Drehtür

Buch siebzehn der LL ist auch mein fünftes auf der SL, das geht jetzt Schlag für Schlag, auf die echte ist es nicht gekommen, obwohl es ein Episodenroman ist, der glaube ich, die Kriterien erfüllt, die manche Blogger auf der Liste vermißten, den sozialen Anspruch und die gesellschaftliche Relevanz, statt des eweigen Jammers um den Tod und das Sterben der sich in der Mildlifekrie befindenden älteren Herrn.

Das heißt, vielleicht geht es auch darum, obwohl es von keinem Mann geschrieben wurde, die 1951 in Ostberlin geborene Katja Lange-Müller, die 1986 den Bachmannpreis gewonnen hat und die ich einmal im Rahmen einer der Studentenlesungen im Literaturhaus hörte, ist eine von den sechs Frauen auf der langen Liste und ihre Heldin, die Krankenschwester Asta Arnold, ist genauso alt, wie sie, nämlich fünfundsechzig und  zur Krankenschwester wurde  Katja Lange-Müller, glaube ich, auch ausgebildet.

Der Unterschied befindet sich aber in der Idee und die finde ich sehr sehr originell, es ist kein Roman würde ich wieder sagen, sondern, wie bei Eva Schmidt, eine Ansammlung von Episoden, aber die sind eigentlich nicht zusammenhanglos, sondern drücken die pure Tragik des Lebens aus und die kann eine, wenn man so darüber nachdenkt,  eigentlich umhauen, so daß ich, wie einige andere auch nicht verstehen kann, wieso das Buch nicht auf die Shortlist kam, auf meiner wäre es und es ist sogar neben oder vor Sibylle Lewitscharoff mein Favorit.

Das Ganze spielt sich am Flughafen von München ab, wo ja nicht nur  Asylwerber stranden und von der Polizei aufgegriffen werden, sondern sich auch eine umgekehrte Rückkehr abspielen kann.

Die Krankenschwester, Asta Arnold fünfundsechzig, kommt vom jahrelangen Hilfseinsatz aus Nicaragua zurück. Nicht freiwillig, weil sie nicht mehr einsatzfähig war, sondern vermehrt Fehlleistungen brachte wurde sie mit einem Einway-Ticket sozusagen in Pension geschickt und Detail am Rande, weil das Geld nur bis Münschen reichte, dorthin, obwohl sie eigentlich in Berlin oder Leipzig wohnhaft ist.

Nun steht sie vor der Drehtüre, die in die vermeintliche Freiheit führt, muß noch auf ihr Gepäck warten, raucht eine Zigarette nach der anderen, Euro,s um sich etwas zu essen zu kaufen hat sie nicht und sie hat auch Schwierigkeiten mit dem Vaterland und der Muutersprache, was, angesichts der Tatsache, daß sie zweiundzwanzig Jahre im Ausland war, verständlich ist.

Sie hat jauch schon vorher ihr Vaterland verloren, gibt es die DDR ja nicht mehr.

So steht sie da, denkt an ihren Namen, sie heißt Asta, wie ein Schäferhund oder Asta Nielsen und sieht jedesmal, wenn sie daran denkt, daß sie etwas essen oder unternehmen sollte, einen Menschen, der sie an einen Bekannten oder eine Episode ihres Lebens erinnert.

Das Themen Helfen wird auch angeschnitten. Wozu macht man das, wenn ohnehin alles links und rechts herum, den Bachh herunter geht? Hat man ein Helfersyndrom? Asta, die noch in der DDR zur Krankenschwester ausgebildet wurde, höchstwahrscheinlich, denn der Erste den sie sieht, erinnert sie an einen Koreaner, den sie als junge Frau, in den Siebzigerjahren, von der Straße aufgegabelt hat, in ihr Zimmer brachte und weil er Zahnweh hatte, mit Tabletten versorgte. Am nächsten Morgen läuten dann die Angehörigen der Nordkoreanischen Botschaft, die dicht neben ihrer Wohnung angesiedelt ist, bei ihr, verneigen sich und überreichen einen Strauß Rosen für die erbrachte Hilfsbereitschaft.

Man sieht Katja Lange- Müller hat Humor oder auch eine gehörige Portion Sarkasmus und dafür ist sie auch berühmt geworden.

Die nächste Episode ist länger und passt eigentlich und genau genommen nicht ganz in die Geschichte hinein, dafür ist sie aber höchst beeindruckend und vielleicht sogar der Autorin selbst passiert.

Es ist nämlich die Geschichte einer Kollegin, einer Tamara, die auch als Erzählerin auftritt, die, bevor sie Krankenschwester wurde, Romane geschrieben hat und eine Kurzgeschichte, die von einer Singer-Nähmaschine handelt, die soll sie im Rahmen der Frankfurter Buchmesser einer Delegation indischer Schriftsteller vorlesen und wird daraufhin von einer indischen Feministin nach Indien eingeladen. Das Flugticket wird auch hier nicht ganz und zu spät bezahlt. Sie soll aber vor zweihundert verstümmelten Frauen lesen, die verätzte Gesichter haben, weil ihre Schwiegermütter sie in Feuer stießen und nur Singer-Nähmaschinen können sie vor dem Verhungern retten. So soll Tamara solche auftreiben.

Wieder eine Geschichte, um das Helfen, die Asta durch den Kopf geht, während sie überlegt, ob sie in den Supermarkt gehen und sich etwas zu Essen kaufen soll.

Sie kann es nicht, der Kulturschock, beziehungsweise, die Sozialphobie oder einLogophobie, die sie sich diagnostiziert, hindern sie daran.

So kreist sie munter weiter in der Flughafenhalle, wird an ihren Ex-Freund und einen Urlaub in einem tunesischen Touristenressort erinnert, wo sie eine schwangere Katze namens “Fettknäuel” fand, die sie aufpäppelte und mit Essen versorgte, um ihren Freund zu ärgern, schließlich verschwand die Katze und ließ sie mit ihren sieben Jungen zurück, die nun sie versorgte, aber ihr Abreisedatum war auch schon längst festgelegt.

Ein Schauspieler der einen Naziarzt spielte, der nicht töten konnte, weil er immer, wenn er in die Augen seines Opfers sah, in Ohnmacht fiel, kommt vor und noch einiges anderes.

Dazwischen kreist Asta herum,  jüngere Leser fragen sich vielleicht, was das Ganze soll und sehen keinen Zusammenhang in der Geschichte, ich schon, denn ich denke an die Bruatiltälität des Lebens, die Krankenschwestern nach jahrelangen Auslandsaufenthalt einfach zurückschicken, weil sie nicht mehr können.

Natürlich gibt es in Deutschland einen Rentenanspruch, aber den muß man erst beanstragen. Dazu muß Asta den Kulturschock überwinden, die Sprache wiederfinden, sich in den Bus oder Zug nach Leipzig oder Berlin setzen und zuerst in ein Hotel und dann in ein ensprechendes Amt gehen.

Sie ist nicht dazu imstande, obwohl sie das könnte und die Asylwerber, die auf der anderen Seite stehen, werden vom Staat  gehindert, der lustig diskutiert, ob fünf Euro in der Stunde für den Hilfseinsatz nicht vielleicht viel zu viel für einen Asylsuchenden sind?

Am Ende, als sie schon beschloßen hat , doch wieder nach Nicuargua zurückzufliegen und sich dort mit einer eigenen kleinen Hilfsstation selbstständig zu machen, muß sie doch aufs Klo, diagnostiziert sichselbst einen Herzinfarkt oder Schlaganfall und liegt die Tasche mit den vorher im Duty free Shop eingekauften Zigarettenpäckchen am Boden:

“Asta schiebt sich ihre Umhängetasche unter den Kopf und die rechte Hand zwischen die Brüste, mit der linken umklammert sie die Duty-free-Tüte. Da sind noch neun Päckchen Camel drin, denkt sie, acht volle und eine angerissene, hundertneunsiebzig Zigaretten. Schade, daß ich die nicht mehr rauchen kann…”

Vielleicht irrt sie sich,  wird gefunden und in ein Krankenhaus gebracht, bekommt eine Rente und eine Sozialwohnung und das Leben, der verzweifelten Helferin geht noch zwanzig oder fünfundzwangig Jahre weiter. Von Burnout, Demenz oder Alzheimer war in anderen Besprechungen auch die Rede.

