Das Wasser des Sees ist niemals süß

Die Italienische Literatur hat den Ruf sehr sozialkritisch zu sein, gibt es ja Alberto Moravia, der, manchmal etwas konservativ und frauenfeindlich, im vorigen Jahrhundert von den sozialen Mißständen in Rom erzählte.

“Wagenbach” hat eine Reihe Romane italienischer Kommunisten herausgebracht, die ich mir einmal vor Jahren aus einer Abverkaufkiste, um einen Euro oder waren es noch zehn Schilling, kaufte. einen habe ich davon gelesen.

“Wein und Brot” egibt es auch und dann eine junge italinische Stimme, die 1988 in Rom geborene und am Lago di Bracciano aufgewachsene Guilia Caminito, die Bei “Wagenbach” schon “Ein Tag wird kommen” herausgebracht, mit dem ich, glaube ich, nicht so viel anfangen konnte und jetzt wurde von “Wagenbach” “Das Wasser des Sees ist niemals süß”, als “Quartbuch” herausgebracht und ich muß sagen, eine Überraschung, Thematik und Sprache hat mich überrascht und es ist, obwohl es am Schluß negiert wird, wahrscheinlich auch viel Autobiografisches dabei.

Es geht um die Klasse, ein Bildungsroman, der wieder zeigt, wie schwer es die Unterschicht hat, aufzusteigen, so sehr sie sich auch anstrengt und bemüht.

Elena Ferrante hat es mit ihrer “Neapoletanischen Saga, von dem ich einen Teil gelesen habe, auch versucht und dann gibt es noch Michela Murgia, die ich ein wenig altmodisch empfand.

Deniz Ohde hat das mit “Streulicht” versucht, mit dem ich auch nicht so viel anfangen konnte und Fernanda Melchor,auch eine “Wagenbach-Autorin”, wie Giogrgio Bassani , beschreibt die mexikanische Situation, tut das aber viel brutaler, womit ich meine Schwierigkeiten hatte.

Giulia Caminitos Ich-Erzählerin tut es leiser oder sprachlich prägnanter, obwohl ganz so passiv zahm und ungeordnet, ein Opfer, wie die Heldinnen bei Moravia, ist diese junge Frau nicht.

Um drei Frauen, geht es in dem Buch, die Mutter Antonia, dann die Erzählerin iund ihre Freundin Iris. Das heißt, sie hat einige solche und einige Freunde und rächt sich erstaunlich brutal, wenn die sie betrügen.

Es gibt ein Nachwort, wo Giulia Caminito, die Vorbilder ihrer Heldinnen erwähnt und auch betont, daß es natürlich nicht Autofiktion ist, obwohl es Ähnlichkeiten zwischen ihr und ihrer Heldin gibt.

Es beginnt mit der Mutter Antonia, die hat einen Sohn aus einer früheren Beziehung, Mariano, dann die Erzählerin und noch zwei Zwillingsbrüder. Ihr Mann hatte einen Unfall ist als Schwarzarbeiter vom Gerüst gefallen, sitzt jetzt im Rollstuhl und Antonia muß die Familie erhalten. Sie tut es in dem sie bei reichen Familien putzt. Sie ist resch und streng zu ihren Kindern und will natürlich, daß es ihrer Tochter besser geht. Sie ist erstaunlich ehrlich, fremdes Eigentum wird nicht angegriffen, bringt aber die gebrauchten Fahrräder und die gebrauchten Fernseher nach Haus, die ihr ihre Familie dann schenken und es beginnt äußerst originell, daß sich Antonia ein Kostüm anzieht, eine Aktentasche nimmt und dann in das Büro einer Anwältin eindringt, denn sie braucht eine Wohnung für ihre Familie.

