Zuhause ist ein großes Wort

Der “Mare-Verlag”, der sich in seinen Büchern mit dem Meer beschäftigt, hat mir zwei solche angeboten. Das Erste, das ich gerade gelesen habe, der 1986 geborenen Nina Polak, hat ein interessantes Thema in einer starken, modernen Sprache mit verschiedenen Textteilen, nämlich eine Skipperin als Heldin.

Eine moderne Matrosin könnte man so sagen. Ich hatte keine Ahnung, daß es so etwas gibt, aber Skip oder Ninke Nauta, man sieht die sprechende Namen, ist gerade von einer siebenjährigen Seefahrt, wo sie mit Käptn Lood unterwegs war, nach Amsterdam zurückgekommen, wo sie sich mit der veränderten Stadt arrangierren muß und sich in die Vergangenheit zurückdenkt, um in die Zukunft zu kommen.

Ihre Mutter Nellie ist sehr früh gestorben, so hat die reiche Familie Zeno, die Sechzehnjährige aufgenommen, die Mutter Mascha ist Schauspielerin, der pubertierende Sohn Juda scheint eine Essstörung zu haben und jetzt auch keine Milchprodukte zu verzehren, was der Mutter Sorgen macht.

Skip kommt wieder bei den Zenos unter und nimmt Kontakt mit ihrem Ex Freund Borg auf und das eher spannungsarme Buch, kann mit einigen beeindruckenden Szenen aufwarten.

Da ist die, wo Skip, die an einer Segelschule unterrichtet, mit ihrer Mutter und den Zenos auf eine Segeltour aufbricht, worauf sich die Mutter, die nicht schwimmen kann, verkühlt und eine Luungenentzündung entwickelt und Borg, der jetzt eine Freundin hat, hat eine Novelle über ihre Beziehung geschrieben, die Skip entrüstet entdeckt und sich schlecht dargestellt findet.

Skip und die Zenos werden auf eine türkische Hochzeit eingeladen und Tag darauf entdeckt sie, daß sie schwanger ist. Die Zenos brauchen ihr Gartenhäuschen auch für die Großmutter, so daß Skip auf Loods “Tintenfisch” genanntes Boot zurückzieht und sich dorthin die Medikamente schicken läßt, um die “Bohne” in ihrem Bauch wieder loszuwerden. Lood lädt sie auf einen Turn nach Malta ein, so fliegt sie nach Sizilien und man kann raten was weiter passiert, wo Skips zu Hause ist und, ob man überhaupt ein solches braucht.

Die verschiedenen Textsorten habe ich schon erwähnt. Da gibt es Mails und seitenlange Mailpassagen, Borgs Liebesgeschichte “Unschuldig” oder auch Deniz Durmuskaya & Elif Özals Hochzeitsanzeige “Wir sagen ja” und da gibt es eine weinende Braut und eine poliitsch inkorrekte Großmutter, die wissen wollte, ob die Braut Kopftuch getragen hat?

“Nein, aber einen Schleier!”, war die Antwort. Ich habe wieder eine sehr interessante Autorin kennengelernt und kann anmerken, daß ich mich, weil ich ja einen holländischen Freund habe, den ich früher öfter in Holland besuchte und mich auch für die niederländische Literatur sehr interessiere.

Die Beichte einer Nacht

Jetzt kommt noch ein Buch das das Frauenleben in den Neunzehnhundertzwanzigerdreißigerjahre schildert, interessant wie viel sich das tut und das 1930 erstmals erschienen Buch der niederländischen Autorin Marinanne Philips, die von 1886 und 1940 in Amsterdam lebte, “Diogenes” hat es auf Deutsch herausgebracht, die Enkeltochter, die Leiteri des jüdischen Museums in Amsterdam Judith Belinfante hat das Nachwort geschrieben und das Leben ihrer Großmutter vorgestellt und das passt zur Trilogie der Dänin Dove Ditlevson, obwohl es in einem anderen Stil geschrieben ist.

“Die Beichte einer Nacht”, da erzählt die Patientin einer Nervenheilainstalt einer strickenden nachtschwester ihr Leben und tut das in einem Monolog. hin und wieder wird die Schwester angesprochen und ihr Desinteresse unterstellt, die letzten Sätze an sie lauten aber

“Schwester, was machen Sie? Weinen Sie? Wegen mir?” und eine Seite weiter “Schwester! Was machen Sie jetzt? Beten Sie? Für mich?”