Wir wissen es nicht so genau, was ich weiß ist, daß das ein sehr beeindruckendes Buch ist, das genau mit dieser episodenhaften Erzählweise von dem Elend unseres Lebens ezrählt. Ein höchst gesellschaftskritischer Roman, der uns vielleicht dafür entschädigt, daß keines der Debutromane der jungen Flüchtlinge aus Saudiarabien oder  dem Iran, die in diesem Jahr erschienen sind, auf die lange Liste kamen.

Die Erziehung des Mannes

Ein Mann mit fünfundsechzig blickt zurück auf seine Leben, das kann doch nicht alles gewesen sein und das, ich bin noch nicht so weit, ist vorüber, jetzt sind die Kinder erwachsen, die ersten Beziehungen geschieden, die Jugendliebe wieder da, da Leben ist gelungen und das Todesdatum wird immer weiter hinausgeschoben.

Michael Kumpfmüllers “Die Erziehung des Mannes”, Buch vierzehn auf meiner Longleseliste, das ich schon in Leipzig auf dem blauen Sofa hörte, ich glaube beinahe zeitgleich mit Peter Stamms “Weit über das Land”, das als Buch achtzehn und vorläufig letztes der dBp-Bücher an die Reihe kommen wird, ist ein leises Buch, das Buch eines stillen Mannes, eines Zauderers und Sensiblen, der am Schluß doch noch alles auf die Reihe bringt oder solches zumindest von sich behauptet und wenn man von Michael Kumpfmüllers Geburtsdatum 1961 ausgeht, der Sohn eines Achtundsechziger, der in Zeiten studierte und sozialisiert wurde, wo es schon die Frauenbewegung gab und die Frauen sich emanzipierten, obwohl die Mutter den despotischen Vater noch fragen mußte, ob sie arbeiten gehen darf?

Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Im Ersten ist Georg Musikstudent und lebt seit sieben Jahren mit Kathrin zusammen, zu der er, was ich ungewöhnlich finde, keine sexuellen Beziehungen hat, als er Jule oder Julinka in einem Seminar kennenlernt.

Eine Beziehung zu ihr, die Lehramt studiert, entwickelt sich, die von Anfang an, ein wenig schiwerig ist, so betrügt sie ihn mit einem Arzt, will dann Kinder von ihm, vorher hat sie schon einmal abgetrieben und als Georg sie mit Sonja, einer Cellistin betrügt, wirft sie ihn hinaus. Da gibt es schon Kinder, die altkluge oder ebenso sensible Greta und, die um ein paar Jahre jüngeren Zwillinge.

Im zweiten Teil geht es zurück ins Elternhaus, zum despotischen Vater, der nie zu Hause ist, die Mutter ständig betrügt, als Abteilungsleiter im Unterrichtsministerium Entscheidungen trifft und obwohl er selbst für den Krieg zu jung war, die Kinder zu Anstand und Sitte erzieht, so muß der Sohn mit ein paar Büchern unterm Arm Mittagessen, und wenn die Kinder der Freunde beim Essen schmatzen, bekommen sie die Ohrfeigen, die Mutter steht daneben und kann sich nicht wehren. Die Schwester Ruth rebelliert und hat in der Pubertät grüne und blaue Haare, Georg ist der brave, entscheidet sich dann aber doch gegen des Vaters Willen in Freiburg Musik und nicht Jus zu studieren.

Im Teil drei lebt er mit Sonja, der die musikalische Karriere gelungen ist und die die meiste Zeit des Jahres auf Konzertreisen ist, es gibt den Rosenkrieg mit Jule, die die Kinder gegen den Vater ausspielt.

Die verbringen die Zeit abwechselnd bei beiden Eltern und werden dadurch überfordert, Greta fängt zu lügen und zu stehlen an, die Zwillinge gehen nicht mehr in die Schule, es muß etwas geändert werden. Jule hat Georg schon früher zu einer befreundeten Paartherapeutin geschleppt, mit der sie ihm dann gemeinsam sagt, was für ein Schuft er ist.

Sonja hält die Überforderung durch die Kinder nicht aus, das eigene hat sie verloren, verläßt ihn später und er bleibt zurück.

Die Kinder werden erwachsen, Greta studiert Mathematik und wird Lehrerin werden, Lotte wird Schauspielerin und bekommt ein Kind, Felix hört zu schreiben auf und Georg trifft nach einer Krise Therese wieder, mit der noch vor dem Abitur, die erste Beziehung hatte.

Jetzt zieht er mit ihr zusammen, der Kreis schließt sich und die männliche Sozilisation in Zeiten der Krisen und der Frauenbewegung ist abeschlossen.

In diesem Fall glücklich und erfüllt und Georg, seine Symphonien und Konzerte werden auch aufgeführt, hat sein Ziel erreicht.

In vielen anderen Fällen wird es anders sein und Michael Kumpfmüller, der, glaube ich, mit Eva Menasse zusammen ist oder war, ist ja noch zehn Jahre jünger, als sein Held,  hat ein leises Buch geschrieben, das viel über die Mittelschichtmänner, die Softies, die vielleicht von Nazivätern aufgezogen wurden und im Laufe ihres Leben ihre Träume und Iedalen verloren oder aber wiederfanden, beziehungsweise immer hatten, erzählt.

Unterschiedlich ist die Rezeption natürlich, Tobias Nazemi fühlt sich darin angesprochen, die Frauen haben dagegen  mehr Schwierigkeiten und sehen es anders und mir hat es eigentlich gefallen, obwohl ich am Anfang auch dachte, da passiert ja nichts und der gute Georg ist ein ziemlicher Zauderer.

Also ein interessantes Buch, das den Männern und den Frauen vor und nach der Midlifekrise sehr zu empfehlen ist.

Von Michael Kumpfmüller habe ich übrigens schon “Nachricht an alle” gelesen, das mir glaube ich, nicht so gefallen hat.

Das Pfingstwunder

Jetzt kommt Buch elf des bisherigen LL-Lesen und mein bisheriger Favorit, leider wird es das in der Realität nicht spielen, denn Sibylle Lewitscharoffs “Pfingstwunder” wurde ja nicht in die Shortlist aufgenommen, was ich sehr bedauere, denn es ein tolles Buch und vielleicht die perfekte Kombination zwischen U und E, beziehungsweise die Verbindung zwischen Realismus und abgehobenes Wortgeschwafel.

Letzteres vielleicht schon ein bißchen, denn die 1954 in Stuttgart geobrene Büchner-Preisträgerin, ist ja bekannt für ihre “verzwirbelte Sprache”, habe ich, glaube ich, auch irgendwo auf einen Blog gelesen und die hat sie wahrscheinlich auch in die Bredouille und um den Preis gebracht, denn zuerst, bei “Blumenberg” auf dem Sofa hieß es ja, “Ich hasse alle Selbstmörder!”, da habe ich mich gewundert und wußte noch nichts über die Biografie, dann auf der “Buch-Wien”, daß “Amazon” in die Hölle fahren oder nein, so hat sie es nicht ausgedrückt, da wäre ich schon ein wenig die “Pfingstwundersprache” und dann kam das mit den “Retortenkindern”, alle schrien pfui und Elke Heidenreich, sagte, glaube ich, etwas von einer “schwäbischen Hausfrau” und ich hab begriffen, daß jemand, der sich Tag für Tag mit der schönen Sprache mit den ausgefallenen Wortschöpfungen, um auf die langen Listen und die Preispodien zu kommen, beschäftigt, vielleicht die Unterscheidung, daß man sowas zwar, als Roman schreiben und alle schreien “Bravo!”, aber nicht auf einem Vortragspult sagen darf, verliert und das finde ich interessant, denn ich habe mich in der letzten Zeit, Zufall oder nicht, mit der guten Literatur geschäftigt und dann einige LL-Bücher gelesen, die von älteren Herren stammen, mal “Bücher-Preisträger,” mal nicht, die mit ihren letzten Lieben nach Italien fuhren oder sogar, weiterer Zufall sich auf einen Kongreß begaben. Da ging es zwar um Jean Paul und in den Himmel ist auch niemand gefahren, obwohl der Titel es ja angekündigt hätte, aber ich habe mich bei der “Rauschzeit”  eher gelangweilt, wo auf fünfhundet Seiten diskutiert wird, daß einer seine Jugendliebe trifft und der andere in die Oper geht.

