Phlox

Buch neun des deutschen Buchpreises “Phlox” des 1970 in Ostberlin, geborenen Jochen Schmidt, von dem ich, wie ich zufällig entdeckte, schon ein Buch in meinen Regal stehen habe, ist, glaube ich eine Liebeserklärung an die DDR und fünfhundert Seiten lange philosophische Betrachtungen über die Kindheit in einer Idylle, wie man es schon bei Andre Kubiczek gelesen hat, über die Kriegserinnerungen, die der Autor wohl von seinen Großeltern kennt und über die Beziehungskonflikte wenn man mit der Familie auf Urlaub fährt.

Roman würde ich das Buch nicht nennen, über das ich sowohl eine Liebeserklärung, als auch eine sehr abfällige Bemerkung gehört habe, daß das Lesen langweilig gewesen wäre, das Buch unnötig und nicht auf die Longlist gehört hätte.

Ich befinde mich mit meiner Meinung dazwischen, interessiere ich mich ja sehr für die DDR. War einmal auch in einem Museum, wo es eine Alltagsausstellung über das Leben und die Produkte dort gegeben hat, habe aber auch einige Stellen überflogen und mich nicht immer recht ausgekannt in den Kapiteln, die immer schön von Line Hoven illustriert waren.

Jochen Schmidt hat schon viele Bücher geschrieben, in einem “Zuckersand” heißt der Held auch Richard Sparka, wie der, der da mit seiner Partnerin Klara und den Kindern Karl und Ricarda in das Kindheitsparadies Schmogrov, ich glaube, an der polnischen Grenze Ostdeutschlands fährt, weil dort das Haus, wo er mit seinen Eltern als Kind und Jugendlicher immer die Sommer verbrachte, verkauft werden soll, weil die Besitzer verstorben sind.

Es beginnt im Auto und dann verschwimmt das Ganze und man kennt sich nicht mehr recht aus. Ist er jetzt in der Gegenwart und streitet sich mit Klara, die da sehr achtsam, fast ein wenig übertrieben ist, über die Erziehung der Kinder oder in der Vergangenheit. Denn da wird seitenlang beschrieben, wie es da in der Idylle, einer Art Ferienparadies, das das Ehehpaar Tatziet, einem Lehrerpaar, da gestaltete. Man weiß nicht recht, ist das ein Familientreffen oder eine Art Kommune, bzw. Künstlertreff.

Es waren aber immer Gäste da, Tanten und Onkel. Es gab einen Garten, den alle gemeinsam bepflanzten, Bienen und Kuchen, der gebacken und gegessen wurde und viele Bücher. Dann geht es auch in den Weltkrieg zurück und da wird, wie in der Beschreibung steht, die dunkle Vergangenheit Deutschlands, die dann zur Spaltung führte, beleuchtet.

Etwas, was ich auch schon sehr oft gelesen habe. Dann gibt es wiederListen, die eher modern wirken. Liste die aus Sätzen bestehen, die die Kinder äußern. Aber auch seitenlange Erklärungen, wie das Kind oder Jugendliche Richard, die Treppen in Smogerode kehrte und den Dreck dabei ansammelte.

Es gibt Rezepte aus alten Kochbüchern und eigentlich habe ich gedacht, daß die DDR gar nicht so eine Idylle, wie sie sich in der Erinnerung Richard Sparkas oder Jochen Schmidts darstellt.

Ein sehr langsames Buch, das mich aber auch zur der Frage bringt, von wie vielen Leuten es ganz gelesen wird und wer heutezutage überhaupt noch die Geduld aufbringt sich über die fünfhundert Seiten philosphischer Betrachtungen über die Vergänglichkeit und das Leben in einem DDR-Sommerparadies mit Blumen, Kuchen und des namengebenden Phlox einzulassen?

Auf die Shortlist ist das Buch nicht gekommen, trotzdem fand ich es interessant und glaube auch, daß die Longlist auf unterschiedliche Büchern, Sprachstile und Autoren aufmerksam machen soll soll und zumindestens ich, die ich ja jetzt schon sieben Jahre alles lese, lerne sehr viel dabei.

