Großes Kino

Nachdem ich vor einigen Wochen Ivan Mandys Kino alter Zeiten”, den Erzählzyklus auf die Filmvergangenheit des 1918 geborenen Ungarn gelesen habe, kommt jetzt das “Große Kino” des 1974 in Duisburg geborenen ehemaligen Sozialarbeiters Sascha Reh und das ist interessant, habe ich ja ebenfalls vor einigen Wochen gehört, daß die offenbar etwas provokante Kabarettistin Lisa Eckhart mit ihrem Debutroman “Omama” von einem Hamburger Literaturfestival ausgeladen wurde, weil es gegen sie Antisemitismusdrohungen und daher angekündigte Störkrawalle gab. Sascha Reh hätte auch da lesen sollen und hat mit der Begründung daß sein Roman auch politisch inkorrekt sei, abgesagt.

“Interessant, interessant!”, habe ich gedacht, weil ich mich ja seit vier Jahren mit dem Uli matche, wenn er wieder einmal auf seinen Blog gegen die Linken schimpft oder aufzählt, daß sich Polizisten nicht gegen Clan durchsetzen können und schon wiederein Asylwerber eine Gewalttat begangen hat.

Dann habe ich das Buch aufgeschlagen und war erst recht erstaunt, steht da doch unter den Motti “Es ist ohne weiteres möglich eine gute Story zu schreiben, ohne die Einzelheiten der Reise des Helden zu beachten. Ehrlich gesagt, ist dies sogar der bessere Weg. Christopher Vogler “Die Oydssee des Drehbuchschreibers”.

In diesem buch folgt dann wahrscheinlich die Begründung, warum es doch besser ist, in seinen Romanen, die nach der “Heldenreise” zu arbeiten, gilt Vogler ja als der Oberguro der “Heldenreise”, der sie in die Filmbranche und nach Hollywood brachte und Jurenka Jurk schreibt mich ja jedes Jahr an, um mir mit Gratisseminaren ihre “Ausbildung zum Romanautor” schmackhaft zu machen, die genau nach diesen Prinzipen arbeitet und da ich eine gelehrige Schülerin bin, habe ich bei meinen letzten Texten ja versucht, diese Prinzipen, mit mehr oder weniger Erfolg, füge ich an, zu beachten und da kommt jetzt einer daher und verarscht dieses Heiligtum der Schreibschullehrer und schreibt einen Roman darüber oder besser, wie im Klappentext und am Buchrücken steht “Der neue Roman von Sascha Reh ist eine Gansterkomödie voller Sprachwitz und Sensationskomik, deren Held sich mit Eloquenz und Chuzpe durch die Inselhalbwelt mauschelt.”

Ja, das habe ich mir so vorgestellt, aber nicht, daß da einer nach der Dreiaktstruktur und den fünfzehn Heldenreisenstufen einen politisch inkorrekten roman schreibt. Fängt es ja im ersten Akt mit der Phase des Aufbruchs an, was zum ersten Kapitel “Die Reise des Helden beginnt mit der Vorstellung seiner gewohnten Welt. ein initialer Auslöser setzt die Handlung in Gang” bis zu Kapitel 15 im Akt III “Die Reise des Helden ist zu Ende. Wuppke erhält sein Elixier und kehrt in seine gewöhnliche Welt zurück.”

Was dazwischen auf über dreihundert Seiten folgt ist ein Klamaukstück mit allen billigen Trick und Einfällen, Mord und Totschlag, wie man es sich nur vorstellen kann, das politisch Korrekte bewußt in sein Gegenteil zu verkehren und eine geübte Leserin wie ich, mag die Handlung trivial finden. Daß sich aber einer wirklich traut, die “Heldenreise” zu veraschen finde ich genial und hilft mir vielleicht davon abzulassen und weiter so balal und “Da passiert ja nichts!”, zu schreiben, wie ich es schon vor über vierzig Jahren mit meinen romananfängen tat.

Mal sehen, wie es bei mir weitergeht.

Jetzt einmal zu Carsten Wuppke, dem Helden und ehemaligen Sozialarbeiter, der von der rechten Bahn abgekommen ist, nun eigentlich mit seinem Bewährungshelfer Bewerbungen schreiben soll, aber in den Supermarkt geht ein Joghurt zu kaufen, sich dort mit einem Polizisten anlegt, ein Mofa klaut und die Handlung beginnt.

Er gerät nämlich in die machenschaften des “Chinesen”, das ist, sowohl originell, als auch politisch inkorrekt, ein arabischer mafiaboss, der ihn zwingt, ihm einen Gefallen zu tun und nach Sylt zu reisen, weil er dort eine Heide kaufen will.

Dort gibt man sie nicht her und so stolpert unser Held durch alle Stufen, bis er geläuert zurückkommt und sein Schöpfer Reh, hat dabei nicht an Mord und Totschlag, Sex und Crime etcetera gespart. Er gerät nämlich in das Haus des Bürgermeisterkanditaten und Baulöwen Jorgenssen, der die Heide nicht hergeben will. Der ist auch ein Hobbyfilmer, die Filme, spielen wie der Titel schon verrät, ja auch eine Rolle, hat eine fünzehnjährige Tochter namens Effi, betrügt seine Frau und ein Cousin des Chinesen gibt es auch, der von Wuppke auch einen Gefallen will. Er soll ein italienisches Pärchen abholen, das ein Paket Kokain ins Land schmuggelt, einen Filmstar gibt es auch, der liegt im Spital, Wuppke vergißt bei ihm das Kokain, der Clanboß setzt deshalb seine Buberln an ihn an. Dann kommt die Schwester des Italieners mit ihrem kleinen Sohn angereist und das ist originell, weil der Sechsjährige sich an alle Pistolen heranmacht und gleich einen der beiden Handlanger erschießt. Jetzt muß man die Leiche versorgen. Das ist auch originell und kaum ist das geschehen, kommt der Chinese nach Sylt. Wuppke muß nun handeln, klärt alles auf oder führt es zu einem guten Ende. Ein Polizeikommssar erleidet dabei auch noch einen Schlaganfall. Dann kehrt der Held zurück in seine Welt, geht in Neukölln zum Starbucks und kauft sich dort einen Kaffee.

Ich bin gespannt, wie das Buch in der Literaturwelt ankommt, setzt es sich ja zwischen alle Genres und ob es soviele Leser, die an der Heldenreise interessiert sind, weiß ich auch nicht, hätte es aber auf LL erwartet, dort ist es aber nicht daraufgekommen.