Ist das gute Literatur, die berührt und was Neues bietet? Bezüglich der Sprache wahrscheinlich schon und konstrueirt waren die Bücher auch sehr und ich war bisher kein Lewitscharoff-Fan, das möchte ich ausdrücklich betonen, kann man auch im Blog nachlesen.

Beim “Bachmannpreis” bin ich auf sie gestoßen, dann habe ich “Montgomery” beim Bücherturm bei “Literatur im März” gefunden und nicht verstanden, weil zu abgehoben, zu kompliziert, eh schon wissen, bei “Apostoloff” mit dem sie, glaube ich, in Leipzig auf der Liste war oder auch gewonnen hat, war es ähnlich, “Blumenberg” habe ich, das war schon nach der Aufregung im letzten Jahr gelesen und jetzt waren es zuerst die Verisse und die Blogger, die schrieben “Ich hoffe doch, daß sie nicht auf die Shortlist kommt!”

Sie ist nicht gekommen und ich habe das Buch noch davor am Dienstag Morgen zu lesen begonnen, nicht das Buch selbst, “Suhrkamp” hat mir ja die “Fahnen”, also ein breites Skriptum, auf das man herrlich Notizen machen kann, geschickt und war eigentlich sofort begeistert, ob es daran lag, daß ich mich in diesem Sommer auch ganz zufällig mit dem “Tod des Vergils” beschäftigt habe, weiß ich nicht, denn es ist leicht zu lesen und, ich glaube, es ist ihr auch das Kunststück gelungen, endlich einmal aus der “Fadiness” der schönen Worte und den abgehobenen Sphären, was ich ja bei den “Witwen” ein bisschen bedauert habe, wo ja auch ein Philosoph mit einem altmodischen Namen mit vier angeblichen Witwen auf Reisen geht und am Cover prangt ein barockes Fotos, herauszukommen.

Gut, Lewitscharoffs Held heißt auch Gottlieb und hat eine Universitätsprofessorenkarriere hinter sich, er ist Dante- Forscher und hat sich, als solcher Anno 2013 zu Pfingsten nach Rom auf den Aventin begeben, um mit dreiunddreißig anderen Dante-Forschern, die “Göttliche Kommödie” zu diskutieren.

Eh schon wissen und sehr abgehoben, könnte man jetzt sagen und was fange ich damit Anno 2016 angesichts der Flüchtlingskrise und “Brexit-Katastrophen” an? Das interessiert mich ja nicht und vielleicht verstehe ich es auch nicht besonders, denn mit meiner Hauptschuldbildung habe ich die “Divina Commedia” ja nicht intus oder ich will umgekehrt beim Longlistlesen nur die hehren Inhalte und die schöne Sprache haben und von der bösen rauhen Welt da draußen nichts wissen, sondern abschalten und entspannen?

Weit gefehlt, denn der Held taumelt zu Beginn durch seine Frankfurter Wohnung, fragt sich, wie er heißt und, ob er nicht etwa wahnsinnig ist, denn, das was da in Rom im Saal der Malteser geschehehn ist, kann er keinen erklären, daß da dreiunddreißig Forscher und drei Leute vom Personal auf einmal aufgesprungen sind, sich wie toll gebärdeten,  aus dem Fenster sprangen und gegen Himmel fuhren.

Ich würde sagen, Sibylle Lewitscharoff macht sich gehörig über all das lustig, tut es in einer sehr zerzwirbelten Sprache und wir bekommen ein Dante-Seminar dabei geliefert, das hat ja Herbert, einer der offiziellen Bücherblogger an dem Buch bemängelt, daß man nachher zwar alles über die “Göttliche Komödie” weiß, aber keinen Roman gelesen hat.

Dem würde ich entgegenhalten, obwohl ich ihm den Preis, den er angeblich schon hat, von Herzen wünsche, daß das bei Thomas Melle ganz genauso ist und noch viel mehr, denn das “Pfingstwunder” ist, glaube ich eindeutig ein Roman, ein solcher, wie “Die Witwen”, “Rauschzeit” und “Widerfahrnis”, obwohl da ja “Novelle” draufsteht.

Es ist einer, den die Kritiker vielleicht ein wenig kitschig nennen, denn ein Pfingstwunder gibt es nicht und ich denke, wenn die angehenden Psychiater und Psychologiestudenten “Die Welt im Rücken” lesen sollen, dann sollen, das die Germanistik- und vergleichenden Literaturwissenschaftsstudtendten, sowie die Gymnasiasten auch mit dem “Pfingstwunder” tun und das Neue, was mich vielleicht zwar nicht unbedingt berührte, aber doch erstaunen und aufhorchen ließ, ist die Verbindung mit der Realität.

Denn Gottlieb Elsheimer kommt nach alldem, den Verhören durch die Polizei, etcetera, nach Hause, rennt schlaflos in seiner Wohnung herum, geht am Abend zum Italiener essen, betrinkt sich, während er all das aufzuschreiben beginnt,  hat dann nur mehr Zwiback im Haus, weil er auf das Einkaufen vergißt und fragt sich natürlich auch die berühmte Frage, wieso ausgerechnet er zurückgeblieben ist?

Ja, Bezüge zu Primo Levi und dem Holocaust gibt es auch, fragt sich, ob er jemals wieder unterrichten kann und höre und staune, vor allem die, die ja beklagen, daß sich die heurige Longlist sowenig mit der Flüchtlingsfrage beschäftigt, und diese Romane ausgelassen hat, ob er nicht vielleicht einen syrischen Flüchtling, vielleicht auch eine Frau mit Kind, ja auch das, denn Elsheimer ist  ein Mann mit vielleicht “lüsternen Begierden” in seine große Wohnung aufnehmen soll?

Läßt das aber, denn es würde an der Sprache scheitern und der Flüchtling würde ihn vielleicht stören, Gedanken die wir wohl alle haben, die meisten vielleicht nicht einmal so weit kommen und dann erfahren wir noch viel über Dante, Vergil, die göttliche Kommödie und und und…

Sibylle Lewtscharoff schreibt in ihrer Danksagung noch, daß sie das Buch einem Stipedienaufenthalt in der “Villa Massimo verdankt und dort auch in dem Saal der Malteser auf dem Aventin gelesen hat.

Interessant ist auch, daß ihr der Österreicher Klaus Zeyringer die Übersetzung ins Wienerische und ins Steirische machte, denn das Buch ist ja vielsprachig und vielschichtig und es ist bis jetzt mein Preisfavorit, denn mein zweites Shortlist-Buch ist, was jetzt auch die Kritiker erkennen, kein Roman, obwohl ich Thomas Melle den Preis wünsche und vergönne, wenn ihn schon Sibylle Lewitscharoff nicht bekommen kann und jetzt nach einer kurzen LL-Pause weiterschauen, wie es mit den neun anderen LL-Büchern steht, von denen sieben ja noch in meinem Badezimmer auf das Lesen warten?

