuch, ein Päckchen und sein Kriegstagebuch mit der Bitte zu übergeben, zu Ludmila zu fahren und ihr das zu bringen.

Das Tagebuch ist für Frieda, als Belohnung sozusagen und sie fährt damit mit einem jüdischen Freund zu dem sie eine Fernbeziehung hat, auch los, nach Krakau, Lemberg Czernowitz, an den erstern zwei Orten war ich auch schon mal, sucht nach jüdischen Spuren, die sie nicht findet, liest das Tagebuch, stößt dort auch auf Lücken und die letzten Fragen werden nicht, können das vielleicht gar nicht mehr, beantwortet.

Ludmila ist ebenfalls schweigsam und abweisend, als sie sie endlich erreichen. Sie heiratet gerade, kommt also nicht zurück und Frieda kann ohnehin nur mehr einem schwerhörigen alten Mann, der sie kaum erkennt, diese Nachricht überbringen.

Ein interessantes Buch über die Geschichte der letzten hundert Jahre, nicht das erste zu diesem Thema, ich erinnere an den Film “Sibirien” von Felix Mitterer mit Fritz Muliar.

Beeindruckender, als das mit den Kriegstagebüchern war deshalb für mich auch das Seniler- und Schwächerwerden des alten Mannes, etwas was mich naturgemäß sehr interessiert und ich es sehr interessant und vielleicht auch neu fand, wie sich Anna Mitgutsch diesem Thema was ja auch sehr schmerzliches ist, was gerne verdrängt wird, annähert.

Ein interessantes Buch also und sehr zum Lesen zu empfehlen und daran schließt sich  wahrscheinlich fast nahtlos ein weiteres öst. Shortlist-Buch, nämlich Peter Henischs “Suchbild mit Katze”, das glaube ich. in das zerbomte Nachkriegswien führt. Aber das müßte ich erst bekommen, so daß ich mit Peter Waterhouse “Auswandernden” weitermachen werde.