Gespenster zählen

Jetzt kommt ein Buch, das etwas verspätet zu Halloween und zum Allenseelentag passen könnte. “Gespenter zählen” von Martin Peichl mit Fotos von Matthias Ledwinka und von dem 1983 geborenen Martin Peichl, der einen etwas skurillen Humor zu haben scheint, habe ich schon zwei Bücher gelesen.

“Das Unheimliche ist die Wiederkehr des Vertrauten. In einer neuen Verkleidung. Jedes Laken verwandelt sich, wenn lange nicht genug gewaschen, in ein Gespenst. Martin Peichls Texte und Matthias Ledwinkas Fotografien sind Nachrufe auf Gefühle, das Herantasten an Verlust und Neubeginn, eine emotionale Standortbestimmung. Was bleibt wenn jemand geht? Woran erinnern wir uns, wenn etwas fehlt? Stellen wir uns den Geistern, mit denen wir uns umgeben?”, steht am Rücken des beigen Querformat-Büchlein und dann gibt es gleich ein Zitat von der im Juni verstorbenen Friederike Mayöcker “ich habe mir vorgenommen, dir nicht mehr zu schreiben: das Ergebnis hältst du in deiner Hand”

Und dann geht es durch die neunundsechzig Textminiaturen, die jeweils von einem Foto auf denen man verrostete Kaugummiautomaten, Basenen, Fenster mit Gottesmutterstauen, Kruzifixe, etcetera bewundern kann und zu den Minitaturen gibt es im Anhang immer den Hinweis auf die literarischen Spuren, die es dazu gibt.

Es geht durch die Erfahrungen eines noch relativ jungen Mannes könnte man so sagen. Seine Erinnerungen an die Mutter, die ihm und der Schwester immer die alten Kataloge ins Zimmer legte, wo die Kinder dann die Tierfiguren ausschnitten. Tiere spielen in dem Erinnern auch eine große Rolle. Da wird mit den Kindern in den Zoo gegangen. Ansonsten geht es viel, um das das Gespräch mit dem Du. Die Fahrt im Schulbus und die in ein Gasthaus, wo man das Geräusch des Schnitzelklopfen aus der Küche hören kann, während man mit den Fingern unter die Unterhose der Partnerin tastet und immer wieder schöne Zitate:

“Bei Berührungsangst kann zwischen zwei Arten unterschieden werden: Es gibt die Angst vor Berührungen durch andere Lebewesen, und es gibt die Angst, selbst zu berühren. Für Freud ist die Berührungsangst eine Folge unerfülter sexueller Bedürfnisse. Aber was ist das bei Freud nicht?”

Zwischendurch gibt es zwei schwarze Seiten auf denen “das hier als Countdown lesen,von hinten nach vorne” und “kannst laut mitzählen oder leise”.

Neben dem Foto, wo man im Schwarzen nur zwei leuchtende Uhren sieht, kann man lesen “Für die meisten Gespenstersichtungen gibt es medizinische Erklärungen. So sind viele Erscheinungen nichts weiter als eine Störung bei der Verarbeitung von senorischen und motorischen Reizen, weil die für die Körperwahrnehmung zuständigen Hrnregionen nicht richtig funktionieren.”

Und ein paar Seiten vorher kann man “Mittlerweile weiß ich, was ich bin. Fast nicht mehr vorhanden.”, lesen.

“Fünfmal ist die Welt schon untergegangen”, behauptet Martin Peichl “Kambrische Explosion, Kellwasser-Ereignis, Trilobiten-Dämmerung , triasischer Fauenenschnitt, das Aussterben der Dinosaurier. – Bleibt nur zu hoffen, daß irgendjemanden ein ähnlich klngender Namen für unser Verschwinden einfällt.”, wird noch dazugeschrieben.

Gespräche mit der Therapeutin kommen auch immer wieder vor und die Frage, “ob er jetzt doch an einem Krimi arbeite? Ja, vielleicht sogar an mehreren.” und ein Bibliotheksbesuch, wo ein Buch über die “zersägte Jungfrau”, ausgewählt wird.

“Wozu noch Romane schreiben-“, führe ich wieder die schreibbezogenen Stellen an, die mich ja besonders interessieren “wenn es doch Wikipedia-Einträge gibt, tröste mich mit Hyperlinks und beiße von meinem Weinglas ab.”

Eine interessante Frage, die ich natürlich mit “ja” beantworte. Schreiben und auch lesen und wenn es einmal kein Roman sein soll, kann ich die Fotocollagen und die literarischen Minitaturen über die Gespenster wärmstens empfehlen.

“Wie zählt man Gespenster, willst du wissen, ganz normal, sage ich, man fängt ein ein an, dann zwei und so weiter.”

Aha, ganz einfach, also wieder was gelernt.