Die Dringlichkeit der Dinge

Buch fünf der österreichischen Longlist stammt aus dem kleinen steirischen “keiper-Verlag”, die mir früher öfter Bücher zuschickte “Die Dringlichkeit der Dinge” des 1985 geborenen Juristen Markus Grundtner und das merkt man dem Buch auch an, ist es doch, glaube ich, ein Liebesroman in Juristendeutsch, bzw. spult da ein Rechtsanwaltwärter dauernd sein juristisches Wissen ab, während er sich mit seiner Freundin streitet oder nicht streitet oder mit ihr Zwillinge bekommt und da sind wir schon bei den Ähnlichkeiten, bei Norbert Krölls “Kuratorin” platzt doch dort zu Beginn des Buches ein Präservativ, hier verwendet der Anwärter ein abgelaufenes.

Es geht kann man sagen, um den Einstieg in das Leben. Der Kröll, der sich auch ein bißchen an Bernhards Schimpferei anlehnt, ist sprachlich sicher besser, dafür ist Markus Grundtner wahrscheinlich unterhaltsamer, obwohl das Juristendeutsch vielleicht auch ein bißchen langweilig wirken kann.

Und und das ist interessant und hat mich alarmiert, als ich das Buch im Literaturhaus zu lesen begonnen habe und mich da zuerst eher uninteressiert in das Einstiegskapitel einlas, wo der sich der Ich-Erzähler um eineKonzipientenstelle bei einem Anwalt bewirbt. Dann geht er aber über den Margaretenplatz, sieht beim “Wortschatz” eine schöne Frau stehen, das ist die Italienerin Klaudia, die ihre Bücher entsorgt, will sie ja nach Triest und der schnappt ihren Italo Svevo, den sie wieder haben will und ein Rechtsstreit beginnt oder eine Verfolgungsjagd, die mit einem Glücksvertrag endet. Denn Klaudia ist energischer, als der Ich-Erzähler und weiß, was sie will.

So schleppt sie ihn nach Triest, während er auf den Anruf des Anwalts wartet, um ihr bei einem Wohnungkauf beizustehen. Das geht schief, sie kehren nach Wien zurück. Der Held bekommt die Stelle und darf Akten aufarbeiten und Mails beantworten und Claudia bekommt Zwillinge.

Ein interessantes Buch, das bei dem ganzen Neuerscheinungswirbel ein wenig untergegangen sein dürfte, obwohl es und das ist auch interessant auf der Öst-Longlist steht, aber die bleibt, glaube ich, trotz des Leseprobenbüchleins, das überall aufliegt, wahrscheinlich doch im Hintergrund.

Ich habe mir den Namen Markus Grundtner jedenfalls gemerkt, bin gespannt. was ich noch von ihm hören und lesen werde und spannend auch, daß vor den vierzehn Kapiteln, die Namen, wie “Bewerbung”, “Hoffnung”, “Wohnung”, etcetera tragen, immer da Paragraphenzeichen steht.

Mutter brennt

Jetzt kommt das vierte öst Longlist Buch und das zweite von der Shortlist, Sophie Reyers “Mutter brennt” aus der kleinen “Edition Keiper” aus der Steiermark von der ich schon einiges gelesen habe und die 1984 geborene Sophie Reyer kenne ich auch schon lang von Veranstaltungen.

So war sie glaube beim “Lockstoff” der  jungen wilden Reihe des “Podiums” dabei, ich habe sie bei den “Wilden Worten” gehört, ihr “Schildkrötenbuch” wurde in der “AS” vorgestellt. Beim “Radio Rosa” hat sie gelesen, etcetera. Sie hat schon mehrere Romane geschrieben, gelesen habe ich jetzt erst das Shortlistbuch von ihr und das war gar nicht so leicht.

Denn es ist ja nicht, wie der Titel erwarten lassen könnte, ein Buch über die Schwangerschaft, wie etwa “Cherubino” Es ist auch keine reine Familiengeschichte. Es ist viel mehr, es ist alles oder nichts und infolgedessen ein wenig verwirrend.

Es geht um Luise, die Mutter. Die hat zwei Kinder Clemens und Ina und einen Ex-Mann, der behauptet, sie hätte gar keine Kinder, denn sie hat sie abgetrieben.

