Fernanda Melchor in der Alten Schmiede

Ich bin ja eine, die eigentlich nicht zu gerne zu Veranstaltungen ging, wenn ich das Buch schon gelesen habe.

Das ist eine Frage der Zeitökonomie, denn dann kann ich mir ja etwas anderes anhören, wenn ich das Buch schon kenne.

Ist ein Bisschen ein Vorurteil, ich weiß, denn man erfährt bei Lesungen ja sehr über die Bücher und den Schreibprozeß, was man beim Lesen vielleicht nicht bekommen kann, lernt den Autor kennen, aber trotzdem Zeitökonomie, aber das war vielleicht vor den Corona-Zeiten und hat sich seither sehr geändert und so hatte ich mich für den Donnerstag für die “Alte Schmiede” entschieden, obwohl es, glaube ich, auch parallel Veranstaltungen gab, obwohl ich die Bücher der 1982 in Veracruz geborenen Fernanda Melchor, die derzeit, glaube ich, gerade ein Stipendiatin in Berlin ist, schon gelesen habe.

Da Fernanda Melchor eine ist, die eine Kunstsprache verwendet und ich beim Lesen von “Saison der Wirbelstürme” und “Paradais” etwas Schwierigkeiten hatte, das Ganze zu verstehen, habe ich mir gedacht, ich sollte die Autorin kennenlernen, um ihre Bücher besser zu verstehen und mir einen Eindruck von ihr zu machen.

Dann hatte ich vor zwei Tagen noch einen Mailwechsel mit Anette Wassermann vom “Wagenbach-Verlag”, die mich auf die Lesung aufmerksam machte und da dachte ich, da muß ich mir die Lesung erst recht anhören, aber dann hat mein sechs Uhr Klient seine Stunde auf sieben verschoben und ich bin erst sehr spät in die Lesung hineingekommen.

Johanna Öttl hat moderiert. Laura Wurm gedolmetscht und Johannes Tröndle,, die Texte gelesen und ich bin gerade in das Gespräch über die “Saison der Wirbelstürme” hineingekommen, in dem es ja um die Zustände eines mexikanischen Dorfes und die Diskriminierung der Frauen dort geht und da hat mich sehr überrascht, daß Fernanda Melchor Thomas Bernhard ,erwähnte, an den beziehungsweise seine musikalische Sprache sie sich orientierte, um in ihr Schreiben hineinzukommen, was vielleicht besonders erstaunlich ist, weil Fernanda Melchor ja eine sehr kräftige brutale Sprache hat.

Dann kam das “Pardais”, die Novelle, wie Fernanda Melchor betonte, die viel einfacher struktruiert, als die “Sainson der Wirbelstürme” ist, sie hat die Bücher eher parallel geschrieben, geht es da ja, um zwei Jungen. Den reichen Franco, den armen Polo, die beide von verschiedenen Enden der Stadt stammen. Polo aus der Drogengegend, Franco im Nobelbezirk und Johanna Öttl fragte dann noch, wie weit Fernanda Melchor in ihren Schreiben von Veracruz beeinflußt wurde, die eine Stadt ist, in der viele Migratnten auf ihren Weg in die USA vorbeikommen und auch ein starkes Drogenkartell hat und ich kann mich erinnern, daß ich während unserer Mexikoreise, in den Neunzigerjahren dort auch einige Tage war, die Stadt aber gar nicht also so kriminell , sondern eher interessant erlebt habe.

Nachdem Johanna Öttl auf die Bücher, die man beim Büchertisch erwerben oder beim Buchhändler seiner Wahl kaufen konnte, hingewiesen hat, habe ich versucht, auf den Anfang der Veranstaltung zurückzukommen, aber leider ist das Video nachdem Johanna Öttl, erklärte, daß man jetzt sein Maske ,auch während der Veranstaltung auflassen mußte, die Autorin vorstellte und auf ihre Kunstsprache hinwies abgebrochen. Vielleicht kann ich es noch nachsehen und in die E-Book beziehungsweise in meine Buchbesprechungen habe ich auch hineingesehen und da ist mir aufgefallen, daß Fernanda Melchor schon einmal in der Hauptbücherei aus ihrer “Saison der Wirbelstürme” gelesen hat, ich aber die Veranstaltung aus den oben erwähnten Gründen versäumt haben dürfte.

Und noch was Trauriges kann ich vermelden, Herbert Achternbusch von dem ich einmal in den Siebzigerjahren ein Buch auf einer Bank bei einer Straßenbahnhaltestelle gefunden habe, ist gestorben.

Paradais

“Saison der Wirbelstürme” das hochgelobte Debutder 1982 geborenen mexikanischen Autorin Fernanda Melchor, hat mir, glaube ich, nicht so gut gefallen. Bei “Paradais” das mir “Wagenbach” wieder als Quartbuch in E- Pubform schickte, ist das anders. Denn das ist trotz des rauhen Tones ein tolles Buch, das die sozialen Mißstände, die in Mexiko herrschen, auf eine meiner Meinung nach hervorragende Weise schildert.

