Muttermilch

Wir bleiben in Los Angeles und Hollywood, gehen nur hundert Jahre nach vor und kommen zu Melissa Broder, von der ich schon “Fische” gelesen habe, das mich nicht so beeindrucht hat. Bei “Muttermilch” ist das anders, denn das ist sehr beeindruckendes Buch, das alle Tabus zu brechen weiß. Liebe zwischen Frauen das moderne Judentum, Eßstörungen oder einfach eine ganz moderne tabulose Coming out Geschichte. Da ist Rachel, die ist, glaube ich, soMitte zwanzig, hat wie auch anders, ein Problem mit ihrer Mutter und eine Eßstörung. Das heißt, sie kaut Nikotinkaugummis, ißt zu Mittag, einen Salat und Proteinpulver und wenn sie mit ihrem Chef, sie arbeitet in irgendeiner Filmproduktionsfirma als Assistentin zu einem Arbeitsessen gehen muß, geht sie aufs Klo, ihren Powerriegel essen und hat dann Probleme, wenn daneben eine Frau sitzt, die wartet, daß sie verschwindet, damit sie scheißen kann und dann scheißt sie los und Rachel kann ihren Riegel nicht essen. Sie geht auch manchmal in ein Frozen Joghurt Shop, um sich da eine Miniportion mit alles ohne zu kaufen. Da trifft sie aber einmal auf die fette Miriam, die Tochter des Kettenbesitzers, die sie verführt. Zuerst hört sie nicht auf Rachel und gießt ihr ihren Becher besonders voll. “Kostet dasselbe!” und haut auch alle mögliche Toppings darauf. Rachel will den Becher wegschmeißen. Aber Miriam steht rauchend dort, wo sie den Becher hinschmeißen will und lädt sie in einaltes Hollwoodykino, das heißt, vorher in ein chinesisches Restaurant ein. Dort fallen dann die Schranken Sie essen zusammen vier oder noch mehr Portionen und Rachel sagtsich, jetzt kann ich einen Tag alles essen und kauft Unmengen Fastfood ein. Sie nimmt sehr schnell sechs Kilo zu und Miriam lädt sie zu sich nach Hause zum Sabbat ein. Sie kommt aus einer orthodoxen Familie, ihr Bruder, der Rachel mit Schläfenlocken vorher das Eis verkaufte, ist beim Militär in Israel und die Familie ist sehr nett zu Rachel. Das Essen köstlich und dann fragt Rachel, die sich in Miriam verliebthat, ob eine orthodoxe Jüdin eine Freundin küssen kann. Miriam wehrt zuerst ab. Dann kommt sie in Rachels Wohnung, der Sex ist toll. Es gibt aber auch einen Schauspieler in Rachels Agentur, der sich um sie kümmert oder sie verführen will. Rachel will zum nächsten Sabbat noch einmal zu den Schwebels. Das endet in einer Kathastrophe, denn am Sabbat darf ja gar nichts tun, das heißt auch keinen Sex haben. Rachel kommt trotzdem in Miriams Zimmer. Die Schwester und die Mutter merken es und dann beginnt Rachel auch noch die Palästenenser zu veteidigen, so daß die Mutter sie aus dem Haus schmeißt. Es kommt zum Sex mit dem Schauspieler, der ist zwar nicht so befriedigend und laut Vertrag darf Rachel auch keinen mit ihm haben. Miriam erscheint nocheinmal verschwindet dann aber. Rachel wird entlassen und ruft dann am dreiundfünfzigstn Tag, das habe ich jetzt vergessen, doch ihre Mutter an. Die Kassentheraeutin, was ein wenig abschätzend erwähnt wird, bei der sie am Anfang war, hat ihr ein Mutterkommunikationsverbot verordnet und in der letzten Stunde auch eine Skulpur machen lassen, die zwischendurch verschwindet, dann aber wieder auftaucht. Sie schenkt sie Miriam und drei Jahre später sieht Rachel sie wieder. Miriam schiebt einen Kinderwagen mit Zwillingen. Rachel hat wieder Kontakt zu ihrer Mutter und sowohl hertero als auch lesbische Bezihungen. Wieviele Kilo siezu oder abgenommen hat, ist nicht ganz klar, aber ein spannendes Buch das die alten Themen wirklich neu und tablos beschreibt, hat mir gut gefallen und wird auf den Klappentexten auch hochgelobt. So schreibt die Vogue “Melissa Broda hat eine schwindelerregende Geschichte über Liebe, Lust, Abhängigkeit, mütterliche Sehnsucht und …Frozen Joghurt” geschrieben und Oprah Magazine meint sogar “So wenig jugendfrei, dassselbst Philip Roth erröten würde. Muttermilch ist ein Buch, das man an einem Stückverschlingen wird.”

