Atemhaut

Jetzt kommt das dritte Buch der “Kremayr&Scheriau” – Literaturschiene der heurigen Frühlingssaison und das zweite Buch das ich von der1986 in Wien geborenen Autorin und Filmemacherin Iris Blauensteiner und es hat wieder das ästhetisch schöne “Kremayr- Cover” mit Zeichnungen im Inneren. Es gibt einen Soundtrack von Rojin Sharafi, den man mit den beigefügten IQ-Codes abhören kann, obwohl das Buch zur Jahrtausendwende spielt, wo es das noch nicht gegeben hat.

Dafür kommt die berühmte Sonnenwende vor und der Jugoslawienkrieg, denn von dort ist Edin mit seinen Eltern geflohen. Jetzt ist er um die Zwanzig und Logistikfacharbeiter, wo er sich schon den Rücken kaputt gemacht hat, Panikattacken hat er auch und obwohl er sich in den Job hineinsteigert und für unentbehrlich hält, zu Beginn des Buches den Job verliert, während seine Freundin Vanessa, mit der er die Lehre gemacht hat und mit ihr in einer Einzimmerwohnung lebt, zur Abteilungsleiterin aufsteigt.

Nun beginnt der Gang in den Abgrund könnte man meinen und etwas, was man wohl schon gelesen hat. Edin geht zum AMS, wird zur Umschulung angemeldet. Eines Tages kommt aus dem Bankomaten kein Geld und die Beraterin, die ihm nach einem Bausparvertrag fragen muß, schaut ihn mitleidig an, weil nur mehr hundertfünfzig Schilling auf dem Konto sind. Er geht zur Mutter, pumpt sie an und gerät natürlich in Streit mit Vanessa, die ihm anbietet ihren Mietanteil für ihn zu übernehmen und ihm Geldscheine auf den Tisch legt, dafür aber will, daß er sich nichts Uninniges kauft. Ansonsten versinkt Edin langsam in der Computerwelt in der er mit Vanessa Ego-Shooter-Spiele spielt und baut sich auch eine Maschine mit der er seinen Atem kontrollieren kann.

Das ist wahrscheinlich das Ungewöhnliche mit dem Buch, wo die Außenwelt mit der Innenwelt verschwimmt oder in ihr verschwindet. Einerseits die Schwierigkeiten, die man bekommt, wenn man seinen Job verliert, obwohl das für einen Zwanzigjährigen eher ungewöhnlich ist und das poetische Versinken in die Maschinenwelt, das Surreale an dem Buch, wozu dann auch der elektronische Soundtrack passt, der zu diesem Thema, Arbeitslosigkeit und Arbeitswelt eigentlich ungewöhnlich ist.

Den habe ich als Handylose, die nicht so sehr mit der digitalen Welt verknüpft ist, nicht gehört. Dafür aber eine Lesung und ein Gespräch mit Anton Thuswaldner, das im Salzburger Literaturhaus stattfand, so daß ich verstehen konnte, worum es in dem Buch geht und was Iris Blauensteiners Absicht beim Schreiben war und bei der “Rund um die Burg”, die demnächst stattfindet, wird das Buch, glaube ich, auch vorgestellt.

Ungewöhnlich ist vielleicht auch, daß das Buch in der “Du-Form” geschrieben ist, wohl wie Iris Blauensteiner im Gespräch meinte, die “Ich-Perspektive”, denn der Held soll ja zu seinem “Ich” finden, zu unterstreichen.

Ein interessantes widersprüchliches, Buch das in einer sehr ästhetisch schönen Sprache geschrieben ist, die, wieder ungewöhnlich, auch ein paar ungewöhnlich erscheinende Worte dabei verwendet.

Kopfzecke

Auf dem ersten Blick findet man bei dem Debut der 1986 geborenen Filmemacherin Iris Blauensteiner zu dem Roman von Simone Hirth, einige Ähnlichkeiten, obwohl es mehr ins Innere geht und die Sprache  poetischer ist.

Es geht aber auch um das Abschiednehmen, das Verlassen des elterlichen Hauses oder Wohnung, das über einem zusammenstürzt und die Erinnerungen, die darin zurückbleiben, bleiben dann unwiderruflich verloren, wenn man sie nicht mehr oder weniger gewaltvoll herauszureßen versucht und am Schluß muß man ein neues Leben beginnen, in einer neuen Wohnung, mit einem neuen Gewerbe oder mit dem Maiglöckchenstock am Fensterbrett, den man einmal der Mutter ins Spital brachte, der wieder zu blühen beginnt.