Rauschzeit

Nun Buch zehn und das ist ein Flop, könnte man so flapsig bloggen, nein, tue ich natürlich nicht, denn der 1954  in Meßkirch geborene Arnold Stadler hat ja den “Büchner-Preis” bekommen und sein Name verfolgt mich schon seit einiger Zeit mit dem Geruch von Ansehen und Reputation, ich hab ihn, glaube ich, auch einmal bei “Rund um die Burg” gehört, mit Alex Steger verwechselt, ja meine legasthene Ader, die meine Leser zur Verzweiflung bringt und mich manchmal auch ein t vergessen läßt. Der “hinreißende Schrotthändler” steht noch auf der heurigen Leseliste und ich werde ihn höchstwahrscheinlich nicht mehr schaffen, denn mein zehnten LL “Rauschzeit” ist elendslang.

Fünfhundertvierzig Seiten, dabei könnte man das, was darin geschieht auf einer Seite zusammenfassen. Der Klappentext tut das auch und eigentlich hätte man dann schon alles gelesen und was den “Titel” betrifft, so habe ich ihn, glaube ich, nicht ganz verstanden, denn mich haben die zwei Tage von Mausi und Alain eher gelangweilt, als in einen Rausch versetzt und mir gedacht, das kenne ich doch alles schon, einiges, weil ja auch in den Fünfzigerjahren geboren und in den Siebzigern studiert, habe ich auch selbst erlebt, nicht alles natürlich, denn das, was da vielleicht auf die SL kommt, würde Tobias Nazemi wahrscheinlich als “Altherrenprosa” bezeichnen und vielleicht auch aufstöhnen, nicht schon wieder dasselbe von der der Liebe und dem Tod und zu lang ist es außerdem.

Also es geht um das Glück, das hat die jüngere Anna Weidenholzer viel kürzer zusammengebracht, sie hat aber auch noch nicht soviel Lebenserfahrung und um zwei Tage im Juni 2014 eines mittelalten Ehepaars. Sie sind vierzig und reden schon vom Sterben, da setze ich als über Sechzigjährige etwas aus, aber Arnold Stadler ist ja auch nicht viel jünger und bei “Amazon” hat einer entdeckt, das manches, was in dem Buch vorkommt, erst zwei Jahre später geschehen ist.

Alain und Mausi, die eigentlich Irene heißt, sind ein mittelaltes, intellektuelles Mittelschichtehepaar, wohnen in Berlin und er, Alain fährt auf einen Übersetzerkongreß nach Köln, sie soll mit Freunden in die Oper “Toska”, eine “Folteroper”, wie Stadler lang ausführt, gehen.

Das wäre es eigentlich schon, nun ja die Spannung und die Handlung, er trifft dort eine Jugendliebe wieder, die ihm 1983 bei einem gemeinsamen Meeresaufenthalt, der damaligen Clique mit einem Mann davon gefahren ist, sie trifft einen Dänen in der Oper und bleibt eine Nacht lang wach und betrinkt sich, um seine Telefonnummer zu erfahren.

So weit, so what und eigentlich schon alles, weil man ja auch nicht spoilern soll.

Auf den fünfhundertfünfzig Seiten und den sechs Teilen, die meistens abwechselnd Kapitelüberschriften, wie Mausi und Alain tragen und dann gibt es noch einen zweihundert Seiten Teil, wo Alain von seinem Leben erzählt, passiert trotzdem noch sehr viel, es gibt aber auch sehr viele fast Bernhardsche Wiederholungen, vom World War I und II wird erzählt,  es ist auch eine deutsch französische Freundschaft oder Familie und die Paare, die sich auseinandergelebt haben, so leben Mausi und Alain in zwei Wohnungen mit Verbindungstür nebeneinander, ja die Mittelschicht kann es sich leisten, sind auch familiär verbunden, so tauchen überall Tanten und Erbschaften auf.

Es geht nicht nur, um das Glück sondern auch um den Tod, so hat sich Elfi, eine Freundin aus der damaligen Clique auch umgebracht und die Vierzigjährigen reden schon alle übers Sterben, haben Patientenverfügungen, die Arnold Stadler seltsamerweise irgendwie mit Sterbehilfe und “Dignitas” in Verbindung bringt oder ist das Ironie?

Aber ein Longlistenbuch sollte schon fachlich stimmen und nicht vielleicht Voruteile und Ängst schüren und verstärken. Gibt es jetzt gar nichts Postives an dem Buch, von dem ich mich wundere, daß es auf der LL steht, weil es mich nicht sehr berührte und auch nicht viel Neues bietet, was ich bei der anderen  Dichter-Altherrenclique nicht schon gelesen hätte?

Doch natürlich, die schöne Sprache, deshalb ist es ja wahrscheinlich auch darauf, in der es immer wieder schöne Sätze und poetische Neuwendungen gibt.

Ich habe also endlich mal einen Arnold Stadler gelesen, freue mich auf den “Schrotthändler” und mache mit Sibylle Lewitscharoff weiter. Die Halbzeit ist beendet und die Shortlist steht ja auch schon fest.

Die Verteidigung des Paradieses

Buch neun der LL, ist eines von den dickeren, bis jetzt waren es ja eher dünne, die ich gelesen habe, aber jetzt kommen die umfangreicheren an die Reihe und es ist ein Abenteuerroman.

Das steht zwar auch auf den “Witwen”, aber dieser ist ein richtiger, ein Weltuntergangsroman, wahrschein auch ein Sci Fi und meiner Meinung nach, eher etwas für solcherart begeisterte Jugedliche, um auf die LLzu kommen, bedarf es aber wahrscheinlich des philosophischen Hintergrunds und so steht das auch am Buchrücken und der 1977 geborene, in Augsburg lebende Thomas von Steinaecker ist ein mir bis dato eher unbekannter Autor, mag sein, daß ich schon einmal den Namen hörte, aber sonst nicht viel.

Um was geht es, um die Fortsetzung von Heinz Helles “Eigentlich müßten wir tanzen” könnte man unken, jedenfalls heißt der Held auch Heinz und möchte ein guter Mensch werden.

Aber ist er das überhaupt?, steht, glaube ich, als Frage auf dem Klappentext und es passiert sehr viel in dem  vierhundertsechs Seiten Buch.

Zuerst geht es in ein Kinderzimmer oder in eine Erinnerung, an die Zeit, wo der kleine Heinzi des Nachts aufwachte und sich aus dem Kühlschrank was zum Trinken holte.

Dann kommt ein Schnitt oder es geht elf Jahre später los auf einer Alm. Da feiert Heinzi seinen fünzehnten Geburtstag. Die Katastrophe hat stattgefunden und Heinzi lebt mit seinem elektronischen Kuscheltier, das Ganze dürfte in der Zukunft spielen mit fünf weiteren Überlebenden und einigen Affen dort und ist sauer, weil sie seinen Geburtstag vergessen haben.

Dem ist nicht ganz so, denn Cornelius der “welteste Leader,” wie es im Neudeutsch heußt, während sich Heinz  an die “Vountergangssprache” zu erinnern versucht, schenkt ihm am Abend ein paar bunte Hefte und gibt ihm den Auftrag, die Geschichte aufzuschreiben, denn Heinz hat auch einen sonderbaren Chip und kann die  die berühmten Romananfänge rezitieren, während ihm sein elektronisches Haustier Märchen erzählt.

Dann kommt die nächste Katastrophe, die Schleusen brechen, der Fluß trockenet aus und sie müßen das, was ein bißchen an die “Wand” erinnert, verlassen.

Fliehen über die ehemalige Autobahn, treffen auf Leichen, es gibt also doch Überlebende, Mutanten und Plünderer und  Jorden, ein ehemaliger Berufssoldat, schießt alles nieder, was ihm in den Weg kommt.

Anne, die demenzkranke Krankenschwester verläßt die Gruppe, während Özlem auf der Alf ein Baby geboren hat, das sie auch mitschleppen.

