Phlox

Buch neun des deutschen Buchpreises “Phlox” des 1970 in Ostberlin, geborenen Jochen Schmidt, von dem ich, wie ich zufällig entdeckte, schon ein Buch in meinen Regal stehen habe, ist, glaube ich eine Liebeserklärung an die DDR und fünfhundert Seiten lange philosophische Betrachtungen über die Kindheit in einer Idylle, wie man es schon bei Andre Kubiczek gelesen hat, über die Kriegserinnerungen, die der Autor wohl von seinen Großeltern kennt und über die Beziehungskonflikte wenn man mit der Familie auf Urlaub fährt.

Roman würde ich das Buch nicht nennen, über das ich sowohl eine Liebeserklärung, als auch eine sehr abfällige Bemerkung gehört habe, daß das Lesen langweilig gewesen wäre, das Buch unnötig und nicht auf die Longlist gehört hätte.

Ich befinde mich mit meiner Meinung dazwischen, interessiere ich mich ja sehr für die DDR. War einmal auch in einem Museum, wo es eine Alltagsausstellung über das Leben und die Produkte dort gegeben hat, habe aber auch einige Stellen überflogen und mich nicht immer recht ausgekannt in den Kapiteln, die immer schön von Line Hoven illustriert waren.

Jochen Schmidt hat schon viele Bücher geschrieben, in einem “Zuckersand” heißt der Held auch Richard Sparka, wie der, der da mit seiner Partnerin Klara und den Kindern Karl und Ricarda in das Kindheitsparadies Schmogrov, ich glaube, an der polnischen Grenze Ostdeutschlands fährt, weil dort das Haus, wo er mit seinen Eltern als Kind und Jugendlicher immer die Sommer verbrachte, verkauft werden soll, weil die Besitzer verstorben sind.

Es beginnt im Auto und dann verschwimmt das Ganze und man kennt sich nicht mehr recht aus. Ist er jetzt in der Gegenwart und streitet sich mit Klara, die da sehr achtsam, fast ein wenig übertrieben ist, über die Erziehung der Kinder oder in der Vergangenheit. Denn da wird seitenlang beschrieben, wie es da in der Idylle, einer Art Ferienparadies, das das Ehehpaar Tatziet, einem Lehrerpaar, da gestaltete. Man weiß nicht recht, ist das ein Familientreffen oder eine Art Kommune, bzw. Künstlertreff.

Es waren aber immer Gäste da, Tanten und Onkel. Es gab einen Garten, den alle gemeinsam bepflanzten, Bienen und Kuchen, der gebacken und gegessen wurde und viele Bücher. Dann geht es auch in den Weltkrieg zurück und da wird, wie in der Beschreibung steht, die dunkle Vergangenheit Deutschlands, die dann zur Spaltung führte, beleuchtet.

Etwas, was ich auch schon sehr oft gelesen habe. Dann gibt es wiederListen, die eher modern wirken. Liste die aus Sätzen bestehen, die die Kinder äußern. Aber auch seitenlange Erklärungen, wie das Kind oder Jugendliche Richard, die Treppen in Smogerode kehrte und den Dreck dabei ansammelte.

Es gibt Rezepte aus alten Kochbüchern und eigentlich habe ich gedacht, daß die DDR gar nicht so eine Idylle, wie sie sich in der Erinnerung Richard Sparkas oder Jochen Schmidts darstellt.

Ein sehr langsames Buch, das mich aber auch zur der Frage bringt, von wie vielen Leuten es ganz gelesen wird und wer heutezutage überhaupt noch die Geduld aufbringt sich über die fünfhundert Seiten philosphischer Betrachtungen über die Vergänglichkeit und das Leben in einem DDR-Sommerparadies mit Blumen, Kuchen und des namengebenden Phlox einzulassen?

Auf die Shortlist ist das Buch nicht gekommen, trotzdem fand ich es interessant und glaube auch, daß die Longlist auf unterschiedliche Büchern, Sprachstile und Autoren aufmerksam machen soll soll und zumindestens ich, die ich ja jetzt schon sieben Jahre alles lese, lerne sehr viel dabei.

Aus einer Zeit

Jetzt kommt noch ein Debut, obwohl der Bloggerdebutpreis für 2021 ja schon entschieden ist. Aber das Buch des 1988 als Kind von DDR-Flüchtlingen in Braunschweig geborene Maximilian Zech ist erst vor ein paar Monaten zu mir gekommen, obwohl es, glaube ich, genau vor einem Jahr erschienen ist und ich habe auch etwas gebraucht in den Stil hineinzukommen, beginnt es ja gleich mit einem Arztbrief.

“wir berichten über o.g Patientin, welche sich in der Zeit vom 14. 04. in unserer stationären Behandlung befand.”

Denn der Roman des in Leipzig lebenden Journalisten handelt von einem jungen Arzt namens Matthias Bode und am Klappen text steht etwas von “einer biedermaierlich anmutigen Innerlichkeit” und , daß das Leben dem Protagonisten, wie ein Traum erscheint. Bei “Amazon” kann man lesen “Die ganzen Kapitel sind ein Mix aus Philosophie, dem eigenen Sein, Gesellschaftskritik und sich selbst in Frage stellen”, was mich anfangs verwirrte.

Nach und nach kommt man in die Geschichte hinein, die nicht wirklich neu ist, wenn auch vielleicht ein wenig ungewöhnlich bedächtig geschrieben. Und da fällt mir ein, daß mir bei meinen Erstlingen gesagt wurde “Da passiert ja nichts!”, was mich damals auch verwirrte, denn es passierte schon einiges und das ist auch bei Maximilian Zech so.

Da ist also der junge Arzt. Er lebt in Göttingen, stammt aus der DDR und wir erleben zuerst einmal ein paar Krankengeschichten. Er arbeitet in einem Privatspital in der Onkologie und so besucht er ein paar Krebspatienten, schlägt ihnen Transplantationen vor und die loben ihn alle, weil er sehr einfühlsam ist und ihnen zuhört. Sie sterben aber, wie das auf einer Onkologie so ist, trotzdem und es gibt auch Probleme mit den Kollegen. Da ist Steffi, auch eine junge Ärztin, die ist verlobt, das ist vielleicht das Altmodische an dem Buch, daß das Wort öfter auftaucht, denn das ist man, glaube ich, heute ja meistens nicht mehr und Matthias verabredet sich mit Steffi, als sie Probleme mit dem Verlobten hat, in einem Studentenlokal. Sie kommt aber nicht. Stattdessen spricht ihn ein alter Mann an, der ihn, während er sich betrinkt, in philosophische Diskussionen über den Sinn des Lebens verwickelt.