Auch wenn ich eine Weile brauchte, um hineinzukommen. Das ist Leopoldo oder Polo, ein sechzehnjähriger Junge, der sich durch das Buch erzählt. Er ist Gärtner im Paradais, eine Nobelsiedlung in Progreso. Seine Mutter hat ihn dorthin vermittelt, nachdem er die Schule abgebrochen hat. Mit seiner Mutter ist der pfiffige Junge ohnehin nicht zufrieden, denn sie hat ihm aus seinem Zimmer ausgesiedelt. Dort wohnt jetzt seine Cousine Zorayda, die schwanger ist. Sie behauptet, das Kind ist von ihm. Er sagt, sie fickt mit jeden herum und Polo, der von seinem Großvater träumt, der ihm bevor er dement gestorben ist, versprochen hat, ein Boot zu bauen, mit dem er Touristen herumfahren könne, betrinkt sich am liebsten mit dem dicken Franco, der bei seinen Großeltern in der Luxussiedlung lebt, um nicht nach Hause zu müssen und der Dicke hat einen Plan, der sich durch ganze Buch zieht.

Da gibt es nämlich die Senora Marian Marono, die der Dicke, der seine Großeltern bestiehlt, um den Schnaps zu kaufen und vom Großvater das Schießen erlernte, er ist der Sohn eines bekannten Rechtsanwalt, gerne vögeln will und da heckt er den Plan aus, dort einzubrechen, um einen Slip der Angebetenen zu stehlen.

“Schwachkopf!” meint Polo und geht dann mit, um sich während der Dicke vögelt, am Geld, Schmuck und Fernsehgeräten zu bereichern, um seinem Elend zu entkommen. Das Ganze geht schief oder zieht sich als Erzählung durchs Buch.

“Der Dicke war schuld!”, heißt es immer wieder und eine blutige Gräfin gibt es es es auch. Ein wenig Mystik, wie in den “Wirbelstürmen” gibt es also auch und der Ton ist rauh. Es werden auch einige Gewaltszenen geschildert und man bekommt einen guten Eindruck über die sozialen Mißstände im rauhen Mexiko.

Ein spannendes Buch , das ich mir so nicht erwartet habe und ich wirklich empfehlen kann.

Einige Preise hat Fernanda Melchor für ihr Buch auch schon bekommen und gilt, wie ich den Beschreibungstexten entnehme, als eine der wichtigsten jüngeren literarischen Stimme Mexikos, die ich Dank “Wagenbach” kennenlernten konnte.

Saison der Wirbelstürme

Jetzt kommt noch ein Debut, allerdings eines der 1982 in Mexiko geborenen Fernanda Melchor, die sich in ihrem Buch mit der Gewalt an Frauen beschäftigt, in Zeiten wie diesen ein sehr wichtiges Thema, wo die Unterdrückung an Frauen sowohl von den muslimischen Kulturen als auch von den Rechten kommt und Mexiko macht mit seinen Frauenmorden auch immer wieder Schlagzeilen.

Im Vorwort steht, daß Teile der Geschichte auf wahren Tatsachen beruht, am Schluß wird einigen Journalisten gedankt und dazwischen zieht es sich in sieben Kapitel hin zwischen dem bekannten lateinamerikanischen magischen Realismus und einer sehr auffälligen brutalen schonungslosen Sprache der Autorin, wo vor sich hin geflucht und geschimpft wird, wie man es literarisch vielleicht noch nicht so gehört hat.

“Die Vergessenen oder Die Medusa von La Matosa” titelt der “Falter” seine Kurzrezension und es beginnt am Mord einer “Hexe”, einer alten Frau, die umgeben von Schmutz und Müll in einem heruntergekommenen Haus eine Art esoterische Heilerpraxis betrieb, in der sie sicher auch Abtreibungen vornahm und von deren unsagbaren Reichtum man munkelt.

Das beschreibt das erste Kapitel in der schon erwähnten deftigen Sprache. Dann geht es zu den verdächtigten Jugendlichen. Jungs um die vierzehn, die die Gewalt, die sie erlebten an ihre Schwestern und Cousinen weitergeben, die sie von ihren Müttern habe, die von ihren Männern längst verlassen wurden oder sich das Leben durch Prostitution erkauften.

die Gegend in der das Ganze spielt ist arm und heruntergekommen. Die Jungs träumen von billigen oder auch teueren Addias-Schuhen oder billigen vermischten Koks. Die Frauen wahrscheinlich von der Liebe, die sie nie bekommen haben und höchstwahrscheinlich auch nicht annehmen können und das Ganze spielt in dem Haus der Hexe, einem heruntergekommenen Krankenhaus, wo man nach der Vergewaltigung oder Abtreibung von der Sozialarbeiterin noch angebunden wird, in der Kirche, der Katholizismus mit seinem Reichtum und den billigen Madonnen die in den Häusern der Armen stehen, spielt in Mexiko ja  eine große Rolle und natürlich auch im Gefängnis.

Dazwischen wird es immer mal ein bisschen magisch durchtränkt und wir bleiben mit offenen Mund vor der Gewalt, der Armut und den Terror, den es auf der Welt noch gibt und  den man hierzulande längst überwunden glaube, nach dem Lesen zurück.

So ist das bei “Wagenbach” erschienene Buches sehr zu empfehlen und wer die Autorin kennenlernen möchte. Sie kommt am ersten April nach Wien und liest um neunzehn Uhr in der Hauptbücherei am Urban Loritz Platz.

Ein Glas Wein gibt es, glaube ich, nachher auch.