Freudenberg

Buch sieben der deutschen Buchpreisliste ist Carl -Christian Elzes “Freudenberg”, der 1974 in Berlin geboren wurde und bisher als Lyriker hervorgetreten ist. “Freudenberg” ist sein Romandebut und die lyrische Sprache, die sowohl realistisch als auch unrealistisch klingt, merkt man dem Buch, da schon von der Beschreibung sehr interessant war, durchaus an.

Da ist der siebzehnjährige Freudenberg, ein Autist, ein sich noch nicht Gefundener, der Mitten in der Pubertät und den Konflikten mit seinen Eltern steckt und der fährt bevor er in der Metallverarbeitung zu arbeiten beginnen soll, mit seinen Eltern auf Urlaub an die polnische Ostseeküste. Dort geht er ans Meer, findet da eine Leiche eines gleichaltrigen Jungen, zieht seine Kleider an und die Geschichte geht los.

Könnte sie und ich habe mich gefragt, als ich das gehört und gelesen habe, wie das wohl weitergehen wird? Der Phantasie ist da wohl keine Grenze gesetzt, wenn er mit den Kleidern und den Papieren ohne die polnische Sprache zu können, ein neues Leben beginnt.

Wenn ich das schreiben würde, würde ich wohl bald an der Realität scheitern und das ganze realistisch ausklingen, den Jungen also irgendwie wieder zurückkommen lassen, würde ich vermuten und interessant ist, daß Carl- Christian Elze genau das Gleiche, das aber absolut unchronologisch und mit vielen Traumsequenzen und einer sehr schönen lyrischen Sprache tut.

Er kommt also sofort in das Elternhaus zurück. Falsch vorher hat er noch Kontakt mit einer Maja aufgenommen, die er beim Heidelbeersammeln getroffen hat und ist mit ihr und ihrem Motorrad auch herumgerast. Mit diesem Motorrad ist er nach Hause gekommen, irrt in der Wohnung herum, die Eltern sind inzwischen bei seiner Beerdigung, versteckt sich dann im Keller, die Eltern bringen ihm Essen und sperren ihn dort ein. Dann geht es wieder nach Polen, in den Wald und zu Maja zurück. Freudenberg, der mit Vornamen Maik heißt, was man aber erst auf Seite 147 erfährt, hat kein Geld denn in Marek Strzeps Portemonnai waren nur zwei Knöpfe. Er klaut sich also die Rückreise zurecht, denkt immer an Maya und auf einmal ist er in der Metallverarbeitungsfabrik in die ihn sein Vater stecken wollte.

Dort denkt er auch Maya und Marek und die Strzeps kommen, um die Urne ihres Jungen abzuholen, vorher bleut der Vater Sohn und Mutter noch die Geschichte ein, die Freudenberg ihnen und wahrscheinlich auch der Polizei erzählen soll. Aber nein, der nicht wahrscheinlich, so realistisch ist die lyrische Geschichte von Carl-Christan Elze, die mir sehr gut gefallen hat nicht.

Sie ist, wie wir inzwischen wissen, nicht auf die Shortlist gekommen, was ich ein wenig schade finde, denn das Besondere an dem Buch, meine Lernerkenntnis ist, daß ein Lyriker einen Roman durchaus verständlich schreiben kann. Die meisten anderen diesbezüglichen Bücher, die ich gelesen haben, waren eher kompliziert und unverständlich.

Hier ist es realistisch oder nur fast oder eigentlich gar nicht, denn man kann über das Buch, das sowohl unrealistisch als auch realistisch ist, herrlich spekulieren. War Maik jetzt der Zwillingsbruder? Die Beiden hatten den gleichen Leberfleck oder nur die Phantasie des sprachlosen pubertären Jungen, der sich in seiner Haut unwohl fühlt und ist die ganze Geschichte nur in seinem Kopf passiert?

Alles ist möglich und das Interessante ist auch, daß Freudenberg ein weniger abgelutschter Roman ist, als viele andere Debuts, die vielleicht in Sprachschulen entstanden sind. Man merkt den Lyriker und ich bin froh durch das Buchpreislesen den mir bisher unbekannten Autor kennengelernt zu haben.