Dann tauchen wir langsam in die Vergangenheit. Es gab eine Maja, seine erste Freundin, glaube ich, die ist jetzt verlobt und schwanger und im betrunkenen Zustand schreibt Matthias ihr ein Mail, das ihm dann ein wenig peinlich ist.

Er nimmt sich dann auch einen plötzlichen Urlaub, weil er nach Italien fahren will und verwirrt damit den Oberarzt “Haben Sie ein Burnout?” und kommt mit seinem alten Auto aber nicht so weit, sondern nur bis zur österreichischen Grenze und besucht da die kleine Kirche, wo der Großvater einmal Pfarrer war, bevor er in die DDR emigrierte. Jetzt ist sein Grab verschwunden. Der jetztige Pfarrer, der aus Salzwedel stammt, spricht ihn aber an und und wir erfahren, seine Mutter ist an Krebs gestorben, als er sechzehn war. Das war schlimm für ihn und auch, daß der Vater bald wieder verheiratete. Deshalb hat er den Kontakt zu ihm auch abgebrochen.

Ja er ist ein wenig streng, sieht das auch ein und freut sich, daß Maja sich meldet. Die fährt dann aber mit ihren Bauch zu ihrem Verlobten zurück und Matthias statt nach Italien in seinen Heimatort, wo aber jetzt aber in seinem Elternhaus wohnen, mit der Polizei drohen und er nur noch einen Schulfreund trifft. Er geht mit ihm zum Albaner Pizza essen, steht dann abreisebereit vor seinem Auto, um wieder, was er schon mit einem Patienten und dem alten Mann im Studentenlokal diskutierte, zu sinnieren:

“Alles könnte ich machen, ja, ich könnte so viel. Doch ich komme nicht los. Ich komme einfach nicht los.”, lauten die letzten Sätze.

Ja, natürlich ein neues Auto kaufen und doch nach Italien fahren oder sich mit dem Vater versöhnen, eine neue Freundin suchen und wieder ins Spital zurück oder vielleicht den Beruf wechseln, wenn er nicht der Richtige war, so daß der aus der Zeit Gefallene wieder in sie hineinkommt und eines hätte ich jetzt fast vergessen, die Literatur kommt in den Buch auch öfter vor. Denn Matthias Bode ist sehr an ihr interessiert, schreibt Gedichte, liest Eichendorf und einen Heinrich von Marenholtz, der wie sein Heimatort heißt, den ich aber bei Google nicht finden konnte, obwohl ein Gedicht von ihm abgedruckt. ist.

Ein ähnliches Buch über die Erlebnisse eines Arztes auf einer Krebsstation hat David Fuchs geschrieben, der aber selber Arzt ist.

Wir sind allein unter den Bäumen

Jetzt kommt wieder ein Debut und wieder ein Roman der eigentlich keiner ist, sondern eine beeindruckende Skizzensammlung in einer sehr schönen künstlerischen Sprache des 1983 in Zwickau geborenen Jonathan Böhm, der in Leipzig lebt und auch am Literaturinstitut studierte, vor der Danksagung betauert er, daß alles in diesem Buch, die Handlungund die Personen frei erfunden wäre und wenn man trotzdem Ähnlichkeiten erkennte müßte man “die Wirklichkeit beschuldigen, weil sie Verhaltenswisen hervorbringt, die man wiedererkennt.”

Also auch sehr schön formuliert und es geht um eine Schulklasse in der ehemaligen DDR, die dort aufgewachsen und vielleicht sogardas Abi machten und danach in alle Winde verschwanden und einer von ihnen, Richard ist verstorben. Nun tragen sie ihn zu Graben und reflektieren dann über ihn und das Leben und tun das, wie am Klappentext steht “Richard ist tot. In seinem ersten Roman erzählt der Autor in eindringlicher sprache von einer Gruppe junger Menschen, die einst Freunde Richards waren und später in verschiedenen Berufen und auf denkbar unterchiedlichen Wegen ihr Lebensglück versuchen. Böhm schafft es aus verschiedenen Erzählperspektiven und Erzählzeiten ein Puzzle zu entwerfen, und wir Leser schauen wie durch ein Kaleidoskop auf die Biografien der Protagonisten, was uns bis zur letzten Zeile in Atem hält” und ich schreibe wieder, daß es hier ein wenig schwierig für mich wurde, weil ich mich nicht immer auskannte, da die handelnden Personen immer in der “Ich-Perspektive” sprachen, so daß ich oft nicht wußte, wer ist wer?

Richard ist tot und da gibtes einen Christoph, eine Dora, eine Damris, eine Kristina, eine Sophie und und, also die Klassenkollegen, die erzählen und auch die Erzählzeiten, was mir im Klappentext ein wenig weiterhalf, waren nicht immer klar. Wann ist Richard jetzt gestorben? Nach dem Abi oder erst später? Denn er ist nach Bremen gegangen und hat auch in verschiedenen Berufen gearbeitet.

Eine große Rolle spielt ein See, vor dem sich alle treffen, hingehen und ihre Erinnerungen an Richard davon. Einezieht ins alte Land und züchtet alte Äpfel und ein Plastwerk spielt auch eine große Rolle in dem Buch, das eigentlich könnte man sagen aus verschiedenen Szenen besteht, die lose meist mit schönen Metaphern und Überschriften verbunden, zusammenhängen.

So machen die Abiturenten in diesem Werk ein Praktikumund müßen den Wachmann fragen, wenn sie in den Pausen oder auch so an den See wollen. Der hat ein Bildchen mit einer Fee irgendwo hängen und das treffen wir späterin einem Hospitz wieder, wo eine der Abiturentinnen Krankenschwester ist und der Wachmann seiner Leukämie erlag. In dem Werk soll umgebaut werden, die Leiharbeiter entlassen. Nur einer setzt sich durch und ein anderer Klassenkamerad, ich glaube Jakob, wollte Schauspieler werden.Später wurde er Lehrer. Vorher spielte er aber in einem Becket Stück.