Sie kommen in eine Art ehemaliger Zirkus, wollen auf ein Schiff nach Frankreich, das sich als eine Falle erweist. Die Toys erproben aber den Aufstand und erretten ihre Meister. Nun bleibt auch Cornelius zurück und wird  von den anderen aufgefressen, Özlem wird geopfert, Heinz kümmert sich um die kleine Xiwang.

Verliert auch sie und landet in seinem letzten gelben Heft in Paris in einem Kloster, das sich in einem Hochhaus befindet, wo er, glaube ich, siebenundachtzig Jahre später stirbt.

Er war auch noch ein Klon, der zum Schriftsteller bestimmt war, nur das Programm funktionierte nicht so ganz, so daß seine Aufzeichnungen, die er in den schwarzen, gelben und was auch immer Heften, nicht, den Erwartungen der Leser entspricht, wie Anita, seine Betreuerin vorsichtig andeutet und ich bin auch  ein bißchen erstaunt über die Bandbreite der heurigen Longlist und eigentlich ist das Buch, die “Philosophie über den Sinn des Lebens”, auch ein bißchen eine Fälschung oder ein Fake, wie man so sagt, denn einen eigentlichen Weltuntergang hat es ja nicht gegeben, aber viele andere Sachen und  Ebenen und das alles kunterbunt durcheinandergemacht, so daß man genug darüber zu diskutieren hat.

Ob der Kannibalismus und die Freigabe zur Vergewaltigungs beispielsweise unbedingt notwendig war oder eben vorkommt, weil es für die spannende Haltung nötig war?

Aber die letzte LL war auch breit gefächert, bin neugierig, ob das Buch auf die Shortlist kommt, am Dienstag werden wir es  wissen.

Auf den anderen Blogs ist von dem Buch, das über eine ganze Bandbreite von Stilen verfügt, Denglisch ist die Umgangssprache und es gibt sogar Zeichnungen und die berühmte “Pfandbriefwerbung” aus der “Rororo-Reihe” in Sci Fi- Mutierung darin, noch nicht viel zu lesen.

Ich bin wahrscheinlich nicht die richtige Schience Fiction  und Weltuntergangsleserin, aber Abwechslung muß sein und einige jüngere Leser werden von dem Buch vielleicht auch begeistert sein.

Widerfahrnis

Buch sieben meiner aktuellen Longlistenlektüre, Bodo Kirchhoffs “Widerfahrnis”, macht mich ein wenig ratlos, habe ich doch zuerst die Besprechung von Tobias Nazemi und Marina Büttner gelesen und die haben, vielleicht nicht etwas anderes gelesen, aber jeweils nur einen Teil beschrieben und vielleicht auch andere Empfindungen gehabt.

Es ist also, um es vorweg zu nehmen, ein sehr vielschichtiges Buch und der 1948 geborene Bodo Kirchhoff, von dem ich einmal, lang lang ists her und noch keine Blogerfahrung, den “Schundroman” gelesen habe, ist sicherlich ein Routinier.

Tobias Nazemi spricht von der Altmodischheit, die ihm, ein Kirchhoff Fan, an dem Buch stören würde, die ist mir bei den “Witwen” eigentlich viel mehr aufgefallen.

Ich habe das Buch ähnlich, vielleicht ärger oder auch anders konstruiert, wie das von Hans Platzgumer empfunden und seltsam in beiden Büchern gibt es ein gefundenes Kind und Marina Büttner schreibt, ein anderer hätte aus diesem Buch etwas Kitschiges gemacht. Ich habe es zum Teil kitschig gefunden, am Schluß dann wieder nicht, da kam dann schon die Ratlosigkeit und die Flüchtlingsfrage, die Marina Büttner etwas störte, stört mich ja nicht so sehr, wenn ich mir jetzt auch nicht wieder sicher bin, ob diese Begegnungen mit den Flüchtlingen, die der Julius Reither und die Leonie Palm da machen, sich nicht überhaupt nur in der Phantasie abspielen?

Oh ja, natürlich, denn es ist ja, kein Roman, sondern, wie betont, am Anfang steht, eine Novelle und Julius Reither, ich würde ihn mehr gegen siebzig als sechzig schätzen, ist ein ehemaliger Verleger.

“Aus der Zeit gefallen”, schreibt, Tobias Nazemi, nun Bodo Kirchhoff ist auch bald siebzig und das seltsame Wort “Widerfahrnis” kommt von widerfahren, also erleben und nun bleibt noch zu klären, ob das Ganze ein Liebesroman, eine Liebesgeschichte ist?

Nun ja, natürlich, aber vermutlich mehr ein Lebensbericht und weil der Julius Reither ja mal ein Verleger und Kleinbuchhändler war, erzählt er sich diese auch selber:

“Die Geschichte, die ihm  noch immer das Herz zerreißt, wie man sagt, auch wenn er es nicht sagen würde, nur hier ausnahmsweise, womit hätte er sie begonnen”, beispielsweise oder auch “Kein Erzähler hat gleich seinen Fuß in einer Geschichte…”

Da ist also Julius Reither, der seinen Verlag verkauft hat und sich, in eine vermutliche Seniorenanlage, auch wenn das nicht so genannt wird, zurückzieht, “weil die Leute ja mehr schreiben, als lesen”, Achtung Ironie, würde ich hier anmerken, man könnte auch sagen, er ist in Pension gegangen und jetzt sitzt er da in seiner Wohnung, trinkt Rotwein, raucht Zigaretten und hört am Gang Geräusche.

Es ist Leonie Palm, ein paar Jahre jünger als er, eine ehemalige Hutmacherin, die ihr Geschäft verkaufte, “weil die Leute keine Hutgesichter mehr haben” und jetzt auch in der Anlage wohnt und dann gibt es noch ein Buch, ein kleines Böses, ein BoD, selbstgemachtes wahrscheinlich, ohne Titel von einer Ines Wolken, sicherlich ein Pseudonym, geschrieben, das Reither vorhin in der Bibliothek gefunden hat.

Es stellt sich bald heraus Leonie hat es geschrieben, es handelt von einer Frau, die ihre Tochter verloren hat. Das hat Leonie so erlebt und Reither wurde von seiner Frau verlassen, als sie schwanger war und beide das Kind abtreiben wollten.

Leonie will etwas von Reither, am nächsten Tag will sie es mit ihm besprechen, fängt sie an, was damit endet, daß die beiden, um oder nach Mitternacht aufbrechen, die beiden ausländischen Frauen, die den Empfang während der Nacht betreuen, helfen noch beim Schneeabschaufeln von Leonies Auto, Reither hat keines mehr und sie wollen zum Achensee hinauffahren, den Sonnenaufgang beobachten.

Sie fahren und fahren, die Nacht durch und gelangen nach Sizilien, dort gehen sie endlich in ein Privatquartier und treffen  auf ein stummes Flüchtlingsmädchen, hat das Bodo Kirchhoff von Michael Köhlmeier oder umgekehrt oder ist das den beiden getrennt voneinander eingefallen, weil die Flücnhtlingsfrage momentan so aktuell ist und sich jeder renomierte Autor damit beschäftigen will, was Marina Büttner etwas stört?

Eine Szene hat das Buch, die mich sehr beeindruckt hat, Leonie ist kinderlieb, wohl wegen des Schicksals, des Selbstmordes ihrer Tochter und so laden sie das Kind mit dem zerfetzten Kleid zum Essen in ein Restaurant ein. Der Wirt scheucht es weg.

“Es gehört zu uns!”, sagt Reither, so serviert der Wirt die Sardinen und das Cola, holt aber die Polizei und die Kleine läuft weg.

Sie kommt aber wieder, schläft in der Wohnung und Leonie will sie genauso, wie Platzgumers Erzähler mit seiner Elena mitnehmen und über die Grenze bringen. Das scheitert schon am Polizeiaufgebot bei der Fähre. Es kommt zu einer Auseinandersetzung, Reither wird an der Hand verletzt, Leonie und das Kind verschwinden, er fährt alleine weiter, kauft sich Rotwein, kann ihn mit seiner Verletzung nicht öffnen und blutet immer weiter, bis ein Afrikaner zu ihm kommt und “Can I help you, men?”, fragt.

