Mann im Mond

Jetzt kommt schon der Erzählband der 1986 in Zagreb als Kind serbischer Eltern gebroenen Lana Bastasic, die in Bosnien aufgewachsen ist und der ja vor kurzem im Literaturhaus im Rahmen von “Traduki” vorgestellt wurde.

Zwölf Kindergeschichten oder besser Erzählungen, die Kinder als Protagonisten haben und die aus ihrer vielleicht naiven Sicht die Grausamkeit der Welt erklären.

Die Geschichte “Wald” aus der Lana Bastasic ein Stückchen auf Bosnisch gelesen hat, ist da besonders eindringlich “Ich brauchte ganz schön lange, um Papa zu erwürgen!”, heißt es da. Ganz schön brutal und aufschreckend und dann geht es um den Vater der immer mägerer wird. Die Nachbarinnen im Dorf sprechen die Mutter darauf an, ob sie ihn vielleicht vernachlässigen würde und das Kind geht im nach wenn er im Wald spazieren geht und dann auf einen Stein onaniert und das darf man nicht. Das ist peinlich und verboten und das Kind zieht seine Konsequenz.

“Mann im Mond” heißt die Titelgeschichte und da geht es, um die Mondlandung in den Sechzigerjahren. Der Vater, der als einziger im Dorf einen Fernseher hat, lädt die Nachbarn zur Übertragung ein. Die zwei Söhne werden vor das Haus geschickt, denn drinnen gibt es keinen Patz mehr für sie und die spielen dann mit Murmeln und reflektieren über ihre blauen Flecke, denn der Vater schlägt seine Kinder, um sie zu erziehen. So war es damals offenbar im Dorf und Lana Bastasic deckt das alle sehr schön poetisch aber dennoch unerbittlich auf.

Das “Letzte Abendmahl” ist auch ganz schön brutal. Denn da geht es, um den Besuch bei der Erbtante. Dazu schminkt sich die Mutter, zieht das gelbe Kleid an, wo man ihren Busen sieht, was den Kindern peinlich ist. Der Vater muß sich rasieren und man muß sich gut benehmen und dann mit der Tante auf ihr Schlafzimmer gehen und sich von ihr ihren Busen zeigen lassen. Die Tante stirbt ein paar Stunden darauf und das wird während der ganzen Geschichte reflektiert, denn der Augenblick wann sie den “Löffel” abgibt”, ist bei der Familie ein großes Thema.

“Gott aus Honig” hat die Übersetzerin Rebekka Zeinzinger im Literaturhaus gelesen. Auch sehr beeindruckend. Da geht es um das Schlafwandeln, um das Töten von Ameisen, das die <mutter immer tut, um verschwundene Schildkröten und die Beziehung des kleinen Mädchen zu Gott, das nicht versteht, daß er all das zulässt und ihr auf ihre Fragen keine Antwort gibt, bis es ihn endlich aus dem Fenster lässt.

Die nächste Geschichte “Säure” ist auch sehr grausam und läßt sich auf vielfältige Art deuten, da breitet ein Kind Fische auf den Tisch aus, schaut ihnen beim Sterben zu. Dann wird es von der Mutter in die Musikschule zum Violoncellospielen gebracht. Eine Psychologin kommt dann zweimal in der Woche in die Wohnung, um das altkluge Kind beim Spielen zu beobachten, die trinkt immer Tee, einmal vom Kind zubereiten, worauf sie anschließlend speiben muß.

Psychologisch ausgetüffelt die Geschichten, die die vielseitigen Traumen des Aufwachsens in wahrscheinlich ganz normalen Familien sehr scharf aufdecken. In der Geschichte “Zahnfee”, erinnern wir uns Lana Bastasic stammt aus einer Zahnarztfamilie und will sich offenbar dagegen zu Wehr setzen, sehnt sich ein Mädchen nach seiner abwesenden Mutter, der toten Oma und “verpatzt” seinen Geburtstag. Bettnässen tut es auch und vor der Zahnfee, die seine Milchzähne holen kommt, hat es Angst.

Im “Ein Tag im Schwimmbad” muß ein Junge mit seinen Vater zum Schwimmtraining gehen. Nachher sitzen sie im Cafe und der Vater bestellt Kaffee für sich und Zitronensaft mit Wasser für den Jungen, weil der zu dick ist. Deshalb gibt er ihm nicht seinen Keks. Scheidungsprobleme gibt es auch und den sehr eindrucksvollen Satz:

“Zweimal pro Woche sitzt Papa im Cafe neben dem Schwimmbad, während der Junge schwimmt. Danach trinken sie Kaffee, Cola und Zitronensaft mit Wasser. Papa liest Zeitung und isst den Zimtskeks. Das nennt man gemeinam verbrachte Zeit.”

Kein Wunder, daß der Junge danach Durchfall bekommt und wahrscheinlich auch keines, daß Spiderman ihn aus der Not, daß es am Klo kein Toilettenpapier gibt, befreit.