Sehr eindrucksvoll und schön erzählt. Für mich, die ich es ja gerne ganz genau auserzählt haben will, ein wenig unklar. So weiß man beispielsweise bis zum Ende nicht, wer Richard eigentlich war. Von einigen seiner Freunden erfährt man viel. So geht eine mit Sophie am Meer entlang, um nach Dänemark zu sehen und erzählt dabei, daß ihr Vater, der Pfarrer, die Mutter mit der Katechetin betüg tund die Eltern der anderen sind auch geschieden und die Mutter hat sich nach ihrem Krankenschwesterberuf doch noch entschloßen Medizin zu studieren. Schöne undauch sozialkritische Szenen von der Veränderung der DDR in die das vereinte Deutschland und der 1983 geborene Autor als Kind erlebte.

Schön erzählt und eindrucksvoll. Von Jonathan Böhn wird man wahrscheinlich noch einiges hören. Ein Roman ist es, denke ich, trotzdem nicht, es sollte aber auf Long- oder Shortlist des Bloggerdebuts und vielleicht auch noch auf andere Listen kommen.

Mission Pflaumenbaum

In Buch neun der deutschen Longlist, das in einem kleinen Salzburger Verlag erschienen ist, geht es nach Dresden, beziehungsweise in ein ostdeutsches Dorf, denn der mir bisher völlig unbekannte 1960 geborene Jens Wonneberger lebt in Dresen, hat bei “müry salzmann aber schon einge Bücher herausgebracht und in seinem “Buchpreis-Portrait” erzählt er, daß ihm die Idee zu seinem Buch gekommen ist, als er einen alten Mann in einem Dorf auf einer Bank sitzen sah und daraus hat sich dann die Geschichte, des schon im vorigen Herbst erschienen Romans entwickelt.

Jens Wonneberger dürfte sein Buch da auch in der Hauptbücherei vorgestellt haben, was mir ebenfalls entgangen ist, auf der Verlagsseite kann man aber die Veranstaltung nachhören.

Bei “Wikepdia” gibt es einige Rezensionen, die von dem Buch gar nicht so begeistert waren und meinten, Wonneberger würde immer dasselbe schreiben.

Das kann ich nun nicht beurteilen, dazu müßte ich erst seine vorigen Bücher lesen, mir hat der kleine feine stille Text, den ich ähnlich oder natürlich anders, als bei Seethaler auch als Kammerstück bezeichnen würde, gut gefallen.

Da ist Kramer ein Bibliothekar um die oder wahrscheinlich eher Mitte fünfzig, da er schon eine zweiunddreißigjährige Tochter hat und die besucht er nun an einem Wochenende mit seinen Rucksack in dem Dorf in das sie mit ihren Mann hingezogen ist.

Seine Ehe wurde schon lang geschieden, die Tochter ist bei der Mutter aufgewahsen, so daß es keine oder nur eine ambivalente Beziehung zwischen beiden gibt und ein Teil des Buches beschreibt auch, wie Tochter und Vater zueinander finden.

Der andere ist dem Zerfall der DDR gewidmet. Denn als Kramer aus dem Bus ausgestiegen ist, trifft er den schon erwähnten alten Mann. Rottmann oder den Webervogel, wie er genannt wird und der erzählt ihm gleich, daß einmal an dieser Stelle eine Gurtenweberei gestanden hat.

Die wurde nach dem Zerfall der DDR natürlich geschlossen und noch ein bißchen früher, nämlich 1945, als der Krieg zu Ende war, hat sich der Fabriksbesitzer Freudenberg mit seiner Frau und seinen sechs Kindern aus Angst vor den Russen in der Fabrik oder in seiner Villa erhängt.

Eigentlich ist er ganz einfach der Plot aus der Jens Wonneberger sein Buch zusammenfügt.

Der Vater kommt der Tochter näher und den alten Rottmann trifft er in den zwei tagen in denen er sich in dem Dorf aufhält auch immer wieder. Er führt ihn herum zur Kirche, wo er ein altes Buch findet in dem auch ein Bild der Tochter ist. Denn Kramer und seine Frau Gabriele waren vor dreißig Jahren politisch sehr aktiv und in Kramers Arbeitszimmer hängt auch ein Bild von einem Kirschenbaum, den die tochter einmal malte.

Der Pflaumenbaum steht im Garten des Hauses, das sich die Tochter Justine, Jussi oder Tine zusammen mit ihren Hans-Günther kaufte. Der ist abgestorben und die Mission Pflaumenbaum besteht daran, daß der Vater einmal wiederkommen wird, um mit seiner Tochter den abgestorbenen Baum umzusägen.

Sehr still und ruhig plätschert das Buch dahin, die Pegida und das Flüchtlingsheim, das im Nachbardorf angezündet wurde, taucht nur am Rande auf.

Der ehemalige Fabriksbesitzer und seine Villa aus der die Möbel mehrmals enteignet werden, kommt öfter vor und ich habe ein interessantes Buch gelesen und einen interessanen Autor kennengelernt und finde es auch sehr interessant, daß seine Bücher in einen eher unbekannten österreichischen Verlag erschienen sind, von dem ich einige Bücher habe und jetzt verlasse ich ein bißchen das Buchpreislesen, gehe aber nach Dressden und lese da das Buch eines Stadtschreibers weiter und das ist sicher auch sehr interessant.

Halbschwimmer

Weiter gehts mit meiner Backlist-Leseliste und einem Buch, das ich mir eigentlich nach Leipzig mitnehmen wollte, weil die Autorin Katja Oskamp 1970 dort geboren wurde, dann bin ich aber wieder nicht dorthin gekommen und das Buch habe ich, wenn ich mich nicht irre an dem Tag gefunden, wo ich beim “Tag der offenen Tür” von NHP war und,  als ich nach Hause gekommen bin, Erika Parovsky am Band hatte, die mit mitteilte, daß meine Arbeitskreiskollegin Hilde Langthaler gestorben ist.