Friß oder stirb

Jetzt kommt die zweite” Kremayr & Scherirau-Herbstneuerscheinung” und das zweite Buch über die Schrecken der Kindheit und die Störungen, die sich beim ganz normalen Erwachsenwerden entwickeln können.

Nämlich “Friß oder Stirb” der Roman über eine Eßstörung der 1982 in Graz geborenen Barbara Rieger von der ich nicht nur ihren ersten Roman “Bis ans Ende Marie”, der auch bei den O-Tönen war, gelesen habe, sondern auch ihren Fotoband “Kinder der Poesie”, den über die Kaffeehausliteraten habe ich nur in der “Geellschaft der Literatur” gehört.

Die beiden Bücher sind eigentlich recht ähnlich im Stil, die Barbara Rieger ist natürlich realistischer, aber die Kapitel sind auch oft abgehackt und unterschiedlich lang und die graphische Gestaltung der “Kremyar& Scheriau-bücher” sind in der ganzen Reihe zu loben.

Ein Gebiß am Cover und dann immer Tonbandccassetten bei den einzelnen Kapiteln, die das Leben von Anna zwischen vierzehn und siebenunddreißig schildern. In drei Teilen geht das vor sich “Hinein”, “Rein raus, rein raus” und dann zum Glück “Hinaus” aus der Störungung.

Beginnen tut es mit der Siebenunddreißigjährigen, die wieder zu ihrer Therapeutin geht und die sagt “Gut sehen Sie aus!” und die Lösung des Buches steht auch gleich darunter ” Anna hat angefangen abzunehmen, als sie aufgehört hat, abnehmen zu wollen”, wenn das nur so einfach wäre, diese Anna und mich würde jetzt natürlich interessieren was und wieviel davon autobiografisch ist, hat dreiundzwanzig Jahre dazu gebraucht und, wie es weitergeht, weiß man nicht, in diesen dreiundzwanzig Jahren hat sie aber angefangen alles in Tagesbücher aufzuschreiben und die läßt sie nun los.

Die Kapitel haben die Altersangaben zum Thema, beginnend mit vierzehn und dann hoch bis siebenunddreißig und eigentlich kann ich wieder schreiben, war es eine ganz normale Kindheit, mit der Mutter und Heinz dem Stiefvater, der Vater hat die Mutter verlassen. Die Mutter spricht nicht viel über ihn, gibt der Tochter aber die Adresse und da gibt es etwas Kontakt.

Die Vierzehnjährige hat Freundinnen, die Petra und die Melli. Es gibt einen Kurt, der in Drogen abgleitet, einen Paul. Später mit Siebzehn einen Amerikaaufenthalt bei einer Gastfamilie, das Gymnasium die Schwierigkeiten mit Mathe und Latein und eine Mutter, die immer wieder zum Essen auffordert und sich wundert, daß das Kind nichts ißt.

Das stopft dann bald alles in sich hinein und kotzt es später wieder aus, hat verschiedene Freunde, geht nach Wien zum Studieren, wohnt in verschiedenen WGs, die Mutter mahnt sie “Du bist so wankelhaft!”, gibt ihr dann die Adresse der Therapeutin, da kommt sie mit Zwanzig hin und mit Siebenunddreißig ist sie geheilt, beziehungsweise endet da das Buch, das sehr dicht, von der oder den Eßstörungen erzählt, als Metapher wird die Tiefkühltruhe oder die gefrorenen Gefühle erwählt, die mangelnde liebe und Anna fragt auch einmal ihre Mutter, wie es ihr gegangen ist, als ihr Vater sie damals verlassen hat.

Die Therapeutin mahnt, was ich auch bei meinen Klienten öfter tue, die Mutter so zu lassen und sich selbst zu ändern und man hat, glaube ich, wenn man das Buch gelesen hat, viel über Eßstörungen erfahren.

