Was bleibt, wenn wir sterben

Jetzt kommt ein Sachbuch oder ein Erfahrungsbericht einer Trauerrednerin “Was bleibt, wenn wir sterben”, der 1975 in London geborenen und in Hamburg lebenden Louise Brown, das ich jetzt erst lese, obwohl Allerheiligen schon vorrüber ist. Da ist das Buch aber schon vorher zu mir gekommen, beziehungsweise gab es einen “Diogenes-Bloggertalk” mit Louise Brown. Aber als ich mich da einloggen wollte, war das Internet kaputt, so habe ich das Treffen versäumt. Inzwischen ist die Oma verstorben, also habe ich das Buch schon im September bekommen, da der Alfred es seinem Trauerredner zeigte und jetzt ein Buch über ein Thema, das in unserer Gesellschaft ja sehr verdrängt wird.

Ich habe, weil wahrscheinlich alte Eltern und als junge Frau viele alte Freundinnen, ein etwas näheres Verhältnis habe, in Lainz bei der Pflegehelferinnenaus- und Fortbildung auch Sterbeseminare gehalten und mich auch sonst sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt und ich kenne auch einige Autoren, die Trauerreden, als Nebenbeschäftigung halten. In der “Sophie Hungers” habe ich auch eine solche eingebaut.

Am Cover sind ein paar Vögel zu sehen und es beginnt in der Einleitung mit dem schönen Bild von den Apfelbäumchen in der Kapelle, beim Begräbnis eines Ehepaares, das innterhalb von ein paar Tagen gestorben ist und Louise Brown, die früher Journalistin war, erinnert sich, immer, wenn sie am Markt einen Apfel kauft, daran.

Zur Trauerrednerin ist ist nach dem Tod ihrer Eltern geworden und den Tod, den sie als erstes erlebte oder sich erinnern kann, war der ihres Hamsters.

Eine Frage, die ich mir stelle, ist, wie wird man Trauerrednerin? Gibt es dazu eine Ausbildung, wie geschrieben, ich kenne ein paar Autoren, die das nebenbei machen und war auch auf einigen Begräbnissen, wo die Angehörigen diese Rolle übernommen haben oder die von GAV-Mitgliedern haben dann die GAV-Präsidenten übernommen. so hat Robert Schindel beim Begräbnis von Gerhard Kofler, das Kadish gesprochen.

Das Buch ist in drei Teilen gegiedert, der erste heißt “Konfrontation mit dem Tod”. Da beginnt sie mit ihren Eltern, geht dann über eine hundertjährige Autoeinfahrerin zum Humor über und zu der Frage, ob ein Begräbnis immer todernst sein muß?

Beim Bebräbnis ihrer Mutter wurde Bach gespielt, woran siesehr unangenehme Erinnerungen hatte. Mit Humor kann man die Angehörigen aber aufheitern oder entspannen und der Alfred hat seinen Trauerredner von den Reisen erzählt, die seine Eltern machten. Die Gescichte mit der Mortadella, die sie als sie mit dem Alfred am Moped in den Sechzigerjahren nach Italien fuhren, kauften, weil sie billig war und sich dann daran überessen haben, fehlte dabei. Aber die wahrscheinlich auch nicht so lustig, aber vielleicht typisch für seine Eltern.

Eine Schwierigkeit mit dem Buch habe ich noch, daß da nicht so genau zwischen der Sterbebegleitung und dem Trauerreden unterschieden wird, denn der Trauerredner kommt mit der Person ja erst in Kontakt wenn sie schon gestorben ist, beziehungsweise, die Angehörigen befragt, wie er war? Deshalb ist es wahrscheinlich müßig zu überlegen, wie der Sterbende den Angehörigen Kraft geben kann. Aber Louise Brown bezieht sich oft auf den Tod ihrer Eltern, der für sie viel verändert zu haben scheint und schreibt, daß die Mutter sie im Krankenhaushaus fragte, ob es besser werden wirdund was man darauf antworten soll, wenn man weiß, sie wird bald sterben?

“Ja, natürlich!”, ist meine Antworte, denn man kann ja den Tod, als Erlösung des Leids auch so verstehen und da fällt mir wieder der “Professor Bernhardi” ein, der mich schon als Jugendliche sehr beeindruckt hat. Da ist die Sterbende ja in einer Art Euphorie und denkt schon gesund zu sein, wenn da der Priester mit seiner Monstranz kommt, um ihr die letzte Ölung zu erteilen, erleidet sie einen Schock, den ihr der Professor ersparen wollte, obwohl sie wahrscheinlich ohnehin gestorben wäre, so aber glücklicher, wenn auch ohne den letzten Segen.