Jetzt  habe ich es gelesen,  2005 im Berliner TB Verlag erschienen, 2003 ist es schon bei “Amman” herausgekommen und interessant ist daran, daß in dem Buch, meines hat eine Widmung der Autorin vom 10. April 2010, wo Katja Oskamp offenbar in Rauris aufgetreten ist, “Roman” daraufsteht. Es scheint sich aber um neun Kurzgeschichten zu handeln, die  von  einer “Jugend in der DDR handeln” .

Mit der Ersten “Rolf und Mucki”, hat Katja Oskamp 2000 den MDR-Literaturpreis gewonnen, 2004 hat sie dann den Rauriser Literaturpreis für den Roman” Halbschwimmer” gewonnen.

Interessant, daß die “Amman- Ausgabe”, als Erzählungen betitelt sind. Katja Oskamp, die auch am Leipziger Literaturinstitut studierte,  hat oder hatte den Schweizer Schriftsteller Thomas Hrlimann zum Partner, lebt  jetzt iwieder in Berlin und arbeitet seit 2015 als Fußpflegerin in Marzahn. Deshalb heißt ihr letztes 2019 erschienenes Buch auch “Marzahn mon amour- Geschichen einer Fußpflegerin”, von dem ich schon viel gehört habe.

Aber jetzt zu dem Debutband, der von einer Tanja, der Tochter eines hohen NVA-Offiziers und einer Schuldirektorin handelt, die sehr liebeshungrig ist, wie im Beschreibungstext steht und in “Rolf und Mucki”, erzählt die Ich-Erzählerin auch sehr schnodderig von ihrem Nachbarn Rolf, den sie schon als Kind sehr gern besuchte und der den gleichen Namen wie ihr Hamster hat, was für mich ein wenig befremdlich war.

In “Halbschwimmer” verbringt das Kind mit den Eltern einen  Urlaub an der Ostsee und  Katja Ostkamps Hintergründigkeit, weshalb sie wahrscheinlich mit ihrem Debut soviel Aufsehen machte, ist auch in der dritten Geschichte zu spüren, wo sie ebenso hintergründig mit der Naivität eines Kindes von einem Pantscherl zwischen ihrer Mutter und deren Kollegen Herrn O erzählt. Das  Kind kommt nach Hause trifft die Beiden an, es riecht nach Menthol und rrüner Apfel, Rotkäppchensekt wird getrunken und als der Vater ein Major dazu kommt, geht er mit der Tochter joggen. Die fragt nach den Rängen, der Wehrbeauftragte der Schule O. ist nur Leuntnant, also dem Vater unterlegen. Dann sucht die Mutter für ihn eine Frau und am Schluß kommt die erwachsene Tochter nachHause und erfährt vom Tod des Herrn O und die Mutter geht nicht  zum Begräbnis.

Im Brief versetzt die aufmüpfige Kleine, die mit ihrer scheinbaren Naivität, die ganze DDR, wie weiland der Schwejk oder der Herr “Bockerer” untergräbt, die ganze Schule in Aufregung, denn sie hat einen Brief an das Ministerium geschrieben und das Bildnis des kranken Physiklehrers, der seine Hände immer auf seine <hönde legt, geistert in dem Text auch noch herum.

Dann geht es zu den Großeltern, der Großvater hat ein Holhzbein, seines hat er aber nicht im Krieg sondern erst später verloren, deshalb hat er ein besonderes Gefährt und Tauben, die er züchtet hat er auch.

Daß es doch ein Roman ist, bekommt man wahrscheinlich erst am Schluß heraus, in Episode  sechs  “Was die Mode streng geteilt”, geht die Familie, Vati, Mutti, Tanja und deren mehr doppelt so alter Freund Karl der Schauspieler zum Silvesterkonzert in den Palast der Republik, es ist die Wende zu 1989, der Mayor hat die begehrten Karten ohne Anstellen bekommen. Der Schauspieler, Tanja scheint inzwischen an seinem Theater zu hospitieren, kommt in Jeans, die Mutter hat dem Vater die Ausgehunform ausreden können, dafür schmerzen ihre Füße in den neuen Schuhen und in der nächsten Episode, hat Tanja Karl  verlassen, zieht in die WG ihrer Schulfreundin Nina ein, hat auch einen neuen Freund, bemerkt aber das sie schwanger ist, das Kind stammt offenbar noch von Karl, nach einer wilden Party verliert sie es dann ohne abtreiben zu müßen.

In “Schnitt” geht es dann in ein Provinztheater, Konrad ist der neue Freund und offenbar der Dirigent der Opernaufführung, alle sind nervös, Tanja huscht ständig zum Buffet um sich ein Glas Sekt zu kaufen und wohl Konrads ganze Gage damit auszugeben, merke ich an und am Schluß geht es nach Pankow zum Friedhof und zu Karls Begräbnis, eine jahreszahl wird nicht genannt. Es muß wohl weit nach der Wende sein. Karl hat sich offenbar zu Tode gesoffen oder einen Lungenkrebs angeraucht, deshalb hat ihn sein Freund Franz, mit dem er einmal nach Berlin gegangen ist, um ein Theater zu übernehmen, zwar nicht hinausgeschmissen, gibt ihn aber keine Rollen mehr. Sie findet den richtigen Friedhof auch nicht gleich, sieht ihren Vater mit dem sie auch ein Stück ohne mit ihm zu sprechen zum Grab geht, um sich nach der Beerdigung mit Karls tochter Fine, die gleich alt ist, wie sie zu treffen und sich mit ihr wöglicherweise anzufreunden.

“Ein Debut wie man es sich wünscht:herzersfrischend, klug und brüllend komisch”, steht am Cover. Ich denke eher, daß es der distanzierte Tonfall macht, wie hier ein Leben in der DDR und der Weg hinaus, das Scheitern, das Saufen, die Sehnsucht nach Liebe und die nicht finden etcetera, mit einem sehr distanzierten Tonfall erzählt wird. Ich könnte, weil ich mich ja auch öfter im Schreiben eines Episodenromans versuchen, auch anmerken, daß dieser sehr geglückt ist, schon die Tatsachen, daß in den zwei Ausgaben einmal Roman und ein anderes Mal Geschichten steht, sagt ja schon sehr viel aus und Geschichten beziehungsweise Romane über die DDR und ihren Untergang habe ich in der letzten Zeit auch einige gelesen.

