Ins Erzählen flüchten

Jetzt kommt wieder etwas Schreibtechnisches, beziehungsweise drei Poetikvorlesungen, die der 1976 in der Schweiz geborene und in München lebenden Jonas Lüscher der 2013 mit seiner Novelle “Frühling der Barbaren” und 2017 mit “Kraft” auf der dBp-Liste stand, die er 2019 in St. Gallen in einem Literaturraum  und nicht an der Hochschule gehalten hat, so daß, wie er betont, das Publikum eher aus interessierten Lesern, als aus Literaturstudenten bestand, so daß er sich bemühte, was sicher sehr zu empfehlen ist, seine Vorträge verständlich zu gestalten und beginnt den Titel “Ins Erzählen flüchten” damit zu erklären, daß für ihn das Schreiben, wie ja auch für mich,  eine Lebenshaltung ist und das Schreiben, würde ich ihn verstehen, ein wichtiges Regulativ, um den Alltag zu bewältigen, die Probleme zu lösen, die Phantasien auszulösen….

Jonas Lüscher hat, glaube ich, Philosophie studiert und dann, als er mit seiner Novelle gleich sehr erfolgreich wurde, das Studium aufgegeben und sich fortan dem Narrativen gewidmet.

Bei mir ist das ja aus- und der Brotberuf wichtig geblieben, Hobbyautorin würde ich trotz einer Bemerkung der Anna vor vielen Jahren und eines Instistieren meines Freundes Uli nicht nennen, die Lebensform stimmt schon besser und das Narrative ist ja auch meines.

Da gibt es ja immer noch  große Diskussionen, ob jetzt das oder das Experimentelle wichtiger ist, oder ob man überhaupt erzählen darf  und nicht schon alles auserzählt ist, wie man man in der ersten Vorlesung, die sich “Quantitative Blendung und narrative Beliebigkeit”, also auch nicht unbedingt sehr verständlich oder “Eine Beziehungsgeschichte” nennt, nachlesen kann, denn C.H. Beck hat die drei Vorlesungen in einem dünnen hundert Seiten Bändchen herausgebracht.

Dann gehts hinein in die literatischen Fluchtgeschichten und da landen wir natürlich bei Homer und der “Odyssee”.

An Hand eines Werks von Paul Feyerabend, den er für seinen Lieblingsphilosophen hält, geht es durch die Geschichte bis hinauf in die Gegenwart und hier unterscheidet Jonas Lüscher das Narrative oder das Leben vom Wissenschaftlichen, Philosophischen, Mathematischen, etcetera.

In der nächsten Vorlesung geht es zum Biographischen und wieder grenzt sich Lüscher vom bloß Messbaren ab, im Vietnamkrieg hat man zum Beispiel die Zahl der Toten gemessen, um daraus eine Theorie des möglichen Erfolgs zu bekommen, wenn man aber nicht über die inneren Beweggründe Bescheid weiß, wird man sich irren.

Und “Google” oder “Amazon” verlegen sich ja auch aufs Messen, hat man einen E-Book Reader bekommen sie die Daten, wann der Leser das Buch abgebrochen oder was er unterstrichen hat und dann melden sich die Verlage beim Autor und mahnen “Schreiben Sie spannender!”

Deshalb hat Lüscher auch einen Widerstand gegen das allzu Voraussagbare entwickelt und geht beim Schreiben auf Distanz, als Beispiele dazu führt er dieHelden in seiner Novelle und seinem Roman an, das sind sehr unzuverläßige Erzähler und der Leser kann sich nicht auf sie verlassen und muß sich selbst sein Bild machen, füge ich hinzu und dann geht Lüscher wieder in seine Biografie.

Er ist in einem kleinen Schweizer Dorf aufgewachsen, das später durch seine Fremdenfeindlichkeit brillierte, die Eltern gaben den Söhnen keinen Fernseher, sondern schickten sie in die Bücherei, das tat der Zehnjährige, als er seine Ferien in Bern, wohin die Familie gezogen war und er noch keine Freunde hatte.

