Kein Maiaufmarsch mehr?

Ich bin ja, wie ich immer schreibe als Tochter eines sehr aktiven SPÖ-Funktionärs in einem dieser schönen, wohl nicht so berühmten alten Gemeindebau aus den Zwischenkriegsjahren aufgewachsen und mit meinen Vater und meiner 1978 verunfallten Schwester Uschy, glaube ich, Jahr für Jahr beim Maiaufmarsch von der Hernalser Remisse zum Rathausplatz marschiert, habe da einmal dem Bürgermeister Jonas einen Maiglöckchenstrauß in die Hand gedrückt, den ich wohl vorher von irgendwem bekommen habe, das Bild war, glaube ich, in der AZ und später ein anderes, wo ich mit einer Reihe Mädchen in einem weißen Kleid, das unten einen rotweißroten Streifen hatte, mit der Tanz- oder Rhytmmikgruppe der Kinderfreunde, die ich jahrelang besuchte, die Alserstraße in Richtung Rathausplatz entlangmarschiert bin und da kann ich mich erinnern, daß es mir schwer gefallen ist, den Rhythmus einzuhalten, also im Gleichschritt zu spazieren.

Später bin ich nicht mehr mitgegangen, habe ich die sozialistische Gesinnung im Gemeindebau, wenn auch vielleicht liebevoll gemeint, als soziale Kontrolle empfunden und das erste Mal, als ich wählen konnte, da war ich zwischen neunzehn und einundzwanzig, denn da wurde das Wahlalter ja von einundzwanzig auf neunzehn hinabgesetzt und ich habe schon studiert, aus Protest gegen meinen Vater, die ÖVP, gewählt und dann nie  wieder, wie ich beteuere und in Zeiten, wie diesen schon gar nicht und so bin ich am ersten Mai auch nicht mehr mitmarschiert.

Am ersten Mai  1981 wurde der  Stadtrat Nittel ermordet, dessen Frau war Kindergartenleiterin und in deren Kindergarten war meine Mutter Helferin, die, glaube ich, mehr katholisch als SPÖ-Parteimitglied war, aber ein guter Mensch, die sich  gern und pflichtbewußt, um andere kümmerte.

Da ist, glaube ich, der Maiaufmarsch ausgefallen und ich habe da, glaube ich, schon Gastarbeiterkinder betreut und kann mich an ein Gespräch erinnern, wo ein solcher Jugendlicher enttäuscht war, nun nicht mehr mit dem Nelken geschmückten Fahrrad zum Rathaus fahren zu können.

Dann kam irgendwann das Jahr zweitausend mit schwarz-blau eins und da kann ich mich erinnern, daß ich mit dem Alfred das erste Mal wieder an einem solchen teilnahm.

Wir sind aber, glaube ich, bei dem der Kommunisten von der Albertina zum Parlament mitgegangen. Vorher waren wir wohl öfter am “Tag der Arbeit” in Harland und da ist ja die kleine Stadt Wilhelmensburg in der Nähe, wo es immer einen traditionellen Kirtag gibt, wo die Standler Süßigkeiten, Unterhosen, etcetera verkaufen, da sind wir öfter mit der kleinen Anna und dem Rad hingefahren.

Später dann regelmäßig der Maiaufmarsch der KPÖ und weil, der immer etwas später als der Sozialisten war, sind wir dann zum leeren Rathausplatz geschlendert, das Cover von der “Viertagebuchfrau” zeugt davon und haben da öfter die Ruth getroffen, die ja, glaube ich, eine aufechte Sozialistin ist und mit der roten Nelke und öfter Mal dort begegnete.

Ein paarmal bin ich später auch zuerst mit den Sozialisten von Margareten marschiert, beziehungsweise zum Rathausplatz gegangen und dann zurück zur Albertina. Bin da aber seltsamerweise nie ganz vorne, also bis zur Tribüne, wo der  winkende Bürgermeister steht, gekommen, sondern meistens dort am Spalier stehengeglieben, wo ich ein paar Bekannte getroffen habe. Einmal kann ich mich erinnern, war ich da mit der Ruth und dem Robert Eglhofer, der ja, glaube ich, auch eher katholisch als sozialistisch ist, als der Bundeskanzler Faymann vorübermarschierte und ausgerechnet neben uns Bekannte traf, denen er die Hand gab. Das wurde natürlich von einem Kamerateam gefilmt und dem Robert war es, glaube ich, peinlich, etcetera.

Vor ein paar Jahren am dem legendären ersten Mai, als der Bundeskanzler Faymann bei seiner Ansprache ausgebuht wurde und dann bald darauf zurückgetreten ist, waren wir wieder einmal in Wilhelmsburg, ich und der Alfred, die Anna hat da, glaube ich,  noch in Wien gewohnt, es hat uns aber nicht mehr so gefallen und der Alfred war enttäuscht, den legendären Auftritt verpasst zu haben.

