Für Kaiser und Vaterland

Im Sommer gibt es immer die Sommerakademie, das ist ein Symposium oder die Saisonabschlußveranstaltung des “Instituts für jüdische Geschichte”, das in St. Pölten in der ehemaligen Synagoge angesiedelt ist und das Programm ist immer dem der Wiener Vorlesungen beigelegt und da es nichts kostet und ich sehr neugierig bin, habe ich mir seit einigen Jahren angewöhnt den Sommer auf diese Art und Weise zu beginnen.

Das heißt, ich war nicht immer dort, denn manchmal war ich schon in meiner Sommerfrische und habe mir das “Bachmannlesen” angehört, aber einige Male war ich da und zuerst waren die Veranstaltungen auch in der ehemaligen BAWAG, da hat es Kafee und Saft gegeben und meistens hat es vorher mit einem Festakt in der Synagoge begonnen, was für mich auch sehr angenehm war, weil wir da ja meistens in Harland waren.

Dann kam der BAWAG-Skandal, die BAWAG wurde verkauft, der Standort hat gewechselt, zwei oder dreimal wars in der WU, was auch sehr angenehm war, weil ich mich da immer mit dem Alfred zum Essen treffen konnte und heuer ist es im Völkerkundemuseum, einem historischen Ort, einem alten Palais mit schönen Park hinterm Schönbuornpark.

Ich habe da schon einmal gelesen und eine Veranstaltung zum ersten Mai war auch einmal da.

Es gibt immer verschiedene Themen, die sich mit dem jüdischen Leben beschäftigen und jedes Jahr einen Tagungsband dazu, den man um sieben Euro kaufen kann.

Die älteren Bände liegen dann gegen Spenden auf und heuer 2017 geht es um “Jüdische und nichtjüdische Erfahrungen im Ersten Weltkrieg”

Da könnte man nun sagen 1914 ist schon lang vorbei und da war ich auch schon bei diesbezüglichen Veranstaltungen, aber Martha Keil, die Direktorin wollte es nicht zu dem Zeitpunkt, wie alle machen, so gibt es eben erst heuer etwas zum World War I und das passt ja auch, hat der Krieg doch bis 1918 gedauert.

Martha Keil betonte in ihrer Einleitung zuerst den schönen historischen Rahmen und da hat es, glaube ich, auch schon Veranstaltungen des Institutesgegeben, in der WU war die Technik besser, hat sie gesagt und das stimmte wohl auch, denn die Mikrophone haben geknirscht und geknarrt, daß es sogar den Direktor verunsichert hat.

Aber der erste Vortrag vom Professor Schmidl über die jüdischen Soldaten im ersten  Weltkrieg war für mich sehr interessant, vor allem, wie postiv das Soldatentum geschildert wurde.

Wenn man sich mit Karl Kraus beschäftigt hat, sieht das man das ja negativ, daß sich da alle freiwillig und beigeistert gemeldet haben, für die jüdischen Soldaten ist es offenbar, um die Ehre gegangen, des Kaisers Rocks zu tragen und sich freiwillig zu melden und sie waren durchaus nicht wie der Professor sagte Drückeberger und auch nicht nur als Militärärzte tätig, sondern kamen sogar in Offiziersrang und weil die juden gebildeteter, als die anderen Soldaten waren, schreiben und lesen und auch Sprachen konnten, wurden sie oft auch im Verwaltungsdienst eingesetzt.

Tamara Scheer referierte dann über den Sprachgebrauch und das ist ja für mich sehr interessant, die  ich im Vorjahr den “Schwejk” gelesen habe und mich da mit der Frage beschäftigte, ob der jetzt geböhmakelt hat oder nicht?

Aber ich denke er hat Tschechisch geredet und die ungarischen Soldaten Ungarisch und manche warhscheinlich auch Polnisch was leicht mit dem Jidischen zu verwechseln war.

Ein Referat über die jüdischen Soldten in den russischen Armeen, die durften, glaube ich, nicht Offiziere werden, gab es auch und eines über die Feldrabiner, die auch die deutsprachigen Gymnasien nach Galizien brachten.

Eines über die Hilfsorganisationen und eines über das koschere Essen im ersten Weltkrieg. Da herrschte ja bekanntlich eine Hungersnot, der Weizen fürs Brot kam aus Ungarn, es gab für alles Marken und man hat sich für alles lange angestellt und so war es wahrscheinlich schwer koscher zu essen.

