Middle England

Jetzt kommt ein Buch auf das ich aufmeksam wurde, weil es auf Platz zwei der der Juni Orf- Bestenliste steht, Jonathan Coes Brexit-Roman “Middle England” und das Thema Brexit interessiert mich ja sehr.

Zwei BrexitBücher habe ich auch schon gelesen und von dem 1961 in Birmingham geborenen Jonathan Coe, habe ich 2009, glaube ich, zum ersten Mal gehört, als sein Buch “Der Regen bevor er fällt” in “Ex Libris” vorgestellt wurde.

Damals habe ich gerade am “Haus” geschrieben” und, ich glaube, ich habe mir eine Idee aus dem Buch für mein Schreiben mitgenommen.

Das Buch habe ich übrigens vor kurzem in einem der Schränke gefunden und bin jetzt auf das Llesen gespannt und mit Jonathan Coes Brexit-Roman habe ich mir etwas schwer getan, da er der dritte Teil von zwei vorher erschienenen Bücher ist und sozusagen, das Leben der dort vorkommenden Personen von 2010 bis 2018 fortführt und dabei das soziale Lebens England vor während und nach dem Austritt Englands aus der EU schildert.

Das habe ich sehr interessant gefunden. Das Buch aber, vielleicht auch weil ich die zwei anderen Bücher nicht gelesen habe, etwas hzusammenhanglos gefunden, war aber an den sozialen Zuständen in England, in dem ich glaube ich, in den Siebzigern zuletzt gewesen bin, sehr interessiert und die Hauptfiguren des Buches haben ihren Höhepunkt wahrscheinlich auch in den Siebzigern erlebt.

Es beginnt gleich ein bißchen zusammenhanglos, im April 2010, als Benjamins Trotters Mutter gestorben ist ist und er mit seinem Vater vom Begräbnis kommt. Benjamin Trotter, ein erfolgloser Schriftsteller sozusagen, ist eine der Hauptpersonen, er hat dreißig Jahre an einem Roman geschrieben, in dem er seine verflossene Liebe schildert. Jetzt lebt er in einer Mühle. Es gibt eine Schwester namens Lois und deren Tochter Sophie ist eine andere Hauptperson.

Sie ist Kunst- oder Literaturdozentin und fährt am Beginn des Buches ein bißchen zu schnell. So muß sie eine Fahrnachschulung machen, verliebt sich in den Fahrlehrer Ian und heiratet ihn. Der ist nicht so intellektuell und gebildet, wie sie und auch ein bißchen rechts und diese Andeutungen, so wird ihm bei einer Bewerbung seine asiatische Kollegin vorgezogen und eine litauische Putzfrau seiner Mutter namens Grete gibt es ebenfalls, machen auch ein bißchen den Reiz des Buches aus.

Benjamin ist der Sohn eines Industriearbeiters, hat aber trotzdem ein Elitecollege besucht und sogar eines, in dem er einige Monate lang am selben Gang, wie Boris Johnson wohnte und ihm auf Klo gehen sah.

Das macht auch einen Reiz des Buches aus, denn im Laufe des Romanes gelingt es Benjamin seinen Roman zu Ende zu schreiben. Er wird sogar verlegt und er kommt damit auf die Longlist des “Man Booker-Preises” wird interviewt, da erwähnt er das, was von der Interviewerin in ihrem Artikel aber ein bißchen entstellt wird.

Ein berühmter Autor namens Lionel Hampshire, der nicht auf der Longlist stand, kommt in dem Buch auch immer wieder vor und der hat offenbar auch in den vorigen Büchern eine Rolle gespielt.

Dann gibt es noch einige Schulfreunde Benjamins, den Journalisten Doug, der in einer elitegegend Londons lebt, eine reiche Frau hat, von der er sich aber trennt und eine Tochter namens Coriander, die sehr links und sehr kritisch ist, die gerät auch in Rassenunruhen und schafft es, daß Sophie auf ihren College Schwierigeiten bekommt und auch ein Jahr suspendiert wird, weil sie sie anzeigt, daß sie sich einer Transperson gegenüber nicht politisch korrekt äußerte. Solche Anspielungen machen, wie schon erwähnt, den Reiz des Buches aus.

Ein Clown, auch ein Schulfreund Benjamin spielt eine Rolle, der sich mit einem anderen Clown dauernd catcht und dann ein Buch darüber schreibt, das zuerst Benjamin schreiben soll.

Sophie trennt sich im Laufe des Buches von Ian, kehrt dann aber wieder zu ihm zurück und am Schluß, als der Brexit vollzogen ist, gehen Benjamin und Lois nach Frankreich.