Deutsche und Schweizer Shortlist

Am zwanzigsten September wird die heurige deutsche Shortlist bekanntgegeben, die ich ja seit 2015 regelmäßig hinunterlese und gerade beim siebenten Buch Carl Christian Etzes “Freudenberg” angelangt bin.

Was wäre also meine bisherige Reihefolge? Nicht die Shortlist wahrscheinlich, da ja noch dreizehneinhalb Bücher folgen, aber die sechs gelesenen Bücher, würde ich wie folgt reihen:

  1. Gabriele Riedle “In Dschungeln-in Wüsten-im Krieg”
  2. Fatma Aydemir “Dschinns”
  3. Dagmar Leupold “Dagegen die Elefanten”
  4. Heinz Strunk “Ein Sommer in Niendorf”
  5. Theresia Enzenberger “Auf See”
  6. Yael Innokai “Ein simpler Eingriff”

Bei Platz fünf und sechs bin ich mir nicht ganz sicher. Das könnte ich auch tauschen und “Freudenberg”, ein sehr lyrischer Roman, gefällt mir auch ganz gut und was würde ich jetzt für die Shortlist schätzen?

Was nehme ich davon von den inzwischen gelesen Büchern? Was habe ich von den anderen Bloggen gehört, was würde ich den mir bekannten Autoren vermuten?

Ein Kaffeesudlesen oder ein Blick in die Glaskugel natürlich. Ausdrücke, die vor allem bezüglich der Pandemie oft zu hören war, also:

  1. Fatma Aydemir “Dschinns”
  2. Heinz Strunk ein Sommer in “Niendorf”
  3. Reinhard Kaiser-Mühlecker “Wilderer”
  4. Eckhard Nickel “Spitzweg”
  5. Esther Kinsky “Rombo”
  6. Dagmar Leupold “Dagegen die Elefanten” oder
  7. Kim de L` Horizon “Blutbuch” oder
  8. Yael Innokai, die auch sehr viel gelobt wir
  9. oder was auch immer

Die Shortlist ist ja immer für Überraschungen gut und keine Ahnung nach welchen Kriterien und Einflüssen sie zusammengestellt wird.

Also mal sehen, was die sieben Juro dazu sagen und da haben wir:

1.Fatma Aydemir “Dschinns”

2. Christine Bilkaus “Nebenan”

3.Daniela Dröscher “Lügen über meine Mutter”

4. Jan Faktor “Trottel”

5. Kim de L` Horizon “Blutbuch”

6.Eckhart Nickel “Spitzweg”

Also drei Schätzungstreffer und ein schon gelesenes Shortlist-Buch.

Und am Mittwoch wird dann noch die “Schweizer-Buchpreisliste” bekanntgegeben. Da gibt es ja immer nur eine Shortlist mit fünf Bücher, wo dann eines im November bei der “Buch-Basel” den Preis bekommt und da würde ich schon mal

  1. Arno Camenisch “Die Welt”
  2. Tom Kummer “Unter Strom”
  3. Kim de L`Horizon “Blutbuch”
  4. Yael Innokai “Ein simpler Eingriff” schätzen.

Und dann Überraschung wieder vier mir völlig unbekannte Bücher auf der Liste, warhscheinlich sollte ich doch mehr lesen und noch mehr über den Tellerrrand hinausschauen, also:

  1. Simone Froehing “Dürrst”
  2. Lioba Happel “Pommfritz aus der Hölle”
  3. Kim de l`Horizon “Blutbuch”
  4. Thomas Hürlimann “Der Rote Diamant”
  5. Thomas Röthlisberger “Steine zählen”

Dagegen die Elefanten

Buch fünf der deutschen Longlist ist das offenbar obligatorische aus dem “Jung und Jung-Verlag” und das dritte der 1955 geborenen in München lebende Dagmar Leupold, das auf der deutschen Longlist stand. “Die Witwen” habe ich gelesen und Dagmar Leupold ist sicherlich eine Sprachkünstlerin, nicht so inhaltslos wie Andrea Winkler, aber die Sprache und schöne Worte spielen eine große Rolle und in diesem Buch wird wahrscheinlich von einem Sonderling, Herrn Harald, Garderobier in einem Opernhaus erzählt. Ein mittelalter bis älterer Herr wahrscheinlich, ein Junggeselle mit seinen Schrullen.

