Inneres Wetter

Jetzt kommt wieder eine Neuerscheinung, nämlich”Inneres Wetter”, der 1961 geborenen Elke Schmitter, von der ich “Frau Satoris” gelesen habe, das von Marcel Reich-Ranicki sehr gelobt wurde und hier geht es um einen Geburtstag des siebenundziebigjährigen Georg Kupfer, der verwittwet ist und drei Kinder hat, Sebastian, Huberta, Bettina, alle in den Sechzigerjahren geboren, also über fünfzig, da das buch 2014 zu spielen scheint. Zumindest gibt es Mails, die darauf hinweisen, da möchte Bettina nämlich ihre Geschwister veranlaßen für den Vater eine Überraschungsparty zu veranstalten.

Alles sher banal und gewöhnlich würde man sagen, daß man den Geburtstag seines Vaters feiert. Meistens ist der auch darauf vorbereitet. Aber hierzieht sich alles auf zweihundert Seiten hin und ist auch in drei Teilen gespaltet, findet der Geburtstag des Vaters, glaube ich, im Oktober statt. Es beginnt aber im Frühling, da wird dann ein Tag beschrieben. Dann folgt der zweite Teil, der “Zwei Tage im Sommer” heißt und der dritte wenig originell “Drei Tage im Herbst” und dazwischen plätschert es dahin und wir erleben das “innere Wetter” oder das Alltagsleben der Geschwister, bis es soweit ist, daß sie den Vater in einem Restaurant treffen und sich von der Kellnerin die Speisekarte erklären lassen.

Die drei Geschwister und ihre Familie gehören wahrscheinlich, wie auch Elke Schmitter der Mittelschicht an. Am Interessantesten ist aber Sebastians Frau Mora, die aus Dalamtien stammt und von der wir relativ viel erfahren. Sie verkauft tageweise in einer Boutique, da werden ihr einmal einige Schals gestohlen. Die Diebin trifft sie dann am Elternsprechtag ihres Sohnes Ben oder ist es der der Tochter Adiana wieder. Ben spricht jedenfalls wenigmit den Eltern und steht im Verdacht Autist zu sein.

Gesellschaftls- und Alltagsereignisse, wie julian Assange oder die Flüchtlingsfrage werden erwähnt und Bettina hat auch zwei Freudninnen, Angelika und Selma. Zu Beginn des Buches gibt es ein Personenverzeichnis. Angelika hat Probleme mit ihrer Wohnung. Selma berichtet von einer Tagung, Huberta ist Ethnologin und warlange in Äthiopien und die Handlung, der Plot und die Spannung fehlen wieder.

Es wird, das habe ich auch in einer Rezenson gelesen, dahin geplätschert. Der Vater weiß natürlich von der Party die Geschwister haben es ihm verraten und sich auch Sorgen gemacht ob er am Tage der Überraschung daheim sein wird und muß tun, als wüßte er von nichts und das Interessanteste an dem Buch ist wahrscheinlich der Stil. Da gibt es Briefe und Mails und vieles ist auch kleingeschrieben.

Schwierig ist auch der ständige Perspektivenwechsel. Denn da wußte ichoft nicht,wo ich jetzt bin und wer jetzt spricht, denkt oder handelt. Aber natürlich ist das Midlifeleben der intellektuellen Mittelschicht und ihre Probleme interessant und das war wohl auch die Absicht des Romans, den ich eigentlich wieder nicht als solchen bezeichnenwürde das aufzuzeigen.

Ich finde trotzdem es wurde zuviel bla bla und zuviel Auwand, um so etwas Alltägliches wie den Geburtstag des alten Vaters gemacht,obwohl natürlich klar ist, daß jedes der Kinder, Schwiegerkinder und auch die Freundinnen ihre Probleme haben, die sie trotz des Geburtstags bewältigen müssen. Aber da das Buch in Vor-Corona-Zeiten spielen, haben sich diese inzwischen auch schon überschlagen, sind andere und vielleicht auch größer geworden.

Frau Sartoris

“Das ist Prosa, die mich in höchstem Maße fasziniert (…) Ich empfehle dieses Buch  voll und ganz”, sagte Marcel Reich-Ranicki im “Literarischen Quartett” über Elke Schmitters 2000 erschienenen Debutroman.

“Emma Bovary” wird  am Buchrücken meines dtv-aschenbüchleins, ein Fund aus dem offenen Bücherschrank, auch erwähnt und ich kann, während des vierzigsten Bachmannpreises wieder einmal nachvollziehen, was die Kritiker für große Literatur halten.

Das Buch, der 1961 in Krefeld geborenen Autorin und  Journalistin, die auch einmal bei der Buch-Wien Gastschreiberin  und bei “Mimikry” Gastgeberin war, hat mir, um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen,  gut gefallen, wenn es  mir auch manchmal etwas konstruiert erschien.