Das wird im Prolog geschrieben. Dann gibt es drei Teile, die sich sehr wohl mit dem Leben Luises und ihren Kindern beschäftigt, die in einem Wäschegeschäft arbeit.

Es gibt auch eine Großmutter, namens Eva, die war eine Trinkerin und hat sich, glaube ich, umgebracht, als Luise mit Clemens schwanger war. Da hat sie versucht ihn abzutreiben und diese Eva erscheint nun als Geist bei Clemens und erzählt ihm ihr Leben.

Sie war ein Kriegskind, hat im Luftschutzkeller aus Angst zu trinken angefangen, war Hausmeistertochter und später selber Hausmeisterin und Luise ist ein <kuckuskind, nämlich die Tochter eines französischen Allierten, der Eva vergewaltigt hat.

Jetzt will Luise ihr Leben genißen und verreist mit einer Freundin nach Frankreich. Die Kinder läßt sie inzwischen von einer thailändischen Putzfrau, die aus dem Mund stinkt und im selben Haus wohnt oder arbeitet betreuen. Dort lernt sie einen Mark kennen, der wie sich herausstellt der Neffe von jenen Vergewaltiger ist.

Dann gibt es noch die Tochter Ina, die viel lest, was der Mutter gar nicht recht ist. Sie ist aber auch in einem Chor und hat sich in einen Walter verliebt, der wenn ich es recht verstanden habe, schon über vierzig ist.

Sie wird auch wahnsinnig, kommt in eine Klinik, wird von einer Therapeutin und einer Sozialarbeiterin betreut und eine “Zaunreiterin” oder “Hexe” oder “Heilerin” namens Elmira taucht auch noch auf, denn das buch geht ja über die Zeiten hinweg, sprengt diesselben, was man schon beim Lese bemerkt, weil da nicht wirklich klar wird, wie alt jetzt die, vielleicht ohnehin agetriebenen Kinder sind? Zwölf und dreizehn steht irgendwo, aber dann spielen sie mit Legosteinen, dürfen nicht alleine U-Bahn fahren, Ina geht mit einem roten Abendkleid auf einen Ball, etcetera.

Auch das läßt sich durch die Aufhebung der Zeit und das nicht chronologische Schreiben erklärt. Es ist aber auf jedenfall ein sperriges, experimentelles Buch, was ich mir, da ich Sophie Reyer ja kenne, auch erwartet habe.

Gefallen hat es mir trotzdem und es freut mich auch, daß es auf die Shortlist kam, was ich eigentlich nicht erwartet habe.

Erzähl mir vom Mistral

Während ich auf die offizielle Bekanntgabe der Bloggerdebutpreis-Shortlist warte, zwei der Bücher habe ich schon gelesen, kann ich verraten, ein bißchen Lyrik.

Schickt mir Anita Keiper doch, seit mich Petra Ganglbauer gebeten hat, ihr “Wasser im Gespräch” zu besprechen, doch regelmäßig die neuen Lyrikbändchen der kleinen feinen Reihe, die herausgegeben und kommentiert von Helwig Brunner, meist steiermärkische Autoren vorstellt.

So habe ich “Oder so” von Ingeborgt Görler, das ist, glaube ich, keine Sterermärkerin und “Gedichte zwischen Uhr und Bett” von Mario Hladicz schon gelesen und jetzt die Reisegedichte des 1986 in Bruck an der Mur geborenen Reinhard Lechner, der schon einige meist steirmärkische Literaturpreise bekommen hat, Mitredakteur der Grazer Literaturzeitschrift “Lichtungen” ist, die jetzt auch von Andrea Stift betreut wird und in Würzburg wissenschaftlicher <mitarbeiter der “Julius Maximilians-universität ist.

Helwig Brunner, den ich, glaube ich schon in der “Gesellschaft für Literatur” gehört habe, hat wieder das Nachwort geschrieben und nun geht es, während Reinhard Lechner mit einem “du” auf Reise durch Frankreich ging, durch das sechzig Seiten Heftchen in dem fünfzehn eher lange Gedichte vom Mistral und auch von vielen anderen  erzählen.