Er trifft dann Leonie wieder ohne dem geheimnisvollen Kind, tauscht mit ihr das Auto gegen seine Lieblingsjacke, der Afrikaner chauffiert ihm heim und nun “bliebe nur noch zu erklären, womit die Geschichte, die ihm noch immer das Herz zerriß, enden sollte?”

“Bodo Kirchhoff erzählt in seiner Novelle “Widerfahrnis” die Parabel von einem doppelten Sturz”, steht noch am Buchrücken und dem kann ich mich anschließen und würde vielleicht noch ein paar Ebenen dazu legen.

So wunderschön, wie die anderen Rezensenten schreiben, habe ich das Buch wahrscheinlich nicht empfunden, mich stört ja, wie gesagt, das allzu Routinierte und da ist wahrscheinlich wieder einer, der sehr gekonnt mit der Schreiberfahrnis seines Lebens spielt und auch ein bißchen überheblich dabei wirkt.

Bin aber gespannt, ob es auf die Shortlist kommt. Der Platzgumer und er hätten von den von mir bis jetzt gelesenen Büchern, wohl die meisten Chancen, würde ich vermuten, aber jetzt kommt Thomas Melles Bericht über seine bipolare Depression an die Reihe, ein Thema, das mich ja sehr interessiert und Tobias Nazemi hat es schon, als sein Siegerbuch erklärt, ich bin also sehr gespannt.

Die Witwen

Buch vier ist Dagmar Leupolds “Witwen”, die, 2013 schon einmal auf der Longlist stand und von der ich mir einmal bei einem der Ein-Euro-Abverkäufe der “Buchlandung”, “Eden Plaza” aus den Regalen zog.

Das hab ich noch nicht gelesen, habe ich ja viel zu viele Bücher und von Dagmar Leupold, die auf den Blogs sehr gelobt wird, ebenfalls noch nichts.

Das hat sich jetzt geändert und ich muß sagen, es ist ein schönes Buch, ein wenig altmodisch vielleicht, da habe ich ja gerade bei Tobias Nazemi gelesen, daß er das bei Bodo Kirchhoff so empfindet, das, als überübernächstes LdBp-Buch an die Reihe kommen wird, bei Dagmar Leupold würde ich die Sprache und den Stil so empfinden, obwohl die Handlung eigentlich sehr modern und da auch sehr originell ist, wie ich finde.

Nur das Cover, eine nacke Frau aus einem sicher sehr berühmten barocken Bild, ist furchtbar, zum Glück sieht man das bei den PDF-s ja nicht. Und jetzt hinein in das sprachliche Vergnügen, denn das ist die, 1955 in Niederlahnstein geborenen Autorin, es ist also auch mein erstes deutsches LL-Buch, eine Sprachkünstlerin. Sie hat es aber mehr mit den Wortschöpfungen, formt die Mehrzahl von “Vagina”, heißt das jetzt “Vaginas” oder “Vaginen”, sinniert über das Wort “Fremdenzimmer” nach, “Scheusal” kommt von “scheu”, denn “Sprache schafft Fakten” und die Witwen sind auch gar keine, sondern vier Frauen über fünfzig.

Penny, Dodo, Laura, Beatrice und von denen hat nur Penny einmal einen Mann gehabt, den Winzter Otto, hat ihren Odysseus, den sie von Berlin nach Steinbronn an die Mosel folgte, vor acht Jahren verloren.

Da ist er von einer seiner Reisen einfach nicht mehr zurückgekommen. Se weigert sich aber, ihn für tot zu erklären, sondern bezieht jedes Monat oder Woche auch seine Doppelbetthälte frisch, ansonst arbeitet, die ausgebildetete Lehrerin im Wirtshaus der Schwiegermutter, zieht den Sohn Bert groß und ihre drei Freundinnen sind nach und nach auch nach Steinbronn nachgekommen.

Dorothea, die kräftige, ist Gärtnerin und hat Trauerränder unter den Fingern, Beatrice Jogalerherin und Feldenkreistrainerin und die schöne Laura hat sich von der Maskenbildnerin zur Logopädin umschulen lassen, um in dem Städtchen was zu verdienen, das finde ich das Moderne an dem Abenteuerroman, wie der Untertitel lautet.

Einen Bendix, die Abkürzung von Benedikt git es auch, der hinkt und stottert, das ist vielleicht wieder ein wenig klischheehaft überhöht, ist Privatgelehrter, schreibt Briefe an seinen Freund Friedrich und hält sich ein Auqarium, wo die Fische Namen, wie Nietzsche, Kant oder Arends tragen.

Auch ein wenig abgehoben, er hat aber im Gegensatz zu den vier Frauen einen Führerschein und so meldet er sich, als die beschließen, den September einmal nicht der Weinlese, den Patienten oder der Gärtnerei zu widmen, sondern sich einen Chauffeur für eine Abenteuerreise zu mieten und fährt mit den Frauen los.

Dodos Hund Zwiebel wird Pennys Sohn Bert übergeben. Sie fahren von Trier nach Schengen und stranden dann in der ersten Weltkrieg- Gedenkstätte in Hartmannswillerkopf wo wir vor zwei Jahren waren.

Das Auto, ausgerechnet ein Fiat Ulysse, hat eine Panne und so erzählen sich die vier Frauen und ihrem Chauffeur ihre Liebesgeschichten.

Beatrice hatte, bevor sie nach Steinbronn übersiedelte, ein jahrelanges Verhältnis mit einem verheirateten italienischen Banker. Dodos Vater ist einen Tag nach ihrerm Geburtstag verstorben, so daß die Mutter einen Kater mit dem Namen Erwin kaufte, wie der Vater hieß und und Laura die schöne, die für eine Tanzausbildung trainiert wurde, gesteht den Freundinnen, sie hat nie geliebt, nachdem sie mit ihrem Fahrlehrer, sie war offenbar die einzige der vier, die den Versuch einer Führerscheinausbildung machte, in einem Hotelzimmer gestrandet ist, dann flog sie durch die Prüfung, trat nie wieder an und kam auch nach Steinbronn.

Inzwischen fahren die fünf mit einem Bus, der, der eine Schulgruppe zur Gedenkstättte brachte in ein Hotel, am nächsten Morgen kommt der Pannendient. Dazwischen folgt noch Pennys Geschichte von ihrem verlorenen Odysseus und einer Polenreise, die schuld daran hat, daß sie jetzt sehr zum Leidwesen ihrer Schwiergermutter an der VHS einen Polnischkurs belegt.

Der Pannendienst reapariert das Auto.

“Wohin wollen wir fahren?”, fragt Bendix.

“Ans Meer?”, antworten die vier und das Buch endet in Steinbronn, wo Bert den Hund Zwiebel versorgt und die Schwiegermutter bei einem ihrer Saisonarbeiter, den verschollenen Sohn zu erkennen glaubt.

Werden die Frauen zurückkommen, lautet die Abschlußfrage und meine Antwort ist, daß ich auf Dagmar Leupold neugierig wurde und mir das Buch trotz, der etwas künstlichen Altmodischkeit bis jetzt am besten gefallen hat, denn es hat trotz Odysseus, Penelope, Kant und Hegel auch einige sehr moderne Elemente und die gefallen mir ja immer sehr.

Frau Sartoris

“Das ist Prosa, die mich in höchstem Maße fasziniert (…) Ich empfehle dieses Buch  voll und ganz”, sagte Marcel Reich-Ranicki im “Literarischen Quartett” über Elke Schmitters 2000 erschienenen Debutroman.

“Emma Bovary” wird  am Buchrücken meines dtv-aschenbüchleins, ein Fund aus dem offenen Bücherschrank, auch erwähnt und ich kann, während des vierzigsten Bachmannpreises wieder einmal nachvollziehen, was die Kritiker für große Literatur halten.

