Der Fuchs und Dr. Schimamura

Zwei Stunden Zeit zwischen der Fachtagung “Gewalt macht krank” und der Supervisions-Refexion und da bin ich in die Buchhandlung “Kuppitsch” gegangen, fehlten mir ja noch sieben Bücher für mein Longlistenlesen beziehungsweise Buchpreisbloggen und da gab es eine große Überraschung, im ersten Stock, wo es auch einen wunderbaren Ohrenlesesessel gibt, einen Tisch mit den zwanzig Longlistenbücher und einem Plakat mit den sechs Shortlistentitel daneben und da fiel mein Blick, weil ich in zwei Stunden ja wahrscheinlich weder für den Ulrich Peltzer, noch den Clemens J. Setz oder den Frank Witzel lesen kann, auf Christine Wunnickes kleines Büchlein “Der Fuchs und Dr. Schimamura”, erschienen im wahrscheinlich auch nicht sehr große “Berenberg-Verlag” und das interessierte mich sehr, obwohl im Netz bisher noch nicht viel darüber zu hören war.

Die Buchpreisblogger haben es, glaube ich, noch nicht gelesen, nur auf der Facebookseite des dBp gab es ein Interwiew und dem konnte ich entnehmen, daß die 1966 in München geborene Autorin eine ist, die gern die Wirklichkeit mit der Fiction verbindet und das, wie sie dort sagte, so gut macht, daß sie nachher selber oft nicht mehr weiß, was jetzt Sache ist.

Es geht jedenfalls um den in den Neunzehnzwanzigerjahren verstorbenen japanischen Psychiater Dr. Schimamura, den es wirklich gegeben hat und das kleine Büchlein, mit einem sehr japanisch wirkenden Cover, es hat, glaube ich, hundertvierzig Seiten, schildert in sechzehn Kapiteln, das Leben dieses Psychiaters und das springt von 1922 bis in in das Ende des Neunzehntenjahrhunderts zurück, wo er in Tokyo seine Studien abschloß und dann von seinem Lehrer mit einem Studenten nach Schimane geschickt wird, um die Fuchsbesessenheit zu studieren.

1922 ist er emeritiert, leidet an Schwindsucht und wird von vier Frauen betreut, der eigenen, der Mutter,  der Schwiegermutter und einer Magd, die er sich von Kyoto, wo er Professor war, mitgebracht hat und die er abwechselnd Louise oder Anna nennt, denn er spricht Deutsch und als ihm der Student, der ein leidenschaftlicher Fotograf ist, bei der Fuchsexpedition, wo er die Besessenheit einem Mädchen namens Kiyo austreiben soll, abhanden kommt, flieht er nach Europa, kommt über Alexandria nach Paris, wo er zuerst Schwierigkeiten hat, die Nervenabteilung zu finden, denn er spricht nur Deutsch und das wird nicht verstanden.

Später kommt er zu Charcot in die Salpetriere, wo der ja seine Studien zur Hysterie betreibt, es gibt da eine sehr makabre Szene, wo er im scheinbar hypnotisierten Zustand, eine Patientin hypnotisiert, die dann Japanisch spricht, er kommt auch nach Wien zu Dr. Freud und Dr. Breuer, nach Berlin kommt er auch, dann wird er in Kyoto Professor und in den letzten Tagen seines Lebens, er hat eine Scherenschnittsammlung und eine Spielzeugsamlung und seine Mutter beschäftigt sich damit seine Memoiren zu schreiben, kommt noch der Student und  Kiyo, die er geheiratet hat und  wegen der er damals geflohen ist und alles klärt sich auf.

Auch eine recht poetische Geschichte mit einem Thema, das mich ja schon beruflich sehr interessiert und die Buchhandlung “Kuppitsch” ist ja auch nicht soweit von der Berggasse 19 entfernt, obwohl Josef Breuer offenbar in der Brandtstätte gewohnt hat, aber vielleicht ist  das eine Fiction Christine Wunnickes.

Das Buch ist nicht auf die Shortlist gekommen, also bräuchte man sich vielleicht nicht mehr mit ihm beschäftigen.

Ich empfehle trotzdem es zu tun, denn es ist leicht und schnell zu lesen und einen sehr poetischen Eindruck über einen japanischen Psychiater, der sich mit der Hysterie und der Besessenheit zu Beginn des vorigen Jahrhunderts beschäftigt hat, gibt es auch.