Spaziergang zum Zentralfriedhof

Ich bin ja, wie ich immer schreibe eine Stadtflaneurin oder begnadete Spaziergängerin, die alles zu Fuß geht und so wenig, wie möglich die Öffis nimmt. Das hat sich im letzten jahr durch meinen Unfall ein wenig geändert, jetzt muß ich wegen Corona beziehungsweise Maskenpflicht wieder, aber so lange Spaziergänge sind jetzt eigentlich ohnehin nicht mehr, da ja kaum Veranstaltungen, an der Tagesordnung.

Früher habe ich meine Psychologenkollegin Irmgard G. gelegentlich in Hütteldorf besucht und bin hin und hermarschiert und dann war ich in den letzten Jahren ein paar Mal bei einem Begräbnis am Zentralfriedhof.

Bei dem der Heidi Pataki bin ich gewesen, bei der Elfriede Gerstl, bei der Friedl Hofbauer, zuletzt vor mehr als zwei Jahren bei dem der Ingrid Wald, aber da habe ich vorher so viel Stunden gehabt, daß sich das Gehen nicht ausgegangen ist und nachher die Lesung in der “Alten Schmiede” und auch sonst bin ich hin und wieder ein paar Stationen zwischendurch mit der Straßenbahn gefahren, denn das Gehen ist ja, noch dazu wenn man bald siebzig wird, anstrengend, hätte ich mir wahrscheinlich normalerweise gedacht und zwischen durch ein paar Erholungsstationen eingelegt, geht als Maskenverweigerin in Corona-Zeiten aber nicht und so bin ich heute Vormittag losmarschiert, weil ich vorige Woche die Benachrichtigung bekommen habe, daß mein lieber Psychologenkollge Wolfram Huber am zweiundzwanzigsten Juli seinem Krebs erlegen ist und mit dem Wolfram, der nach dem Fall der Mauer aus der DDR nach Österreich gekommen ist, war ich ja jahrelang in der Vertragspsycholgengruppe.

Die Gruppe gibt es nicht mehr. Ich habe auch izwischen keinen Kassenvertrag für Psychodiagnostik und der Wolfram ist auch schon vor einigen Jahren in Pension gegangen da hat er sich der Bertha von Suttner zugewandt und wollte über sie ein Buch herausbringen, das ist, glaube ich, unfertig geblieben und das letzte Mal habe ich vor Weihnachen vom Wolfram etwas gehört. Da wollten wir uns treffen, dazu ist es dann nicht mehr gekommen.

Aber ich bin heute losmarschiert, habe mir sozusagen einen Recherchetag mit Friedhofsbesuch gemacht und das war ja auch schon einmal so, als ich nach Grinzing hinausmarschiert bin um Andreas Okopenko die letzte Ehre zu geben.

“Du brauchst drei Stunden!”, hat der Alfred zu mir gesagt und weil ich schon lange nicht mehr dort war und mir auch Zeit lassen wollte beziehungsweise keine Stunden hatte, bin ich vor elf losmarschiert.

Leider war das Wetter nicht so besonders schön und es hat leicht geregnet. Ich hatte meine gelbe Regenjacke an, was insofern nicht so unpassend war, als daß Wolframs Frau Brigitte mir geschrieben hat, daß Wolfram, weil ein fröhlicher Mensch sich bunte Kleider wünschte.

So bunt ist es dann nicht gewesen. Bei mir und auch bei den anderen nicht und ich habe gesehen, daß ich wahrscheinlich schon, um zwölf draußen bin, um halb drei wars angesagt, eine Station im EKZ-Simmering gemacht, mein Notizbuch herausgenommen und mir das Maskentreiben angesehen. In Einkaufszentren darf man ja ohne, in Supermärkten nicht und, wie ist das wenn ich mir beim “Ströck” oder bei der Nordsee” von der Theke etwas holen will?

Habe ich nicht, denn es war ja ein Leichenschmaus oder kleiner Imbiß angesagt, habe aber viele Masken gesehen und weil elfter Bezirk auch viele Frauen, die dazu noch ein Kopftuch hatten. Der Uli würde jetzt sicher toben, war aber nicht da und ich bin etwa eine dreiviertel Stunde sitzen geblieben, habe in mein Buch eingetragen und mir das weitere Konzept für das “Notizbuch” überlegt. Da habe ich ja das Ganze die siebzehn Szenen, die ich schon habe, zwei Seiten kürzer gemacht, habe aber noch immer kein wirkliches Konzept, beziehungsweise Handlungsplan.

Mal sehen, kommt vielleicht noch, interessant war das Einkaufserlebnis im August 2020 mit Vermummung trotzdem und am Zentralfriedhof war ich immer noch eine Stunde zu früh, habe mir gedacht “Uje, uje, was mach ich da, wenn die mich ohne Maske nicht hineinlassen?”, habe aber dann gesehen, es gibt ein Kurcafe Oberlaa, bezwiehungsweise eine Filiale der berühmten Konditorei und mich auf einen Kaffee und ein Croissant hineingesetzt.

Es gibt inzwischen, ich war schon länger nicht da, denn die Verabschiedung der Ingrid Wald fand ja in der Feuerhalle gegenüber statt, sogar ein Museum und davon hat mir eine Klientin erzöhlt, denn die war auch auf einem Begräbnis dort, hatte aber ihre M<maske vergessen und hat sie sich dann dort gekauft.

Das tat ich natürlich nicht, sondern habe mir die Halle eins gesucht und geschaut, ob ich jemanden kenne, außer den Psychologiekollegen wohl kaum, obwohl ich ja zweimal beim Wolfram eingeladen war.

Es standen dann auch ein paar mir unbekannte Personen vor der Halle, die Silvia, die ich eigentlich erwartet hätte oder die Brigitte G. aber nicht und so bin ich, als ich gesehen habe, daß alle ihre Masken herausgezogen haben, draußen geblieben, beziehungsweise habe mich wieder auf die Bank gesetzt, habe dann die Pfarrerin mit dem Kreuz einmarschieren gesehen und das Auto vorfahren, das später den Sarg transportierte, ein Friedhofsgärtner ist auf seinem Fahrrad gekommen und hatte eine offensichtliche Putzfrau begrüßt, interessant, interessant, die Beobachtungen, für mein rotbraunkariertes Notizbuch kann ich es wohl nicht brauchen und dann kamen schon die Trauergäste und ich habe die Petra Rau und die Gertraud Müller entdeckt und bin mit ihnen bis zum Grab marschiert.

Statt Erde gab es Rosenblüten in den Sarg zu werfen und der Imbiß hat im Concordia Schlößel stattgefunden, wo ich auch nach dem Begräbnis der Ingrid Wald und der Friedl Hofbauer war. Danach zurück durch das mehr oder weniger maskierte Wien, habe von meinem lieben Kollegen Abschied genommen und vielleicht ein paar Impressionen gehabt, die ich für mein Projekt verwenden kann.

Die Füße tun mir jetzt weh und zwei Bücher, habe ich in einer Schachtel vor der Schule in der Schäffergasse auch gefunden, darunter war ein Novellenband des Nobelpreisträgers von 1910, Paul Heyse und von dem habe ich einmal bei einem Ebner-Eschenbach-Symposium gehört, wo der der Wolfram auch war.