Der Mistral, ein Wirbelsturm, glaube ich, wirbelt herum und “so beginnen wir, dieses Haus zu besorgen, während der Mistral, es zusammen mit Zedern, Mondlicht Tieren der Nacht, weiter und weiter ins Binnenland treibt”, heißt es beispielsweise im Startergedicht “Der Eintritt”, wo losgefahren wird.

“Im Dunkeln tragen wir Koffer aus dem Haus. Der Wagen (es ist ein Renault wie an mehren Stellen erwähnt wird) läuft warm unter Sternen.”

VonNizza, wo es glaube ich, gerade diesen Terroranschlag gab, aber Käse, Fisch und Pfirsiche gegessen werden und “Die <hoffnung Hon ig ist”, geht esnach “L`Espiguette”, Helwig Brunner schreibt in seinem Nachwort, daß einem manche Orte in diesen Reisegichte bekannt erscheinen werden, man andere aber nachschlagen muß, was wohl in Goolgles-Zeiten kein Problem sein wird, wo wir wieder dem Mistral begegnen.

“Oliven groß wie Eier von Hühnern zeigten sich uns nach dem Dorf mit dem entwurzelten Ortsschild vom Mistral, oder den Bewohnern.”

Es geht auch in die “Provence”, wo wir Marie und Louis” begegnen und “Ratatouille fast noch kein Gericht” ist, denn “um Vertrauen muß gekocht werden, jenes vergilbte Gericht vererben Großmütter”.

In “Grand Corniche” gibt es eine “Geisterfahrt” und dann geht es schon alsbald “zurück” wo wir den Mistral noch einmal begegnen.

“Und angekommen bei der Kirche stell dich  in den Mistral, werde ruhig, werde Intarsie”, schreibt Reinhard Lechner und wir haben das kleine feine Büchlein ausgelesen, das, wie schon beschrieben, sprachlich durchaus anspruchsvolle und doch auch realistisch nachvollziehbar oft sehr lange Gedichte hat, die manchmal in dem Büchlein auch quergeschrieben sind und eine Seite Prosa, die uns vom “Solo für Trüffel” erzählt, gibt es auch.

Spannend spannend kann ich schreiben, Reinhard Lechners Lyrikbändchen sehr empfehlen, Anita Keiper dafür danken, daß sich mich zweimal jährlich mit den neuen Bänden versorgt, die mir sonst vielleicht entgehen würden und natürlich hoffen, Reinhard Lechner vielleicht einmal bei  den Lyrikfestivals in der “Alten Schmiede” oder bei der “Lyrik im März” in der “Gesellschaft für Literatur” zu begegnenen und ihn  persönlich kennenernen.

Vom Leben und Sterben des Herrn Vatern, Bauer, Handwerker und Graf

Noch ein Buch aus dem steirischen “Keiper-Verlag” mit dem ich vor einigen Jahren auf der “Buch-Wien” über Andrea Stift in Kontakt gekommen bin, ich habe danach einige Bücher daraus gelesen, darunter Andrea Wolfmayrs “Roter Spritzer” und mit der 1953 in Gleisdorf geborenen Andrea Wolfmayr, Buchhändlerin und ÖVP-Politikerin, habe ich einmal, lang lang ists her gemeinsam in “Mädchen dürfen pfeifen, Buben dürfen weinen” eine Geschichte gehabt.

Dann habe ich lange nichts mehr von ihr gehört, ihr Buch “Spielräume” aber einmal im Schrank gefunden und  im Oktober 2013 mit ihr gemeinsam bei den “Textvorstellunge” gelesen.

Da war “Rot- Weiß-Gin”, das Thema, ich habe aus “Kerstins Achterln” gelesen, Andrea Wolfmayr aus der “Weißen Mischung” und bei den “Buch-Wien” treffe ich sie auch regelmäßig.

Bei der letzten hat sie mir, glaube ich, gesagt, als ich ihr von meinem Gefühl ausgeschrieben zu sein erzählte, daß die Themen bei ihr seit sie in Pension ist, herausrquellen und sie das bearbeitet, was sich  angesammelt hat.

Jetzt liegt wieder ein sehr interessantes Buch vor mir, eines das wahrscheinlich jeden betrifft und jede Frau besonders, weil sich die ja meist auch besonders intensiv mit der Pflege ihrer alten Eltern auseinandersetzen.

