Schutzzone

Buch neunzehn des dBps und das Erste im Alpabet der langen Liste ist “Schutzzone”, der 1982 geborenen Nora Bossong von der ich schon “36,9”, gelesen habe. Ein Buch, das von der Uno, den vereinten Nationen und den Versuch Frieden auf dieser Welt und wahrscheinlich auch von der Unmöglichkeit das zu tun, handelt und wahrscheinlich versucht, diese schweren Sachbuchthemen mit einer Handlung zu verbinden, sowohl das politische als auch das private, steht irgendwo im Klappentext.

Die Vllogger, die sich durch die Proben lasen, haben das eher uninteressant gefunden und das Buch nicht auf ihre Leseliste gesetzt. Die Kritiker waren begeistert, wünschten Nora Bossong den Bp, einer schrieb, glaube ich, sogar, daß nur sie ihn gewinnen kann. Andere meinten aber, daß das Buch schwer zu lesen ist und das stimmt.

Ich habe mich, obwohl es hier ja nicht, um die sprachlichen Experimente geht, schwer getan, denn Nora Bossong springt in ihrem Versuch, das Buch spannend zu machen und trotzdem bei der Literatur zu bleiben, sehr herum. Ist ein mal im Jahr 1994, dann gleich wieder bei 2017 und da kann ich anmerken, daß wohl die meisten Bücher auf dieser Liste in diesem Jahr gesprieben wurden und, daß es daher auch entsprechend oft vorkommt.

Nora Bossong hat jaber auch andere Jahrenszahlen und vor allem die verschiedensten Orte, wo das Buch spielt.

, Genf, Den Haag, New York, Bujumbura, etcetea. Denn die Welt ist groß und Krieg, beziehungsweise die Bemühungen Frieden zu schaffen, gibt es überall und so ist der,der sich mit dem politischen Geschehen, der letzten Jahre und alle Kriege nicht im Kopf hat, wohl tatsächlich ein wenig überfordert, hat aber nach der Lektüre ein wenig gelernt von den Bemühugen der Uno und dem Weltgeschehen. Ich habe, glaube ich, auch gelernt, wie schwer es ist, das in Literatur umzusetzen, beziehungsweise den Durchschnittsleser dafür zu interessieren.

Da ist einmal Mira, die ist eine junge Frau, hat, glaube ich, Politikwissenschaften studiert und war dann für die Uno in New York und Burundi. Sie arbeitet zu Beginn des Buches in Genf, wo sie Friedensberichte schreibt und am Abend zu Konferenzen in Luxushotels geht.

Das berühmte Beau-Rivage wird erwähnt, wo die Kaiserin Sisi abgestiegen ist, bevor sie ermordet wurde und dort trfft Mira zu Beginn des Buches Milan wieder, in dessen Familie hat sie 1994 eine Zeitlang gelebt und sich, glaube ich, auch in den Diplomaten verliebt. Er ist aber zurückhaltend oder ambivalent, hat er doch inzwischen ein Frau und eien Sohn.

Das ist private Rahmenhandlung, dann geht es nach Burundi, oder Ruanda, wo der Völkermord gegen die Tutsis passierte. Da wird eigentlich sehr schön, der Widerspruch zwischen dem Elend und den Luxusquartieren, wo verhandelt wird. Mira wird, glaube ich, dorthin geschickt, weil sie gut verhandelt kann und mehr kann und soll die Uno ja gar nicht. So kommt es zu einer Szene, wo sie mit verbundnen Augen an einen Ort geschickt wird, wo sie der General mit einer Schürze übern Anzug empfängt. Denn er ist gerade beim Grillen und da erzählt er ihr eine Geschichte, wo Soldaten einen Jungen aufforderten, ob sie den Vater oder die Mutter erschießen sollen? Entscheidet er sich nicht, nehmen sie beide und wieder interessant, der Nachsatz, der öfter kommt, wer weiß, ob diese Geschichte wahr ist und wo sie passierte? Es kann schon viel früher gewesen sein, in Deutschland beispielsweise bei den Nazis, etcetera.

Der erste Weltkrieg kommt vor, der spanische Bürgerkrieg und Picasso, der das berühte Bild von “Guernica” malte, das bezeichnenterweise während einer der Konferenzen verhängt wird. Das geteilte Zypern kommt vor, der Bosnienkrieg, der Angriff auf den Irak von 2003, obwohl man da schon wußte, das die Angriffsgründe haltlos waren und und und.