 

Stern 111

Jetzt kommt das letzte Buch das ich von den für Leipziger Buchpreis Nominierten gelesen habe und das Sieger Buch der Belletristik Liste Llutz Seilers “Stern 111”.

Je vier Bücher von der Belletristiksschiene und vier der Übersetzungen habe ich gelesen. Verena Güntners “Power” und “Die Sanftmütigen” von Angel Igov habe ich nicht bekommen. Von den Sachbüchern habe ich nur die Andric-Biografie angefragt und von Lutz Seiler habe ich  das erste Mal etwas gehört, als er beim Bachmann-Preis 2007 gelesen und gewonnen hat.

Dann hat er mit “Kruso” 2014 den dBp gewonnen, das Buch hat mir der Alfred einmal bei dem Lyon- Flohmarkt in St. Pölten zu Weihnachten gekauft, es steht auf meiner Leseliste fürs nächste Jahr und das Lutz Seiler eigentlich Lyriker ist, merkt man dem Buch, das wahrscheinlich sehr viel Biografisches enthält, an. So ist Lutz Seiler ja , wie sein Held Carl, 1963 in Gera geboren. Das Buch ist seinen Eltern gewidmet und es beginnt, daß Carls Eltern Inge und Walter, den Sohn 1989 kurz nach der Wende verlassen haben, um in den Westen zu gehen. Er soll in Gera bleiben und das Haus hüten. Carl, ein Maurer, der Gedichte schreibt, nennt das, das “Elternrätsel”, das die ihm mit dem Schiguli an die Grenze bringen ließen und dann mit dem Akkordeon und in Wanderkleidung  entschwunden sind.

Carl hütet das Haus nicht lang, sondern geht nach Berlin, das heißt er fährt mit dem Schiguli dorthin, verbringt einige Nächte in der Linienstraße, wo glaube ich, auch Kerstin Hensel wohnt oder wohnte und ich sie zweimal dort besucht habe. Er wurd vom sogenannten “Rudel” aufgelesen, das ist eine anarchistische Künstlergruppe, die dort die Häuser besetzen, Werkzeuge klauten und eine Kneipe, die sogenannte “Assel”, hatte, wo glaube ich, auch Lutz Seiler einmal kellnerte und vorher war er in Hiddensee, was er in “Kruso” beschrieben hat und beides kommt in dem buch auch vor.

Carl bekommt eine der besetzten Wohnungen, wird Kellner in der Assel, wo es eine Ziege namens “Dodo” gibt. Er schießt zur Ergötzung der Gäste auch mit einer Kalaschnikow herum, trifft seine Jugendfreundin Effi wieder und fängt fast widerwillig zum Gedichteschreiben an. Das heißt, er ist nie mit ihnen zufrieden, wird aber doch entdeckt und verlegt und den Kontakt zu den Eltern, die eine Zeitlang durch Westdeutschland tingeln, eine Zeitlang bei einem syrischen Arzt wohnen, was Lutz Seiler in einem Interview betonte, er nicht erfunden hat, weil  das zu kitschig gewesen wäre, -gibt es vorläufig nur über Briefe, die er sich bei der Postfrau in Gera  nachschicken läßt und seinen Eltern nur zögernd schildert, daß er das Haus verlassen hat.

Die Eltern emigirieren schließlich nach Amerika. Walter, der Programmierer arbeitet dort für Hollywood. Carl besucht sie und erfährt von ihnen, daß sie schon einmal vor seiner Geburt über die Grenze und nach Amerika wollten, Bill Hailey ist schuld daran und der “Stern 111”, die Titelgebung ist ein Kofferradio, das in den Sechzigerjahren in der DDR üblich war.

Fünfhundert Seiten hat der Lyriker gebraucht, um seine Jugenderinnerungen und wieder einen DDR- und Wenderoman aufzuschreiben. Manches habe ich überflogen, manches sehr konzentriert gelesen. Ich hatte nur ein PDF, da das Buch, glaube ich,  wegen der durch Corona geschossenen Grenzen nicht angekommen ist.

Jetzt bin ich auf “Kruso” sehr gespannt und auch was ich von Lutz Seiler noch lesen werde. Es gibt im Netz auch ein Video, wo er alle Orte in Berlin in denen das Buch spielt, begeht und ihre Geschichte erzählt.

Die rechtschaffenen Mörder

Das zweite Buch der Belletristik-Schiene, des diesmaligen “Preises der Leipziger-Buchmesse”, der nicht dort vergeben wurde. Nach der Lyrik und dem Mondgedicht, folgt nun der beinharte Wenderoman oder die drei Variationen darüber, denn so einfach läßt sich das wohl nicht erzählen, wie durch einen DDR-Dissidenten und Lesemenschen ein Rechtsradikaler wurde, wie das in Ostdeutland wohl öfter passierte oder gerade passiert.

Autor ist Ingo Schulze, 1962 in Dresden geboren, ich habe ihn nach der Wende, wie ich ja immer schreibe, bei einer Lesung in der “Alten Schmiede” kennengelernt und einiges von ihm gelesen, einiges habe ich wohl auch noch ungelesen in den Regalen und von dem Buch, das den “Buchpreis” nicht gewonnen hat, habe ich, bevor ich zum Lesen gekommen bin, schon einiges gehört, hat Ingo Schulze es ja, glaube ich, trotzdem in Leipzig und auf jeden Fall auf der Online-Buchmesse vorgestellt.

Drei Teile und ein wunderschöner Klappentext “Ich wollte eine Erzählung schreiben über das Lesen und die Leser und ich wollte fragen, ob man durch Lesen sein Leben verfehlen kann oder warum es Leser gibt, die plötzlich zu verraten scheinen, was ihnen ihr Leben lang wichtig war”, hat dort Ingo Schulze und dann geht es los mit dem ersten langen Teil und das ist wohl der Wenderoman, wie ihn der Leser sich vorstellt oder vielleicht auch das Lieschen Müller, weshalb sein Held der Dresdner Antiquar Norbert Paulini auch von einigen Amazon-Rezensenten, als naiv dargestellt wird.