Darin liegt die Tragik des Arbeiterkindes, das wohl Ende des Neunzehntenjahrhundert in eine Amsterdamer Arbeiterfamilie geboren wurde. Sie ist die älteste Tochter. Der Vater ist Handwerker.Dann gibt es noch eine Reihe Kinder bis die kleine Lintje kommt. Da liegt der Vater nach einem Unfall im Bett. Die Mutter hat er noch einmal geschwängert. Die Mutter ist nach den vielen Geburten erschöpft und so muß die siebzehnjährige Lentje, die aber Heelen, Liilian oderLeen gerufen wird, die kleine nachts zu sich nehmen und sie füttern. Sie ist sehr früh von der Schule abgegangen, um der Mutter ein Jahr lang im Haushalt zu helfen. Dann verunfallte der Vater und um die Unterstützung zu bekommen, mußte die Tochter aus dem Haus. Also zu einer Schneiderin in die Lehre. Da lernte die Juffrouw einen Handelsvertreter namen Groenmans, der sie auffordert in sein Hotel zu kommen. Sie tut es, um die kleine Lientje nicht zu erwürgen, wie sie erzählt. Folgt ihm dann in die hauptstadt, wo er ihr eine Stelle in einem Herrenmodengeschäft für fünfzig Gulden, wie er ihr erzählt, verschafft. Dann sind es nurzehn, Groenmans muß sie unterstüzen, damit sie die zwanzig versprochenen Gulden nach Hause schicken kann und kauft ihr auch die Kleider.

Die scheinen der jungen Frau sehr wichtig zu sein. Sie wird dann auch Leiterin einer Antiquitätenabteilung, wo es viele vergoldete Sachen gibt und heiratet dann einen Charles Gould, mit dem sie sehr unglücklich ist. Das warum und wieso wird nur diskret angedeutet.Dann stirbt die Mutter und sie nimmt die kleine schwester zu sich. Sie verläßt sie ihren Ehemann und verdient sich das Leben wieder durch Nähen und lernt dann im Schwimmbad ihren Hannes kennen. Da ist sie dreißig. Er, der Schwimm- oder Turnlehrer, fünfundzwanzig. Was damals offenbar ein Problem war. Lientje dreizehn. Er zieht bald zu ihr. Sie heiraten auch und Leentjes Schwermut scheint hier zu beginnen oder sich fortzusetzen. Denn sie kann ihm keine Kinder schenken. Er wünscht sich diese. Sie wird eifersüchtig. Die Ehe erkaltet und Hannes verunglückt dann in der Schweiz. Das reißt Leentje offenbar vollends den Boden unter den Füßen weg, obwohl es schon vorher einen Selbstmordversuch gegeben hat. Sie nimmt an einer Seance teil, um mit Hannes in Verbindung zu treten. Die inzwischen auch schon über zwanzigjährige Lientje verbietet ihr das. Sie tut es trotzdem und die Seanceleiterin beschreibt ihr dann, daß Hannes neben Lientje hinter ihr steht und er ihr den Auftrag gibt, daß sie beschützt werden muß. Leentje tappt nach Hause und findet die Schwester in Hannes Zimmer. Da packt sie einen Gegenstand und schlägt ohne recht zu wissen, was sie tut, zu.

Sehr eindrucksvoll, die Beichte einer Insaßin einer Nervenheilstanstalt. Damals sind ja viele intellektuelle junge Frauen dorthin gekommen, wenn sie aufsässig waren. Sehr eindrucksvoll erzählt, obwohl manches nicht mehr sehr realsitisch wirkt. Die vielen vergoldeten Zimmer etwa. Aber das waren wohl die Sehnsuchtsorte der jungen Frauen und das Drama zwischen den beiden Schwestern wird auch nur angedeutet. Heute wäre die Geschchite voll von Mißbrauchsbeschreibungen, wird nur angedeutet und die Enkeltochter schreibt auch über die Großmutter, daß sie eine Psychoanalseerfahrung hatte und sogar Freud dabei kennengelernt haben soll und nach der Geburt eines ihrer Kinder wegen einer postnatalen Depression in einer Nervenheilanstalt war, wo sie vielleicht einiges über die anderen Patienten beobachtet hat, was sie in ihrer Beichte beschrieb.

Die Mutter von Nicolien

Jetzt kommt ein “Wagenbach Quartbuch”, da bekomme ich ja immer die E-pubs geschickt. Ein Roman des 2008 verstorbenen niederländischen Autors J. J. Voskuil, der mit dem Mehrteiler “Das Büro” bekannt geworden ist und der sich in dem Buch, das aus kleinen Skizzen besteht, die von den Fünzigerjahren bis ins Jahr 1985, dem Tod der Mutter, hinüberführt, sich mit der Demenz beschäftigt.

