Heimkehr nach Fukushima

Buch zwölf des dBps, allmählich wird es, denn die folgenden drei Bücher sind auch viel dünner und eines das mich an meinen Schweiz Urlaub erinnert, wurde doch Adolf Muschg, 1934 in Zürich geboren und sein Buc lag das mit der Italien-Schweizerin Gianna Molinari auch in der kleinen feinen Berner-Buchhandlung auf, die ich am Tag nach der Longlistverkündung, betreten habe, während der Alfred mit meiner vollen Büchertasche aus den Schränken und Arnos Geigers “Drachenwand” draußen auf mich wartete.

Was soll ich schreiben? Das ist jetzt das Buch des schweizerischen Philiph Roth oder Martin Walser? Das Alterswerk des Vierundachtigjährigen der sich in seinem Werk mit der Liebe und den Tod des alternden Mannes beschäftigt und interessiert das wirklich die mittelalterlichen Deutschlehrinnen, die noch Bücher kaufen und sie lesen?

Ich wollte das schreiben, ich gebe es zu, bis ich etwa bei Seite zweihundertzwanzig des zweihundertvierzig Seiten Buches war und suche auch noch vergeblich nach dem You Tube Video, wo eine sagte, sie hätte das Buch abgebrochen, weil sie die Szene wo sich der Protagonist mit der jüngeren Japanerin in der verseuchten Erde wältz, unerträglich fand.

Ich habe es nicht mehr gefunden, aber Adolf Muschg hat auf dem blauen Sofa in Frankfurt selber über diese Szene gelächelt und was ist das Buch dann? Ein geniales Alterswerk des vierundachtigjährigen bekannten Schweizer Dichters?

Das scheint mir nun doch übertrieben, weil es mir ja ganz ehrlich auch auf die Nerven geht, wenn die Achtzig- oder Sechzigjährigen, der Paul Neuhaus, der Held des Buches, ist, glaube ich, gerade darüber, auf ihre letzten Reisen gehen und dabei die Lieben ihres Lebens nochmals erleben und über den Tod resumieren.

Da denke ich natürlich, was ist, wenn ich das machen würde? Was würden die Verlage dazu sagen und wer würde das lesen?

Aber die Vehemenz mit der Adolf Muschg diese schon hundertmal geschriebenen Themen bearbeitet, dabei vom Hundersten in Tausendste kommt und alles,  alles, was ja gar nicht dazu passt, dazu vermengt, ist wirklich beeindruckend und als er verlassen und frustriert in seinem Hotel in Hakone sitzt, über die verlorene Liebe und den Tod nachdenkt, dabei den Fujiyama beobacht und plötzlich nach Wien-Ottakring und auf das Harry Lime Thema kommt, dachte ich zuerst “Das passt ja gar nicht dazu!” und dann “Das ist genial und warum soll er das nicht schreiben und so sein Leben bewältigen und zusammenfassen?”

Ob man das lesen will oder soll, ist eine andere Frage. Die bücher liegen aber in den Buchhandlungen auf, es stand auf der deutschen Longlist, auf der Schweizer nicht, da steht von den dBp Büchern nur die Gianna Molinair und sonst noch der Peter Stamm.

Es ist aber überhaupt die Frage, wer heute noch Bücher liest und wen das wirklich interessiert, daß hier ein sechzigjähriger Architekt und Schriftsteller namens Paul Neuhaus, der mit seiner Freundin Schwierigkeiten hat, plötzlich einen Brief von Freunden aus Japan mit einer Einladung nach Fukushima bekommt, weil dort der Bürgermeister eine Künstlerkolonie aufbauen will, um die Leute in das verseuchte Land zurückzubringen und die Wirtschaft zu beleben.

Weil ihm seine Suzanne gerade verlassen hat, fliegt er hin, hat und das ist auch ein wenig verwunderlich, aber warum nicht, als ich einmal nach Amsterdam geflogen bin, habe ich im Flieger auch Elias Canettis “Blendung” gelesen, die damit ja nichts zu hat, Adalbert Stifters Werke mit und die werden in dem Buch immer wieder so zwischendurch zeilenlang zitiert und ich glaube im Anhang auch nicht extra ausgeweisen, aber das ist ein verlegerischen Problem.