Ich, die ich ja ebenfalls eine Vielleserin bin und mich jetzt auch durch die Corona-Krise lese, vielleicht um nicht verrückt zu werden und zu denken, ich wäre in einen dystopischen Roman, empfinde das nicht so und habe ja auch Bücherberge in meiner Wohnung und wahrscheinlich auch die fünftausend ungelesenen Bücher, von denen in dem Buch, glaube ich, irgendwo geschrieben wird.

Da ist also Norbert Paulini, 1950, glaube ich, in  die DDR geboren und seine Mutter Dorothea war Buchhändlerin, beziehungsweise Antiquarin. Sie ist, glaube ich, bei der Geburt gestorben und der Vater sammelte all ihre Bücher in die zwei Zimmer, die er in der Villa Kate bewohnte, so daß der kleine Norbert auf Bücherbergen aufgewachen ist.

Zuerst nach der Schule etwas “Anständiges” lernen sollte. Er war schon damals Vielleser, dann von Freunden vermittelt, eine Buchhändlerlehre machte und schließlich in der Villa sein Antiquariat aufzog, das, wie man vielleicht sagen könnte, die DDR zu etwas Besonderes machte, zu einem Hort des geistigen Widerstands, wo es Lesungen und Feiern in den Räumen gab und Paulini hier eine Menge Intellektuelle und Künstler kennenlernte. Doch dann kam die Wende und die schönen DDR- Bücher und vielleicht auch die etwas weniger schönen, wie die Honegger Biografien, ich schreibe das deshalb, weil ich vor circa vierzig Jahren eine solche, von einer Müllhalde gerette, geschenkt bekommen habe, wurden dorthin gekippt und niemand wollte mehr Paulinis schätze haben.

Die Bank gewährte keinen Kredit mehr, sondern zuckte nur die Achseln und die Frau, die Paulini geheiratet hat, eine Friseurin, entpuppte sich zuerst, als Stasi-Spitzel, später als Kapitalistin, die zwischen ihren drei Friseursalons hin- und herpendelte, weil alle nur von der Chefin frisiert werden wollte und Paulini versuchte sich zuerst als Kassier in einem Supermarkt. Dann flüchtete er mit seinen Restbeständen in die sächsische Schweiz und dort klopft eines Tages die Polizei bei ihm an. Denn es gab einen Anschlag an ein Asylheim und Paulini und sein Sohn wurden verdächtigt, die Täter zu sein.

So weit, so gut.

“Wie wird ein aufrechter Büchermensch zum Reaktionär- oder zum Revoluzzer. Eine aufwühlende Geschichte, die uns alle angeht”, steht am Buchrücken.

Wenn es Ingo Schulze dabei belassen hätte, hätten wohl alle geschrieen, nicht schon wieder ein DDR-Roman, das wollen wir nicht hören, kitschig, aus, etcetera.

Also endet es nicht da, sondern es gibt einen zweiten und einen dritten Teil. Im Zweiten taucht ein Ich-Erzähler auf, der sich imTeil drei, als der Autor Schultze entpuppt, der Paulini einmal in seiner Villa “Prinz Vogelfrei” wie er sich auch nannte, kennenlernte und dann einen Roman, beziehungsweise, die Novelle über ihn schrieb, die wir auf den ersten hundertsechsundneunzig Seiten gelesen haben und im Dritten sind dann Paulini und seine Weggefährtin Elisabeth Samten tot, bei einem Bergunfall vergunglückt und Schultzes Lektorin macht sich auf den Weg mit dem Nachfolger des Antiqarats zu sprechen und herauszufinden, was wirklich geschehen ist.

Also drei deutungen, drei verschiedene Versionen des Geschehehn oder Perspektiven. Drei Wahrheiten und, daß die ja sehr verschieden sein kann, habe ich  erst kürzlich bei Daniel Zipfel gelesen.

Ein Buch, das mit gefallen hat, füge ich hinzu und ich wäre wahrscheinlich auch mit dem ersten Teil schon zufrieden gewesen.

So habe ich, muß ich gestehen, den Titel nicht ganz versctanden. Denn wer hat oder, wie hat Paulini jetzt ermordet?  Der Autor Schultze, wie das die Autoren mit ihren Figuren gerne tun?

Wieso dann das Plural?

Vielleicht kann  mir das einer meiner Leser erklären? Mein Stammleser Uli wird das Buch aber wahrscheinlich nicht gelesen haben.

Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß

Jetzt geht es regulär weiter auf meiner Leseliste, obwohl ich das Buch eigentlich mit nach Leipzig nehmen wollte und daher im Normalfall ein anderes vorgezogen hätte.

Ein Buch mit einen sehr neugierig machenden Titel, Elias Hirschl hat 2016 ein ziemlich ähnlich lautendes, nämlich “Meine Freunde haben Adolf Hitler getötet und alles, was sie mir mitgebracht haben, ist  dieses lausiges T-Shirt”, geschrieben.

Um was es hier geht, habe ich keine Ahnung, bei dem Debut der 1974 in Mark geborenen Manja Präkels schon, wurde das Buch doch im Jänner in der “AS” vorgestellt, so daß ich meine Neugier stillen konnte.

Es geht um die DDR, nicht um das dritte Reich, wie man ja auch denken könnte und der Hitler, heißt eigentlich Oliver und ist der Nachbarjunge der jungen Mimi, die wahrscheinlich auch so um 1974 in einem kleinen Havelstädtchen aufwächst.

Die Mutter ist Lehrerin an der Schule, die sie besucht und Pionierleiterin, eine überzeugte DDR-Funktionärin also, der Vater war Verkaufsstellenleiter, ist aber sehr krank, hat Diabetes und eine kaputte Niere und im ersten Teil des Buches geht es darum, wie die kleine Mimi in den Sommerferien mit ihren Freunden von einem Elitepionierlager in das nächste geschickt wird.