Sie bekommt dann eine Sozialwohnung am Lago di Branzziano und dort wächst die Heldin auf. Der große Bruder geht Anfang des Jahrtausends auf eine Demo nach Genua. Da schmeißt die Mutter ihn hinaus und die Heldin fährt mit dem Bus zuerst in die Mittelschule, dann ins Gymnasium und fühlt sich wie Deniz Ohdes Heldin unter den reicheren Kindern benachteiligt. Es gibt zwei Freudninnen Agata und Carlotta und einige Freundin aus reicheren Häusern. Als Carlotta sie mit einem ihrer Freunde betrügt, brach die Heldin die Beziehung ab und geht vorher oder nachher mit einem Freund zu einem Schießstand, läßt sich das Ticket bezahlen und schießt dann solange, bis sie den größten Bären als Trophäe bekommt.

Antonia regt sich deshalb auf: Meine Tochter schießt nicht!”

Sie setzt sich aber durch und der Bär in ihrem Zimmer, bis die Familie aus der Wohnung geschmissen wird. Bis dahin lernt und lernt sie sich durch das Leben. Studiert Philosophie zum Leidwesen ihrer Mutter und nicht Medizin oder Jus, wo man etwas anfangen kann und auch nicht auf Lehramt. Nein es muß schon das Orchideenstudium sein, auch wenn sie dann nur in einer Drogerie arbeiten kann, die auf esoterisch macht.

Die Freundin Iris stirbt irgendwann an Krebs. Das ist wohl eine autobiografische Ähnlichkeit und als Luciano sie betrügt, schließt sie sich einem Einbruch bei ihm an oder gibt die Informationen dazu und als ihr früher schon ein Junge den Tennisschläger, den sie endlich einmal gekauft bekommen hat, zerstört, schlägt sie ihn zusammen und nimmt ihm seinen weg. Das tut sie dann noch bei einer anderen Freundin und am Schluß wird sie wahrscheinlich trotzdem über bleiben und nicht so sozial aufsteigen können, ,soviel sie sich auch angestrengt hat und das ist wohl die Quintessenz des sehr frisch und modern geschriebenen Buch, das mehrmals die Perspektiven wechselt undj auch schon viele Preise gewonnen hat.

Und wer jetzt nach dem Titel fragt, irgendwann wird der See in dem angeblich eine Krippe verborgen ist, als süß beschrieben. Da fühlt sich die Heldin stark und glücklich, das bleibt aber nicht so, denn das <leben ist in Italien oder auch sonstwo auf der Welt, hart und unerbittlich, wenn man nicht aus der richtigen Familie kommt und der Mittelstand, das kann ich noch anfügen, wird bei uns gerade auch zerstört.

Streulicht

Nun kommt schon oder erst Buch achtzehn des dBps, das fünfte Shortlistbuch und eines das im Vorfeld hochgelobt wurde.

Das Debut der 1988 in Frankfurt am Main geborenen Deniz Ohde, die eine türkischstämmige Mutter hat und das ein Thema unfaßt, das eigentlich ziemlich klar und selbstverständlich istund auch nicht so neu, sondern schon hundermal diskutiert und beschrieben wurde und, daß ich zugegeben nicht im literarischen sondern eher im soziologischen pschologischen Sinn auch schon oft gehört habe, nämlich daß Arbeiterkinder in den Schule diskriminiert werden, daß sie viel weniger, als die aus Mittelschicht und Bildungsfamilien zu einem höheren Schuzlabschluß kommen. Daß sie, wenn sie schon auf dem Gymnasium sind, dieses öfter abbrechen und, daß es Kinder mit Migrationshintergrund auch sehr schwer haben und oft als sekundäre Analphabeten, die Schule verlassen und dann zu Problemjugendlichen werden ist auch nicht ganz so neu. Man denke nur an die Bücher der Susanne Wiesinger, wo ich ja auch eines auf meinem Stapel habe, weil es mir die liebe Doris einmal in die Hand steckte.

Neu ist vielleicht das Erstaunen, daß das Debut, das wie die Autorin selbst erwähnte, autobiografischen Hintergrund hat und vielleicht auch Schuldgefühle auslöste.

“Ach je, ist das so? Das haben wir ja gar nicht gewußt!”