Im Hotel Imperial in Tokyo wird er von den Freunden, der Germanistin Mitsuko und ihren MannKen erwartet, die ihm eröffnen, daß Mitsuko ihn durch die verseuchten Gebiete begleiten soll, da Ken an Leukämie leidet und sie also nicht begleiten kann.

Es kommt, wie es kommen muß. Die Beiden fahren mit dem Shinkansen, dem japanischen Schnellzug, eßen  ihre Bento Box, haben Geigerzähler und Schutzanzüge dabei, werden dann von dem bürgermeister erwartet und fahren ein paar Tage lang durch die versuchten und verlassenen Dörfer und interviewen dabei Familien, worüber sich Paul Neuhaus seine schriftstellerischen Gedanken macht. Sie müssen vor Wildschweinen flüchten, wälzen sich, wie schon beschrieben in der verseuchten Erde, was ich eigentlich auch nicht sehr nötig finde, deshalb habe ich das Buch aber nicht abgebrochen, denn ich will mich ja gern und freiwillig durch die dBp Longlist lesen.

Am Ende gibt es noch ein Abschiedsessen, da taucht dann der Ehemann auf. Der muß ins Krankenhaus, so begleitet seine Gattin ihn. Paul bleibt allein zurück, beziehungsweise sind  schon zehn Tage in einem anderen Hotel gebucht, wo er verlassen auf der Hotelterrasse sitzt, den Fujiyama beobachtet und über Gott und das Leben sinniert.

Dann kommt der Tag der Abreise, Mitsuko erscheint natürlich im Hotelbuffet, gesteht, daß sie schwanger ist und zu ihrem Mann ins Krankenhaus muß und ich habe wirklich nicht verstanden, von wem das ist? Denn, um eine Schwangerschaft festzustellen, braucht man wahrscheinlich mehr als zehn Tage oder irre ich mich da?

Es gibt auch noch einige andere beeindruckende schöne geschriebene Szenen, denn Adolf Muschg versteht ohne Zweifel sein Handwerk, obwohl, wenn ich schon wieder beim Motzen bin, mir ein Zweiundsechzigjähriger als fast Fünfundsechzigjährige nicht wirklich alt erscheint und, daß sich der Gedanken über eine mögliche Demenz macht, erscheint mir zu literarisch aufgesetzt.

Es gibt aber noch eine eher peinliche Szene von einem früheren Abendessen mit dem Bürgermeister, wo er sich nachher nackt im Bet vorfindet und nicht weiß, wer ihn ausgezogen hat?

Träume und Fieberfantasien gibt es auch und eine geheimnisvolle Karte, die ihm der Hotelportier nachträgt, als er ins Taxi steigt. Es gibt eine antike Schale, die er dem Paar mitbringen soll und dann einem Hotelangestellten schenkt und, wie schon beschrieben noch hunderttausend andere Einfälle, die eigentlich nicht zusammenpassen, so daß ich schon das Obige formulierte und dann innehielt und plötzlich dachte:

“Es ist ein geniales Buch, vielleicht oder gerade deshalb, weil man die Zusammenhänge nicht versteht. Aber sie sind auf jeden Fall bewußt oder unbewußt, das, was Adolf Muschg beschäftigte und daher für die Leserin interessant und jetzt noch ein paar Japan- oder andere Buchbezüge, weil das Japanthema in der Literatur derzeit sehr modern ist und ich, schreibe ich noch dazu, ja auch schon zehn Tage dort war, wenn auch natürlich nicht als Stipendiatin, wie die anderen, die dann ihre Japan-Bücher geschrieben haben.

Alina Bronskys  “Baba Dunjas letzte Liebe”, auch ein dBp Buch hat, das mit Tschernobyl versucht und Marion Poschmanns “Kieferninsel” führt uns in ein anderes, sehr lyrisches Japan und in einen Selbstmörderwald.

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