Das Buch, der 1961 in Krefeld geborenen Autorin und  Journalistin, die auch einmal bei der Buch-Wien Gastschreiberin  und bei “Mimikry” Gastgeberin war, hat mir, um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen,  gut gefallen, wenn es  mir auch manchmal etwas konstruiert erschien.

Ein moderner Ehebruchroman, nach Effie Briest und Madame Bovary könnte man in etwa sagen oder auch nicht, denn irgendwie ist es auch ganz anders und so modern ist der Roman auch gar nicht, ist Frau Sartoris Mann Ernst doch ein Kriegsversehrter und so dürfte der Roman, wenn die Helden zwischen vierzig und fünfzig ist, in den Sechziger- oder frühen Siebzigerjahren spielen.

In kurzen, nicht chronolisch zusammenhängenden Abschnitten, erzählt die Ich Erzählerin ihr Leben, das in einer deutschen, L., genannten Kleinstadt spielt.

Es gibt eine Rahmenhandlung, so beginnt es mit dem Alkoholkonsum der Heldin, die von ihrem Mann und der Schwiegermutter zu einem Neurologen oder Psychiater geschickt wird. Dann geht es in die Kindheit und in die erste Liebe, einen Philip, der sie, weil aus besseren Verhältnissen, verlassen hat.

Da hörte sie auf zu sprechen, war einige Zeit in einem Sanatorium, dann kam sie heraus und heiratete aus Trotz oder Rache den kriegsversehrten Ernst, noch bevor Philip seine Braut aus besseren Kreisen ehelichte.

Das Paar lebt mit der Schwiegermutter namens Irmi zusammen und Frau Sartoris, hat sie einen Vornamen?, liebt ihn nicht, bekommt ein Kind namens Daniela, zu dem sie auch keine Beziehung aufbaut und sogar im Kreißsaal, die Hebamme fragt, ob das keine Verwechslung ist?

Sie arbeitet in einem Büro, bezieht mit Ernst und Irmi ein Reihenhäuschen, es gibt Skatabende und auch Kulturveranstaltungen. Bei einer solchen lernt sie den örtlichen Kulturamtsleiter kennen, verliebt sich in ihn oder läßt sich von ihm verführen und eine wilde Zeit, immer ein paar abgestohlenene Stunden in einem Hotel in den benachtbarten größeren Städten mit Sekt und Dessous im Kerzenschein beginnt. Einmal treiben sie es sogar im Museum in einer Kutsche, während draußen die Besucher vorbeimarschieren und überlegen, ob sie nicht die Kutsche von innen besichtigen sollen?

Man sieht, Elke Schmitters ist sehr orginell und dann tauchen immer wieder Passagen auf, die von einer Fahrerflucht und einem niedergefahrenen Toten handeln und zuerst ist man verwirrt und sieht keinen Zusammenhang.

Denn Daniela ist einmal dreizehn, dann wieder achtzehn, steht kurz vor ihrem Abitur oder fährt danach auf Klassenreise nach Tirol. Vorher kommt sie nächtelang nicht nach Haus, Frau Sartoris aber auch nicht, so daß Ernst schon mißtrauisch wird und von einer Flucht in ein neues Leben schwärmen die Beiden, Frau Sartoris und der Kulturamtsleiter, der eigentlich Theaterwissenschaftler ist, auch.

So packt sie ihre Koffer, steht nachts um zwei auf, schreibt Ernst einen Abschiedsbrief, setzt sich ins Auto, fährt an eine Tankstelle bei der Autobahn, wo ihr später dann die Tankwartin erzählt, daß sich die Polizei bei ihr wegen der Fahrerflucht erkundigt hat und wartet auf ihren Michael, um mit ihm nach Venedig zu fahren, der aber nicht kommt.

Sie wartet zwei Stunden, dann fährt sie zurück, sieht Licht im Haus. Ernst sitzt in der Küche und hat den Abschiedsbrief aufgemacht.

Das Leben geht weiter, Michael nicht ans Telefon, Ernst beginnt sie zu demütigen und ihre Unterwäsche in den Mistkübel zu schmeißen, sie fängt zu trinken an und findet beim Psychiater, eine Freundin namens Renate mit der sie  auf Partnersuche geht.

Das heißt Renate sucht einen Mann, sie sitzt dabei und sieht auf einmal Daniela im aufreizenden Kleidchen mit einem stadtbekannten Bordellbesitzer, die Bar betreten. Sie macht ihm Vorhaltungen, da Daniela noch nicht volljährig ist. Er lacht sie aus, die Tochter tut das auch und später kommt die Poliztei zu ihr, denn der Überfahrene ist natürlich der Bordellbesitzer und die Polizei hat Danielas Nacktfotos, sie posiert in Hundestellung und mit Stofftierchen im Mund, gefunden und  soll aussagen.

Überfahren hat ihn aber Frau Sartoris aus Rache an ihm oder an allen Männer, die Frauen das verführen und sie dann verlassen.

“So war das!”, lautet der letzte Satz, der in diesen Fall auch erstaunlich ist, des Romans “über eine Ehebrecherin aus der deutschen Provinz”, wie auch noch am Buchrücken steht.

Eigentlich ein Heiratsantrag

Geschichten von Jagoda Marinic, die ich mir einmal mit einem Stoß anderer Taschenbücher gekauft habe, als es bei der “Buchlandung” einen Abverkauf von Ein Euro Bücher, viele “Suhrkamp-TB-Bändchen” dabei, gegeben hat und ich kaufe mir ja gerne Bücher von Autoren, deren Namen ich kenne.

Den von der 1977 in Wablingen geborenen Autorin kannte ich, hat sie ja 2007 beim Bachmannpreis gelesen.

Also ist das Büchlein zu mir gekommen, auf mein Regal gewandert, dann habe ich es auch auf meine Leseliste geschrieben und nicht gelesen, denn erstens habe ich ja schon so viele Bücher, zweitens lese ich nicht so gern Geschichten und dann kam der Alfred und brachte mir für den Urlaub die “Gebrauchsanweisung für Kroatien” von Jagoda Marinic, die  die Tochter von dalmatinischen Einwanderern ist und ich war ja auf der Suche von Bücher von kroatischen Autoren für meinen Urlaub.

Bei Jagoda Marinic trifft das zwar nicht ganz zu, wurde sie ja in Deutschland geboren und hat sicher die Staatsbürgerschaft, weil ich aber nicht ganz sicher war, wieviel ich im Urlaub lese und das Buch ja hatte, packte ich es  ein und  habe es gelesen.

Gleich als erstes noch in Leibnitz angefangen, weil ich da  noch nichts über Kroatien lesen wollte und war sehr beeindruckt über den frischen, beziehungsweise poetischen Ton der Autorin, die sehr seltsame und auch nicht so leicht verständliche Geschichten scheibt.

In der Beschreibung steht etwas von “Irrungen und Wirrungen” und  “die seltsamen Wege der Liebe und Begegnungen voller Zauber, die oft in Fluchten münden.”

“Fast ein Heiratsantrag”, ist Jagoda Marinics erstes Buch, 2003 bei “Suhkamp” erschienen und das hundertfünfundzwanzig Seiten Bändchen, fasst an die vierundzwanzig Geschichten, wenn ich mich nicht verzählt habe. Viele sind nur einige Seiten lang. Eine hat über fünfzig und die “Ich wünschte, er hätte  nie geredet davon, daß man  nur eine lieben kann”, fand ich auch sehr schwer verständlich.

Da fährt eine im Zug, spricht von ihrer Mutter, hat dann eine Begegnung mit einem Mann, der sie betrügt und das alles in wechselnden Perseptiven, die “Ich Form” wechselt ins “sie” und wenn ich auch nicht alles verrstanden habe,  die Sprache war poetisch schön.

Es gibt eine Geschichte von der Gleichgülkitigkeit des Lebens, die darin endet, daß eine Frau einen Heiratsantrag annimmt und die Titelgeschichte, die man dafür halten könnte, ist eigentlich ein Abschiedsbrief.

