Ungarische Literatur lesen

Einen ungarischen Literaturstreifzug habe ich ja schon gemacht, als wir mit der Schwiegermutter, mit oder ohne Anna und Andreas einige Mal in Bük im Bad waren und da habe ich mir ja, wie ich das bei Reisen immer mache, um meinen literarischen Horizont zu erweiter, ungarische Bücher mitgenommen und da hat sich bei mir einiges angesammelt und ich habe auch schon einiges gelesen und auf der “Buch Wien” habe ich auf der “Donau Lounge” auch immer einige Tips bekommen.

Da gibt es ja Cornelius Hell, der mich auf György Dragoman, Szilard Borbely und andere Autoren aufmerksam machte.

In der “Alten Schmiede” bin ich auf den “Nischen-Verlag” und den Übersetzer György Buda aufmerksam geworden, die dort immer die neue ungarische Literatur vorstellen und dann gibt es natürlich den lieben Stephan Teichgräber mit seine Centrope Workshops und dem “Literarischen Lenz des Centropes” und Ungarn gehört ja zum Centrope, so habe ich dort auch immer neue oder schon bekannte ungarische Autoren gehört.

Einer der bekannteesten ist ja der 2016 verstorbene Peter Estherhazy,, den ich einmal moderiert von Cornelius Hell in der Hauptbücher hörte und auch einige Bücher gelesen oder in meinen Regalen habe und Imre Kertez, der Nobelpreisträger von 2002.

Von György Dalos habe ich einiges gelesen und ihn auch bei einigen Lesungen gehört und eine der bekanntesten ungarischen Autorinnen ist Magda Szabo von der ich auch einiges gelesen und mehrere Bücher gefunden habe.

Als Ungarn das Gastland in Frankfurt war, hat der “Wespennest-Verlag” ein paar Bücher von nicht so bekannten ungarischen Autoren herausgebracht, die glaube ich über den Bücherturm der “Literatur im März” zu mir gekommen sind und die in Österreich lebenden ungarischen Autoren, wie Gabor Fonyad höre ich ja auch regelmäßig in der “Alten Schmiede”, Literaturhaus und “Gesellschaft” und bei der Lyrik wäre noch Kinga Tooth zu erwähnen.

Also bin ich, was die ungarische Literatur betrifft nicht so ganz unbedarft und habe mir für meinen heurigen Badeaufenthalt György Dragoman “Scheiterhaufen” eingepackt, das ich, wie schon geschrieben, einmal in der “Donau Lounge” auf der “Buch-Wien” kennenlernte und mir dann, wenn ich mich nicht irre, einmal in der “Frick-Restbuchhandlung” kaufte und das auch auf meiner heurigen Leseliste steht. Da steht auch Terezia Moras “Der einzige Mann auf dem Kontinent”,, die 1971 in Sopron geboren wurde, zwar, wie, ich glaube, auf Deutsch schreibt, weil sie sonst keine deutsche Buchpreisträgerin wäre, aber auch als ungarische Übersetzerin tätig ist. So habe ich es mir auch eingepackt.

Bücher von György Dalos, Peter Estherhazy, Magda Szaba, Sziard Borbely, etcetera müßte ich auch in meinen Regalen haben. Aber soviel kann man in vier Tagen nicht lesen und wahrscheinlich werde ich über den Dragoman nicht hinauskommen und wenn wir Freitag nach Österreich zurückkommen warten ja in Harland und Wien, bzw. in meinen E-Book Folder auch einige Bücher auf mich, bevor es ans deutsche Buchpreislesen gibt.

Die ungarische Literatur ist aber sicher interessant und dank Cornelius Hell, der “Donau Lounge,” wenn ich heuer. was ich hoffe, wieder auf die “Buch-Wien” gehen kann, Stephan Teichgräbers “Centropefestival “und den Veranstaltungen der “Alten Schmiede”, Literaturhaus, “Gesellschaft für Literatur” kann ich mich sicher auch in Zukunft darin vertiefen und neue Autoren und Autorinnen kennenlernen.

Leni weint

Jetzt kommen dreißig Essays, die der 1943 in Budapest geborene Peter Nadas  zwischen 1989 und 2014 geschriebenen hat und die unter anderes von Akos Doma, Zsuzsanna Gahse, Ilma Rakusa, um nur die mir bekannten Autoren zu nennen, übersetzt wurden.