Das ist vorbei, aber ein sehr beeindruckendes Stück und Louise Brown hat vorher an ihrer Schulzeit erinnert, wo man täglich das “Vater unser hinuntergleiert, also “But deliver us from the evil”, sie hat aber noch nicht lesen könnend, “eagle” also “Adler” verstanden und sich den dann mit seinen Schwingen vorgestellt.

Nützlich sind die Kapitel, wo sie beschreibt, wie schwer es ist ein Haus oder Wohnung auszuräumen und von welchen Gegenständen man sich trennen muß oder soll. Heute hört man ja ,alles wegschmeißen, was man nicht braucht. Aber die fünfzehn teekannen des Vaters oder Krawatten des Ehemannes können hilfreich sein oder auch stören. Also muß man, glaube ich, selbst entscheiden, wie man damit umgehen soll und richtig, Louise Brown, die ja nach den Tod ihrer Eltern den Beruf wechselte, hatte keine spezielle Ausbildung, als sie ihre erste Angehörige anrufen sollte. Bei uns ist das, glaube ich, umgekehrt, da ruft man den Trauerredner an. Sie saß aber vor dem Telefon und wußte nicht, was sie sagen sollte?

Der Bestatter riet ihr dann zu “Guten Tag, ich bin die Trauerrednerin, mein herzliches Beileid, auch wenn ich Ihre Mutter nicht gekannt habe!”

Das erinnert mich an die Ärztin oder Stationsschwester im Wilhelminenspital, in das mein Vater ja schon sterbend gekommen ist, aber trotzdem nach seinem Tod, wahrscheinlich aus Abrechnungsgründen noch auf die Station aufgenommen wurde und die Schwester oder Ärtzin, das dann zu mir sagte, obwohl sie meinen Vater nicht gekannt hat.

Was sagt man also?

“Mein aufrichtiges Beileid!”, wenn man beim Begräbnis an den Angehörigen vorbeimarschiert, was dann meistens nicht ganz ehrlich ist. Da ist das Englische wieder mal besser, wenn man “I am sorry for your loss!”, sagt. Da kann ich anfügen, daß ich beim Begräbnis meiner Schwiegermutter, die ich ja seit März 2020 niemanden mehr die Hand gebe, das beim zweiten aufgab und dachte, das kann ich jetzt nicht mehr, denn jetzt muß ich ja das Beileid entgegennehmen und mir nachher gleich die Hände wusch.

Im zweiten Teil “Leben mit der Trauer”, die Teile sind nicht immer scharf voneinander abgegrenzt, sondern schwappen wie ich finde ineinander über und Loise Brown gibt sowohl Fallbeispiele, als auch Erfahrungen aus ihrem Leben, wundert sie sich ein bißchen, daß die Angehörigen, das Begräbnis meistens schnell und konventionell hinter sich bringen wollen, könnten sie doch ihre eigenen Reden halten und oder sogar den Sarg selber tischlern. Ich denke, daß das wohl mit der Trauer zusammenhängt und da wären wir schon beim Thema und da kann ich mich erinnern, daß beim Tod meines Vater, die Trauer erst viel später kam und viel länger, als erwartet dauerte, denn bis zum Begräbnis war ich durch die Formalitäten abgelenkt.

Dann kommt Louise Brown zu den Konflikten, die beim Trauergespräch auch höchstens nur angedeutet werden. Natürlich denke ich und die Trauerrednerin ist auch keine Therapeutin und man soll dem Toten ja nichts Schlechtes nachsagen, muß aber die Konflikte, die man mit dem Vater oder der Mutter vielleicht trotzdem hatte, höchstwahrscheinlich aufarbeiten.

Die nächste Idee finde ich originell, nämlich sich seine Trauerrede selber schreiben und ich kann mich erinnern, daß ich beim Begräbnis der Valerie Szabo das erste Mal erlebte, daß die Familie die Reden hielt, beziehungsweise ihre Texte las.

“Wow!”, habe ich gedacht und dann den “Letzten Versuch” geschrieben, den könnte ich der Anna übergeben oder in meinem Testament festlegen, daß das gelesen werden soll.

Das habe ich damals kurz gedacht und denke jetzt, ich werde es nicht tun, denn, nach mir die Sintflut! Mein Leben leben, wie mein Bebgräbnis werden wird ist mir egal obwohl ich eigentlich schon ein Wunschdatum, nämlich den 13. 3. 1933 hätte und mir als ich dreiunddreißig war dachte, daß ich mit sechsundsechzig sterben möchte und dann kommt Louise Brown zu der Frage des Warum?, die, die Angehörigen wahrscheinlich manchmal an sie stellen und für die es höchtwahrscheinlich keine Antwort gibt.