Ja, Jagoda Marinic macht es spannend und erzählt sehr poetisch von den Alltäglichkeiten des Lebens.

So gibt es zum Beispiel einen Text über das Einkaufen. Da will sich eine gesund ernähren und geht in den Supermarkt. Aber das Joghurt, das halbwegs gut schmeckt, hat drei komma fünf Prozent Fett und als sie danach greift, sieht sie die Silhouette einer Dicken sich über die Gefriertruhe neigen. So greift sie zu ein Prozent Joghurt, das dann im Kühlschrank vergammelt und bei den Tomaten ist das ähnlich. Sie greift zuerst nach der Dose. Als sie an der Kasse warten muß, liest sie die Indegrenzien, die lassen sie verschreckt nach den frischen Tomaten greifen, aber die kommen aus Holland, so flüchtet sie ohne Einkäufe aus dem Supermarkt.

Am meisten haben mich naturgemäß, die Geschichten interessiert, die vom Dorf, also von Kroatien, obwohl das Wort nie vorkommt, erzählen. Da gibt es eine von “Josip”. Da geht ein Mädchen zu einem alten Mann, fängt an für ihn zu kochen und zu putzen, aber die Nachbarn dulden das nicht, fangen zu reden an, etcetera.

Es gibt auch die Geschichte von der Großmutter, die im Dorf zurückgeblieben ist, als die Familie nach Deutschland ging und sich über das grüne Telefon freut, das man ihr istallierte, so daß sie die Anrufe ihrer Lieben entgegennehmen kann. Sie hat nichtviel zu verschenken, nur die Trauben und die Kartoffeln aus den Garten, trägt schwarze Kleider und hat abgarbeitete Hände und so wird auch die Frau in dem “Selbstportrait” beschrieben, die für ihre Enkel, die sie nie gesehen hat, strickt, während sie für ihre Kinder keine Zeit hatte, weil sie da in einer Gärtnerei arbeiten mußte, um das Geld für das Haus das sie bauen wollten, zu verdienen. Dann ist der Mann gestorben und die Kinder sind in Deutschland geblieben.

Jagoda Marinic ist eine sehr poetische Erzählerin, die das sehr wohl in ihren Dorf- als auch in ihren sehr verwirrenden Liebes- und Beziehungsgeschichten vom modernen Leben tut.

Da gibt es noch eine, die michverwirrte und die nicht in die obige Beschreibung passt.

“Aura” heißt sie und erzählt von einem Mädchen, das so schön ist, daß sie alle auf ihren Schoß sitzen haben möchten. So engagierten die Eltern einen jungen Mann für sie, der sie beschützen soll. Der folgt ihr überall hin, sie flieht in der Nacht aber in ein Zimmer und schreibt alles auf,  während sie sonst nie spricht. So geht ihr nach und findet eine Tote, ihre Erzählungen und bleibt mit  Schuldgefühlen über.

So kann man Kindesmißbrauch wahrscheinlich auch beschreiben, owohl mir die realistische Art und Weise lieber ist.

Bei den “Short-Cuts” habe ich gerade nachgelesen, habe ich auch schon eine ihrer “geheimnisvollen” Geschichten gehört, jetzt ist “Made in Germany-Was ist deutsch in Deutschland” von ihr erschienen, aus dem sie Ende Mai auch in Wien gelesen hat.

 

Florian Berg ist sterblich

Als ich im März in Leipzig war, war ich  auch bei einer Lesung von Absolventen des “Leipziger Literaturinstiuts” und da ein Stück aus Janko Markleins bei “Blumenbar” erschienenen, wahrscheinlichen Debutroman “Florian Berg ist sterblich” gehört, den der 1988 in Bremen geborene, der 2010 den “Open Mike” gewonnen hat, über einen jungen Studenten, der an der Leipziger Uni im ersten Semester Philosophie studiert und nun vor einer Beschwerdestelle wartet, weil er keinen Platz für ein Proseminar bekommen hat und stattdessen einen Französischkurs besuchen solll, geschrieben hat.

Eine Satire über das Studentenleben würde ich es interpretieren, auch ein Buch über das Erwachsenwerden und bei “Amazon” kann man lesen, daß dieser Florian Berg sehr unsympathisch ist.

So habe ich das teilweise auch empfunden, aber das ist wahrscheinlich Absicht des Romans und der Clou, Florian Bergs Unentschloßenheit zu zeigen, dem dann in einem Seminar, das er auf Vermittlung der Studentenvertreterin Line, doch bekommt, demostriert wird, das er sterblich ist, denn alle Menschen sind das, Florian Berg ist ein solcher, etcetera…

Denn er ist ein Sohn zweier Pastoren, aus einem kleinen Dörfchen, die Mutter ist für die Beerdigungen zuständig, der Vater für die Hochzeiten und deshalb schwankt der liebe Junge, wie ein Baum im Wald, na ja.

Es wird in zwei Strängen erzählt, der erste ist Florians Studentenleben, Line, die sich in ihm zu verlieben scheint und ihn küßt. Er tut das nicht, hält aber still, weil sie sich für ihn ja einsetzen will. So bekommt er ein Seminar bei einer Anna Kuszlak, mit der will er nun Kontakt und auf Kaffee und Kuchen gehen…

Sie verhält sich abwartend, nimmt ihn aber dann doch auf einen Spaziergang mit, wo sie die Deutschlandfahnen von den Autos entfernt, sie ist nämlich sehr politsch.

Line besetzt inzwischen die Uni, um gegen die Bildungsmisere zu kämpfen. Das wollen, die Wirtschaftstudenten, die gerade Vorlesung haben, aber nicht und Anna fährt dann auch noch nach Santiago de Chile, um die dortigen Proteste zu unterstützen.

Florian reist ihr nach, wohnt bei einem Couch-Surfer im siebzehnten Stock eines Hochhauses und weil der Lift gerade kaputt ist, muß der arme Portier seinen riesigen Rucksack hinaufschleppen.

Im zweiten Strang wird von der Kindheit erzählt. Den Eltern die sich streiten, der Depression des eher hilflosen Vaters, der immer zu dem Sohn ins Zimmer geht und mit ihm reden will, beispielsweise, ob er weiß, wie man ein Präservativ verwendet?

“Ich muß lernen!”, antwortet der dann und schickt ihn hinaus.

Mit seinem Freund Ole, einem Bauernsohn hat er einen Bund gegründet, der keine Mädchen zulassen will, eines drängt sich hinein, verwirrt die Burschen und schließlich wird die “Grüne Garde” eine grüne Jugendorganisation, Florian besteht sein Abitur und zieht nach Leipzig.

Jugendbuch habe ich bei “Amazon” gelesen. Ja, Janko Märklein ist noch sehr jung und sieht auf dem Foto am Klappentext auch so aus.

Der Roman ist, was man wahrscheinlich im “Literaturinstitut” lernt, sehr gut konstruiert und mich hat die satirische Seite, die lapidar schlapsige Art, wie der junge Mann da von den Initialriten des jungen Florian erzählt, sehr angesprochen.

Um in den Bund hineinzukommen, muß man Käfer essen und Hunde töten. Das ist vielleicht kein besonderes Zeichen der Neuzeit und war schon früher so. Die Lieblingslektüre von Florian Berg und seinen Freunden ist aber “Harry Potter”. Den liest er noch als Student, neben philosophischen  Schriften. Aber er und seine Freunde lesen ihn nicht nur auf Deutsch oder vielleicht in der englischen Originalfassung, sondern auch auf Japanisch, Lateinisch etcetera.

Was ich mir, als die Überforderung der heutigen Jugend interpretieren würde und daher sehr froh bin, auf das Buch aufmerksam geworden zu sein, das sonst, ist es ja schon 2015 erschienen, an mir vorbeigegangen wäre und jetzt ja ein anderes Buch einer noch jüngeren Frau über die Schwierigkeiten des Lebens in aller Munde ist.