Dann kam er zum Film und das Theater, zog nach München und arbeitete, als Dramaturg beim Film, als ihm, die dort ausgewählten Filme zu voraussehbar waren, verlegte er sich aufs eigene Schreiben und kellnerte am Abend. Die damals entstandenen Romane blieben unveröffentlicht, so begann er Philosophie zu studieren, entdeckte vorerst da seine Leidenschaft und entwickelte, den Glauben damit das non plus ultra, wie einen Trichter in den man die Weisheit hineinfüllen kann, gefunden zu haben.

Das, das auch nicht so klappte, hat er schon in seiner Einleitung geschrieben, hat er  ja die Doktorarbeit aufgebenen und gleich eine Longlistnovelle geschrieben.

Die dritte Vorlesung heißt “Vom Schreiben engagierter Literatur zum engagierten Schriftsteller” und ist ein wenig kryptisch, das heißt, mir ist nicht so ganz klar geworden, was Lüscher damit meint, der mit, was er in seinem Vorwort andeutet, mit einer Zusammenfassung der esten beiden Vorträge beginnt.

Dann führt er zwei Arten des Schreibens an, die von Friederike Mayröcker, die sich  immer sehr energisch äußert und betont, daß sie nichts von Erzählen hält, weil ja alles alles nur Sprache ist und das andere, wie sie, glaube ich, meint, nichts wert ist.

Eine Haltung, die vor allem in Österreich sehr verbreitet ist, Jonas Lüscher stellt sich mit seinem Plädoyer dagegen zu stellen und sein Gegenbeispiel ist eine engagierte Journalistin.

Dann kommt er zu einem Gleichnis, das ich nicht ganz verstanden habe, denn, das Friederike Mayröcker nichts vom Erzählen hält, kann ich akzeptieren, obwohl ich ja anderer Meinung bin und das auch betreibe, Lüscher zitiert aber ein buch von Isaiah und besteht darauf ein “Fuchs” zu sein.

Wie geschrieben, was das bedeutet, habe ich nicht so ganz herausbekommen, wahrscheinlich ist es aber der wache forschende Geist im Gegensatz zum beharrlich alles umfassendes und da sind wir schon bei der engagierten politischen Literatur, die ja immer als ein wenig anrüchig gilt. Lüscher meint da, wir müssen uns von den Begriffen der “Heden” und der “Ehre” trennen und nennt da, als Beispiel, daß heute warhscheinlich keiner mehr einen Roman über “gefalleneMädchen” aber dafür einen über “alleinerziehende Mütter”, schreiben. Was ja eigentlich das selbe ist, der Schwerpunkt der Schilderung, wird aber ein anderer sein und was die”Helden” betrifft, die Lüscher abschaffen will, obwohl er ja sehr für das Narrative ist, da würde ich ihn nach der “Heldenreise” fragen, nach der ja angeblich jeder spannende Roman konzipiert sein sollte, aber ich weiß auch, das gilt vielleicht nicht für so ganz professionell und zählt eher zur Genre- oder zur Hobbyliteratur.

Am Schluß führt er noch ein, mir wieder nicht ganz verständliches Beispiel an, nämlich, ob sich ein autor lieber politisch engagieren, also zu einer Demo aufrufen, beispielsweise oder lieber darüber schreiben sollte?

Lüscher, der narrative, ist wohl dafür, sich, wenn auch sehr engagiert, dorthin zu flüchten und führt das mit einer Textseite an, bei der ich mir mit dem Verständnis schwer getan habe, obwohl sie schön geschrieben war und wohl ein Versuch des Autors war, seinem Volkshochschulpublikum, die Literatur nahezubringen und ich habe ein interesantes Buch gelesen, über das man sicher nachdenken kann und das Interessante war dabei, daß ich es zum Teil in der Badewanne gelesen habe, wo auch ein bißchen Wasser darüber schwappte, so daß ich es trocknen mußte und es jetzt sehr zerlesen ist, als auch bei dem “Hörspielfestival” in der”Alten Schmiede,” wo ja auch eher Experimentelles und nicht sehr Narratives geboten wurde, weil das ja in Wien immer noch als  “besser” gilt.

Interessant wäre aber sicher auch Jonas Lüscher einmal zu einer Vorlesung oder einer Klasse in die “Schule für Dichtung” oder in den “Lehrgang für Sprachkunst” beispielsweise über die “Kunst des Erzählens einzuladen. Aber vielleicht war er schon dort und ich habe es nur nicht mitbekommen.