Sie kaufen sich dort auch eine alte Mühle. Benjamin macht eine Schreibschule auf und alle treffen sich im Schlußkapitel dort, um sozusagen den Brexit für sich zu vollziehen und ein neues Leben zu beginnen.

Ein interessantes Buch finde ich, in dem man viel über die soziale Situation Englands erfahren kann, denn der Brexit ist ja ein wichtiges Thema, das uns die letzten Jahre ein bißchen bewegte, obwohl er derzeit wahrscheinlich von der Corona-Krise überdeckt wird, aber wenn die überwunden ist, ist es wahrscheinlich wichtig zu erfahren, wie es mit England und dem Austritt aus der EU weitergehen wird.

Das Buch ist in England 2018 erschienen, wurde jetzt von “Folio” auf Deutsch herausgegeben und das Folio-Cover wo der Big Ben aus den Wolken hervorschaut, finde ich sehr eindrucksvoll.

Dear Oxbrigde

Jetzt kommt eigentlich eine Mogelpackung, nämlich ein Buch über die Studienbedingungen der elitären englischen Unis wie Oxford und Cambrigde, wo die die dort waren, dann die späteren Premiermister oder andere Einflußträger werden und, wie man dort als Otto Normalverbraucher oder Verbraucerin  hineinkommt und kein Buch über den Brexit, al la “Kakerlake” etcetera, wie ich eigentlich glaubte und sehr gespannt auf das Buch der 1988 in Berlin geborenen Nele Pollatschek, von der ich 2016 “Das Unglück anderer Leute” gelesen habe, das mir zuerst gut gefallen habe, ich später aber für sehr übertrieben fand.

Der Verlag hat mir das Buch, glaube ich, schon im Dezember, als man ständig über den Brextit hörte und ich mir dachte, daß der nie zustande käme, angeboten.

“Wir schicken es Anfang Jänner aus, damit Sie es pünktlich rezensieren können!”, haben sie geschrieben. Es ist dann nicht gekommen. Ich habe nachgefragt, ich glaube, im Februar, wir schicken ein Zweites hat es geheißen, ich bin beruhigt in die Winterfrische mit der Ruth nach Salzburg gefahren, als ich zurückgekommen bin, war das Buch noch immer nicht da,  dafür aber das Coronavirus was alles durcheinanderbrache und offenbar keine Bücher mehr über die deutsche Grenze läßt, als mir “Rowohlt” geschrieben hat, das sie Bücher zurückbekommen und mir den neuen Camillieri als PDF schickten, habe ich nochmals angefragt und,  um ein PDF gebeten, das habe ich dann auch beim Lutz Sailer so gemacht und jetzt den “Abschiedsbrief” der Nele Pollatschek gelesen, was eigentlich Brexit mäßig ohnehin schon anachronistisch wäre durch Boris Johnson Corona-Erkrankung aber höchst aktuell, aber wieder schmecks, es beginnt mit etwas ganz anderes, nämlich, wie man als Deutsche nach Oxford oder Cambrigde kommt und warum man glaubt zu müßen, weil man sonst im Leben  nicht weiterkommt. Das sagt sehr viel über den Streß und die Anspannung der heutigen Zwanzigjährigen aus. Darüber habe ich schon viel gelesen und  kann mich auch an ein eigenes Beispiel erinnern, nämlich erstens, daß ich 1973 oder 1974 als ich meine Workcamps im Westpark- Hospital machte, um endlich in die Psychiatrieluft hineinzuschnuppern, haben wir da einen Ausflug nach Campbrige oder Oxford gemacht. Das weiß ich auch nicht mehr so genau, wahrscheinlich dorthin, wo es näher war. Es war an einem Sonntag und da kann ich mich an die Aufkleber eines Schuhgeschäftes “Come in and look around” oder so erinnerin, die ich mir mitgenommen habe und die dann lange in meinem Mädchenzimmer am Almweg hingen, in dem Haus an der Höhenstraße, das es wahrscheinlich nicht mehr gibt.

Dann hat mir einmal eine Psychologenkollege, eine sehr feine Dame, die eine Villa in Währing hat, erzählt, daß ihre Tochter dort aufgenommen wurde, aber über die Anforderungen und den Streß dort sehr unglücklich war, so daß sie sie gebeten hat, wieder zurückkommen zu dürfen.

Bei Nele Pollatschek war das nicht so, denn sie schreibt über das gute Essen, das man dort umsonst bekommt und auch über die Party und die Einladungen, die man dort von seinen Tutoren, bekommt, etwas was Nina H. offensichtlich nicht ausgehalten hat.