Das Buch ist in fünf Teile gegliedert, die  die Überschriften “Frieden”, “Wahrheit”, “Gerechtigkeit”, “Versöhnung” und “Übergang” tragen.

“Was bedeutet Verantwortung? Wie greifen Schutz und Herrschaft ineinander? Wie verhält sich Zeugenschaft zur Wahrheit? Und wer sitzt darüber zu Gericht? Hellsichtig und teilnahmsvoll geht Nora Bossong diesen Fragen nach – in privaten Beziehungen wie auf der großen politischen Bühne der vereinten Nationen”, steht am Buchrücken und der Schluß, ein Teil des letzten Satzes lautet:”…., in diesem letzten Moment habe ich micht nicht daran gehalten, weil ohnehin nichts mehr zu retten war, die Welt vielleicht noch, aber was ist schon die Welt.”

Gefallen hat mir an dem Buch, das es eine Welt und ein Milieu schildert, in das man sonst nicht so leicht kommt und die man nur vom Fernsehen und aus den Zeitungsberichten kennt und man kann, glaube ich, gut darüber nachdenken, wie diese Verhandlungen in den Luxushotels in der Welt der Diplomatie aussehen und, wie und warum sie scheitern müssen oder gescheitert sind.

Mira besucht aber auch Lager, wo die Kindersoldaten gegen Geld Geschichten erzählen und wenn man ihnen nicht glaubt “Ich will nichts von Ihnen. Sie wollen was von mir. Dann schreiben Sie mir nicht vor, was ich weiß”, antworten.

Interessant in das alles kurz einzutauchen, obwohl man natürlich die Frage stellen kann, wie weit Nora Bossong in diese Welt hineintauchen konnte und der Versuch Literatur daraus zu machen ist auch interessant, obwohl wenn man, wie ja die Schreibratgeber fordern, die “Heldenreise”  und Spannungsbögen dabei angewandt hätte, wäre es sicher kitschig geworden. So haben es halt einige Leser zur Seite gelegt und gemeint, das interessiert und nicht oder dafür nehmen wir uns nicht die Zeit.

36,9

“Und es ist wahr, daß man bestimmte Bosheiten dem antut, den man liebt!”, hat der italienische Kommunist Antonio Gramsci an seine Frau Julia Schucht geschrieben und die 1982 in Bremen geborene Nora Bossong, seit diesem Sommer bekannt als Titelfigur in Nora Gomringers Bachmann-Siegertext hat über ihn einen Roman geschrieben und weil man im “Deutschen Literaturinstitut in Leipzig” wahrscheinlich lernt, daß man heutzutage nicht mehr linear und eins zu eins schreiben darf, heißt er auch nicht “Der Revolutionär” oder “Gramscis letztes Heft”, sondern 36,9 Grad, denn das ist seine oder offenbar, die Körpertemperatur bevor sie ins Fieber kippt.

Denn der 1891 in Sardinien geborene und 1937 in Rom gestorbene Gramsci war immer ein kränklicher Typ.

Kleingewachsen und mit einem Buckel, weil ein Dienstmädchen ihn als Kind  fallen ließ, so lernte er die Schucht-Schwestern und seine spätere Frau Julia auch in einem Sanatorium kennen und als er 1937 aus dem Gefängnis entlassen werden soll, erwischt ihn bald die Tuberkolose, so bleibt der dritten Schucht-Schwester Tanja nichts anderseres übrig, als die berühmten Gefängnishefte, die er während seiner Haft geschrieben hat, hinaus und nach Russland zu schmuggeln. Denn Gramsci war Kommunist, Herausgeber einer solchen Zeitschrift und Abgeordneter, als solcher kämpfte er gegen Mussolini, der ihn  verhaften ließ und die Schucht-Schwestern hat er in Moskau kennengelernt, die ältere Eugenia, war eine Vertraute Lenis und die Revolution in Moskau spielte in seinem Leben auch eine große Rolle, beziehungsweise Stalins Aufstieg, der dann  auch einiges säubern ließ.

So weit so gut, historisch verbürgt und spannend in einer Biografie oder Sachbuch darüber zu lesen, wenn aber eine deutsche Nachwuchsschriftstellerin darüber schreibt, werden die Fakten mit der Fiktion vermischt.