“Kopfzecke” ist, steht am Buchrücken “ein einfühlsamer Roman über den Abschied einer Tochter von ihrer demenzkranken Mutter” und viele Fragen habe ich natürlich auch.

Ursula Ebel hat die Autorin der “Gesellschaft”, laube ich gefragt, ob sie über das Thema Demenz recherchierte oder es selbst erlebte.

Die Autorin hat ausweichend geantwortet, daß es mehr um eine Mutter-Tochter Beziehung gehen würde und ich habe mir gedacht, daß man das Thema Demenz wohl bei den eigenen Eltern erlebt, ich bei meinem Vater beziehungsweise Schwiegervater und eine Frage, die ich habe, bezieht sich auf das Alter der handelndenden Personen, beziehungsweise um die, wann das Buch jetzt spielt?

Denn bei dem Buch einer gerade Dreißigjährigen, denkt man wohl automatisch an eine etwa gleichaltrige Protagonistin, aber Moni, die ihre Mutter Erika in den Tod begleitet, müßte an die Siebzig sein und die Mutter mindestens neunzig, wenn ihr Bruder in den Krieg gezogen ist, und der Nebenmann, der vielleicht Monis Vater ist oder nicht, ein russischer Besatzungssoldat. Da hätten wir wieder Beziehungen zu Simone Hirths Trümmern oder Trümmerfrauen und was meine Bücher betrifft zum “Haus”, beziehungsweise zur “Anna”

Die Protagonistin ist vom Beruf Cutterin beim Fernsehen vielleicht,  berufstätigt, daß sie bald in Pension gehen wird, wird angedeutet und es gibt Handies, Computer etcetera, also kann die Handlung nicht allzu sehr in der Vergangenheit liegen und dann ist es wieder eine Mischung zwischen etwas schon öfter Gelesenen, das Thema Demenz und Pflege kommen auch kurz vor und das  das wird zienmlich kompetent geschildert wird.

Die Kopfzecke krabbelt am Kopf von Erika, die erlebt darauf einen Schwächeanfall, kommt ins Krankenhaus und muß genäht werden.

“Haben Sie das öfter und in ihrem Alter muß man das ernst nehmen!”, sagt die Ärztin und Moni besucht ihre dementkranke Mutter in ihrer Wohnung, in der sie, wenn ich mich an die “Gesellschaft” erinnere, selber aufgewachsen sist, so kommen die Erinnerungen hoch und die Rollen vermischen sich.

Es gibt auch Pfleger und Pflegerinnen, die von Moni bezahlt werden und einmal geht Moni mit der Mutter auf den Friedhof und schieb den Rollstuhl dann an die Stelle, wo das Haus stand, in der die Mutter mit ihrer Schwester Ilse und ihrem Bruder aufgewachsen ist.

Mit Hand von Fotos will sie der Mutter die Erinnerungen entreißen, aber wenn die nicht will, stellt sie sich dement. Sie erleidet dann auch eine Panikattacke, es kommt zu einem Sturz und die Mutter muß ins Krankenhaus,  muß operiert werden, was sie aber nicht will.

Moni unterschreibt für die Mutter die Risiken und am Ende ruft der Pfleger an und keucht “Rasch zurückrufen”

Er hat die Mutter tot in ihrer Wohnung gefunden. Moni muß alles zur Beerdigung richten und die Erinnerungen, die sie nicht bergen konnte, zurücklassen.

Aber doch, es gibt Platten mit Zarah Leanders rollenden “r” und alte Kinokarten vom wahrscheinlich Bellaria Kino von dem ich, glaube ich vor kurzem auch in einem der LL Bücher gelesen habe.

Dahin ist die Mutter schon als Pensionistin zwei drei mal in der Woche gegangen. Moni trägt die Partenzettel hin und weiß nicht recht, ob sie willkommen sind?

Die Kassiererin legt sie auch in eine Schublade, denn das Leben geht weiter, die alten Herr- und Frauschaften schauen sich weiter mehrmals in der Woche die alten Moser und Leander Filme an, bis sie dann auf einmal still wegbleiben und keiner wagt zu fragen.

Moni, beziehungsweise Iris Blauensteiner haben es versucht und wenn ihre Mutter oder die Mutter einer Gleichaltrigen sterben wird,  werden es wahrscheinlich keine Bellarai Kino Karten und Kriegserinnerungen sein, die zurückbleiben, obwohl meine Tochter wurde 1984 geboren und im Bellaria Kiono bin ich als Studentin öfter gewesen und von meinem Vater gibt es ein Album mit Fotos aus seiner Wehrmachtszeit.