Nele Pollatschek schreibt und das finde ich sehr gut über ihre Hochschulerfahrungen und beginnt damit, daß sie an dem Tag,  an dem der Austritt bekanntgegeben wurde,  reich geworden ist. Das  entspricht eher Nele Pollatscheks Stil, denn sie hatte Schulden an der Uni bezüglich der Studiengebühren und da weil das Pfund gefallen ist..

Dann erzählt sie von den Zimmern in denen die Studenten untergebracht sind. Die sind entweder alt und sehr klein oder neu und groß. Die Klos funktionieren aber in Beiden nicht und es ist in den Zimmern auch sehr kalt, weil die Dichtungen nicht funktionieren.

Wie ist Nele Pollatschek nach Oxbridge gekommen? Sie wollte englische Literatur studieren, dachte, das kann ich im Originalsprachland besser und hat sich für Oxford oder Camprige entschieden, obwohl sie in keiner englischen Privatschule war, die jahrelang nichts anderes macht, als ihre Schüler darauf vorzubereiten.

Jetzt mußte sie eine gute Durchschnittsnote haben, um überhaupt zur mündlichen Bewerbung eingeladen zu werden. Die hatte sie, dann brauchte sie ein Bewerbungsschreiben. Sie bat ihre Lehrerin, die das aber noch nie gemacht hat, hat sich ein Jahr lang mit dem “Hamlet” beschäftig, wurde dann eingeladen und wurde nach dem mündlichen Gespräch abgelehnt, weil es ihr nicht gelungen ist, als “Rohdiamant, der erst geschliffen werden muß”, aufzufallen, so daß sie beschlossen hat, es auf anderen Weg zu versuchen.

Das heißt, nicht gleich, zuerst wurde sie depressiv und hat zugenommen. Die Eltern haben sie dann angestachelt, es noch einmal zu versuchen. So hat sie es in Heidelberg probiert, weil man da ein Studienjahr in Oxford machen konnte. Das heißt, es gab einen Platz für die, die englische Literatur studierten. Also die Klinken bei der Bewerbungsstelle putzen. Lernen, lernen, lernen und die anderen überflügeln. Dann hatte sie das Auslandsjahr, war aber immer noch nicht richtige Oxford-Studentin, machte also ihren Bachelor und bewarb sich für den Master dort.

Was klappte, aber auch wieder nicht passte, denn die richtigen Studenten, aus denen später etwas wird, machen nur den Bachelor. Bei den Masterstudenten kann etwas nicht stimmten und so weiter und so fort. Dann wird der Unterricht in den Elitecolleges beschrieben. Im Gegensatz zu Deutschland, wo man alles genau zitieren muß, muß man hier statt in Vorlesungen gehen, mit den Dozenten oder Tutoren viel diskutieren, beziehungsweise Essays über bestimmte Themen schreiben, wofür man lesen bis zu Erschöpfung muß.

Dann kommt Nele Pollatschek zu den typischen Eigenschaften, der Engländer beispielsweise, daß sie sich nie direkt über etwas beschweren, beispielsweise daß Züge unüpnktlich sind und  man sich, um das Flugzeug doch noch zu erreichen, ein teueres Taxi leisten muß.

Sie führt auch die Geschichte eine Allergikers an, der dreimal nachfragt, ob in seinem Essen Nüße sind?

“Nein!”, wird ihm versichert. Sie waren es doch. Er muß ins Krankenhaus, den zurückgebliebenen wird dann aber die rechung samt dem Nußpesto serviert und die legen das Geld ohne aufzumucken hin.

Interessant ist das Kapitel, wie man in Oxbridge oder überhaupt in England mit Medikamenten umgeht, hat Nele Pollatschek doch, als sie sich beim Sport das Knie verletzt hat, Antidepressiva verschrieben bekommen und  festgestellt, daß fast alle ihrer Mitstudenten solche nehmen, während Gesprächstherapie, wie in Deutschland betrieben, eher unbekannt ist und das hat natürlich den Grund, daß die kleinen feinen Pillen billiger sind, wie das mit den verletzen Knien zu erklären ist, bleibt dagegen noch ein bißchen unklar.

Spannend auch das Kapitel übers Gendern und da ist mir schon vorher aufgefallen, daß Nele Pollatschek konsequent das Wort “Student” verwendete.

“Ich bin Student” und dann erklärt, daß ihr ihr Deutsch lerndender Professor, sie einmal fragte, ob das stimmt, daß die Deutschen Angela Merkel, als BundeskanzlerIN bezeichnen und der Meinung war, daß das sexistisch ist, weil es ja auch rassistisch wäre, einen Menschen als schwarz zu bezeichnen. Interessant die länderspezifischen Sprachunterschiede, was ja durch die Transpersonen, und die Möglichkeit sich als divers zu bezeichnen, noch ein bißchen komplizierter wird.