“Die Endlichkeit annehmen” , heißt der dritte Teil und hier beginnt Louise Brown mit der Natur und dem Hund, den sie hat, weil seine Besitzerin ihn nicht länger versorgen konnte. Dann wird sie wieder sehr persönlich und schreibt, daß es ihr schwerfällt zuzugeben, daß sie zwei Jahre brauchte, bis sie das Grab ihrer Eltern besuchen konnte. Ich finde das sehr sehr normal obwohl man sich das meistens nicht leeisten zu können glaubt, denn das Trauern braucht Zeit und die Frage, was bleibt, der Buchtitel, ist auch sehr interessant zu interpretieren.

Denn da heißt es ja, der Tote lebt in einem weiter. Louise Brown meint, es wäre die Erinnerung in der er lebt und die, füge ich an, verändert sich und insofern lebt der Verstorbene dann doch in einem weiter und es sind auch die Spuren, die bleiben.

Louise Brown scheint das zwar ein wenig anders, wie ich zu interpretieren, aber ich werde, glaube ich, ihn meinen Büchern weiterleben. Denn die bleiben wahrscheinlich in der einen oder anderen Form, auch wenn sie die Anna in zwanzig Jahren in die Mülltonne kippt oder in den Bücherschrank stellt und dann verbreiten sie sich sowieso. Interessant ist bei mir, daß ich das bei meinen Körper anders sehe, denn da will ich keine Organentnahmen und mich auch verbrennen lassen, damit mich niemand ausgraben kann.

Louise Brown hat da auch ihre eigene Vorstellung, die sich verändert haben und da kommt dann schon die Frage, will man alleine oder im Kreise seiner Lieben sterben?

Vorher wird noch das “Death Cafe” erwäjhnt, wo man zusammen kommt und über das Sterben spricht. Eine Art Sterbeseminar, wie es das in der Krankenpflegeausbildung gibt und das, wie ich auch Erfahrung weiß, meistens sehr gefürchtet wird.

Natürlich, der Tod wird meistens verdrängt, weil er Angst macht und ich denke der eigene Tod wird wahrscheinlich auch ganz anders ausfallen, als man es sich gewünscht oder vorgestellt hat. Trotzdem finde ich es gut, darüber nachzudenken und weil wir schon beim Sterben im Keis der Lieben sind, ist das, was auch Louise Brown so thematisiert, etwas, was seit zwei Jahren meistens verwehrt wird. Da stirbt man ja zwangsweise allein im Krankenhaus oder Pflegeheim und da berichtet sie von einer Frau, die auf ihre übliche Frage, wie es ihr ginge “Beschissen!”, antwortete, denn sie durfte ihre Mutter schon lange nicht mehr besuchen und da sind wir, glaube ich, schon bei der Veränderung des Themas Sterben, denn das wurde durch Corona verändert, wo man das ja nicht soll, aber höchstwahrscheinlich trotzdem muß und wenn man hört, es wird nur noch “Geimpft, genesen oder gestorben!”, heißen, um zur Impfung zu motivieren, kann man nur antworten “Stimmt!”

So wird es sein, wenn auch wahrscheinlich nicht gleichzeitig, sondern nacheinander, denn auch die Geimpften werden irgendwann und wenn auch an etwas anderen sterben und den Virus kann man wahrscheinlich auch bekommen ohne es zu merken oder krank zu werden.

Ein interessantes Buch, das ich jeden nur empfehlen kann, denn es kann nicht schaden sich mit dem Tod auseinanderzusetzen. Man lebt dann sicher besser und unbeschwerter denke ich und wer davor Angst haben sollte, dem kann ich den Ausspruch von Prof Musalek wiedergeben “Wo der Tod ist, ist man nicht und wo man ist ist der Tod nicht!”, also keine Angst sich mit dem Thema zu beschäftigen, an seine Verstorbenen denken und sie in sich weiterleben lassen, wenn man möchte. Ihnen zu verzeihen ist wahrscheinlich auch ganz gut, wenn das nötig sein sollte, aber auch das braucht wahrscheinlich seine Zeit und die sollte man sich ruhig geben und ich gehe eigentlich nicht so gerne auf Friedhöfe, um dort Blumen zu gießen, verstehe es aber gut, wenn eine alte Frau oder ein alter Herr dorthin gehen, um ihren Mann oder seine Frau zu besuchen und sich mit ihnen zu unterhalten. Darüber gibt es Bücher und Filme und ich habe auch schon darüber geschrieben.