Im Stein

Weiter geht es mit Buchpreisbacklistlesen und zwar mit einem Shortlist Buch des Jahres 2013 und das warein sehr interessantes Jahr, denn da habe ich mich ja schon sehr für den dBp interessiert, habe begeistert von den wenigen Büchern, die ich gelesen habe, meine Prognosen abgegeben und kann mich erinnern, daß ich am Morgen der Longlistverkündung mit dem Rad in Traisen war, dann zurückkam, um mir die Ll durchzusehen und da hat ja Buzzaldrin mit dem Buchpreisbloggen beziehungsweise der Aktion “Vier lesen fünf oder fünf lesen vier” begonnen.

Da hat es mich das erste Mal gejuckt mitzumachen, mich das dann nicht getraut, mir aber Nella Veremejs “Berlin liegt im Osten” bestellt, sowie das Leseprobenbüchlein und über das dann gebloggt, daß, das nicht geht, beziehungsweise ich weder einen Eindruck noch Prognosen aus ein paar Seiten Text erstellen kann, habe ich bald erkannt und inzwischen auch schon vier Bücher von der Longlist gelesen, drei weitere habe ich inzwischen irgendwo gefunden oder aus der Abverkaufskiste gezogen, eines ist davon das Shortlist-Buch des 1977 in Halle an der Saale geborenen und in Leipzig lebenden Clemens Meyer, der bestimmt ein literarischer Außenseiter ist, Absolvent des Literaturinstituts, glaube ich, auch und Träger des “Leipziger Buchpreises”, “Die Nacht, die Lichter” habe ich gelesen, beim Bloggen aber, glaube ich, “der Lichter” geschrieben, was den Autor zu einem heftigen Kommentar veranlaßte und irgendwo habe ich dann auch gehört oder gelesen, daß er damals im “Römer” bei der Buchpreisverleihung, wo Terezia Mora gewonnen hat, laut mit den Türen knallend das Gebäude verließ.

Das Buch habe ich mir bei einem “Morawa-Abverkauf” um drei Euro gekauft und wollte es eigentlich schon vor drei Jahren lesen, aber dann hat mir Meredith Winter ihre zwei Bücher zugesandt und es ist sich nicht mehr ausgegangen, weil ja schon bald die neue Buchpreisliste kam.

Jetzt hätte ich eigentlich zuerst den “Pianisten” aus lauter Angst, daß ich dann nicht mehr dazu komme gelesen, aber der war in Wien und ich brauche für Harland Lesestoff und schleppe mich sehr langsam durch das fast sechshundert dicke Seite Buch, von dem die “Amazon-Rezensenten” schreiben, daß es schwer zu lesen ist, dabei habe ich ja damals mit den vier oder fünf um “Buzzaldrin” darüber diskutiert, wie schwer und unverständlich, ein anderes Shortlistbuch, nämlich der Reinhard Jirgl ist. Von der Unlesbarkeit des Clemens Meyers wurde damals nicht viel diskutiert, zumindestens kann ich mich nicht daran erinnern, zumindest scheint das Thema, das Rotlichtmilieu im Osten von der Wende bis zur Gegenwart, interessant und es ist wieder, was, glaube ich, auch nicht thematisiert wurde, kein Roman, obwohl das draufsteht, sondern ein Kalaidoskop oder Szenenbild der Nacht des dunklen oder auch hellen Gewerbes der Prostiution und das zieht sich, vielleicht ähnlich, wie “Manhatten Transfer” durch das Buch.

Es sind einzelne Geschichten, die schöne Titel tragen, kürzer oder länger sind und manchmal auch in mehreren Teilen, erzählt werren, beinahe namenlose Gestalten, aber auch Figuren, die immer wieder auftauchen und mehr oder weniger poetisch, die gar nicht so poetischen brualten Nachtgeschichten erzählen und dabei einen mehr oder weniger deutlichen Handlungsrahmen haben, der das Ganze dann vielleicht doch wieder zu einem unchronologischen Roman zusammenfügt.

Da gibt es, die Mädchen, die Frauen, die an den zur Tagesmiete geheuerten Zimmern am Fenster stehen, der alte Jockey, der seine Tochter sucht, den, derdavon lebt, daß er die Zimmer zu den Tagesmieten, an die Frauen vermietet, die von dem alten Polizisten, der Betablocker nimmt und morgens um acht zu einer fetten Hure geht, die ihm fröhlich mit einem Glas Sekt und “Guten Morgen, du Lieber!”, begrüßt. Dann geht er ins Moor und denkt an seine Leichen, die er jemals dort gefunden hat.

