Erzähl mir vom Mistral

Während ich auf die offizielle Bekanntgabe der Bloggerdebutpreis-Shortlist warte, zwei der Bücher habe ich schon gelesen, kann ich verraten, ein bißchen Lyrik.

Schickt mir Anita Keiper doch, seit mich Petra Ganglbauer gebeten hat, ihr “Wasser im Gespräch” zu besprechen, doch regelmäßig die neuen Lyrikbändchen der kleinen feinen Reihe, die herausgegeben und kommentiert von Helwig Brunner, meist steiermärkische Autoren vorstellt.

So habe ich “Oder so” von Ingeborgt Görler, das ist, glaube ich, keine Sterermärkerin und “Gedichte zwischen Uhr und Bett” von Mario Hladicz schon gelesen und jetzt die Reisegedichte des 1986 in Bruck an der Mur geborenen Reinhard Lechner, der schon einige meist steirmärkische Literaturpreise bekommen hat, Mitredakteur der Grazer Literaturzeitschrift “Lichtungen” ist, die jetzt auch von Andrea Stift betreut wird und in Würzburg wissenschaftlicher <mitarbeiter der “Julius Maximilians-universität ist.

Helwig Brunner, den ich, glaube ich schon in der “Gesellschaft für Literatur” gehört habe, hat wieder das Nachwort geschrieben und nun geht es, während Reinhard Lechner mit einem “du” auf Reise durch Frankreich ging, durch das sechzig Seiten Heftchen in dem fünfzehn eher lange Gedichte vom Mistral und auch von vielen anderen  erzählen.

Der Mistral, ein Wirbelsturm, glaube ich, wirbelt herum und “so beginnen wir, dieses Haus zu besorgen, während der Mistral, es zusammen mit Zedern, Mondlicht Tieren der Nacht, weiter und weiter ins Binnenland treibt”, heißt es beispielsweise im Startergedicht “Der Eintritt”, wo losgefahren wird.

“Im Dunkeln tragen wir Koffer aus dem Haus. Der Wagen (es ist ein Renault wie an mehren Stellen erwähnt wird) läuft warm unter Sternen.”

VonNizza, wo es glaube ich, gerade diesen Terroranschlag gab, aber Käse, Fisch und Pfirsiche gegessen werden und “Die <hoffnung Hon ig ist”, geht esnach “L`Espiguette”, Helwig Brunner schreibt in seinem Nachwort, daß einem manche Orte in diesen Reisegichte bekannt erscheinen werden, man andere aber nachschlagen muß, was wohl in Goolgles-Zeiten kein Problem sein wird, wo wir wieder dem Mistral begegnen.

“Oliven groß wie Eier von Hühnern zeigten sich uns nach dem Dorf mit dem entwurzelten Ortsschild vom Mistral, oder den Bewohnern.”

Es geht auch in die “Provence”, wo wir Marie und Louis” begegnen und “Ratatouille fast noch kein Gericht” ist, denn “um Vertrauen muß gekocht werden, jenes vergilbte Gericht vererben Großmütter”.

In “Grand Corniche” gibt es eine “Geisterfahrt” und dann geht es schon alsbald “zurück” wo wir den Mistral noch einmal begegnen.

“Und angekommen bei der Kirche stell dich  in den Mistral, werde ruhig, werde Intarsie”, schreibt Reinhard Lechner und wir haben das kleine feine Büchlein ausgelesen, das, wie schon beschrieben, sprachlich durchaus anspruchsvolle und doch auch realistisch nachvollziehbar oft sehr lange Gedichte hat, die manchmal in dem Büchlein auch quergeschrieben sind und eine Seite Prosa, die uns vom “Solo für Trüffel” erzählt, gibt es auch.

Spannend spannend kann ich schreiben, Reinhard Lechners Lyrikbändchen sehr empfehlen, Anita Keiper dafür danken, daß sich mich zweimal jährlich mit den neuen Bänden versorgt, die mir sonst vielleicht entgehen würden und natürlich hoffen, Reinhard Lechner vielleicht einmal bei  den Lyrikfestivals in der “Alten Schmiede” oder bei der “Lyrik im März” in der “Gesellschaft für Literatur” zu begegnenen und ihn  persönlich kennenernen.

Gute Reise

Ein Slogan passend zur eigenen Reise, aber auch heitere Verse von Eugen Roth,  dem Müncher Lyriker, 1895 – 1976, mit den berühmten “Ein Mensch….” Gedichten, aus dem Carl Hanser Verlag, der ebenfalls in München angesiedelt ist, aus dem Jahr 1954, ein sehr altes Bändchen also und ein Fund aus dem offenen Bücherschrank, der jetzt auf meiner Leseliste steht.

Ein Mann mit blauen Anzug, gelben Schal, weißen Hut und Schuhen gut gelaunt mit einer Pfeife im Mund, man sieht, es ist ein altes Buch, denn solches wäre heute als Cover wohl nicht mehr möglich, sitzt auf einem Schiffchen mit zwei Rädern mit einem roten Regenschirm auf dem “Gute Reise” steht und fliegt damit ins blaue, in die Wolken in die Zukunft hinein.

So weit das Cover und dann geht es los mit den heiteren Versen, kurz nach dem Krieg geschrieben wahrscheinlich, denn manche beziehen sich noch darauf, so gibt es doch die “Kriegsfahrten”, wo der Landser “kam durch den Krieg, höchst unfreiwillig, Oft weit herum und zwar recht billig, Weil ihm der gute Vater Staat Die Hinfahrt gern bezahlen tat”

Aber es ist auch die Zeit des Aufschwungs, wo die Straßen gebaut werden und die Autos dahinrasen zu den Gasthäusern, die sich schnell auf Gäste einstellten und dann enttäuscht waren, wenn die vorüberfuhren oder die Leute, wenn ein Omnibus, wie das damals hieß, doch anhielt,  nur schnell auf die Toilette wollten, in die Büsche schifften und vielleicht auch noch den Flieder stahlen.

