Die Infantin trägt den Scheitel links

Nun kommt Buch sechs der deutschen Longlist, der zweite Roman der 1983 in Oberndorf bei Salzburg geborenen helena Adler, die eigentlich Stehphanie Helena Prähäuser heißt und deren erstes Buch bei “Arovell” erschienen ist. Der zweite bei “Jung und Jung” erschienene Roman hat dann eingeschlagen, ist auch auf die “Öst” gekommen und bisher bei mir wegen dem Titel und dem Cover, wo es ein Kinderbild mit Beschmierungen und einer Augenklappe zu sehen gibt, an mir vorbeigegangen ist, denn was heißt denn das?

Das Buch ist auch an mir vorbeigegangen, als es bei den O- Tönen vorgestellt wurde, denn da hat es geregnet.

Malte Bremer der im Literaturcafe die Longlisttitel nach ihrer Lesbarkeit bewertet, war von den der “schwarzen Regensuppe zum Nachtmahl” und dem Bruegel-Gemöde im Eingangskapitel, des “Antiheimatromans”, wie das Buch auch genannt wird, nicht begeistert und ich habe, als ich auf Seite siebzehn war, gleich einen Kommentar geschrieben und bin dann ein bißchen hin und hergeschwankt, ob das jetzt ein tolles Buch ist und sprachlich noch viel besser als Valerie Fritsch oder vielleicht doch ein bißchen übertrieben und manche Formulierungen zu sehr abgehoben?

Ich weiß auch jetzt noch nicht so genau, ob ich es auf die Shortlist geben würde, sie ist aber sehr beeindruckend, diese Heimatgeschichte vom Aufwachsen im Dorf, die, außer im Literaturcafe überall gelobt wird und mit Winkler und Innerhofer verglichen wird.

Das erscheint mir mir vielleicht auch ein bißchen übertrieben, es ist aber auf jedenfall sehr beeindruckend das Buchm das wahrscheinlich Autobiografisches in einer sehr ungewöhnlichen, zum Teil rotzigen Sprache erzählt.

Das beginnt außer beim Titel schon bei den Kapiteln, die Namen wie “Glaube Hoffnung Liebe”, “Der Triumpf des Todes”,”Tod des Helden”, “Bäuerin eine Kuh melkend”, etcetera tragen und die offensichtlich, wenn auch vielleicht weniger klar, wie beim Eingangskaptiel Assoziationen zu berühmten Gemäden, die im Anhang zitiert werden, darstellen sollen und dann wird die Geschichte der aufmüpfigen Ich-Erzählerin, der Infantin, die am Schluß auch mit einem Kind an ihrer Brust endet, in einundzwanzig Kapitel erzählt.

Sie lebt im Dorf mit Urgroßeltern, Großeltern, Eltern und den Zwillingsschwestern, die sie mobben und unterdrücken. Es beginnt gleich damit, daß sie den Stall abfackelt, der Vater zwinkernd vom “Blitz” spricht und grinsend zur Feuerversicherung geht und dann wird von Kapitel zu Kapitel mit der Familie abgerechnet.

Die Mutter erscheint am Anfang noch ganz vernünftig, später erscheint sie dann bigott, denn sie will vom Vater eine Kapelle erbaut haben weil ihr eine Marienerscheinung begegnete. Es war aber nur die Maria des Vaters.

Soviel zum Stil, manche Formulierungen wie die “ÖVP Frisur” oder die der “selbst diagnostizierte Sozialverwaisung” haben mich sehr begeistert und an Angela Lehners Debutroman vom Vorjahr erinnert, so daß dieser Antiheimatroman sicher, als stärker zu interpretieren ist als Petra Piuks “Toni und Moni”.

Es geht dann von den Urgroßeltern, deren Tod beschrieben wird, weg, bis ins Gymnasium, in das die Lehrerin die aufmüpfige infantin schickte, um “Sozialstudien” zu machen. Dort gerät sie in schlechte Gesellschaft oder an schlechte Freundinnen, während sie selbst den Drogen, die die “schwarze Anna” auf die Psychiatrie bringt, widerstehen kann. Die Mutter ist entsetzt, gerät aber auch an Beruhigungssmittel und in Streit mit dem Vater, der mit seinen Gewehren alle zu erschießen droht. Die Mutter zieht in die Stadt, der Vater kommt ins Gefängnis und sie ist zuerst auf dem großen Hof, wo es auch eine Beziehung zum Cousin, Inzest ist natürlich auch ein Thema, wie der Mißbrauch in dieser Antiheimatgeschichte, allein, bevor sie von den Schwestern hinausgeworfen und um ihren Pflichtteil betrogen wird.

Ein starkes Buch auf jeden Fall, mir vielleicht wieder ein bißchen zu übertrieben, obwohl mich die Überhöhung der Alltagssprache, die ich so noch nie gelesen habe, sehr begeistert hat und ich Helena Adler alles Gute wünsche, gespannt bin, was ich von der jungen Frau mit der starken Sprache noch so alles hören oder lesen werde und wieder nur empfehlen kann, ein Buch auch weiter als bis zur ersten Seite zu lesen, obwohl mein Eindruck in diesem Fall ja eher in die umgekehrte Richtung, als die von Malte Bremer ging.