Die Geschichte “Brot” kannte ich auch schon aus dem Literaturhaus. Da geht es um ein vierzehnjähriges Mädchen, um die Nöte des Erwachsenwerdens, die Beziehung zum Vater und wie schwierig es ist, wenn man am Samstag Brot holen muß.

“Kreise” ist, glaube ich, die Geschichte die Lana Bastasic ihrem Sportlehrer gewidmet hat. Denn der hetzt die “Mathematikerin” über das Viereck um die Schule, was sie hasst, so daß sie drei Extrarunden drehen muß und bei der dritte bemerkt sie daß der Lehrer gerade einen Schlaganfall erleidet und leider leider hilft sie ihm nicht aus Rache. Das sind wohl die starken jungen Frauen, während ich in “Mein ist die Rache”, die Sache anders löste.

Die nächsten zwei Geschichten sind glaube ich den Kindern alleinerziehenden überforderten Müttern gewidmet, die ihre liebe Not mit den Müttern habe, die nicht auf sich schauen, sich nicht die Haare waschen können, sondern sie nur in den Supermarkt zum Schnaps holen schicken, obwohl die Kinder den gar nicht bekommen, die sich aber auch bemühen, die Tochter für den Musikvorspielabend gut herzurichten, es dann aber nicht schaffen, selber mit gewaschenen Haaren hinzugehen oder die menstruierende Tochter in ihren Blut warten zu lassen, weil sie es nicht rechtzeitig vom Supermarkt zurückschafft.

Geschichten, die die Psychologin schon mal erlebt hat, während die “Papa kommt heim”, wohl auf die bosnische und jetzt wahrscheinlich ukrainische Kriegserfahrung beschränkt ist. Da wird ein Hühnchen gebraten, Raffaellos aus dem D-Mark -Shop besorgt und der Vater stinkt und Kakerlaken kriechen aus seiner Armeetasche, keine angenehme Erfahrung für die Kinder, an die sie sich wohl noch als Erwachsene erinnern.

Starke Geschichten einer jungen Frau, die sie, wie sie bei der Lesung sagte, aus ihren Beobachten aus der Nachbarschaft zusammenklaubte, die auch stark besprochen und beworben wurden, sowie Aufmerksamkeit erregten.

Jetzt bin ich nur gespannt, was ich von Lana Bastasic noch hören werde und mir ihr Debut wahrscheinlich bestellen.

Es ist immer so schön mit dir

Buch neun des dBp ist das klassische Midlifekrisemännerbuch, die über ihre Liebe zu den jüngeren Frauen, ihre Sexualität und der Unzufriedenheit des Lebens schreiben und ich muß sagen, der 1962 geborene Schriftsteller und Musiker Heinz Strunk von dem ich noch nichts gelesen habe, macht das ähnlich, wie wahrscheinlich Christian Kracht, auf wirklich hervorragende Art und Weise, obwohl das, was er da beschreibt, nichts wirklich Neues ist, weil schon hundertmal gelesen und geschrieben.

Da gibt es einen sechsundvierzigjährigen Tonstudiobetreiber, dessen Musikerkarriere, wie bei vielen anderen gescheitert ist, jetzt sitzt er in seinem Ein Mann Studio und nimmt Hörbücher auf. Er hat eine Freundin Julia, die Mathematiklehrerin ist und das Buch beginnt, wenn nicht auf geniale, dann auf ungewöhnliche Art und Weise. Der Held liegt im Bett oder sitzt am Schreibtisch und denkt, während er trinkt, über seine Beziehung zu Julia und ihre Mittelmäßigkeit und schlechtes Aussehens, an Hand ihres Schnarchens auf und dann gibt es immer wieder scheinbanale Gespräche, so in etwa “Es ist immer so schön mit dir,” obwohl die Beziehung schon lange nicht mehr stimmt.

Dann lernt er Vanessa, eine junge Schauspielerin kennen und ist von ihr begeistert, wird aber immer wieder abgestoßen, denkt oder spricht schlecht über sie. Also die ganze Ambivalenz, soll ich mich in diese Beziehung einlassen oder nicht? Er beendet aber die Beziehung zu Julia, obwohl es länger dauert, bis Vanessa ihn in ihr Zmmer bzw. Bett hineinläßt. Dann ist aber der Sex großartig und außerdem läßt sie sich von ihm alles bezahlen.

Sie ist auch sehr dünn, ißt nichts, trinkt aber viel und fährt auch dauernd zu ihrer Mutter, wo er dann natürlich Julia trifft, die dann in seinem Bett ein rotes Höschen vergißt, das Vanessa dann natürlich findet. Wieder eine der drei vier oder vielleicht noch mehr brillanten Szenen und richtig einen Mißbrauch gibt es natürlich auch.

Szene drei, ausführlich und treffend beschrieben, denn Vanessa wurde natürlich von ihrem Religionslehrer mißbraucht, was dann eh schon wissen zu ihrer Eßstörung führt.