Auf 144 Seiten macht sich der humoristische Lyriker, oft auch in seinen Menschgedichten, über all das lustig und reimt mit scharfen Ironie:

“Die Gletscher wandern und die Dünen, Von Wanderpreisen, Wanderbühnen, Von Wanderlebern oder nieren Muß weiter man kein Wort verlieren. Es reist der Lachs, es reist der Aal. In ganzen Schulen zieht der Wal.

Das machen aber auch die Menschen, ist es offenbar die Zeit des Massentourismus und der Pauschalreisen, wo der arme Einzeltourist, Eugen Roth mag es erlebt haben, dann kein Zimmer und kein Essen bekommt, weil alles schon besetzt oder vorausbestellt.

“Ein Mensch, der kürzlich ganz privat Spazieren gehn in München tat, an Leuten aus Versehn geriet, die standen wo in Reih und Glied”

Ist ja nicht so schlimm könnte man denken, geht man halt vorbei an der Reisegruppe, aber “und drohend wurde er gebeten Bei seiner Gruppe einzutreten. Er protestierte doch vergebens: Schon ward, trotz seines Widerstrebens, Der Mensch mit abegezählt zu  vieren.

Und hat zum Schluß, schon halb betäubt, sich auch nicht länger mehr gesträubt. Als unfreiwilliger Ersatzmann Sah er den Königsstein und Watzmann Und war auch, gegen Mitternacht nach München heil zurückgebracht”

Wahrscheinlich auch nicht ganz so schlimm, schlimmer ist es vielleicht, wenn man den Zug versäumt, obwohl man doch extra deshalb, um sechs aufgestanden ist, während ein anderer Glück gehabt, viel später aufstand und doch zurechtgekommen ist.

“Merke!”, fügt Eugen roth noch listig an, das ist eine Metapher für das auf und ab des Lebens.

Aha, und wenn man schon Reisen macht, beispielsweilse nach Italien, wie in den Fünzigerjahren üblich, aufgebrochen ist, muß man den Zurückgelassenen auch Souveniers mitbringen. Auch davon lebt eine Industrie und die Verwandten warten auf den “Schund”, wie Roth manchmal abschätzig schreibt.l

“Edelweiß und Alpenrosen, Geldbeutelige Lederhosen, Kuhglocken, goldig, läutend hell, Mit einem Bild von Bayrischzell. Die ganze Welt wird untergehen, ihr werdet noch im Laden stehen.”

Und

“Doch kanns selbst Guten kaum gelingen, Heut noch was Schönes mitzubringen. Ist doch die ganze Welt im Grund Nur übervoll vom gleichen Schund”.

Da sind wir schon bei der “Werbung”,  bei der “Reklame”, wie das damals hieß:

“Die Reiselust Dir zu beraten, Starrt jede Wand bunt von Plakaten” und auch bei der Zeit, denn die hat man ja in Zeiten des Massentourismus, wo man Rom in einen Tag, oder vielleicht in ein paar Stunden sehen, soll, nicht mehr.

“Spottbillig drückt wenn auch mit Schmerz, Der treue Schweizer dich ans Herz.”

Und dann steht man in Weimar und bekäme vielleicht, wie es früher üblich war, eine Einladung von Goethe, ihn in drei Tagen zu besuchen, aber da ist man schon längst abgereist, das Bett ab-beziehungsweise für den nächsten Massentouristen schon neu überzogen.

“Wer vierzehn Tag, ein Land bereist, Beschreibt es gleich, als Mann von Geist.

Und sieh, er hat im Grunde recht: Der erste Eindruck ist nicht schlecht! Doch nichts zu wissen, war der Schluß Des alten Gregorovius: Wie Rom ist, hört ihr nicht von mir- Ich bin erst dreißig Jahre hier!”

Lang lang ist das her und beim heutigen Pauschaltourismus nicht mehr möglich, aber auch Goethe hat Italien bereist und Roth darüber gedichtet:

“Der Leser möge sich des weitern An Goethes Texten selbst erheitern, Denn trieb ich fort so, breit im Strom, So kämen wir ja nie bis Rom, Geschweige bis Sizilien gar. – Wie fein heraus der Goethe war, Der an den Stätten, die ihm lieb Rund anderthalb Jahre blieb. Das konnt er als Minister halt, Bei weiterlaufenden Gehalt. Und dann noch ein besonderes Glück: Als Klassiker kam er zurück!”

Wir können dagegen ein paar Tage mit einem Bus nach München oder Italien fahren, beziehungsweise ins Kino gehen und uns all das, wohin man fahren könnte, viel einfacher ansehen und Sprachen können muß man als Reisender ja auch noch.

So ist es, wie uns Roth fast anempfiehlt, vielleicht besser gleich zu Hause zu bleiben und einen Abgesang nach all dem Reisefieber, Reisewarnungen und Kartengrüßen gibt es auch:

“Auch ich, der leider fürchten muß, Daß man sich ärgert, mache Schluß. Und wünsche meinem Leserkreise Von Herzen – trotzdem gute Reise”

Nun denn, ich werde es mir zu Herzen nehmen und davon berichten, obwohl ich ja, wie ich ja immer schreibe, eigentlich nicht so besonders reiselustig bin.