In dem Roman, der nehme ich an, sehr viel Autobiographisches enthält, also wieder ein “Memoir” seindürfte, er ist jedenfalls Andrea Wolfmayrs Vater gewidmet, geht es um Magdalena, die mit ihrem Mann Sepp im Haus ihres Vaters lebt, der an Harnwegsinfektionen leidet, Demenz und Parkinson hat und den sie bis zu seinem Tod begleitet.

In Tagebuchform von 2005 bis 2009 wird das beschrieben. Das Haus befindet sich in Weiherbach, eine Hütte als Zufluchtsort, für die fünfzigjährige Tochter gibt es auch und eine Familie, zwei Schwestern, einen Bruder, einige Tanten und die Putzfrau Eva, die sich, um den alten Mann kümmern.

Aber Ebva und Sepp wohnen im Haus mit ih, und der in den Neunzehnzwanziger Jahren geborene, wird von Magdalena auch als Tyrann beschrieben, der Herr Graf, der anschafft, mit dem Geld herumschmeißt, die Türen offen läßt, Auto fährt, obwohl er es nicht mehr kann, mit der Tochter schimpft und vorallem überall sein Blut und seinen Harn verbreitet, denn er hat eine Ziste an der Niere, will aber keine Medikamente, will nicht zum Arzt gehen, wie das bei alten Leuten oft so ist.

Ein “Feuchtgebiete desAlters” könnte man das Buch literarisch überhöht, vielleicht nennen und Magdalena ist mitten drin, hat noch ihre Kindheit aufzuarbeiten, hat Schuldgefühle, muß sich um alles kümmern, geht auch zur Therapeutin, die mit ihr bespricht sich abzugrenzen und den Verfall des Vaters nicht als persönliche Kränkung zu erleben.

Andrea Wolfmayer ist auch sehr direkt offen und erstaunlich ehrlich. So wird ihre Wut und ihr Zorn auf den alten Mann, auch sehr direkt beschrieben.

Loslassen und ihn beispielsweise in ein Heim geben, kann und will sie aber ebenfalls nicht. So werden die letzten Jahre sehr anstregend und das Aufschreiben und Berichten darüber, einerseits eine Entlastung für sie, andererseits sicher auch eine Hilfe für andere Töchter, Frauen, Schwestern, die das Gleiche durchmachen.

Das Auto wird verkauft, im ersten Stock eine Tür eingebaut, damit Magdalena und Sepp wenigstens etwas Rückzug haben und der Gestank von Urin und Kot, der Vater hat bald einen Dauerkatheder, dessen Stöpsel sich aber fortwährend löst oder vielleicht aus Widerstand gegen die Hilflosigkeit und Bevormundung herausgerissen wird, haben.

Dann kommt zuerst eine Altenpflegerin, dann die vierundzwanzig Stundenbetreuerinnen aus der Slowakei. Der Vater wird immer hilfloser und schwächer und die Tochter muß um ihre Selbständigkeit ringen, aufpassen, daß sie sich trotz aller Valditation, die ebenfalls betrieben wird, nicht verliert und schließlich doch loslassen.

Trotz aller Drastigkeit oder vielleicht gerade deshalb, ein wirklich eindrucksvolles Buch, das wahrscheinlich allen Töchtern, Müttern, Schwestern und vielleicht auch den Männern und den Söhnen, Brüdern zu empfehlen ist.

Anna Mitgutsch hat in ihrer “Annäherung” etwas Ähnliches beschrieben und ich habe sowohl, die Pflege meines Vaters, die mich auch oft genug überforderte, sowie, die meines Schwiegervaters, der kurz ebenfalls eine vierundzwanzig Stunden Betreuung hatte, hinter mich gebracht und kann daher das hier Beschriebene auch gut nachvollziehen.

Ob, wie am Buchrücken steht, wirklich “Nie zuvor das Leben mit alterskranken Angehörigen so packend geschildert wurde, bin ich mir gar nicht so sicher, habe ich doch schon einige diesbezügliche Bücher gelesen und auch geschrieben. Ist es ja auch ein Thema das wahrscheinlich jeden betrifft, so daß man sich wahrscheinlich auch damit beschäftigen sollte.