Und wie wir hassen!

Haß im Netz ist ja seit es das Internet gibt und wir bloggen, twittern, facebooken, etcetera, ein großes Thema, dem ich beispielsweise durch meinen Freund Uli im Jahr 2016 begegnet bin, vorher hatte ich schon einige Troll oder Spam-Kommentare, Beschimpfungen eigentlich selten, weil ich ja schon berufsbedingt und, weil ich, wie mir eine Mutter bei einem Elternabend der Kinderguppe oder freien Schule meiner Tochter Anna vor zig jahren einmal sagte, harmoniesüchtig sei, immer freundlich darauf antworte.

Ich antworte, lösche,  blockiere nie und zeige auch nicht an, weil ich die Kommunikation und das gute Auskommen für wichtig halte, konnte aber an meinen Kommentierern, beispielsweise einer der letzten, wo es um das Wort “MS” das offenbar nicht ausgeschrieben in einem Kinderbuch steht, ich als solche aber zu erkennen glaubte, merken, wie  schnell das umschlagen kann.

Ich bin also keine Haßposterin und mein “Haßposting an Corona”, richtet sich auch weniger gegen die Krankheit, als an den Haß und die Gewalt, die vielleicht deshalb entstehen kann und  wurde da durch die fünfzehn Haßreden inspiriert, die Lydia Haider, die 2015,  Finalistin beim “Alpha” war, bei “Kremayr & Scheriau” herausgegeben hat und fünfzehn meist jüngere Autorinnen und bildende Künstlerinnen dazu eingeladen hat. Die Betonung liegt auf dem “I”, denn es ist ein Buch von Frauen.

Ich habe es schon länger im Badezimmer liegen, vor einigen Wochen eine Ö1 Sendung darüber gehört und Gertraud Klemm, hat bei der Lesung zum Frauentag, der letzten Veranstaltung, die ich coronabedingt, bis jetzt besucht habe, einen Teil daraus vorgetragen.

“Und, wie wir hassen – 15 Hetzreden”, Haß liegt mir eigentlich nicht, habe ich schon geschrieben, Literatur interessiert mich dagegen sehr, auch wenn ich mit mancher, die vielleicht zu sehr hetzt und schimpft meine Probleme habe und zum Leidwesen meines Freundes Uli , der sich manchmal darüber lustig macht, auch mit der Ironie, es also nicht mag, wenn neben mir im Literaturhaus eine oder einer sitzt, der oder die laut auflacht, wenn der Autor, die Autorin beispielsweise vorliest, wie er oder sie ihrem oder seinem Partner eine hinunterhaut.

Trotzdem habe ich das Buch gelesen und es hat mir auch gefallen, obwohl ich, wie schon geschrieben, Haß  eigentlich nicht mag, also sollte ich mich vielleicht auch von dem kurzen Vorwort, der 1985 geborenen Lydia Haider, die in der “Wienzeile”, auch eine eher offensive Literaturzeitschrift, publiziert, distanzieren.

Man kann aber auch, wie ich es getan habe, darüber hinweggelesen und dann sind die Texte mit Ironie betrachtet, wie die Autorinnen beim Interview auch betonten, eigentlich nicht mehr so arg.

Die, wie sie schreibt, im letzten Jahrhundert geborene deutsche bildende Künstler Sophia Süßmilch beginnt mit einer “Vollständigen und fairen Liste alle Dinge, die ich hasse”, die mit “Ich hasse Hoden”, beginnt und mit “Ich bin so voller Hass, das muß Liebe sein”, endet, was schon einmal nachdenklich machen kann.

Die Publikumspreisträgern des “Bachmannpreises” von 2018, die mit dem “Flüssigen Land”, sowohl auf der “Shortlist des dBp” als auch des “Öst” gestanden ist, steuert eine Haßrede an den Literaturbetrieb bei und schreibt am Schluß “(Die Autorin lässt ihre Entschuldigungen dafür ausrichten, dass sie sieben Jahre nach Verfassen dieses Textes doch noch irgendwie zum Hauptpavillon geschossen weorden ist. Sie kann sich nicht erklären, wie das zugegangen ist.)”

Nora Gomringer, die ja ihren letzten Gedichtband beim Leipziger- Onlinemesse Erstatzprogramm vorgestellt und sich dabei als sehr gläubig geoutet hat, hat erlebt, wie ein schnell ein Brief, der die Worte “hochverehrt, bezaubernd und klug” enthält, sehr schnell zu einem mit “verfickte Schlampe, Männerhasserin” umschwenken kann, wenn man nicht, wie gewünscht darauf regiert.

In Sibylle Bergs Text hat die Erzählerin Schwierigkeiten mit ihrem zwanzigjährigen fußballbesessenen Sohn und ist, wie ich erstaunt feststellt, weniger offensiv, wie ich es eigentlich von Sybille Berg erwartet hätte.

Texte der kurdischen Rapperin Ebow sind auch immer eingestreut.

Die ebenfalls beim “Bachmannpreis” gelesen habende,1986 geborene Stefanie Sargnagel, die Mitglied der Burschenschaft “Hysteria” ist, drückt ihren Haß in Auszügen aus ihren Tagebüchern aus.

Die in Belgrad geborene “Prießnitz-Preisträgerin” Barbi Markovic, erzählt von einem Klassenbuch, das die Erzählerin über ihre Mitschülerinnen angelegt hat und dafür von ihrer doch nicht allerbesten Freundin Mira, zu Grund und Boden niedergeschimpft wurde.

Die 1983 geborene Judith Rohrmoser erzählt in “Sesshaft von ihrer jüdischen Familie und beginnt mit den Worten “Ich hasse es, wenn Leute in diesem gekünstelten Hochdeutsch mit mir reden, anstatt ihrer naturgewachsenen Bauerngoschn zu benutzen.”

Die  1971 in Wien geborene Gertraud Klemm hat von ihren ” Vier Zumutungen”, ihre Haßrede an die Frauenministerin schon im Literaturhaus gelesen, dann gibt es noch eine an ein Vorstandsmitglied, eine an die Vegetariergegner und einen Nachschlag gibt es auch.

Die Politikwissenschaftlerin und Genderforscherin Judith  Goetz hat ihre “Verachtung gegen die entbehrlichen Herren”, schon bei derr Ö1-Diskussion ausgedrückt.

Die 1971 geborene Kathrin Röggla  mit der ich schon  einmal in Salzbrug gelesen habe,  läßt ihre Protagonistin eine “Taxifahrt” mit einem Rechten erleben, fährt mit ihm an einer Demonstration vorbei und hat auch ihr Geld vergessen.

Die “Todespostings”, der 1983 in Wien geborenen Puneh Ansari Todespostings” und die “Haßtiraden” der 1983 in Wien geborenen Köchin und Sprachkunststudentin Maria Muhar, waren mir  fast zuviel, da hat mir dann,  die “Hasshasenagst”, der 1974 in Zehdenik geborenen Manja Präkels, deren Debutroman “Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß”, ich gelesen habe, die an Hand eines Angriffs an ein elfjähriges irakisches Mädchens, die Entstehung des Hasses analysiert, besser gefallen.

Ein interessantes Buch mit interessanten Texten interessanter starker Frauen, die einmal, den Spieß umdrehen  und denen ich dennoch zurufen möchte “Weniger Haß ist mehr!”