Über Peter Nadas habe ich ja zu Jahresbeginn ein ganzes Symposium gehört und 2017 auch einmal im Literaturhaus, wo er seinen neuen Roman vorstellte und im Literaturmuseum hat er auch einen Vortrag oder einen Essay gehalten und die im Herbst bei “Rowohlt” erschienen Essays wurden auch in der letzten Lese.auslese in der “Gesellschaft für Literatur” als leicht zu lesende, weil sehr erzählerische Essays empfohlen.

Der gut Deutsch sprechende Autor ist, wie ich mich bei den drei Veranstaltungen, wo ich ihn erlebte, überzeugen konnte, ein sehr sympathischer Mann. Eine Klientin hat mir auch einmal erzählt, daß sie ihm ein Mail geschrieben und er ihr sofort geantwortet hat und die Essays, die sich sowohl mit Details, als auch mit sehr weltbewegenden Momenten beschäftigen, sind trotz der angekündigten erzählerischen Leichtigkeit, recht kompliziert.

Springt Peter Nadas doch von Hunderste ins Tausendste und macht sehr gekonnte Assoziationen, die das Nachvollziehen nicht sehr einfach machen, wie auch die Lektorin Katharina Raabe in ihrem Nachwort über die “Parallelgeschichten”, die ich nicht gelesen habe, schreibt, daß man sie wohl mehrmals lesen muß um alles zu erfassen.

Bei den Essays wohl auch, füge ich mit Bedauern, daß ich  dazu wohl nicht die Zeit habe, hinzu und bin dann bei der “Behutsamen Ortsbestimmung”, gleich über die “Betrachtung eines Wildbirnenbaums, der vor Peters Nadas Fenster steht, zu der Analyse des Dorfs, in dem Peter Nadas seit vierzig Jahren lebt, den Eigenheiten seiner Bewohner und ihr Verhalten während des zweiten Weltkriegs bis Jahrhunderte zurück in die Zeiten des Prager Bischofs Adalbert, gekommen.

“In der Körperwärme der Schriftlichkeit”, geht es um die Kunst des Schreibens und um Europa.

Peter Nadas meint hier, daß nicht jeder, der das Schreiben erlernte, das auch wirklich kann, obwohl es jeder von sich behauptet. Er übt diese Kunst am Vormittag aus und am Nachmitttag, die des Nichtschreibens. Er muß auch mit der Hand schreiben, um die Sinnlichkeit der Buchstaben zu erfahren und davon ausgehend, kommt er zu Europa und macht sich Gedanken über dessen Identität, während es im  “Das große weihnachtliche Morden” um die Gefühle geht, die die Fernsehübertragung, die im Jahr 1989, die Hinrichtung des Ehepaares Ceausescus zeigte, in ihm auslöste.

Es geht dann in den “Kalten Krieg”. Danach wird eine “Skizze zweier psychoanalytischer Grenzfälle ” gegeben, in der Peter Nadas von einem jungen Mann erzählt, der ihm sagte “Daß ihm die Kommunisten zugrunde gerichtet hätten”, das aber weiter nicht sprachlich ausdrücken konnte, so daß der Nichtanalytiker mit Hilfe einer Kinderpsychologin ihn erfolgreich mit paradoxer Intetion behandelt hat.

Thomas Manns Tagebücher werden analysiert. Hier denke ich, die ich mich als Studentin durch seine Werke gelesen, aber wahrscheinlich nicht viel verstanden hat, ist es sicher besser sich zuerst die Primärliteratur zu besorgen, wie Tagebücher und Analysen daraus wahrscheinlich überhaupt sehr vorsichtig zu interpretieren sind, um nicht zu falschen oder dilettantischen Schlüßen zu kommen.

Thomas Mann hat auch seine frühen Tagebücher verbrannt und die späteren sehr vorsichtig, vielleicht schon für die Nachwelt geschrieben, die von 1932 sind aber erhalten geblieben und vorsichtig oder nur unter Auslassungen ins Ungarische übertragen worden und so stehen wir vor den Deutungen, aber wie gesagt, ich würde hier sehr vorsichtig sein.

In seiner Dankesrede bezüglich des “Kafka-Preises” hat Peter Nadas eine Zugfahrt beschrieben in dem sich ein Mann und eine Frau gegenüber oder nebeneinandersitzen und in Kafkas “Prozeß” lesen und dann beschreibt er eine Reise mit dem Journalisten Richard Swarzt in das Ceauscescu-Rumänien, wo man von Spitzeln bewacht wurde und es in den Hotel nichts zu essen gab. Die Kellner sich das aber nicht anmerken ließen.