Dazwischen wird sie von ihrer Mutter unterrichtet, geht mit ihrem Freund Oliver Angeln und berauscht sich mit ihm bei Familielenfest an den besagten Schnapskirschen.

Dann zerbricht zuerst die Freundschaft und danach die DDR und Manja Präkels erzählt ziemlich lapidar, wie sich plötzlich alles in der Schule ändert. Einige Lehrer verschwinden, weil sie Stasi-Mitglieder waren. Der Mutter, die schon Direktorin war, wird nahegelegt, sie soll nochmal studieren oder den Beruf wechseln und Oliver, nun Hitler genannt, wird Anführer einer Nazubande und beginnt mit seinen Freunden die “Neger” zu klatschen”, etwas, was mein “Freund Uli” ja immer behauptet, nie gegeben hat.

Lukas Rietzschel hat in seinem Debut etwas später auch darüber geschrieben und Manja Präkels “sucht in ihrem Romandebut nicht nach allgemeine gültigen Erklärungen für die Gewalt, sondern beobachtet und beschreibt aus der Perspektive ihrer heranwachsenden Protagonistin”, steht am Buchrücken, was etwas war, was mir beim Lesen  einige Schwierigkeiten machte, ist das Buch, Mimi wird später auch Redakteurin,  nicht sehr geplottet, sondern zählt im dritten Kapitel die Ereignisse, wie Hitler-Oliver den und den zusammenschlägt, eher journalistisch auf, so daß es mir nicht sehr leicht fiel, der Handlung  zu folgen, während mir der Wechsel von dem einen zum anderen System, zuerst im Sommer die Pionierlager und dann braucht man plötzlich keine Russischlehrer mehr und die Leute fallen bei den Pyramidenspielen herein, verlieren ihr Geld und ihre Posten, viel pointierter schien und dazwischen wird immer wieder von der Krankheit des Vaters, sein Warten auf seine Organtransplantationen und auch von Mimis Freunden und den Tieren, die es in dem Haushalt gibt erzählt.

“Er verschwand und ich stand noch auf der Veranda, als alle übrigen Gäste längst gegangen waren. Starrte den Himmel an. Kippte Schnäpse in mich hinein und betäubte meine Ahnung, der Junge, den sie Hitler nannten, habe mir damals das Leben gerettet”, lautet der letzte Satz, der mich ebenfalls  etwas ratlos zurückließ, hätte ich es doch gern ein wenig mehr erzählender und auskomponierter gehabt.

Der lapidare, knappe Ton ist aber wahrscheinlich genau das, wofür das Buch Preise und auszeichnungen bekam und wofür die Autorin hochgelobt wurde.

Die Gewitterschwimmerin

Buch sechs der LL des dBps handelt sowohl vom dritten Reich als vom DDR, etwas, das die Blogger ja nicht so lieben und erzählt wiederum sehr genau und von hinten nach vorn sowie umgekehrt, eine Familiengeschichte.

Die Geschichte der Tamara Hirsch und ihrer Eltern, sowie Großeltern. Die mir bis jetzt völlig unbekannte 1965 in Pakow geborene Franziska Hauser, die mit ihrem Debut schon auf der “Aspekte-Liste” stand, hat ihn geschrieben und auf dem ersten Blick hat mir das Buch sehr gut gefallen, liebe ich ja sowohl Holocaust- als auch DDR-Geschichten, auf dem zweiten könnte man sich wieder fragen, was das Neue an dieser Jahrhundertsaga ist, in der wieder alles hineingepackt ist,  sexuelle Mißbrauch, Selbstmord und Psychose,  Widerstandskampf, das Anpassen an die DDR und und und es tauchen sogar Sophie Freud und Margot Honecker darin auf, denn die Hirschs sind eine sehr bekannte Familie.

In zwei Strängen wird das erzählt, die 1951 geborene Tamara erzählt in der Ich Perspektive von 2011 bis zu ihrer Geburt zurück, während die übrige Familiengeschichte 1889 beginnt, das macht das Lesen und das Verstehen wie bei “Arichpel”, wo Inger Maria Mahlke etwas Ähnliches versuchte, etwas schwierig, weil man das, was man das liest oft erst viel später verstehen und einordnen kann.

Friedrich Hirsch, der 1893 geborene Großvater war jedenfalls Mathematiker und ein guter Lehrer, mußte in der NS-Zeit nach England fliehen, war verheiratet mit Ilse und der Sohn Alfred, Tamaras Vater, ist eigentlich wie Tamara selbst eine eher unsympathische Person, rennt er doch nicht nur allen Frauen nach, er mißbraucht auch seine Töchter und trennt sich nach dem Krieg von Esther, weil er von seinen diesbezüglichen Erfahrungen nichts mehr wissen will, heiratet Adele, eine ehemalige Krankenschwester und heimliche immer noch Katholikin, während Alfred der Schriftsteller, ein glühender Kommunist geworden ist.

1951 und 1954 werden seine Töchter Tamara und Dascha geboren und weil die Eltern viel verreisen, weil sie ja dem kapitalistischen Ausland, den Kommunismus beibringen müßen, werden die Mädchen von der Haushälterin Irmgard aufgezogen.

Tamara ist die wilde aufmüpfige, Dascha entwickelt bald eine Psychose, wird öfter schwanger und zur Abtreibung gezwuingen. Die brutalen DDR- Medizinmethoden werden recht eindringlich geschildert, wie es, und das ist jetzt wahrscheinlich wieder ein Spoiler für mich auch sehr beeindruckend war, wie die Nazi- und Pfarrertochter Adele nach der Geburt Tamaras ihren Vater bestellt und dann den Taufschein vor Alfred versteckt. Bei Daschas Geburt ist der Pfarrer dann nicht mehr da und Alfred schreibt Theaterstücker von schönen Traktoristinnen,  in denen sich die Arbeiter dann nicht erkennen, es ist also auch sehr viel Systemkritik in dem sicher sehr gut recherchierten Buch.

Tamara wird Puppenspielerin, bekommt zwei Töchter Henriette und Maja, die keine russischen Namen, wie sie und ihre Schwester bekommen sollen und durchläuft ihr Leben und ihre Männer, erlebt ihre Depressionen und besiegt die Schwieirigkeiten, denn sie ist eine starke wilde Frau, die gerne, wie schon der Buchtitel verrät, durch die Gewitter schwimmt.