Vielleicht trifft das für die Leser zu, die sich mehr für das Sprachexeriment und nicht so sehr für die Gesellschaft interessieren und deshalb ist es auch sehr gut, daß das Buch nicht nur auf Shortlist gekommen ist, sondern auch den “Aspekte-Literaturpreis” gewonnen hat.

Ob es so unbedingt literarisch ist, weiß ich nicht und ich habe mir eigentlich öfter gedacht, daß weiß ich alles schon und habe es zum Beispiel in den Siebzigerjahren in Christa Stippingers “Kress” gelesen, das ich ja dann unter einem anderen Namen auch einmal im “Augustin” endeckte und stimmt oder stimmt nicht mehr, hat sich doch inzwischen auch einiges geändert, die türkisch oder afrikanisch etcetera stämmigen Kinder mit Migrationshintergrund schließen wahrscheinlich immer öfter das Gmnasium, beziehungsweise die Uni ab und schreiben dann sogar Romane, die im ersten Anlauf auf der Shortist landen und den Lesern ein wahrscheinlich schuldbewußtes “Wow!”, entlocken und so ist es auch der wieder namenslosen Ich-Erzählerin gegangen, die wahrscheinlich viel mit ihrer Autorin gemein hat, eine türkisch stämmige Mutter, einen Arbeiter, als Vater der sein ganzes Leben das Industriegebiet wo es das titelgebende Streulicht gibt, nicht verlassen hat. Die Tochter schon und deren Freunde Sophia und Pikka, zwei Mittelschichtkinder, was schon mal ein bißchen ungewöhnlich und vielleicht auch heute noch nicht so ganz realistisch sind, heiraten.

Deshalb kehrt sie an den Heimatort zurück, erinnert sich an ihre Kindheit und die verpatzen oder schließlich doch geglückten Gelgelenheiten. Denn sie ist mit Zehn aufs Gymnasium gekommen. Ist dort aber immer hinter der strahlenden Sophia gestanden und wenn Herr Kaiser, der Französischlehrer Markt “qu`est- ce que ce?”, fragte, hat sie ihn lange nicht verstanden.

Hat sie sich doch beim Lernen schwer getan und in ihren Eltern wahrscheinlich auch keine Förderer gehabt. So verläßt sie die Schule, bricht sie ab oder wird auch hinausgeschmissen. Um dann später zuerst den Realschulabschluß, dann noch die Oberstufe abzuschließen und schließlich doch zu studieren. Das wird in Rückblenden erzählt und dabei wird auch viel Familiengeschichte eingeblendet. Der Vater trinkt und ist ein Sammler, weil er wegen der Kriegserfahrungen, die wahrscheinlich schon der Großvater hatte, nichts wegwerfen kann. Die Mutter ist verstorben und andere Trauma und Schwierigkeiten gibt es auch.

Ein interessantes Buch kann ich schreiben, bin gespannt, ob es auf die Bloggerdebutshortlist kommt und mich nur wiederholen, daß mich das Echo der Leser etwas erstaunte, weil das hier geschriebene für mich eigentlich selbstverständlich war und es eigentlich schön ist, daß man seine Matura und sein Studium auch im zweiten Bildungsweg schaffen und, daß man es mit seinem Erstlingsbuch gleich auf die Shortlist schaffen kann, viele der Rezensenten hätten Deniz Ohde auch den Preis gewünscht, ist auch sehr schön und etwas was ich mir noch immer wünsche, aber nie erreichen kann, weil ja demnächst mein fünfzigsten selbstgemachtes Buch erscheinen wird.

Gelenke des Lichts

Jetzt kommt Buch zwölf der deutschen Longlist und das ist eine Überraschung, ist Emanuel Maeß “Gelenke des Lichts” das ich ja eigentlich von dem, was ich bisher über das Buch hörte, für ein Sprachrauschbuch al al Andrea Winkler oder Richard Obermayr, beziehungsweise, als das schwierige Buchpreisbuch, das die Literaturwissenschaftler loben, die Buchhändler aber stöhnen, weil das keiner lesen will, wie das von Reinhard Jirgl, Ulrich Petzer oder Thomas Lehr gehalten habe, das beste Buch, das ich bisher von den zwölf gelesen habe.

