Die Sprache der Sonne

Ein Roman des 1969 in Hamburg geborenen Matthias Görlitz, der in St. Louis lebt und an der Washington Universität lehrt, auch Lyriker und Übersetzer ist, mit dem er sich nach Istanbul begibt, beziehungsweise dorthin seine Protagonisgtin Lee schickt, um ihre Doktorarbeit über ihre Großmutter Helene fertig zu schreiben und ihren Spuren, die sie dort hinterließ zu erforschen.

Denn Gromutter Helene, eine Jüdin hat sich, nach dem sie in die Schweiz geflüchtet war, nach Istanbul begeben. Hat dort gelehrt, bevor sie nach Amerika kam und dort an der Universität tätig war, an der Lee jetzt forscht.

Mit den Tagebüchern ihrer Großmutter fliegt sie aus Berlin, wo sie Zwischenstation machte, nach Istanbul. Da hat sie ihren türkischen Freund verlassen und will jetzt das Verhältnis ihrer Großmutter zu dem 1900 in Wien geborenen Georg Naumann, der noch am ersten Weltkrieg mitmachte, dort verwundet wurde und jetzt in einem Spital in Istanbul lebt, erforschen.

Das Buch spielt im Jahr 2016-2017. Georg Naumann ist also, etwas unrealistisch hundertsechzehn Jahre alt und will den ältesten Menschen der Welt übertrumpfen, was ihm, wie ich anmerken kann, nicht gelingt.

Er stirbt im Sommer 2016 nachdem er bekannte, daß er Lees Großvater ist und Lees Mutter Marie odee Mary stirbt kurz vorher und deren Verhältnis zu ihrer Mutter war nicht sehr gut und das Buch, kleingedruckte dreihundertdreißig Seiten, die gar nicht so leicht zu lesen waren, ich habe eine knappe Woche dazu gebraucht, pendelt nun zwischen dem Istanbul von 1936 und 37 zu dem von 2016 hin und her und erzählt im Großen und Ganzen Georg Neumanns Geschichte, die, wie sein hohes Alter eine sehr widersprüchige ist.

Wie schon geschrieben in Wien geboren, sein Vater ein Hofrat, glaube ich, war ein echter Österreicher, der Monarchie nachtrauernd wahrscheinlich, während sein Sohn sowohl an das neue Deutschland glaubte, als auch von der Orentalistik sehr begeistert ist.

Das studiert er lange und schließt es nie ab, schreibt für verschiedene Zeitungen über die neue Türkei. Seine Artikel werden von den deutschen Redakteuren aber umgeschrieben und die Liebe zu Männern prägt ihn auch.

Da gibt ein leidenschaftliches Verhältnis zu einem Ulrich van Stetten, der dann nach Istanbul geht. Naumann wird von den Nazis erwischt und zum Spitzeln nach Istanbul geschickt. Dort findet er seinen Ulrich aber nicht, dringt nicht zu ihm vor, wird einmal auch verfolgt und dann gefoltert, bis er dann auf Lees Großmutter trifft.

Eine Begegnung zu Atatürk der in den Dreißigerjahren, die deutschen jüdischen Wissenschaftler nach istanbul holten, damit sie sein Land reformieren gibt es auch.

So wirkt der Roman teilweise, wie ein Sachbuch und ist daher schwer zu lesen, weil die spannende Handlung eigentlich fehlt oder die, die es gibt, langatmig und langweilig wirkt.

Man erfährt aber viel über die jüdischen Wissenschaftler, die damals nach Istanbul gingen und dort ihre Vorlesungen hielten. Der 1957 in Conneticut verstorbene Literaturwissenschaftler Erich Auerbach beispielweise, der zehn Jahre in Istanbul forschte.

Es gibt aber auch viele literarische Anspielungen. Orhan Pamuk, der Nobelpreisträger von 2006 wird erwähnt. Aber auch der Putsch von 2016. Matthias Görlitz scheint da sehr gelehrt zu sein, viel zu wissen oder genau recherchiert zu haben. Deshalb ist das Buch und die Rolle Istanbul in den Dreißigerjahren aber auch in der Jetztzeit, die sehr lebeding geschildert wird, auch sehr interessant und es lohnt sich wahrscheinlich es zu lesen.

Kangal

Jetzt kommt Buch vierzehn der deutschen Longlist, langsam, langsam werde ich fertig und es ist das zweite Buch das von einer jungen Deutsch-Türkin geschrieben wurde, das auch auf der Bloggerdebutliste steht “Kangal” von der 1990 in Frankfurt geborenen Anna Yeliz Schentke, die offenbar eine türkische Mutter hat und sie zeigt eine mir bisher eher unbekannte Perspektive auf, beschäftigt sie sich nämlich nicht mit dem ehemaligen Gastarbeiterleben und seinen Schwierigkeiten, sondern beschreibt das Leben der jungen kritischen Türken in Istanbul nach dem Putsch von 2016, obwohl sie, wie am Klappentext steht, seit 2015 nicht mehr in Istanbul gewesen ist.

Sie schildert in kurzen knappen Passagen das Leben von drei Protagonisten. Da gibt es Dilek, Tekin und Ayla, die abwechseln ihre Stimmen heben und das Buch beginnt, damit, daß Dilek Istanbul verläßt und nach Frankfurt zu ihrer Cousine Ayla flieht, denn eine ihrer Freudninnen ist verhaftet worden und so fürchtet sie, die sich im Netz “Kangal1210” nennt, daß ihr das Gleiche passieren könnte.

Ihr Freund Tekin bleibt zurück und wußte gar nichts von ihrer Ausreise und hat in Folge Schwierigkeiten Kontakt mit ihr aufzunehmen, da sie ihr Profil gesperrt hat. So sucht er befreundete Anwälte auf, um sich zu erkundigen, ob Dilek auf der Verhaftungsliste steht und Ayla ihre Cousine, lebt in Deutschland ein ähnliches Leben, wie es vielleicht Fatma Özdemir schildert.

Es beginnt, daß sie ihren Mann Yusuf verläßt, weil er sie geschlagen hat, obwohl ihre Mutter ihr davon abrät, denn das tut eine gute Türkin nicht. Ayla hat auch gegen den Willen ihrer Eltern studiert, die eigentlich wollten, daß sie in ihrem Lebensmittelhandeln arbeitet und Dilek und Alyas Mütter haben sich zerstritten.

Alyas Mutter war die von Dilek zu progressiv. Ihr gefiel es auch nicht, daß Dilek mit Tekin unverheiratet zusammenlebt.Jetzt ziehen die beiden Frauen zusammen und ich fand es sehr interessant einmal etwas von den jungen progressiven Türkinnen und ihren Schwierigkeiten, die sie in Istanbul haben, wenn sie politisch tätig sind, zu hören.

Ein spannendes, dünnes Büchlein, das leicht und schnell zu lesen ist und da kann ich auch anführen, daß ich das letzte Drittel in der Buchhandlung “Morawa” gelesen hatte. Da bin ich nämlich nach dem kulturpolitischen Arbeitskreis und der GAV-Neuerscheinungslesung gegangen, habe es aus dem Regal genommen, weil es nicht auf den Bücherstapeltischen gelegen ist. Ich kann es aber sehr empfehlen und finde es aus den schon erwähnten Gründen vielleicht sogar interessanter als “Dschinns”, denn dessen Inhalt war mir von meinen Beschäftigungen mit Gastarbeitern schon bekannt, während ich seit 1987 nicht mehr in Istanbul gewesen bin und das politische Geschehen dort auch nicht wirklich mitgekommen habe.