Es ist sehr dicht und packend, ob es wirklich ein Roman ist , einen wie ihn sich die Literaturwissenschaftler vorstellen, darüber könnte man streiten und beunruhigend ist das buch in Zeiten, wie diesen, wo die Heranwachsenden wahrscheinlich noch zusätzlich durch die Corona-Pandemie und das Abstand halten traumatisiert wird, allemal.

Deine kalte Hände

Nun kommt der dritte Roman der 1970 geborenen koreanischen Schriftstellerin Han Kang, deren “Vegetarierin” mir ja sehr gefallen hat.

“Menschenwerk” das zweite Buch ist nicht zu mir gekommen und mit dem dritten Roman, den die Autorin, glaube ich, aber als erstes geschrieben hat, hatte ich so meine Schwierigkeiten.

Ist es doch eine Rahmenhandlung, die laut Klappentext und Beschreibung von menschlicher Einsamkeit und einem exentrischen Künstler erzählt.

In der Rahmenhandlung,  dem Prolog und dem Epilog, erzählt die Schriftstellerin H. wie sie bei einem Besuch in der Stadt Gwangju, das ist auch die, wo Han Kang geboren wurde, auf das Werk des Bildhauers Jang  Unhyong aufmerksam wurde, der vor allem Gipsabdrücke von weiblichen Körpern machte.

Zufällig geriet sie in eine Ausstellung seiner Werke, begegnete ihn dann während einer Theateraufführung und schließlich bekam sie von seiner Schwester, zu dem Zeitpunkt, wo er schon verschwunden war, sein Tagebuch zugeschickt.

Das ist dann der Roman “Deine kalte Hände” und erzählt im ersten Teil von der Jugend des Bildhauers in einer eher kalten lieblosen Umgebung.

Es gab zwei jüngere Schwester, einen strengen Vater der Hochschullehrer war und sich mit der Mutter nicht gut verstand, eine seltsame Tante, die ihm des Diebstahl eines Geldbetrages verdächtige, deshalb wurde er vom Vater solange geprügelt, bis er den Diebstahl, den er nicht begangen hatte, zugab.

Dann ist er schon Bildhauer und  begegnet die hundert Kilo schwere L. die alle wegen ihrer Unförmigkeit anstarren. Er ist aber von ihren Händen begeistert, will Gipsabdrücke machen und begegnet ihr später wieder, als sie fünfzig kilo abgenommen hat, buliminisch ist und ihm erzählt, daß sie erst durch die Vergewaltigung, des Freundes ihrer Mutter, so zugenommen hat.

Jetzt wohnt sie bei ihm, er begleitet sie durch ihre Magersucht und muß sie, als sein Vater gestorben ist, verlassen.

Drei Tage später kehrt er in sein Atelier zurück, da ist sie verschwunden, sie hat hat das Atelier zerstört und er muß es ein paar Tage lang aufräumen.

Dann kommt er durch Vermittlung eines Freundes in Kontakt mit der Innenarchitektin E., die die Handskulpturen abkaufen will.

Er beginnt  mit ihr ein Liebesverhältnis, will zuerst ihr Gesicht, dann von ihrem ganzen Körper Abdrücke machen, was in einem ziemlichen Eskaltaion endet, da E. auch von ihm Abdrücke macht und die beiden, wie in dem Buch steht, schließlich in einer gemeinsamen Selbstauflösung  verschwinden.

H. erkrankt, ob dieser Aufzeichnungen, gibt das Buch erst später der Schwester zurück, die die Werke ihres Bruders ausstellen will. Da kommt es dann zu einer Begegnung von einem Paar von dem man nur vermuten kann, daß es der Bildhauer und E. waren.

Der Ton war spannend und für mich ungewöhnlich, der Erzählstil ebenfalls. Berührend waren für mich die Stellen wo L.s Magersucht beschrieben wurden. Mit den anderen Teilen der Geschichte, vor allem mit dem Schluß, habe ich mir eher schwer getan und die “Vegetarierin” hat mir, glaube ich,  besser gefallen.

Vielleicht ist es ein Anfangswerk und Han Kang hat, die in einem kurzen Nachwort schreibt, “daß sie vor allem dankbar ist, daß sie lebe und daß es ihr vergönnt sei, als Schriftstellerin zu arbeiten”, ihren mich in der “Vegetarierin” so berührenden Stil,  später erst gefunden.