Es gibt den Ecki Edelkirsch, der im Äther oder Internet über die Vorzüge der meist aus Ungarn stammenden “Grabennympfen” in den “Wohnungen der Nacht” reimt und in “Den City”, in dem es auch einen Naschmarkt gibgt, wohl ein Synomym für das Rotlichtmilieu agiert.

“Schön bid du meine Freundin ja, du bist schön!” und dann den Mister Orpheus, den Herrn des Ganzen darüber interviewet, ob er Zwangsprostiution, beziehungsweise Sklavenhandel mit siebenzehn bis achtzehn Stunden Arbeitszeit betreibt.

In “Am Grenzfluß” fährt ein “Graf” genannter Macher der Nacht gegen Osten, um sich dort mit einem Oberst zu treffen und einiges zu erleben und der taucht in den anderen Geschichten auch immer wieder auf, da gibt es den Hans, den Nachtclubbesitzer, der in den Achtzigerjahren, in die Großstadt kommt, versucht es seinen Damen recht zu machen, dann plötzlich, weil in Diamantengeschäfte verwickelt, wo wir schon eine Anspielung auf den Romantitel haben, eine andere sind wohl die steinernen Katakomben, auf denen Eden City oder die Stadt der Engeln des Rotlichtmilieus erbaut wurde, einem Erpresser gegenüber steht und eine Leiche zu versorgen hat. Später fährt er dann im schwarzen Anzug zum Begräbnis seines Vaters und trifft eine Jugendfreundin wieder.

Im “Kongreß der Huren” berichtet eine solche von den Schwierigkeiten mit dem neuen Prostiutinsgesetz und eine ältere Führerscheinlose, die aus dem Osten kommt resumiert über ihr bisherigen Leben, während sie zur Arbeit fährt oder auf das Klingeln wartet.

Dann wird sehr eindrucksvoll offensichtlich von Kindesprostitution erzählt, in dem Walt Disney Figuren auftanzen, von einem Herr Duck und einem Bertel die Rede ist und am Schluß ganz lapidar geschrieben steht, “daß die Wohnung in der Mecklenburgerstraße im März 1993 geräumt wurde und daß der Betreieber zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde.”

Der Osten, der Untergang der DDR und die Veränderung zur Marktwirtschaft mit ihren nächtlichen oder Nachtclubthemen wird thematisiert, etcetera.

Und Arnold Kraushaar, der mit den Wohnungsvermietungen und Freund vom Hans und anderen Protagonisten, auch AK genannt, was mich immer an die Arbeiterkammer erinnert, fährt in “Tokio im Jahre Null” fast surreal nach Japan, trifft dort die alte weißhaarige Frau Sansuri, die gut Deutsch spricht, Heine zitiert und trotzdem eine Geschäftskollegin ist, geht ins Kabuki-Theater etcetera.

In “Import/Export 90” denkt der alte Randy an seine Zuhälterkarriere zurück, wie das war wie er mit der Claudi und der Rosie mit dem Pommeswagen des Kuchenklaus in das Land der gefallenen Mauer gefahren ist und dort seine Dienste angeboten hat.

Nicht leicht zu lesen, wirklich nicht, dieser nicht chronologische, Geschichtenroman,in dem man erst spät in Verwicklungen der handelnden Prtagonisten AK, Hans Pieszeck hineinkommt aber eine schöne Sprache, ein schöner aber auch harter Sound, der wohl, als die Meyerische Spezialität gerechnet wird, die sich durch das Buch zieht, das eine Welt beschreibt, die den meisten Lesern von “Buchpreisromanen” wohl eher unbekannt ist, aber dennoch äußerst faszinierend ist und wofür Clemens Meyer, wenn schon nicht den dBp, dann doch den “Bremer Buchpreis bekommen hat und 2020 auch den “Klopstock-Preis”.

Mit hat das Buch trotz seiner teilweisen Unverständlichkeit weswegen ich auch sehr lange zum Lesen brauchte, gut gefallen.

Ob es den DBp verdient hätte, kann ich nicht sagen, habe ich von der LL- 2013 bis jetzt ja nur fünf Bücher gelesen, der “Frühling der Barbaren” von Jonas Lüscher, käme jetzt als nächstes dran, da jetzt aber die Neuerscheinungen kommen und mir Doris Kloimstein kürzlich den “Corona Fehlalarm?” von dem Ccorona kritischen Arzt Sucharit Bhakadi brachte, der mich themenbedingt natürlich sehr interessiert, weiß ich aber nicht, wann ich dazu komme.