Ein moderner Ehebruchroman, nach Effie Briest und Madame Bovary könnte man in etwa sagen oder auch nicht, denn irgendwie ist es auch ganz anders und so modern ist der Roman auch gar nicht, ist Frau Sartoris Mann Ernst doch ein Kriegsversehrter und so dürfte der Roman, wenn die Helden zwischen vierzig und fünfzig ist, in den Sechziger- oder frühen Siebzigerjahren spielen.

In kurzen, nicht chronolisch zusammenhängenden Abschnitten, erzählt die Ich Erzählerin ihr Leben, das in einer deutschen, L., genannten Kleinstadt spielt.

Es gibt eine Rahmenhandlung, so beginnt es mit dem Alkoholkonsum der Heldin, die von ihrem Mann und der Schwiegermutter zu einem Neurologen oder Psychiater geschickt wird. Dann geht es in die Kindheit und in die erste Liebe, einen Philip, der sie, weil aus besseren Verhältnissen, verlassen hat.

Da hörte sie auf zu sprechen, war einige Zeit in einem Sanatorium, dann kam sie heraus und heiratete aus Trotz oder Rache den kriegsversehrten Ernst, noch bevor Philip seine Braut aus besseren Kreisen ehelichte.

Das Paar lebt mit der Schwiegermutter namens Irmi zusammen und Frau Sartoris, hat sie einen Vornamen?, liebt ihn nicht, bekommt ein Kind namens Daniela, zu dem sie auch keine Beziehung aufbaut und sogar im Kreißsaal, die Hebamme fragt, ob das keine Verwechslung ist?

Sie arbeitet in einem Büro, bezieht mit Ernst und Irmi ein Reihenhäuschen, es gibt Skatabende und auch Kulturveranstaltungen. Bei einer solchen lernt sie den örtlichen Kulturamtsleiter kennen, verliebt sich in ihn oder läßt sich von ihm verführen und eine wilde Zeit, immer ein paar abgestohlenene Stunden in einem Hotel in den benachtbarten größeren Städten mit Sekt und Dessous im Kerzenschein beginnt. Einmal treiben sie es sogar im Museum in einer Kutsche, während draußen die Besucher vorbeimarschieren und überlegen, ob sie nicht die Kutsche von innen besichtigen sollen?

Man sieht, Elke Schmitters ist sehr orginell und dann tauchen immer wieder Passagen auf, die von einer Fahrerflucht und einem niedergefahrenen Toten handeln und zuerst ist man verwirrt und sieht keinen Zusammenhang.

Denn Daniela ist einmal dreizehn, dann wieder achtzehn, steht kurz vor ihrem Abitur oder fährt danach auf Klassenreise nach Tirol. Vorher kommt sie nächtelang nicht nach Haus, Frau Sartoris aber auch nicht, so daß Ernst schon mißtrauisch wird und von einer Flucht in ein neues Leben schwärmen die Beiden, Frau Sartoris und der Kulturamtsleiter, der eigentlich Theaterwissenschaftler ist, auch.

So packt sie ihre Koffer, steht nachts um zwei auf, schreibt Ernst einen Abschiedsbrief, setzt sich ins Auto, fährt an eine Tankstelle bei der Autobahn, wo ihr später dann die Tankwartin erzählt, daß sich die Polizei bei ihr wegen der Fahrerflucht erkundigt hat und wartet auf ihren Michael, um mit ihm nach Venedig zu fahren, der aber nicht kommt.

Sie wartet zwei Stunden, dann fährt sie zurück, sieht Licht im Haus. Ernst sitzt in der Küche und hat den Abschiedsbrief aufgemacht.

Das Leben geht weiter, Michael nicht ans Telefon, Ernst beginnt sie zu demütigen und ihre Unterwäsche in den Mistkübel zu schmeißen, sie fängt zu trinken an und findet beim Psychiater, eine Freundin namens Renate mit der sie  auf Partnersuche geht.

Das heißt Renate sucht einen Mann, sie sitzt dabei und sieht auf einmal Daniela im aufreizenden Kleidchen mit einem stadtbekannten Bordellbesitzer, die Bar betreten. Sie macht ihm Vorhaltungen, da Daniela noch nicht volljährig ist. Er lacht sie aus, die Tochter tut das auch und später kommt die Poliztei zu ihr, denn der Überfahrene ist natürlich der Bordellbesitzer und die Polizei hat Danielas Nacktfotos, sie posiert in Hundestellung und mit Stofftierchen im Mund, gefunden und  soll aussagen.

Überfahren hat ihn aber Frau Sartoris aus Rache an ihm oder an allen Männer, die Frauen das verführen und sie dann verlassen.

“So war das!”, lautet der letzte Satz, der in diesen Fall auch erstaunlich ist, des Romans “über eine Ehebrecherin aus der deutschen Provinz”, wie auch noch am Buchrücken steht.