Aber auch die nicht jüdische Bevölkerung, wie zum Beispiel meine Eltern, die ja damals kleine Kinder waren, haben wenig zu essen gehabt und sind später zum Aufpäppeln nach Holland beziehungswweise Belgien geschickt worden.

Mit der Ernährung ist es dann am Donnerstag gleich weitergegangen, bevor es zu den Hilfsorganisationen und der Rolle, die die Frauen dort spielten ging.

Die wurden im Schnellverfahren zu Krankenschwestern ausgebildet und haben sich um die Gefüchteten gekümmert und ein paar Referate haben sich dann auch mit den Kriegsgefangenen und den Zwangsarbeitern beschäftigt.

Dazu hat sogar ein Herr aus der Ukraine einen Vortrag gehalten, bis es dann, worauf ich schon die ganze Zeit gewartet habe, zu den jüdischen Intellektuellen im Widerstand ging.

Da hat Beata Mache aus Duisburg einen beeindruckenden Vortrag gehalten, in dem sie einige Dichter und auch widerständische junge Frauen erwähnte.

Briefe von Stefan Zweig an Romain Rolland wurden gezeigt und mir fällt dazu die Lyrik von Alfred Lichtenstern ein, obwohl ich nicht so genau weiß, ob der jüdisch war und natürlich auch Remarques großer Roman  “Im Westen nichts Neues”, der erst vor ein paar Tagen in der “Alten Schmiede” in der Grundbuchreihe vorgestellt wurde.

Am Freitag geht es dann mit der Presse und den Künstlern weiter, aber da bin ich schon in Harland und werde mir stattdessen das Bachmannlesen geben und wie es im nächsten Jahr mit der Sommerakademie weitergeht ist auch ein bißchen fraglich, da Christian Ehalt, der die Programme ja immer denen der “Wiener Vorlesungen” beilegt, in Pension gehen wird.

 

In die Häuser schauen

Ich bekomme ja immer die Programme für die “Wiener Vorlesungen” das sind Veranstaltungen zu fast allen Themen, die meist im Wiener Rathaus von Hubert Christian Ehalt initiiert, stattfinden und gehe nur eher selten hin, weil ich mich ja hauptsächlich für Literatur interessiere.

Für Politik und Zeitgeschichte interessiere ich ich aber auch und im Sommer kommt seit einigen Jahren auch immer eine Einladung zu einer Sommerakademie, die das  “Institut für jüdische Geschichte Österreichs”, das in der ehemaligen Synagoge in St. Pölten beheimatet ist, veranstaltet.

Die hat früher in der “Bawag” stattgefunden und die Eröffnung war meistens in St. Pölten in der Synagoge. Die “Bawag” wurde aber nach dem Skandal verkauft und das schöne Gebäude bei der Tuchlauben gibt es nicht mehr, so findet die Sommerakademie seit zwei Jahren in der neuen WU statt, was sehr praktisch ist, da ich da ja mit dem Alfred essen kann.

Ich war aber nicht immer dort, weil ich manchmal, wenn sie stattfand schon in meiner “Sommerfrische” war oder der “Bachmannpreis” zeitgleich stattgefunden hat.

Heuer durch meinen geänderten Sommerfrischenrhythmus geht es sich aber auch, denn die Veranstaltung zum Thema “Aspekte jüdischen Wohnens vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert” findet von Mittwoch bis Freitag statt.

So machte ich am Dienstag meinen Praxistag und bin  Mittwoch und Donnerstag in die WU gegangen. Den Freitag, wo auch noch Vorträge sind, werde ich aber auslassen, weil meine “Sommerfrische” ja heuer, als ein verlängertes Wochenende von Freitag bis Montag stattfindet.

Unter “Jüdischen Wohnen” da kann man sich vieles vorstellen und ich bin auch mehr an der Zeitgeschichte, als am Mittelalter interessiert, da gebe ich Ruth Aspöck, die ebenfalls teilgenommen hat, recht, aber diesmal war auch die Entwicklung und die Frage, was ein Ghetto ist und wie es zur Gehttobildung gekommen ist, interessant, das wurde in den ersten zwei Vorträgen diskutiert.

Der Erste gab Definitionen, der Zweite erzählte  vom venezianischen Ghetto, das es seit 1516 gibt, also heuer ein Jubiläum hat.