Wegen der Schuppenflechte hat er immer weiße Handschuhe an, gibt ihm jemand Trinkgeld sagt er “Ich trinke nicht” und während der Vorstellung lernt er Italienisch aus einem alten Italienischbuch, das er einmal gefunden hat oder übergeblieben ist.

Übergeblieben ist dann auch ein Mantel in dem sich eine Pistole befindet. Das wird auch in der Beschreibung erwähnt, passiert aber erst auf Seite neunzig oder so. Herr Harald nimmt die Pistole, es ist eine Schreckschußpistole erfährt er später aus dem Internet, nach Hause und steckt sie in einem Römertopf und dann in den Backofen.

Hui was würde da in den handlungsgetriebenen Romanen passieren? Da beginnt dann wahrscheinlich schon die Krimistory. Hier passiert auch ein wenig. Einmal taucht der Mantel an anderer Stelle auf, dann verpackt er ihn in einem Plastiksack und wirft ihn in den Mistkübel, ein Knopf wird auch gefunden und einmal, ein paar Monate später taucht ein Mann auf und fragt nach dem Mantel. Herr Harald liest auch in der Zeitung von einer Leiche die gefunden wurde, grübelt viel darüber nach und fühlt sich von der Polizei verfolgt, so weit so what.

Das Buch spielt in einem Jahr von Februar bis Februar und Herr Harald geht auch an seinen freien Abenden in Konzerte und lernt da eine Notenumblätterin kennen. Das heißt, er will sie gerne kennenlernen, nennt sie Johanna oder Marie und trifft sie dann auch zweimal in seiner Garderobe, einmal allein und einmal zu einer Weihnachtsvorstellung mit ihrer Nichte und um auf die Pistole zurückzukommen. Die packt er einmal in eine Aktentasche und geht ins Konzert damit, wo aber ein junger Mann die Noten umblätterte.

Was er mit der Pistole wollte, habe ich nicht ganz verstanden, ist aber wahrscheinlich nicht so wichtig, denn Dagmar Leupold habe ich in Besprechungen gehört, ist eine langsame Erzählerin, die es mehr mit der schönen Sprache als mit der Handlung hat, die also auch von einer Katze erzählt, die Herrn Harald zuläuft und dann tageweise bei ihm wohnt, die er sehr versorgt und mit ihr zum Tierarzt fährt. Er wird dann auch krank und am Ende braucht er eine neue Brille, an die er sich offenbar noch nicht gewöhnt hat und erleidet damit am Ende einen Autounfall.

Ein ungewöhnliches leises Buch, stimmt. Die Worte sind wichtig, Herr Harald hat Worte des Monats, die er in ein Notizbuch schreibt und mir sind auch einige sehr schöne Worte dabei aufgefallen. “Pausendeserteur”, für die, die, die Oper in der Pause verlassen, beispielsweise und natürlich hat das Buch keine spannende Handlung, sondern erzählt den Alltag dieses Sonderlings.

Dagmar Leupold tut das zweifellos sehr schön und liebevoll und bietet daher eine starke Gegenstimme zu den lauten spannungsbezogenen Romanen, die ja auch gefordert werden. Bei den Bloggern wird es sehr gelobt und ich bin jetzt gespannt, ob es auf die Shortlist kommt und würde es von den fünf Büchern, die ich bis jetzt gelesen habe, an die zweite Stelle reihen.

Die erste wäre “Dschinns”, wahrscheinlich würde dann der Strunk folgen und dann der “See” und der “Simple Eingriff” oder wäre das umgekehrt?

Und wenn jetzt jemand wissen will, was das Ganze mit Elefanten zu tun hat, das ist wahrscheinlich eine Schrulle oder ein Spracheinfall von Dagmar Leupold, denn Herr Harald liebt Tierfilme, schaut sich einmal einen über Elefanten an und sagt dann in der Kneipe, in der ein manchmal Cola trinkt, diesen Satz, als sich die Stammgäste über ihn lustig machen.