Der Erzähler ist ein Maarten und der trifft sich mit seiner Frau Nicolien und deren Mutter, die in Deen Haag wohnt, das Ehepaar wohnt in Amsterdam, immer wieder zum Kaffeetrinken. Hier ist interessant, daß die Mutter mit Sie angesprochen wird, aber vielleicht liegt das an der Übersetzung und am Anfang ist die Mutter noch recht fit und mir ist es wieder etwas schwer gefallen, in das Buch hineinzukommen, wußte ich doch länger nicht, daß Nicolien eine Frau und die Tochter der Titelheldein ist und die Demenz, das zunehmende Vergessen, wird auch erst später greifbar.

Anfangs erscheint die Mutter fit. Erst später, die Szenen sind immer mit dem genauen Datum überschrieben, merkt man, daß sie viel vergißt. Sie soll irgedwo hinfahren, findet den Weg nicht mehr, findet dann auch nicht aufs Klo und entschuldigt sich dann immer mit dem Alter.

“Sie sind nicht alt!”, kommt dann immer als Antwort und liest man das Buch 2021, fällt einer auf, wie schwer sich das Ehepaar mit der zunehmenden Vergeßlichkeit der Mutter tut und, wie unverständlich sie für es ist.

Heute ist man da schon weiter, weiß damit umzugehen, macht Gedächtnistests, kennt zunehmend Therapien.

Nicolien und ihr Mann stehen dem verfall der Mutter erstaunlich hilflos gegenüber, fangen darüber auch zu streiten an und die Mutter wird zunehmend vergeßlicher, verschwindet aus der Straßenbahn, wird dann von einem Mann nach Hause bgeleitet, ruft immer wieder an und weiß dann nicht warum. Nicolien versucht ihr, als die Nummern geändert werden, auch das Telefonieren anzugewöhnen und berührend ist der Satz “Meine Tochter meint, daßich hier bin!”

Die Mutter wird dann nach Amsterdam genommen, wo das Paar wohnt. Aber da hat die Mutter Angst, verschwindet aus der Kammer in der sie wohnt, erzählt den Passanten, daß sie ihre Tochter sucht die in Amsterdam wohnt, landet dann in einem Krankenwage und erst in den Siebzigerjahren rät ein Arzt, die Mutter ist dann schon über achtzig und wundert sich bei ihren Geburtstag darüber, sie in einem Pflegeheim unterzubringen.

Nicolien fällt das schwer, aber bei ihnen in Amsterdam geht das nicht, die Mutter zu sich zu nehmen und um nach Den Haag zu ihr zu ziehen ist Marten der Weg in sein Büro zu lang. In dem Altersheim scheint es auch viel strenger als heute, also vor Corona-Zeiten zuzugehen, die ersten drei Wochen keine Besuchszeit, denn sonst bleibt sie nicht bei uns, sagt die Pflegeschwester und zu den Besuchzeiten stauen sich die Angehörigen im Foyer, dann sitzen alle im Cafe und schauen zu, wie die Frauen ihre dementen Männer mit Eierlikör und Törtchen füttern. Die Mutter will nach Hause, verfällt immer mehr und stirbt, wie schon geschrieben 1985. Das Buch oder die sehr berührenden Skizzen über die Demenz, den Tod und das Sterben enden beim Begräbnis und die Demenz ist ein Thema, das mich sehr berührt, das mich in meiner Familie, ich habe ja meinen Vater betreut und auch meine Schwiegereltern waren und sind davon betroffen, hautnahm miterlebte, habe auch in der “Anna” und in anderen meiner Texte darüber geschrieben und mich auch in meinen Pflegehelferkursen, die ich im Geratriezentrum am Wienerwald, als es noch gab gehalten habe und in meiner Diagnostik, damit beschäftigt. Sehr beeindruckend also über ein wahrscheinlich in den Achztigerjahren geschriebenes Buch darüber zu lesen und was hier geschildert wird mit dem zu vergleichen, was man inzwischen wahrscheinlich in unzähligen Ratgebern nachlesen kann, weil ja wahrscheinlich jeder jeden kennt, der davon betroffen ist, damit lebt oder jemanden betreut.