Der Vortragende, Rafael Arnold, aus Rostock zeigte dazu Pläne und lud zu einem diesbezüglichen Symposium, das in Venedig stattfinden wird, ein aber soweit werde ich wahrscheinlich nicht fahren und es wurde nach der Kaffeepause auch zeitgenössischer, ging es da doch  über das Leben und Wohnen im NS-Ghetto.

Das erklärte Christoph Dieckmann anhand der litauischen Ghettos und Ute Fischer erzählte sehr emotional über die Spuren des Ghetto Theresienstadt und damit habe ich mich auch ein bißchen beschäftigt, hat es da ja im Herbst eine Ausstellung über die Musik in Terezin gegeben, dann habe ich mir auch die Interviews mit Benjamin Murmelstein, dem Judenältestens dort angeschaut und diesen Nazi-Propagandafilm habe ich auch gesehen.

Am Schluß des ersten Tages ging es, um die Judenhäuser auf jüdischen Friedhöfen, das waren Samelwohnungen, die es dort gegeben hat.

Ulrich  Knufinke zeigte ein paar  Beispiele aus Leipzig und Berlin und fragte, wie das in Wien gewesen sei, worauf sich eine Dame meldete und erzählte, daß es das am Zentralfriedhof  auch gegeben hat,  sie als Kind dort spielte und sich noch an die Familien erinnern kann.

Am Donnerstag ging es dann wieder kurz ins Mittelalter, beziehungsweise zu den “Judenhäusern”, in Wien befand sich das Judenviertel damals zwischen Judenplatz und Wipplingerstraße und es gab auch Streitereieren zum Beispiel mit dem Stift Klosterneuburg wegen Abflußrohren und dem Abbort.

Im achtzehnten Jahrhundert wurde es dann breiter und eleganter, vor allem die Familien Oppenheimer etcetera hatten ihre Häuser in denen sie mit ihrern Familien und ihren Dienstboten lebten und dann ging es zu den Sammelwohnungen, beziehungsweise  zum “Leben und Überleben in Wien 1938 -1945”, die waren vorwiegend in im ersten, zweiten, dritten, neunten und zwanzigsten Bezirk, als am Donaukanal zu finden, eine berühmte befand sich in der Berggasse 19 und da gab es glaube ich 2003 eine Ausstellung “Freuds verschwundene Nachbarn” und den entsprechenden Katalog, habe ich, glaube ich, auf einem der Büchertürme der “Literatur im März” gefunden.

Dazu gab es in St. Pölten auch ein Schülerprojekt in St. Pölten, wo unter dem Titel “Abgemeldet”, das Schicksal der St. Pöltner jüdischen Familien erforscht wurde. Eine Schülerin und ihre Betreuer berichteten darüber und dann gab es noch ein Zeitzeugengespräch zwischen Großvater und Enkel, nämlich dem 1934 geborenen Psychiater und Psychotherapeut Harry Merl, der seine Kindheit in den verschiedensten Sammelwohnungen verbrachte und davon erzählte, wie er sich selbst das Lesen beibrachte, der “Dr. Dolittle” hat ihn begeistert, mit einem Freund hat er einmal vor der Urania um Geld für eine Kasperlaufführung gebettelt, die energische Mutter hat ihm eine Ohrfeige gegeben, als sie darauf gekommen ist, er hat mit anderen Kindern auch in den Ruinen des Tempels gespielt, dabei seine erste “Geliebte” gefunden, um die er immer noch trauert, weil sie eines Tages nicht mehr gekommen, sondern mit ihrer Familie verschwunden ist.

Als der Spuk vorüber war, ist er dann in die vierte Klasse Volksschule gekommen, danach in die Haupt und ein Jahr später, in die Mittelschule, wie er sagte und, wie das Gymnasium früher hieß. Dort hat er mit Auszeichnung maturiert und gibt heute noch, wie ich ergooglet habe familientherapeutische Seminare.

Sehr beeindruckend  sein Vortrag und dieses Aspekt des jüdischen Leben und Überleben. Am Freitag geht das Seminar noch mit einigen  sicher auch sehr interessanten Vorträgen weiter. Martha Keil die Direktorin des Instituts wird das Schlußwort halten und hat sich für das nächste Jahr sich sicher wieder schon ein interessantes Akademiethema ausgedach