Früher sind  die Straßenbahnen am ersten Mai gefahren, damit die Fahrer und die Schaffner mitmarschieren konnten, das wurde irgendwann abgeschafft oder nur soweit eingeschränkt, daß man auf den Zufahrtswegen marschieren konnte.

1989 bin ich von St. Pölten zuerst nach Wien und dann nach Klagenfurt gefahren, weil ich ja zu einer Lesung beim “Preis der Arbeit”, den es da einige Jahre gegeben hat, eingeladen, beziehungsweise in die engere Auswahl gekommen bin und am nächsten Tag mit dem Blumenstraß und der Irma Schwager, die ja, glaube ich, KPÖ- Frauenvorsitzende war und dort wahrscheinlich bei einer Maiveranstaltung war, zurückgefahren.

Ein paar Mal bin ich mit der KPÖ-Margareten mitgegangen und habe vorher mit ihnen gefrühstückt. Da hat, kann ich mich erinnern, ein Polizist die paar Hansln, die da zur Albertina wollten, durch den Verkehr am Karlsplatz geleitet und voriges Jahr hatte ich zwar keinen Gips mehr, aber das Gehen war sehr schwierig, der Alfred war mit dem Karl auf Reise, am Tag vorher war unser zweiter Spaziergang im öffentlichen Raum zur “U-Bahnkunst”, wo auch nur ein paar Hansln mitmarschierten und die alle den Kopf schüttelten, als ich sie fragte, ob sie zum Maiaufmarsch gehen würden?

Ich habe es dann auch nicht getan, sondern stattdessen meine Abrechnung gemacht und mir per lievestream das Maifest der FPÖ angehört. Es waren ja Europawahlkampfzeiten und mir die Aufregung gegeben, die entstand, weil die SPÖ bei einem Maifest, der von ihr engagierten Musikgruppe, das Singen eines Gabalier-Liedes durch Stromabschaltung verbieten wollte.

Das war noch kurz vor Ibiza, heute ist alles anders, nicht nur, daß Herbert Kickl nicht mehr Innenminster ist und wir eine türkis-grüne Regierung haben, nein, Corona hat uns überallen. Es gibt Ausgangsperren, Massenansammlungen sind  verboten und die sozialistischen Parteireden sollen, wie ich höre, per Livestream veranstaltet werden.

Also kann ich auch heuer in Ruhe meine Abrechnung machen und mich in meinen ersten MaiArchiven umsehen und mich an das starke rote Wien zurückerinnern, bis dann an einem zwölften Februar der Austrofaschimus kam und an dem darauffolgenden ersten Mai ist es, glaube ich, einen illegalen Spaziergang gab, an dem mein Vater höchstwahrscheinlich dabeigewesen ist, habe ich gedacht, aber dann wurden ja die Ausgangsbeschränkungen aufgehoben, der erste Mai zum “Tag der Freiheit” erklärt und außerdem fünfzehn Demonstrationen angemeldet.

So sind wir, während die SPÖ, eine erste  Mai-Show mit Reden in einem Museum oder Archiv mit Bildern von der ersten Maigeschichte und vom Karl Marx Hof, glaube ich,  mit Pamela Rendi-Wagner und Michael Ludwig, zelebrierte, mit den Alfred an der Kundgebung der Türken und der Kurden vorüber zur Albertina gegangen, wo es schon vor einer Woche eine Demo mit Martin Sellner gab, um zu schauen, was da passiert.

Es waren auch schon die Polizei und einige Leute da, Gerald Grassl und den Freund der Doris Nußbaumer habe ich erkannt, wir sind nach einer Weile ein Stück losgegangen, mußten am Ring warten, bis die Türken und die Kurden vorüber waren und marschierten dann seltsamerweise statt zum Parlalment zum Ballhausplatz, weil es, wie ich herausfand, keine Kundgabeung der KPÖ, wie erwartet, sondern eine von Gerald Grassl angemeldete war, der dann auch eine Rede hielt.

Wir haben vor der Oper auch die Ruth angerufen und uns mit ihr getroffen und sind dann noch ein bißchen auf den Rathausplatz gegangen, wo statt der Sozialisten, der Vertreter der “Kubanischen Gesellschaft” und noch andere Gruppen den ersten Mai hochhielten.

Um halb sechs gab es am Heldenplatz noch eine Demo für Kunst und Kultur mit zwei Meter Abstand, wo die Reporterin ohne Grenzen Rubina Möhring, die Regisseurin und Schauspielerin Ruth Breuer und noch einige über den Notstand, den die Künstler ausgesetzt sind, eine Rede hielten, die von Susanne Scholl habe ich versäumt, weil ich erst später hingekommen bin, aber eigentlich müßte ich ja meinen Freund Uli Recht geben, ich bin zwar keine Hobbyautorin, noch immer nicht, da ich aber keine Lesungen habe, die mir ausgefallen sind, habe ich keine fehlenden literarischen Einnahmen, denn gelebt habe ich immer von der Psychologie, die Ruth hat mir aber am Vormittag erzählt, daß ihr einige Lesungen ausgefallen sind und sie auch nicht weiß, ob ihr geplantes nächstes Buch erscheint.

