Glitterschnitter

Bevor es endlich an die deutsche Buchpreisliste geht, kommt das Buch von dem ich mir vorgestellt konnte, daß es darauf stehen würde, nämlich Sven Regeners “Glitterschnitter” und der 1961 geborene Musiker ist schon 2017 mit seiner “Wiener Straße”auf der Longlist gestanden und die liegt in Berlin in Kreuzberg, wenn ich mich nicht irre und wenn ich mich weiter nicht irre, sind auch die anderen “Herr Lehmann -Bücher” dort angesiegelt. Also eine Fortsetzung desselben Romans und den würde ich in die Abteilung “Klamauk-oder Nonsenseroman” einreihen und damit tue ich mir etwas schwer, obwohl es sich ganz spannend gelesen hat und spannend auch, wie penebiel und konsequent Sven Regner da Alltagserlebnisse schuldert. Ein ganzes Buch von fast fünhundert Seiten dreht sich darum, daß ein paar Typen, die in der Wienerstraße und da in der “Intimfrisur” bzw. im Cafe Einfall verkehren, in der Gruppe “Glitterschnitter” spielen wollen und das ist eine Band mit Bohrmaschine,also wieder Abeilung Klamauk, aber einen Roman eines Musikers über eine Band habe ich ja auch vor kurzem gelesen, der wenig ernsthafter war, aber vielleicht wurde dort die Ironie nicht so konsequent durchgezogen.

Da gibt es also den Frank Lehmann, der ist, glaube ich, schon Held eines Vorromans und glaube ich auch verfilmt, der ist Putzkraft oder Kellnerin Cafe Einfall. Die Kellnerin dort ist eigentlich Chrissie, aber die hat Besuch von ihrer Mutter Kerstin, die eigentlich Susanne heißt, aus Stuttgart, die will der Tochter unbedingt ein Bett oder einen Kasten kaufen. Deshalb fahren sie zu “Ikea” und da muß ich anmerken, das Buch spielt 1980, also in den tiefsten DDR-Zeiten, sie nehmen H. R. mit, das ist ein Künstler der ein Aqarell malen soll. Er interessiert sich aber für die Musterwohnung, die dort aufgebaut ist, kauft das alles und baut das Zeug in seinem Zimmer auf. Statt dem Aquarell, die ein abstrakter Künstler ja nicht will, baut er das Bühnenbild für die Glitterschnitter-Performance. Eine Lisa will dort Saxophon spielen und es gibt auch eine Rivalität zwischen der “Intimfrisur” einem Friseurgeschäft, das jetzt in ein Wiener Cafe umgewandelt werden soll und dem Cafe Einfall. Daher werden hier Sachertorte dort Kuchen gebacken und bis drei Uhr nachmittag darf man im Cafe Einfall auch nicht rauchen, was für Zeiten waren das, weil sich dort eine Schwangerengruppe treffen will. In dem Cafe taucht der Kontaktpolizist auf, der nicht versteht, wieso er nicht rauchen darf, steht dann draußen. Es kommt, glaube ich, zu einer Schlägerei. Der Kontaktbeamte hat am Ende auch noch einen Schlaganfall und da wird nicht die Rettung oder die Feuerwehr geholt oder besser hingegangen, weil das Telefon kaputt ist.

Ein Shakespeare Englisch oder besser Deutsch wird auch gelegentlich gesprochen. Ein Kellner entlassen, der dann als Gast ins Cae kommt, alle nehmen auch ihre Bierdosen dorthin mit, damit sie nicht drei Mark für die Flasche zahlen müssen und die Arsch Galerie mit den beiden Pseudoösterreichern, die ständig von Ottakring sprechen, gibt es auch. Die fahren am Schluß nach Passau, denn das liegt ja an der österreichischen Grenze und von dort wieder nach Österreich zurück.

Spannend irgendwie, vor allem der Österreich Bezug, da hebe ich natürlich ab, Seven Regener muß hier Verbindungen haben und der Stll, daß da seitenlang über nichts geschrieben wird, nimmt mich ja auch mit. Ich tue das ja irgendwie auch, würde das aber ernsthafter betreiben wollen und hier noch zur Vervollständigung der Beschreibungstext:

“Willkommen inder Welt von Glitterschnitter, einem großen, wilden Roman über Liebe, Freundschaft, Verrat, Kunst und Wahn in einer seltsamen Stadt in einer seltsamen Zeit.”