Sehr zu empfehlen die Essays, die die derzeitge politische Situation in Ungarn un den Weg dorthin, erklären.

Um die Demokratie geht es auch, hier versucht  Peter Nadas “Das  Individuelle, das Kollektive, das Einzellne und das Allgemeine” zu analysieren  und greift dann den Vorschlag auf den Vaclav Havel offenbar Madeleine Albright machte.

Der elfte September wird thematisiert, bevor es zu einer  sehr beeindruckenden Geschichte kommt, die ich gar nicht so sehr als Essay bezeichnen würde.

Das Ich oder Peter Nadas baut ein Haus mit einem Handwerker und kommt ihm bei der körperlichen Arbeit, wobei ihm der andere natürlich überlegen ist, näher. Irgendwann beginnt der Arbeiter seinen Judenhass zu thematisieren, Nadas widerspricht. Ein paar Tage später geht es gegen die Zigeuner, die er so sehr hasst, daß er sie am liebsten ermorden würde. Nadas beginnt zu schreien und als es dann gegen die Schwulen geht, schweigt er. Die Arbeit an dem Haus geht natürlich weiter und in der Endrunde kommen andere Arbeiter hinzu, die der Handwerker organisiert, während Nadas weiter hinten arbeitet und hören kann, daß nun die Arbeiter gegen die Zigeuner hetzen und sein Freund zu schreien beginnt.

So etwas würde ich mir bei meinem Freund Uli wünschen, aber ich weiß schon, das Leben ist kein Wunschkonzert und so einfach machen es einer die anderen nicht und auch Peter Nadas zieht weiter und kommt zur der “Walser-Bubis-Debatte”.

Da hat Martin Walser ja 1998 den “Friedenspreis des deutschen Buchhandels” erhalten und diesbezüglich eine Rede gehalten, die die Gemüter erregte. Es kam zum Streit mit Ignaz Bubis, dem 1999 verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrates für Juden, Frank Schirrmacher, der 2014 verstorben ist, hat ein Buch darüber geschrieben, über das sich Peter Nadas Gedanken macht, bevor es zu dem Titelgebenden Essys kommt.

Hat sich Hitlers Paradekünstlerin Leni Riefenstahl   ja auch schon sehr früh als Kriegsberichterstatterin ausbilden lassen, um an der Front zu fotografieren. Dann kam es zu den ersten Massenerschießungen und die Tränen kollerten, wurden wohl auch dokumentarisch festgehalten und von Peter Nadas gekonnt mit Viktor Klemperer, seinem mitleidigen Briefträger und der Sprache des dritten Reiches in Beziehung gesetzt.

Es gibt Texte über Camus, Imre Kertesz, Alexander Solschenizyn, der vor kurzem seinen hundertsten Geburtstag gefeiert hätte,  den mir bisher unbekannten ungarischen Dichter und Universitätsprofessor Milan Füst, sowie einen über die Memoiren der Schwiegertochter von Milos Horthy, Ilona Edelsheim-Gyulai.

Dann geht es über den 1933 in Budapest geborenen Maler Alexandre Hollans und seine gemalenen Bäume zurück zum Wildbirnenbaum des Dörfchen Gomboszeg, wo Nadas außer in Budapest auch noch wohnt, wo sich die männlichen Dorfbewohner am Abend unter dem Baum versammeln und sich austauschen, während es auf der ganzen Welt noch andere Baumrituale und Mythen gibt.

Mit dem Museum geht es gleich weiter, dort steht Nadas  länger, weil er den “Punkt sucht, von dem aus der Maler das Bild gemalt hat”, wobei er vom Wärter mißtrauisch beobachtet wird, er sich aber nur seine philosophischen Gedanken über Monet und  seine Malkunst macht.

An Hand Klimts “Goldenener Adele”, beschäftigt Nadas sich mit Skandalen und kommt erst recht spät auf den Ausgangspunkt der Geschichte.

In “Ein zu weites Feld” geht er auf Grund Fontanes letzten Satz aus der “Effi Briest” noch einmal auf sein Schreiben, beziehungsweise das Schreiben eines Romanes ein, bevor es im letzten Text, um seine Nahtoderfahrung, die er 1993 nach einem Herzinfarkt hatte.

Ein interessantes Buch in dem man sowohl in das Leben Nadas, als auch in die Geschichte Ungarns, seine politischen Entwicklung und noch viel mehr  eintauchen und über den Zustand der Welt und ihre Verknüpfungspunkte philosophieren kann.