Gewalten

Weiter geht es mit dem deutschen bzw. dem Leipzig lesen, denn ich habe mir ja für unseren Leipzig Kurzausflug zu Utes Geburtstagsfest Clemens Meyer “Gewalten-ein Tagebuch” mitgenommen, ein Buch, das ich mir bei unserem letzten Deutschland Urlaub, der Donauradreise von Ulm nach Regensburg, vor ziemlich genau einem Monat, bei diesem “Thalia Abverkauf” in Ulm  um einen Euro kaufte, dann mit dem Rad nach Regenburg und mit dem Zug zuerst nach Würzburg und schließlich nach Wien transportierte und zuerst auf eine viel spätere Leseliste setzte, es dann aber vorgezogen habe, denn in Leipzig ein Buch eines Leipziger Autors zu lesen, der noch dazu in dem kleinen Reclam-Stadtführer-Heftchen, als wichtiger Literaturvertreter angegeben war, passt ja gut.

Und von dem 1977 in Halle an der Saale geborenen Autor, der in Leipzig leben dürfte, habe ich schon einiges gehört. So hat er 2008 den “Preis der Leipziger Buchmesse” gewonnen. Sein  “Die Nacht, die Lichter” habe ich gelesen und weil ich ein wenig schlampig bin, habe ich nicht genau geschaut “Die Nacht der Lichter” geschrieben und dafür prompt eine Rüge des Autors abgefangen, der  sehr energisch sein dürfte, so war er ja auch 2013 für den dBp nominiert, bzw. auf der Shortlist und soll bei der Preisverleihung an Terezia Mora, wie ich hörte, ziemlich verärgert den “Römer” verlassen haben. Dafür hat er den “Bremer-Literaturpreis” gewonnen und in Leipzig bei der Messe tritt er auch regelmäßig auf, bzw. bloggt er darüber und wenn ich mich nicht irre, hat er dort auch sein “Gewalten-ein Tagebuch” vorgestellt, das 2012, bei S. Fischer erschienen ist und eine sehr interessante Textsammlung ist.

Elf Prosa Miniaturen, steht am Buchrücken, aha, also doch kein Tagebuch,wie der Umschlag denken lassen könnte? Aber so einfach ist es nicht, denn irgendwie hängen die Texte, die elf Geschichten, die alle. um das Jahr 2009 geschrieben worden sind, dafür hat Clemens Meyer auch eine Unterstützung bekommen, wie im Buch vermerkt steht, doch zusammen.

“Gewalten” ist die erste und man wird gleich hineingeschmissen, in die Gewalt des Lebens, beziehungsweise in die Psychiatrie und das Besondere an den Geschichten ist wohl auch, daß sie alle Ich-Erzählungen sind und einen Helden namens Clemens Meyer habenund dieser hat offenbar zuviel getrunken, hat randaliert und ist dann in die Psychiatrie-Notaufnahme gelandet, gefesselt, an der Wand fixiert, seiner Freiheit beraubt, etc.

Starker Tabak, eine starke Sprache, eine starke Geschichte. Nicht alle der elf Erzählungen  haben ein so einheitliches Thema, bei manchen monologisiert der Autor einfacher vor sich hin, trifft am Hauptbahnhof von Leipzig, den er ziemlich genau beschreibt, einen Bekannten, verliert seinen Hund, dem die letzte Geschichte gewidmet ist.

Der alte Hund, der sich an den vergorenen vom Baum herabgefallenen Kirschen Kirschen besäuft, kommt aber öfter vor, irrt sozusagen durch das Buch, wie der Autor Clemens Meyer, der auch einmal “German Amok” läuft und sehr viel von seiner Spiel-und Wettleidenschaft erzählt.

Ein Buch, das die Welt von unten schildert, ziemlich offen, ziemlich brutal und dann wieder viel an literarischen Wissen zu outen hat.

Eine starke Sprache, eine starke Stimme, die nicht nur Leipzig beschreibt, auch die Stadt M., beziehungsweise Berlin kommen vor und das sächsische Bergland wird auch aufgesucht.

Also doch ein Tagebuch, die Prosa Miniaturen des Jahres 2009, die aber auch von 2005 und viel mehr erzählen.

Eine interessante Stimme, die wie in der Beschreibung weiter steht “von Albträumen, jubelnder Euphorie, dem Wahnwitz der Zeit” und noch viel mehr erzählt und ein passendes Buch für ein Leipzig Sommerwochenende,  das ich ein bißchen durch Bayern schleppte und das wahrscheinlich auch zum Karl Heine Kanal und seinem ehemaligen Fabriksgelände passt.

Spannend ist es vielleicht auch diesen Miniaturen-Band mit Gabriele Wohmanns Kurzgeschichten zu vergleichen, die mich auf meiner vorigen “Deutschland-Tour” begleiteten.