Wiener Strasse

Nun gehts nach Berlin und nicht ,wie der Titel glauben machen könnte nach Wien oder wenigstens St. Pölten und zu dem neunten Buch der dBp LL und einem das, was ich nicht nur aus Lokalpatriotismus sehr schade finde, nicht auf die Shortlist gekommen wäre, denn das wäre, glaube ich, zumindestens für Berlin der Verkaufshit, den sich die Buchhändler immer für den Buchpreis wünschen und beklagen, daß da soviel “Kunstscheiß” daraufsteht, aber das ist schon die Sprache von Kerstin, der reschen feschen Schwester von Erwin, dem Besitzer des Cafe Einfall und steht in der Wiener Straße in Berlin und wir gehen, was ich auch sehr sympathisch finde, weil es Erinnerungen an die “Jugend” weckt, in die Achtzigerjahre des vorigen Jahrhunderts zurück und den Erwin und den Frank kennen wir schon vom “Herrn Lehmann”, denn der heißt ja Frank mit Vornamen und will nicht Frankie genannt werden und das Buch könnte man so sagen ist ein einziger Klamauk, aber auch eine Satrie auf den Kustbestrieb und es ist, was ebenfalls sympathisch findet, sehr einfach, kein “Kunstscheiß” eben, geschrieben und reißt eine trotzdem mit.

Es beginnt in einem Baumarkt, denn dahin gehen die wackeren Kunden des Cafes, die eigentlich Künstler sind, um, was man erst später mitbekommt für eine Vernissage im Kunsthaus Werkzeug zu besorgen, während ins Cafe Einfall dauernd Leute kommen, die einen Job wollen.

Erwin Kächle ärgert sich mit seiner Nichte Chrissie und heuert dann Frank Lehmann zum Putzen an, was der mit großer Hingabe versieht. Chrissie wird dann als Kellnerin angestellt und soll am Morgen schon aufsperen und Kaffee ausschenken, denn es gibt ja eine alte, zwar unbrauchbare Kaffeemaschine in dem  Cafe. Sie soll auch Kuchen backen, der erste brennt an. Dann wird gleich ein Kunstwerk mit deutscher Fahne daraus gemacht und je für zwei Mark am Stück an Japaner verkauft, worauf sich die Diskussion entspinnt, ob sowas überhaupt geht und man den Verkäufer auf Schadenersatz klagen kann?

Sowas hatte, glaube ich, schon Beuys mit einer Putzfrau, die seine Kunst ahnungslos in den Mülleimer schmiß und richtig, österreichische Aktionskünstler, als Anklang wohl auf die Wiener Straße, gibt es auch und da eine urige Slapstickszene auf dem Dach.

Köstlich, köstlich und die Behauptung, daß es in Berlin keinen Tafelspitz zu kaufen gäbe. Ich weiß nicht, ob das stimmt, habe aber durch einen österreichischen Film erfahren, daß man das sogar in New York kann. Es geht aber gleich weiter, denn Kerstin, Chrissies Mutter und Erwins Schwester macht sich Sorgen, um die Tochter im geteilten Berlin und fährt deshalb, was man ja damals mußte transit durch die DDR, was natürlich auch zu Schwierigkeiten führt.

Indes wird im Cafe Einfall Apfelkuchen gebacken und Kakao ausgeschenkt. Die Vernissage wird vorbereitet, dafür ein Baum geklaut, was den Kontaktpolizisten, der sich, um seinen Bezirk kümmer soll, auf den Plan bringt. Frank Lehmann wird zum Weinausschank im Kunsthaus angeheuert und Erwin geht indessen mit seiner Freundin Helga, die schwanger ist, zum Geburtsvorbereitungskurs und rennt einen Tag lang mit einem Schwangerschaftsbauch herum, um auch mitzubekommen, was die armen Frauen so durchmachen müßen.

Köstlich, köstlich, die Satire, würde ich wieder sagen und am Schluß gibt es noch einen Knalleffekt im Kunsthaus, der damit endet, daß Erwin mit verrutschten Bauch und seinen Kellner Karl im Straßengraben sitzt. Der öffnet sein Kunstobjekt, nimmt eine Flasche Bier heraus und antwortet auf Erwins Frage “Und das soll Kunst sein?”, genüßlich “Jetzt nicht mehr!”

Das Buch ist es, würde ich sagen und auf jeden Fall sehr unterhaltsam, obwohl ich das ja an sich gar nicht so sehr mag und schadem schade, liebe Leute von der Jury, daß es nicht auf die Shortlist gekommen ist.

“Aber ihr habt ja nur Augen für das schwer Verständliche und Experimentelle!”, würden jetzt wohl die Buchhändler sagen.

Dem Buch ist noch ein Lesezeichen beiglegt, wo man Sven Regeners Lesetourneetermine ablesen kann. Er kommt für alle Interessten am sechzehnten und siebzehnten November in den Rabenhof.

Da muß man  sicher Eintritt zahlen. Aber das muß man in Deutschland auch und Erwin hat den Kaffee und den Kuchen im Cafe Einfall ja auch pro Portion um zwei Mark verkauft.