Interessant, interessant, es gibt also immer noch Überraschungen und ganz so leicht bin ich in den Bildungs- oder Entwicklungsromans des 1977 in Jena Geborenen, der mit seinem Debut auch für den “Tumler-Literaturpreis” nominiert war, nicht hineingekommen, denn es ist ja ein Sprachrauschbuch ohne wirkliche Handlung oder doch, denn eigentlich ist es ein autobiografischer Roman, erzählt der Autor, der in Heidelberg, Oxford und Wien studierte doch sein Leben, sein Aufwachsen in der DDR, die Wende, sein Studium und tut das und das finde ich das Geniale und Ungewöhnliche an dem Buch in der  Sprache des Bildungsromans des neunzehnten Jahrhunderts, obwohl in dem Buch auch worte wie SMS, Internet, etcetera vorkommen.

Beginnen tut es mit einer Art “Odje an den Mond” oder mit der Anbetung an eine Angelika, der der Autor das Buch widmet.

Das ganze Buch ist an sie geschrieben, die er als Kind in einem Ferienlager in der Ostsee kennenlernte, aber dann nicht bekommen konnte, “denn die Gräben waren viel zu tief…”

Der Ich-Erzähler ist der Sohn eines Landpfarrers und einer Landärztin, wächst wie beschrieben in einemn DDR-Dörfchen auf, maturiert in Meiningen und geht dann nach der Wende als Philologie- und Literaturstudent nach Heidelberg, später studiert er in Cambridge, arbeitet als Wissenschaftliche Hilfskraft hat einen Freund und eine Freundin dort, reist mit ihnen in die Schweiz, um bei einem Kongreß einen Vortrag zu halten und am Schluß fliegt er dann und das ist auch so ein genialer Streich mit ausgebreiteten Armen durch die Luft von England in die Ex- DDR zurück.

Das klingt jetzt alles sicher sehr banal nacherzöhlt, ist das Buch ja sehr <handlungsarm, die Sprachvielvalt und auch dieIronie, die immer zwischendruch aufblitz macht es aber aus, ein Beispiel wäre der Satz “Offenbar aber war die Anzahl der Bewerber, die irrsinnig genug waren, heutzutage noch Literatur zu studieren, so gering, dass ich kaum zwei Monate auf meine Zusage warten mußte”, als er sich entschließt von Heidelberg nach Cambrigde zu gehen.

“EinJüngling liebt ein Mädchen, gewinnt es, verliert es, nimmt Anlauf und springt – Ein unkonventioneller Zauberhybride aus Bildungs- Schelmen  und Campusroman- faszinierende Erzählkunst”, steht am Buchrücken und “Bookster” der Buchpate für dieses Buch, fragt sich, für wen es wohl geschrieben ist und führt als Beispiel, die Germinsten an.

Was wohl stimmt, die, die irrrsinng genug sind, heutzutage noch Literatur zu studieren, würde Emanuel Maeß wohl antworten. Aber die erwartet dann ein besonderes Vergügen, wie die Leserin merken konnte, die sich eigentlich mehr für realistische Romane als für Sprachräusche interessiert und interessant ist auch, daß es wieder ein Ex-DDR Roman ist, da hat ja schon Jackie Thomae auf ganz andere Art und Weise ein bißchen was über die Wende erzählt und Lola Randl und Miku Sophie Kühmel haben die Uckermark gewählt.

Wenn man also die DDR in ihren Sprachräuschen und Spracheskapaden, die von Neptun,Friedrich Rückert, Richard Wagner,, etcetera handeln, erleben will, ist das Buch gerade richtig, auch wenn man vielleicht nicht alles versteht, denn was es mit dem Titel auf sich hat, ist mir nicht ganz klar geworden.