In diesem Fall kommt auch etwas sehr Poetisches heraus, denn Nora Bossong hat eine  schöne Sprache mit vielenNeuschöpfungen und weil man ja nicht so linear und ein zu eins schreiben darf, mischt sie  eine zweite Erzählebene hinein und da wird es, wie die einen sagen satirisch, peinlich könnte man es vielleicht auch ein bißchen nennen oder besser “lächerlich”, wie  ja ein großer Dichter das Leben nannte und sein Vorbild ist in der Figur des Antons Stövers zu spüren, der eine durch und durch negative Figur ist. Dem ganzen einen komischen Anstrich gibt, was ich ein bißchen schade finde, denn der Widerstand gegen das faschistische Italien und die hinausgeschmuggelten Briefe sind ja eine ernste Angelegenheit und Antonio Gramscis Leben, der seinen zweiten Sohn zum Beispiel nie gesehen hat, weil er im Gefängnis war und Julia mit ihren Kindern in Moskau lebte, war das sicher auch.

Dieser Anton Stöver ist aberm was Antonio Gramsci sicherlich nicht war, ein Looser durch und durch und dazu noch ein Zyniker, der sich sein Scheitern nicht eingestehen will,  von den Frauen oder von seiner Vorstellung bei ihnen zu landen besessen und so stolpert er durch Rom und das Leben und tritt in ein Fettnäpfchen nach dem anderen .

Er ist der Sohn einer politisch aktiven Achtundsechzigerin, selber eine Gramsci Forscherin, die ihren Sohn nicht mochte, dann zug er von Bremen nach Göttingen, um sich dort der Universitätslaufbahn hinzugeben, wurde aber nicht Professor, so schreibt er alles in einer Zeitung, um sich damit einen großbürgerlichen Lebensstil  zu leisten. Die Mami muß dem Söhnchen unter die Arme greifen, seine Ehe mit Hedda geht schief, er betrügt sie auch mit allen Frauen und ist sehr gemein zu ihr, trotzdem wird er von einem alten Professor nach Rom gerufen, denn er soll dort nach dem letzten verschwundnen Gefängnisheft fahnden.

Die Zeit drängt meint der Professor, der nach Alter richt und eine seltsame Haushälterin in seiner mit Bücher überfüllten Wohnung hat, trotzdem läßt sich Stöver Zeit und tut eigentlich nichts anderes, als einer Frau nachzulaufen, der er ständig überall begegnet, im Gramsci Institut, in der russischen Botschaft, etcetera und die er Tatjana nennt, andere Erscheinungen hat er auch, bis ihm Hedda nach Hause ruft.

Söhnchen ist krank, er steigt aber aus dem Taxi aus, folgt Tatjana in ihre Wohnung, beziehungswweise wird er von einer Frau angesprochen und in ein Zimmer geführt und dort sitzt er dann mit seinem Koffer und nimmt das verschollene Heft heraus.

In abwechselnden Kapiteln werden diese zwei Ebenen erzählt und in dem Stöver Teil geht es noch in seine Vergangenheit in Göttingen, wo er seine Frau betrügt und dann zu seinen Visonen, die er in Rom erlebt und es ist ein sehr poetischer Roman entstanden, der zwar auch nicht auf der Longlist stand, man hat aber ein  schönes Stück Gegenwartsliteratur von einer neuen frischen Stimme gelesen, ob es einen Gramsci Forscher weiterbringt, weiß ich nicht und auch nicht, ob sich die Erfreuer einer poetischen Sprache  unbedingt für einen Kommunisten und seine Beziehung zu den drei Schucht Schwestern interessieren.

Für mich war mein Gewinn bei Mara Gieses “Herbstgeraschel-Gewinnspiel” aber sehr interessant, denn so habe ich die Gelegenheit mich auch jenseits der LL in die 2015 Neuerscheinungen ein bißchen einzulesen und habe Nora Bossong, ich gebe es zu, durch Nora Gomringers Text kennengelernt und da könnte man auch ein kleines Namesspiel daraus machen, denn es gibt noch ein eher experimentelles Buch von dem Autorenteam David Ender und Jack Hauser namens  “Hembert Nora” “entdeckt, belichtet, entwickelt, fixiert und montiert zwischen Juni 1991 und Juli 1996” und in der “Edtion Selene” erschienen, das ich einmal beim Flohmarkt der “Gesellschaft für Literatur” fand und das ich dann eine Zeitlang mit Nora Gomringer verwechselte, wie mir das mit meiner leicht legasthenen Art, wie ich immer sage, manchesmal passiert.