Dann gibts ein Kapitel über Margret Thatcher, die eiserne Lady, die auch Absolventin des Colleges war, in dem Nele Pollatschek studierte, die sich aus unterer Schicht nach oben kämpfte und dann gegen die Schwachen war und gegen das Böse kämpfte und ganz am Schluß kommt Nele Pollatschek über das Wort “kindness” doch zum Brexit, erwähnt, daß  nur 52% der Briten für den Brexit stimmten und schließt mit dem Satz; ” Viele der Lexit-Wähler bereuren ihre Wahl heute bitterlich. Manche glauben nach wie vor, daß nach dem Verlassen der EU alle Träume vom gerechten Sozialstaat wahr werden. Ich wünsche ihnen, daß sie recht haben” und ich habe, wie erwähnt, ein interessantes Buch gelesen, daß einen tief in das Studiensystem von Oxford und Campbridge und wahrscheinlich auch in Nele Pollatscheks Denken, dem ich nicht immer zustimme, eindringen läßt.

Die Kakerlake

jetzt kommt ein kleines dünnes Büchlein, das im November bei “Diogenes” erschienen ist und auf das ich durch die Sendung “Leporello” oder das “Morgenjournal” aufmerksam wurde.

Der 1948 geborene britische Autor Ian McEwan, von dem ich einige Bücher in meinen Regalen, aber noch nichts gelesen habe, hat eine Satire auf den Brexit und das englische Parlamentsgeschehen geschrieben und  dabei Anleihein von Franz Kafkas “Verwandlung” genommen, beziehungsweise sich vor dem großen Autor verbeugt.

Wui, das klingt interessant, das Büchlein also bestellt und ich muß sagen, daß ich mich der Meinung mancher “Amazon-Leser” anschließe, daß hier schnell nach der Idee von der “Verwandlung” eine Satire hinuntergeschrieben wurde, die wahrscheinlich mehr die Briten überzeugt, wahrscheinlich nicht zur großen Literatur gereiht werden wird, was vermutlich auch nicht geplant war und, ob es Franz Kafka gefallen würde, ist wahrscheinlich eine Frage, die nur er beantworten könnte.

Also da wacht eines Morgens in der Downigstreet eine Kakerlake im Bett des Premierministers Jim Sams auf und stellt fest, er hat sich in diesen verwandelt. Nicht nur das, denn, als er dann in das Parlament hinüber wankt, mit dem Sprechen und dem aufrecht Gehen tut er sich noch anfangs schwer , stellt er fest, daß die meisten der Minister ebenfall seine Artgenossen sind oder waren und nun geht es im zweiten Kapitel des vier Kapitel starken hundertdreißig Seiten Buchs, zu der Idee vom “Reversalismus”, das Wort Brexit wird an keiner einzigen Stelle, höchstens in einem aufgehefteten Schildchen am Cover erwähnt und der amerikanische Präsident heißt Archi Tupper statt Donald Trump und Premier Sams stellt ihm oder sich die Frage, ob er vielleicht auch eine ehemalige Kakerliake war?

Diese Frage wird nicht beantwortet, dafür ein neues System eingeführt, also, daß man für die Arbeit Geld abgezogen bekommt, dafür aber umsonst einkaufen kann, Bargeldbesitz wird bestraft und alle wollen einen höher bewerteten Job bekommen um mehr Geld ausgeben zu können.

Das wird dann als des Volkeswille ausgegeben, für die der Premier sich einsetzt. Widersacher werden beseitigt und am Schluß, als das Gesetz eingeführt wurde und die Ersten merken, daß es offenbar doch nicht so, wie angepriesen funktioniert, sondern in den Abgrund führen wird, ziehen die Minister und ihr Premier wieder aus den Körpern hinaus, die lassen sie auf den Sitzen liegen.

Durch, die einen Spalt offengelassene Tür ziehen sie auf die Straße, nur leider wird der Premier dabei von einem Auto überfahren. Seine Artgenossen tragen ihn auf den sechs Füßen, die er nun wieder hat, weg und die Rache der Kakaerlake, an der sie unterdrückenden Menschheit ist vollzogen.

So einfach, aus. In England wird der Austritt aus dem Brexit und das politische Geschehen sich wohl ein wenig schwieriger gestalten. Man liest es aber sicher schnell und amüsiert dieses kleine Buch, das einen wahrscheinlich Kafka, um keinen Deut näherbringt, aber vielleicht hat man von der Politik etwas etwas besser verstanden und das wäre ja auch nicht schlecht.

“In einer solchen Zeit fragt sich ein Schriftsteller, was er machen kann. Darauf gibt es nur eine Antwort: schreiben” Ian McEwan”, steht am Buchrücken