Auf See

Buch vier der heurigen deutschen Longlist ist, glaube ich, ein sogenannter Öko-Scienceficton, ein Genre, das in Zeiten der Klimakrise sehr modern scheint und viel geschrieben wird und die 1986 geborene Theresia Enzenberger, die Tochter von Hans Magnus, die schon “Blaupause” geschrieben hat,spielt mit alle Tastaturen der Utropie oder der gegenwärtigen realen Situation.

Das Ganze scheint ein bißchen in der Zukunft zu spielen, die Welt scheint kaputt zu sein und da hat sich einer auf eine Blase in die Seestatt, eine Insel in der Ostsee, zurückgezogen und dort eine scheinbare Ökoutopuie aufgebaut. Dalebt er mit seinen Anhängern und seiner siebzehnjährigen Tochter Yara und an der soll ein Experiment von einem Mustermenschen ausprobiert werden.

So hat sie einen dichten Stundenplan, Yoga, Biologie, etcetera von Privatlehrern. Sie hat auch einen Therapeuten und wird mit Pharmaka zugestopft, die zu Schlafwandeln führen, denn ihre Mutter so hat sie gehört, war verrückt, ist gestorben und Yara soll dieses Schicksal erspart werden.

Kinder gibt es keine in der Ökoblase, die inzwischen langsam am Verfallen ist und von Mitarbeitern ,die auf einem Mitarbeiterschiff leben, versorgt werden. Einmal hat Yara mit einem solchen Kind gespielt, das wurde aber untersagt. So absolviert sie ihren Stundenplan, ißt zu Mittag im Gemeinschaftsraum. Der Vater läßt sich sein Essen für teures Geld vom Festland bringen und macht auch weite Reisen dorthin und Yara beginnt ihm nachzuspionieren, erkennt, daß das Ganze eine Blase ist, verliebt sich in ihre Yogalehrerin Rebecca, die der Vater vom Festland mitbringt und bereitet ihre Flucht nach ihrem achtzehnten Geburtstag auf das Festland vor, um ihre Mutter zu suchen, die wie sich herausstellt, gar nicht gestorben ist.

Denn in einem zweiten Strang des Buches wird immer wieder von einer Helena erzählt. Die ist Künstlerin und ein Guru, hat eine Sekte aufgebaut und das Berlin in dem sie lebt, scheint auch etwas verfallen. Leute leben in ihren Autos. So holt sich Helena Sophie und deren Tochter Mira zu sich in ihre Wohnung. Helena hat viel Geld und einen Bruder namens August, eine Freundin namens Kamilla und einen Widersacher namens Arthur, der mit den Anhänger der Sekte in die Seestatt namens Vineta will.

Yara und Helena kommen zusammen, wohnen zuerst in einem Hotel und gehen dann, weil sie sich von Nicholas, dem Vater,, Sicherheitsmänner verfolgt fühlen, in eine Zeltstatt in den ehemaligen Tiergarten und ein sogenanntes Archiv gibt es auch.

Das sind kleine Geschichten über Ernest Hemingways Bruder beispielsweise, aber auch, wie es zur der Gründung der Seestatt kam und was aus ihr geworden ist.

Ein interessantes aber auch etwas verstörendes Buch, das mir am Anfang gut gefallen hat, später weniger. Da habe ich es zu wenig gegliedert und auch als zu handlungsarm empfunden.

Theresia Enzenberger ist aber hart an der Utopie, die uns vielleicht in den nächsten Zeit erwarten wird und erzählt das in einer starke Sprache. Ich habe wieder nicht alles verstanden und die Archivgeschichten auch eher übersprungen.

Dschinns

Buch zwei der deutschen Longlist, “Dschinns” von Fatma Aydemir, das, glaube ich, schon im Februar erschienen ist und sogar in der “AS” vorgestellt wurde. Das habe ich aber versäumt und auch das Debut der 1986 in Karlsruhe geborenen Fatma Aydemir nicht gelesen. Sie hat dann einen Sammelband “Eure Heimat ist unser Albtraum” herausgegeben und mir von daher als recht aggreessiv oder aufmüpfing erschienen.