Trotzdem kommt es nach dem Finden des Höschen zu einem Heiratsantrag, Verwandtenbesuche. Die Braut verschwindet immer wieder, der Held weint sich bei seinem Freund Frieder aus, der ihm rät, die Affaire zu beenden und am Schluß ist es aus. Er kommt in seine leere Wohnung zurück und man hat, wie schon beschrieben ein brillant geschriebenes Buch mit immer wieder treffenden Formulierungen gelesen.

Ich habe mir vieles angestrichen und auch die Blogger und Podcaster waren durchaus begeistert, obwohl man auch da meinen könnte, sie hätten das alles schon hundertmal gelesen und interessieren sich, als junge Frauen nicht so sehr über die Selbstdarstellungen der “weißen alten Männer”, um diesen Ausdruck, den ich ja nicht mag, zu gebrauchen.

Auf die Shortlist ist es nicht gekommen. Auf meiner steht es, glaube ich, auch nicht. Daß aber Heinz Strunk ein hervorragender Schreiber, einer der Vlogger nennt es sogar, unverkennbaren Stil, den man gleich erdeckt, habe ich jetzt auch entdeckt.

Radio Activity

Wieder eine Neuerscheinung, wieder aus dem “C.H.Beck-Verlag”, wieder als E-Book gelesen und diesmal ist es von einer besonderen Autorin, mit einem besonderen Schreibstil, würde ich so sagen, hat doch die 1965 geborenene KarinKalisa mit ihrem Debut “Sungs Laden” einen Bestseller gelandet. Das Buch habe ich einmal, mit Rechnung, im Schrank gefunden, es dann eine Zeitlang liegen lassen und schließlich, als Karin Kalisa damit bei der letzten “Literatur im Herbst” mit dem Thema “Utopie” eingeladen, mit meinen Freund Uli gelesen.

So war ich natürlich sehr interessiert, als ich erfahren habe, es gibt ein zweites Buch und das jetzt gleich ein paar Tage nach Erscheinen gelesen. Anna Jeller hat es auch auf ihrer Facebookseite vorgestellt und als neues Lieblingsbuch bezeichnet. Ich würde sagen, Karin Kalisa hat eine sehr lockere Art zu schreiben, berührt ein sehr aktuelles Thema, auch wenn ich über manches drübergelesen habe, gibt es  sehr berührende und sehr dicht geschriebene Stellen, die hängenbleiben.

Das Buch ist in drei Teilen gegliedert.

“on”, “stay”, off”, heißen sie und berührend ist auch der Klappentext, auch wenn der dann in weiterer Folge, wie ich finde, nicht mehr so viel mit dem Inhalt zu tun hat oder die Spannung, die da aufgebaut wurde, nicht ganz gehalten werden konnte.

Ist da doch von einer Nachrichtensprecherin mit einer verlockende Stimme, einer Art Lorelei, die alle in ihre Fänge lockt, die Rede und von einem verjährten Verbrechen, das sie damit aufklären will.

Das ist der Mißbrauch, den die Mutter der Nachrichtenspreherin, als Kind erleben mußte. Die hatte in Latein Schwierigkeiten, wurde zum Apotheker des Städtchens zur Nachhilfe geschickt und der mißbrauchte sie und noch andere junge Mädchen mit dieser Tour. Die Mutter erzählte das erst ihrer Tochter Nora im Sterbebett und die läuft zu einem Rechtsanwalt, um zu erfahren, daß die Sache “Leider leider!”, verjährt sei und man nichts machen könne.

Das ist kurz gespoilert, der Inhalt des zweiten Teiles und wie der Mißbrauch an der Mutter, die sich nicht wehren und auch nicht darüber sprechen kann, weil man ihr ohnehin nicht glauben würde, geschildert wurde, das ist wirklich sehr packend und alsolut lobenswert.

Beim ersten Teil, wo erzählt wird, wie drei junge Leute, Nora und ihre Freunde, einen Nachrichtensender, als start up, aufbauen und dabei ein etwas verunglücktes Quiz veranstalten, bin ich manchmal ausgestiegen.

Nora verbündet sich mit einem jungen Rechtsanwalt mit Hörgerät, der riecht Lunte an der Sache und im dritten Teil versuchen sie die Verjährung im Internet aufzuheben und zu fälschen.

Durchaus spannend  und ein aktuelles Thema, obwohl ich nicht sicher bin, ob das mit der Verjährung so stimmt und ob Mißbrauch an Kindern wirklich in manchen Fällen straffrei ist, beziehungsweise nicht belangt werden können?

Es gibt, da das Buch erst vor ein paar Tagen erschienen ist, bei “Amazon” noch keine Rezensionen. Nur ein Interview mit der Autorin in einem Radiosender habe ich gefunden. Es ist Anna Jellers neues Lieblingsbuch, was ich sehr spannend finde und auch neugierig darauf bin, was ich von ihm sonst noch so alles hören und lesen werde.