Niederland

Der Titel ist  ein Fake, denn um Holland geht es in diesen Fund aus dem Bücherschrank nicht, so macht es auch nichts, daß ich das Buch nicht im letzten Herbst gelesen habe, als Holland Gastland auf der Frankfurter Buchmesse war, obwohl der 1964 geborene Joseph O`Neill, Sohn eines Iren und einer Türkin, in Holland aufgewachsen ist und das Buch spielt in New York nach den Ereignissen von nine eleven und New York wird ja, glaube ich, irgenendwie auch New Amsterdam oder so genannt, weil sich dort viele holländische Auswanderer niederließen und der Protagonist Hans van den Broek ist auch ein Holländer, der in in  New York  als Banker tätig ist.

Damit ist vielleicht schon viel gesagt und Joseph O’Neill ist mit diesen Buch, wie ich im Klappentext und in “Wikipedia”lese, schalgartig berühmt geworden. Ich habe von ihm noch nichts gehört, also Danke an die Bücherschrankerfinder, sie frischen mein Literaturwissen, das schreibe ich immer wieder und es stimmt auch, enorm auf und füllen Lücken, die ohne der Schränke vielleicht solche geblieben wären.

Die Handlung des Buches zu erzählen ist auch nicht ganz einfach, geht es, glaube ich ja nicht so chronologisch dahin. Es ist wahrscheinlich eine Liebeserklärung an New York, d,em Schmelztigel, wo sich die verschiedensten Menschen, Rassen und Kulturen treffen und zusammenleben und Joseph O` Neill, das habe ich jetzt vergessen ist  in England als Anwalt gearbeitet und scheint jetzt in New York zu leben oder hat dort gelebt, als das Buch erschienen ist.

Er scheint auch in dem berühten Chelsea Hotel gewohnt zu haben und dort wohnt auch der Banker, wurde, glaube ich, dorthin evakuiert, als die Tower einstürzten und in dieser Zeit ging es auch in seiner Ehe mit der Wirtschaftsanwältin Rachel nicht so ganz glatt, kehrt die doch mit dem Söhnchen nach England zu ihren Eltern zurück. Hans kann sie zwar am Wochenende besuchen, aber sie freundet sich bald mit einem Koch namens Martin an zund zeigt nicht viel Interesse am Überdenken der Situation.

Das stürzt Hans in eine Krise, der auch, als er den  amerikanischen Führerschein machen will, Schwierigkeiten mit den Behörden hat, weil sein Name Johannus Franciscus Hendrikus van den Broek auf den verschienden Papieren nicht immer gleich geschrieben ist, sondern manchmal auch abgekürzt erscheint.

Da lernt er den aus Trinidat stammenden Chuck Ramkissoon kennen, das ist ein kleiner Gauner mit großen Plänen und hunderttausend Geschäftsideen im Kopf zu denen er seine verschiedenen Freunde, darunter auch den weißen Banker Hans mißbraucht.

So läßt er sich von ihm unter dem Vorwand ihm das Fahren beizubringen durch die verschiensten Vierteln von New York chauffieren, während er in Wirklichkeit seine Geschäfte abwickelt.

Er träumt auch von einem großen Chricketplatz und ist auch Torwart in einem, wo Hans auch spielt und zu Beginn des Romanes geht der wieder zu Frau und Kind nach England zurück, weil Rachel inzwischen von ihrem Koch verlassen wurde und Chuck hat man  tot im Gowanus Canal mit handschellen gefesselt aufgefunden.

Darum rankt sich die Geschichte, um die Rückerinnerungen. Es geht auch in die Kinheit nach Holland und zu der verstorbenen Mutter zurück. Hans fährt mit Chuck durch New York. Der führt ihn zu seiner Frau, stellt ihn seiner Geliebten vor und geht mit ihm auch über einen Friedhof, wo es Papageieien gibt.

Ein interessantes Buch, wo man den Schmelztigel New York, in dem ich, glaube ich, 1998 das letzte Mal gleich vierzehn Tage war und dort sehr viel herumgegangen bin, ein wenig kennenlernen kann oder in de Stadt geführt wurde, wie sie zwischen nine elefen und 2009 war.

Heute ist es wahrscheinlich wieder ganz anders.Ich war seither nicht mehr dort und fliege wahrscheinlichlich wegen der komplzierten Sicherheitskontrollen auch nicht mehr hin.  So war es interessant, ein Buch zu lesen, das Niederland heißt und in New York und England spielt.

Bei “Amazon” gibt es von eins bis fünf Sterne, die verschiednsten Bewertungen. Die meisten Leser haben aber fünf Sterne gegeben und einer meinte er wolle kein Buch lesen, das seitenweise vom Chricketpielen handelt, aber da denke ich, er hat er es nicht lang genug gelesen, geht es doch um sehr viel mehr.