Peter Holtz

Jetzt kommt Buch elf der LL 2017, eines das nicht auf der Shortlist steht, obwohl ich mir auf Grund des Namens des Autors, des1962 in Dresden geborenen Ingo Schulze, der glaube ich 2009 mit “Adam und Evelyn” darauf stand, das dachte und mir beim ersten Drittel des fünfhundertsiebzig Seiten dicken Schelmenromans dachte, daß ich es mit Zaimoglu und Regener auf meine tun würde.

Inzwischen bin ich mir nicht mehr so sicher. Einen Rekord hat das Buch auf jeden Fall. Es ist das zweit oder dritt dickste der LL.

Da gibt es ein You Tube-Video, das die Bücher der Dicke nach präsentiert. Das Dickste ist der Lehr, dann kommt Franzobel und danach Ingo Schulze. In fünf Badewannensessons und an einem Wochenende habe ich das Lesen geschafft. Es liest sich leicht, ist aber insgesamt, glaube ich, etwas zu lang und, wie ich bei “Amazon” und den Blogs entnehme, gefällt das Buch nicht allen, einige fühlen sich verarscht dabei und sagen so wars in der DDR nie.

Ach richtig, es ist auch ein DDR-Roman, das mögen die Blogger ja auch nicht so sehr, der wievielte wahrscheinlich, soviel Jahre nach der Wende. Aber ich lese DDR-Romane sehr gerne und eigentlich, wenn auch nicht alles neu ist, was in dem Buch steht, ist Ingo Schulze damit schon ein Schelmenstreich gelungen.

Das Buch ist in zehn Büchern aufgesplittet, die alle so zehn oder mehr Kapitel haben und als Überschrift wird in jedem auch genau erzählt, wie es dem Peter in dem Kapitel geht. Das stammt, glaube ich, von E. T. A  Hoffmann und Ingo Schulze von dem ich ja schon einiges gelesen habe und ihn auch, langs lang ists her einmal in der alten “Alten Schmiede” hörte, tut das so bei seinen Büchern und der Anfang ist, glaube ich, wenn schon nicht genial gewählt so doch sehr eindrucksvoll.

Da ist der zwölfjährige Peter aus dem Waisenhaus, in dem er lebt, ausgerissen, um den Heimleiter Paul Löschau, der jetzt ein Heim in der Ostsee leiten soll, zu suchen und ihm heimzubringen, denn mit dem neuen Heimleiter geht es bergab, da wird der Sozialismus nicht genügend hochgehalten.

Wir sind mitten in den Siebzigerjahre und Peter verzehrt ein Eisbein mit Sauerkraut und Brause in einer Gaststätte, hat kein Geld und erklärt dann dem Personal, das der Staat für alle und sowieso für seine Kinder zu sorgen hat. Die Logik ist einleuchtend, ob das Kinderheim oder die Gaststätte ist eigentlich egal und der Peter kommt damit auch durch, findet an der Ostsee den Heimleiter aber nicht. Er macht Rast in einem Bungalow, wo das Paar, das dort lebt, so begeistert von ihm ist, das es ihm gleich adoptiert.

Jetzt geht es rassant aufwärts mit Peters sozialistischer Karriere, er vernadert gutmeinend andere, will Berufssoldat werden, gerät aber in die junge Gemeinde, wird irrtümlich oder weil sich der Sozialismus mit dem Christentum ja gut verträgt, Christ, also ists aus mit der Karriere. Die Stasi verhört ihn, macht ihn zum Informanten und fühlt sich von ihm verarscht.

Mit der Armee ist es auch aus, so wird er Bausoldat und später Maurer und bekommt von der Besitzerin des Hauses, der Frau Schöntag dieses, als er achtzehn oder so ist mit einem Trabi geschenkt, damit er sich besser, um die Verwaltung kümmern kann. Ja, es ist auch eine Hans im Glück-Geschichte “Peter Holtz-sein glückliches Leben von ihm selbst erzählt”, steht am Cover.

Peter tritt dann, weil ihm die SED nicht mehr will, in die CDU ein und als das Jahr 1989 und die Wende kommt, engagiert er sich in Reden für die CDU und für den Sozialismus, er hat inzwischen einige Häuser übertragen bekommen und nach der Wende ist er plötzlich reich.

Wird zum Kapitalisten ohne es zu wollen, alles fliegt ihm zu, er will seine Häuser, es gehört ihm inzwischen auch ein Bordell, verschenken, aber irgendwie gelingt ihm das nicht umd am Ende steht unser Peter da, verkauft alles, stiegt zuerst in die Kunst ein und steht schließlich auf der Straße um seine Tausend-Mark-Scheine zu verbrennen, weil nur das der Sinn des Lebens ist und landet schließlich in der Psychiatrie und ist dort auch noch glücklich.

Ein wahrer Schelmenstreich könnte man so sagen und denkt mituntert mehrfach, das ist ja alles wahr.Einige Sachen sind in dem Buch trotzdem unlogisch, beziehungsweise habe ich sie nicht verstanden. So beginnt es ziemlich am Anfang mit Peters Lese-Rechtschreibschwäche, die aber später nicht mehr vorkommt und zum vierzehnten Geburtstag oder so läßt er sich von seinen Adoptiveltern einen Föhn schenken und föhnt sich später mehrmals die trockenen <haare, warum und wieso ist mir nicht ganz klar geworden. Ist das ein Phallus-Symbol? Die einzelnen Kapitel erscheinen oft auch in sich abgerundet, haben dann aber manchmal keine Übergan zum nächsten. So als ob sie für sich geschrieben worden wäre.

Dem Autor, würde ich meinen, hat das Schreiben großen Spaß gemacht.Beim Lesen denkt man manchmal, das weiß ich doch schon alles oder habe es schon gelesen. Diese Abrechnung mit der DDR und dem Kapitalismus ist aber recht vergnüglich, obwohl unterm Strich gesagt, so einfach ist es wohl nicht und deshalb haben manche Leser das Buch vielleicht auch so schlecht bewertet oder fühlen sich verarscht.