“Dschinns” ist das aber gar nicht, sondern eigentlich ein recht konventionelles und mir durchaus realistisch erscheinendes Buch, obwohl “Dschinns” die inneren Stimmen oder das Böse das in und um uns passiert und in den Häusern lauert, es eigentlich nicht ist oder doch natürlich und jeder hat wohl seine Dschinns egal ob er in Wien, Karlsruhe, Istanbul oder einem anatolischen Dorf geboren wurde.

Da ist einmal Hüsesyn, eigentlich ein Kurde, aber das durfte man in der Türkei nicht sein, ohne verfolgt zu werden, so ist er in den Sechzigerjahren wahrscheinlich nach Deutschland gegangen, um das große Geld zu verdienen. Jetzt ist er sechzig, das Buch spielt 1999, in Pension gegangen und hat sich eine Eigentumswohnung in Istanbul gekauft, um dort mit seiner Frau Emine seinen Lebensabend zu verbringen. Kaum angekommen erleidet er einen Schlaganfall und nun reist die Familie, die Frau Emine und die vier Kinder, sowie die zwei Enkel, um der Beerdigung beizuwohnen.

Das Buch ist in sechs Teilen geschrieben, eines gehört dem Vater, dann haben die Kinder Ümit, Sevda, Hakan und Perihan je eine Stimme und interessant, zwei davon kommen zu spät zum Begräbnis. Ja der Weg von Deutschland nach Istanbul ist weit und ein Flug wahrscheinlich nicht so schnell zu bekommen.

Ümit, der jüngste ist fünfzehn und wurde und das erscheint mir etwas unrealistisch von seinem Sporttrainer zu einem deutschen Therapeuten geschickt, weil er etwas mit einem Jungen hatte, damit er ihn wieder “normal” machen kann. Das ist heute wohletwas anders und Sevda, die Älteste ist Analphabetin oder nie in die Schule gegangen, weil sie bis sie zwölf oder dreizehn war, bei der Großmutter aufwuchs, bevor sie die Eltern nach Deutschland holten. Dann hat sie zwar einen Deutschkurs besucht, sollte aber gleich verheiratet werden. Beim ersten Mann weigerte sie sich. Den Zweiten hat sie genommen. Der hat sich aber als Nichtsnutz erwiesen und seine Abende in Klubs bei Freunden verbracht. So mußte sie in der Nacht als Büglerin arbeiten und die Kinder waren allein zu Haus, als dort die Rechtsradikalen ein Feuer legten. sie floh mit den Kindern zu ihren Eltern. Die schickten sie aber wieder zurück. Sie trennte sich trotzdem, übernahm eine Pizzeria und steckte dem obdachlos gewordenen Mann sogar immer etwas Geld zu.

Perihan, die jüngere Schwester schaffte ein Philosophiestudium, Hakan ist Gebrauchsautohändler und kommt zum Begräbnis zu spät, weil die Polizei ihn zu einem Drogentest zwingt. Es kommt zu einer Aussöhnung zwischen Sevda und der Mutter und am Schluß kommt es, um das Ganze auch dramatisch zu machen, zu einem Erdbeben. Ja die Dschinns lassen einen nicht aus und es hat auch noch ein anderes Kind gegeben, das Emine weggenommen wurde und sie sich nicht wehren konnte.

Der Vater wird als ambivalent geschildert, sich zu Tode arbeitend, nach außen rauh, aber die Entscheidungen hat die Mutter getroffen und die konnte auch nicht aus ihrer Haus heraus und die Dschinns zurücklassen.

Ein sehr realistisches Buch, denn ich habe lang mit einer Türkin gearbeitet, die als Vorbild der Sevda dienen könnte. Sehr spannend über die ehemaligen Gastarbeiterkinder zu erfahren, die es geschafft haben, auf Buchpreislisten stehen oder bei der TAZ arbeiten.

Viele schaffen das noch nicht so problemlos obwohl die türkischen Mädchen, wie ich im laufe meines Praxisleben erfahren konnte, auch schon aufs Gymnasium gehen, auch wenn sie die Matura vielleicht noch nicht schaffen. Ihre Töchter werden es vielleicht und ich könnte mir vorstellen oder wünschen, daß das Buch auf die shortlist kommt, obwohl ich ja bis jetzt nur ein anderes Listenbuch gelesen hat.