Gekannt habe ich von den ungefähr hundert Teilnehmern niemanden, das ist zwar mit Masken wahrscheinlich etwas schwer, ich habe aber keine Autorenkollegen von der GAV oder so gesehen.

Suchbild mit Katze

Jetzt kommt wieder etwas von meiner Backlist, nämlich ein Buch, das mir der Alfred im April 2017 in Göttweig bei “Literatur und Wein” kaufte, Peter Henischs  Memoiren, mit dem der 1943 in Wien geborene, auf der Long- und Shortlist des ersten öst Bps gestanden ist, den dann Friederike Mayröcker gewonnen hat

Peter Henischs, von dem ich ja gerne schreibe, daß ich ein Fan von ihm bin und lange gedacht habe, wenn der bei “Residenz” verlegt, muß es auch bei mir klappen, Kindheitserinnerungen, wo der kleine Peter am Ercker des Hauses von dem im Krieg ein Stück heruntergebombt wurde, mit seiner Katze sitzt und über seine frühen Erinnerungen nachdenkt, beziehungsweise, die immer wieder mit Einsprengseln, aus seinem späteren Leben, wo er mit seiner ersten Frau Sonja nach Griechenland fährt, mit seiner jetztigen Partnerin Eva in Italien das Meer und es erst nicht und dann später doch findet und sein Leben einer jungen Reporterin erzählt, die immer wieder kritische Fragen stellt.

Das Buch ist bei “Deuticke” erschienen, ich habe daraus eine Diskussion mit Jochen Jung, der ihn ja früher verlegte und Martina Schmidt in der “Gesellschaft” gehört, auf der “Buch Wien” und auch sonst wahrscheinlich 2016 daraus gehört und das Buch, nachdem Peter Henisch es mir signierte, auf dem Harlander Stapel liegenlassen, es aber auf meine 2019 Leseliste gesetzt.

Eigentlich ein sehr einfaches Buch und auch schnell zu lesen, vor allem wenn man auch in Wien und ein paar Jahre später geboren ist und Peter Henisch bezieht sich auch immer wieder auf seine Werke, vor allem aber bezieht er sich auf seine Katzenliebe. Er hat auch einmal in einem Aufsatz mit dem Titel “Was ich werden will?” “Katze” geschrieben und als der Lehrer mahnte, daß das kein Beruf sei, “Schriftsteller” hinzugefügt, weil man dann ja über so etwas schreiben kann.

Der kleine Peter, Sohn eines sehr erfolgreichen Fotografen, über den er eines seiner ersten Bücher geschrieben hat, ist ein sehr altkluges Kind, daß da in einer Schar von intellektuellen Erwachsenen aufwächst. Er gewinnt bei den Spielen immer und verblüfft die Erwachsenen durch seine Klugheit, im Flur hängen erotische Bilder von nackten Frauen, die der Vater geknipst hat, die Eltern nehmen ihn auch immer ins Kino und da oft in nicht jugendfreie Vorstellengen mit.

Als er aber in die Schule kommt und das erste Mal unter Kindern ist, hat er Tränen in den Augen, die der Vater dann prompt fotografiert, weil er das nicht gewohnt ist.

Er ist in Schreiben und Lesen, den anderen weit voraus, im Rechnen nicht so sehr, er hat auch einen gutenLehrer, der ihn an “Dr. Doolittle” erinnert. Diese Bücher über den mit den mit Tieren sprechenden Arzt, hat er, wie auch ich, gern gelesen und hat, weil darin keine Katzen kommen, auch eine Fortsetzung schreiben wollen.

Karl May hat er auch sehr gern gelesen, das hat er mir voraus und ist mit seinen müttlerlichen Großvater wandern gegangen, als er schon etwas größer war.

War er noch kleiner, haben ihn die Eltern, wenn sie Zeit für sich haben wollten oder die Mutter den Vater zu Presseterminen begleitete, zu den Großeltern in die Hasengasse gebracht.

Über die andere, die “belesene Oma”, die mit dem Enkel durch den Stadtpark spazieren ging, hat Peter Henisch auch schon ein Buch geschrieben und seine erste Liebe war die Hausmeistertochter Friedi, die er in einem Gedicht vereweigt hat.

Präsident Renner ist gestorben, Theodor Körner folgte ihm nach und den Film “Erster April 2000” mit Josef Meinrad in der Hauptrolle hat der kleine Peter im Apollokino gesehen und da mit etwas Mühe ausgerechnet, wie alt er zu diesem Zeitpunkt sein würde?

Ein interessantes Buch, über das man sich, wie schon geschrieben, schnell durchliest, das vielleicht nicht so ganz literarisch ist, aber Peter Henisch hat damit ja fast den östBp gewonnen,  inzwischen auch schon weitergeschrieben und das neue Buch, beziehungsweise den wiederaufgelegten “Mai” auch bei den letzten “O-Tönen” vorgestellt.