Dies schwarze Leid – Requiem

Nach dem zwei Halbgeschwister ihre Mutter verloren haben, geht es nun gleich weiter mit dem Verlust einer Mutter, die den Tod ihrer zwanzigjährigen Tochter hinausschreit oder ihn expressionistisch verarbeitet, denn Gutti oder Gustave Alsen, die 1869 in Königsberg geboren und dort 1929 gestorben ist, ist eine, wenn auch nach dem zweiten Weltkrieg komplett vergessene, expressionistische Dichterin.

Der kleine feine “Hommunculus-Verlag”, den ich durch das “Debut-Preis-Lesen” kennenlernte, hat das posthum erschienene Buch neu herausgegeben und wenn man im Internet nach Gutti oder Gustave, wie sie eigentlich hieß, Alsen googlet, findet man nicht viel, nur daß der “Hommunculus-Verlag” das “Requiem”, das am Cover, was mir am Buch sehr mißfällt lauter Totenköpfe zeigt, weil es meiner Meinung nach, nicht dem Inhalt des Buches entspricht, herausgegeben hat und beim “Hochroth-Verlag” ist ein anderes Werk der Autorin erschienen.

Nachwort oder Vorwort gibt es, was ich ebenfalls bedauere, in dem Buch keines, so war das Lesen etwas schwer. Ein Lesen ins Ungewisse, in den absoluten Freiraum sozusagen, was ich  auch nicht so mag, denn googlet man bei “Amazon” nach, findet man auch nur “Ein Roman, der sich wie ein Gedicht liest – poetische ausdrucksvolle Sprache”

Das ist nicht sehr viel und so muß man sich beim Lesen der hundertsechzig Seiten auf sein eigenes Gefühl verlassen und liest, autobiografischer Roman, steht, glaube ich, am Buchrücken, so die Beziehungsgeschichte, beziehungsweise, die Erinnerungen, die die Lyrikerin und Übersetzerin, die auch einen literarischen Salon führte, an ihre Tochter hatte.

Es beginnt mit den Märchen und Geschichten, die die künstlerisch interessierte Mutter, der Tochter, die “Mütti” zu ihr sagte, vorlas.

“Der fliegende Robert” gehörte da zu den Favoriten der kleinen Ellen. Der Vater und die Großmutter sind bald verschwunden. Es gibt Briefe nach oder von Paris von einer Madelon. Es gibt einen Edwin und der erste Weltkrieg, den die beiden durchlebten, wird auch immer thematisiert.

Die spanische Grippe gab es und die größer gewordene Tochter besuchte eine Malschule und studierte, um, wenn sie von der Malkunst nicht leben würde können, die Photografie.

Die Tochter fragt die “Mütti” warum sie keine Geschwister hat? Besucht später Bälle und Veranstaltungen und wird  von einer Krankheit erfaßt, von der die Ärzte nicht recht wissen, ob es sich dabei, um eine Gippe oderum etwas anderes halten. Die Glocke wird abgestellt, um die Kranke nicht zu stören und am Schluß ist es dann soweit, daß die Mutter:  “Als ich endlich aus diesem Zustand erwachte, als ich begreifen musste, dass du meine Einzige, den anderen nur noch Vorübergegangene warst, geschah jenes Wunder, von dem ich dir sprach. Du warst in mich zurückgekehrt. Nicht als das kleine hilflose Wesen, das sich vor zwanzig Jahren aus mir befreite. Nein, als die Weitgewanderte, Vielerfahrene, Verstehende, die sich von den anderen entfernt hatte.”, schreibt.

Eine interessantes Buch, das man jetzt wahrscheinlich “Memoir” nennten würde. Eine Entdeckung einer mir völlig unbekannten Autorin, wie ich in diesem Jahr ja durch “Wagenhbach” schon andere Entdeckungen machte.

So habe ich von Jiri Weil vorher auch noch nichts gehört gehabt und Helen Weinzweig war, obwohl erst 2010 gestorben, für mich auch eine literarische Entdeckung und “Hommunculus” läßt auch nicht nach, kommt doch als nächstes der “vergessene Prag-Roman” von Auguste Hauschner, die 1924 in Prag gestorben ist.