Ein Mann liest Zeitung

Jetzt kommt ein historisches Zeitdokument, ein Roman, der wahrscheinlich wieder als Zeitbericht zu bezeichnen wäre, des von 1886-1970 lebenden Journalisten Justin Steinfeld, der in Hamburg geboren, nachdem er in Schutzhaft 1933 zuerst nach Prag und danach nach England emigirierte, wo er verstarb.

Der Roman der 1984 erstmals von seinem Neffen im “Malik-Verlag” herausgegeben wurde, beschreibt sehr viel Autobiografisches. Anmerkungen, die sich auf den Autor beziehen, gibt es auch und er beschreibt eigentlich nichts anderes, als, daß ein aus Deutschland geflohener Geschäftsmann, den er Leonhard Glanz nennt, in einem Prager Kaffeehaus sitzt, dort einen Kaffee und eine Semmel bestellt und dabei Zeitung liest.

Das passiert mit Anmerkungen und Nachwort des jetzigen Herausgebers versehen, auf fast fünfhundert Seiten und Glanz oder Steinfeld kommen dabei vom Hundersten ins Tausendsten, so daß dem Leser der Bart sogar bis in die Marmorplatte des Kaffeehaustisches hineinwächst.

Der jüdische Geschäftsmann wurde von dem Prokurist, den der Vater protegiert und eingestellt hat, enteignet und in Schutzhaft gebracht.

Jetzt sitzt er da und studiert die Annoucen, darf als Emigrant aber nicht arbeiten. Er studiert auch die Announcen die Wiener Freudenmädchen damals in Zeitungen aufgaben “Junge Dame sucht..”, weil prostitution ja verboten war, die die Nazis dann wieder einführten.

Er schreibt von seiner Schwester, die Klavierspielen lernten, sich verheiratete und sich dann als Kulturförderin mit eigenem Salon betätigte, seine Mutter kommt vor, die als Urne neben dem Vater liegen wollte, aber nicht konnte, weil dieses nicht auffindbar war, die Mutter schwärmte von Schiller und Goethe, der Sklavenhandel kommt vor und viele politische gesellschaftliche und andere Anspielungen, die damals wohl in den Zeitungen standen.

Der Stil wechselt vom expressionisch experimentellen in Gedichtform ab, es kommt zu einem Dialog mit dem Ich, was das Lesen trotz des umfangreichen Anhanges wohl ein wenig schwierig macht.

Es ist aber trotzdem, als sehr Interessantes, weil als sehr authentisches Zeitdokument zu verstehen.

Im Nachwort wird das Leben des Autors erklärt. Er kam aus einer Handelsfamilie, sollte eigentlich auch Geschäftsmann werden, wurde dann Redakteur und schloß sich einer Theatergruppe an.

Fotos von ihm, den Zeitschriften, die er herausgegeben hat und seinen Schwestern, gibt es im Mittelteil auch.

Immer wieder werden kulturelle Anspielungen und kritische Bemerkungen über das Kulturgeschehen gemacht. Hans Henny Jahnn, mit dem er wohl befreundet war, wird erwähnt.

Der Anschluß Österreichs an Deutschland, der Kardinal Innitzer und seine Einstellung zu den Nazis wird erwähnt und der Einmarsch der deutschen Truppen in Prag. Da ist Steinfeld nach England geflohen.

Sein Protagonist, der auch, um einen Teppich betrogen wurde, hat es da viel schwerer, weiß nicht, ob er das tuen soll, kommt auch wohl zuspät, weil die Nazis schon die Brücken besetzt haben, als er es doch tun will.

Das Buch schließt mit der Bemerkung “Ende des ersten Teils”

Einen Zweiten hat es wohl nicht gegeben. Jetzt ist das Buch bei “Schöffling & Co” von Wilfried Weinke herausgegeben worden, der auch das Nachwort geschrieben hat.